Vorbereitet auf das Ende: Patientenverfügung

Evangelisches Frankfurt März 2011

Alle wissen, dass es kommt, doch niemand weiß, wie es sein wird, das Ende des Lebens. Aber wohl niemand will dann lange leiden, an einer Maschine hängen und doch dem Tod nicht entrinnen können. Der Gesetzgeber hat in letzter Zeit das Selbstbestimmungsrecht der Patienten und Patientinnen gestärkt. Seit 2009 ist die Patientenverfügung im Gesetz verankert. Darin kann man festhalten, welche Behandlung man wünscht oder ablehnt für den Fall, dass man sich selbst einmal nicht mehr äußern kann.

Doch Vorsicht: Der Patientenwille zählt, auch wenn er möglicherweise einer Heilung oder einer Linderung der Schmerzen entgegensteht. Bei Stiftung Warentest berichtet der Intensivmediziner Achim Jörres zum Beispiel von einem Patienten, der eine künstliche Beatmung generell ausgeschlossen hatte. „Zum Glück war er bei Bewusstsein, als er mit einer schweren Lungenentzündung qualvoll nach Atem rang.“ Er konnte die Verfügung widerrufen und wurde dann beatmet und erfolgreich behandelt.

Es ist also wichtig, sich vor dem Verfassen einer Patientenverfügung genau zu informieren. Eine Möglichkeit ist das Patientenseminar „Wie erstelle ich meine Patientenverfügung?” des Zentrums für Ethik in der Medizin im Markuskrankenhaus. Nicht nur Juristen, sondern auch Ärzte und Pflegepersonal stehen dabei für Fragen zur Verfügung. Es gibt auch eine DVD, die das Zentrum zusammen mit anderen Trägern erstellt hat.

Übrigens bedarf die Patientenverfügung keiner besonderen Form. Sie sollte aber genau beschreiben, für welche Situationen sie gilt – ob immer dann, wenn der Mensch nicht einwilligungsfähig ist, oder nur in den Fällen, in denen er sich „im Endstadium einer unheilbaren, tödlich verlaufenden Krankheit befindet, selbst wenn der Todeszeitpunkt noch nicht absehbar ist“. Diese Formulierung schlägt das Bundesjustizministerium vor. Die Anweisungen für die Behandlung und Pflege sollten so konkret wie möglich sein. Auch ein Hinweis zu Organspenden ist hilfreich.

Auf alle Fälle ist eine Vorsorgevollmacht sinnvoll, und zwar auch für junge Leute. Denn damit kann man selbst bestimmen, wer im Fall der Fälle über notwendige Maßnahmen entscheidet und – falls vorhanden – die Patientenverfügung auslegt.

Das Patientenseminar findet am Mittwoch, 27. April, von 15 bis 18.30 Uhr im Markuskrankenhaus, in der Wilhelm-Epstein-Straße statt (Aula). Eine Anmeldung ist notwendig unter Telefon 069 95332020 oder bei cornelia.berger@agaplesion.de (20 Euro). Die DVD kann dort für 5 Euro gekauft oder bei den angegebenen Adressen zuzüglich Porto bestellt werden.

Kurt-Helmuth Eimuth

„Gras wächst nicht schneller, wenn man an ihm zieht“

Evangelisches Frankfurt, März 2011

Wenn Lulu rebelliert und nicht mehr Klavier spielen will, hagelt es Strafen. Das Puppenhaus soll der Heilsarmee gespendet werden, wenn das Klavierstück am nächsten Tag nicht perfekt sitzt. Der Entzug des Mittag- und Abendessens sowie die Geburtstagspartys gleich für die nächsten vier Jahre gehören ebenso zum Strafenkatalog.

Die rabiaten Erziehungsmethoden der Yale-Professorin Amy Chua, bekannt als „Tigermama“, werden auch hierzulande diskutiert. Und jede Kindertagesstätte kann bestätigen, dass Eltern der aufstrebenden Mittelschicht schon hier Schulleistungen wie Lesen und Schreiben einklagen. Erfolg ist in der Wissensgesellschaft unabdingbar mit Bildung verknüpft. Alle Eltern wollen das Beste für ihr Kind. Doch was ist das Beste?

Bildung ist jedenfalls etwas anderes als Wissen. Bildung ist die umfassende Aneignung der Welt, sie umfasst musische und künstlerische Fähigkeiten ebenso wie soziale Kompetenz. Ein Kind, das unter enormem Druck aufwächst, kann sich kaum entfalten. Es kann Wissen abrufen, aber das vordringliche Gefühl wird doch eher Angst sein. Mit Angst kann das Kind aber nicht die Welt selbstbewusst erforschen, sich nicht die Welt neugierig aneignen. Dabei „arbeiten“ (wie es die Reformpädagogin Maria Montessori formuliert hat) Kinder ganz freiwillig, sogar hoch konzentriert und ausdauernd. Die 14 Monate alte Lisa zum Beispiel liegt auf dem Teppich und sortiert Plastikschüsseln. Sie versucht, die kleine Schüssel in die große zu stellen. Nicht einmal, auch nicht ein Dutzend mal, sondern immer und immer wieder – wenn man sie lässt. Oder Max, der erstmals eine schiefe Ebene betritt, besser: bekrabbelt. Er probiert es mit großer Hartnäckigkeit, und auch durch Misserfolge lässt er sich nicht von seinem Vorhaben abbringen.

Kinder erobern die Welt – sofort nach der Geburt. Ihre Energie, die Leistung ihres Gehirns, wird nie wieder so groß sein wie in den ersten zwölf Monaten. Und alle Kinder finden den für sie passenden Weg. Die einen krabbeln zuerst rückwärts, die anderen rollen sich mehr als dass sie krabbeln. Aber egal, wie: Am Ende werden sie alle laufen können.

Und so ist es auch auf ihrem weiteren Weg der Bildung. Kinder gehen unterschiedliche Wege in unterschiedlichem Tempo. Sie zu fördern, erfordert deshalb nicht Drill, sondern dass man ihnen Zeit lässt. Ein afrikanisches Sprichwort lautet: „Das Gras wächst nicht schneller, wenn man an ihm zieht.“ In diesem Sinne ist mehr Gelassenheit in der Erziehung angesagt. Denn nur glückliche Kinder können wirklich erfolgreich sein.

Kurt-Helmuth Eimuth

Virtueller Friedhof

Evangelisches Frankfurt
Februar 2011

Die Idee ist frappierend: Eines oder einer Verstorbenen virtuell zu gedenken. Keine Friedhofsgebühren, kein teurer Grabstein, keine echten Blumen, kein Zwang zur Grabpflege. Und zudem immer und von überall via Internet erreichbar. Für alle Welt einsehbar und auf ewig gespeichert. Kein Wunder, dass virtuelle Friedhöfe boomen.

www.memorta.com, ein aus den USA kommendes Internetportal, entstand schon in den 1990er Jahren und hat sich inzwischen auch in Deutschland etabliert. Es ist unbekannt, wie viele dieser Portale mit wie vielen Online-Gräbern es inzwischen gibt. Der nach eigenen Angaben größte Anbieter „ememorial“ behauptet, 170 000 Einträge zu haben.

Auf stilisierten Grabsteinen wird der Verstorbenen gedacht. Meist kann man nicht nur Bilder hinzufügen, sondern virtuelle Blumensträuße aufstellen oder eine Kerze anzünden. Dies wirkt optisch, gerade wenn es auf dem Bildschirm noch blinkt und flackert, oft ein wenig bizarr, geradezu kitschig. Und doch wird hier ernsthaft getrauert. Etwa wenn die Enkelin der Oma Gedichte postet. Oder wenn die Familie an Heiligabend einträgt: „Alles ist vorbereitet und wieder sehr feierlich, doch leider ist es ein Fest ohne dich. Unser Gesang wird nicht so klingen wie mit dir.“

Während sich die meisten Portale weltanschaulich neu-tral geben, firmiert www.geh-den-weg.de als interreligiöser Friedhof für Christen, Muslime und Buddhisten. Kurzinformationen über unterschiedliche Bestattungsbräuche und die Jenseitsvorstellungen ergänzen das Portal. Auch wenn die Hintergrundmusik Geschmackssache ist, überzeugt die Seite durch die Klarheit der Gestaltung. Auch Bilder und Filme können eingestellt werden.

Dagegen ist www.internet-friedhof.de ein schlechter Tipp. Nicht nur, weil die Seite grafisch schlecht gemacht ist und Werbung enthält. Gästeeinträge können hier auch ungefiltert Negatives enthalten. So wird etwa von der mit 23 Jahren verstorbenen Carolin Ebert alias „Sexy Cora“ aus der RTL-Show Big Brother gesagt, es geschehe ihr recht, „wenn sie hin ist“. Im realen Leben wäre das wohl unter Grabschändung einzusortieren.

Kurt-Helmuth Eimuth

„We shall overcome“

Andacht 28. 2. 2011

Kurt-Helmuth Eimuth

Lied: EG 452, Er weckt mich alle Morgen, 1-5

Votum:

Gegen die Furcht in unserem Leben

feiern wir heute die Kraft Gottes.

Gegen die Gleichgültigkeit und allen Hass in unserem Leben

feiern wir heute die Liebe Christi.

Gegen die Maßlosigkeit und die Gewalt in unserem Leben

feiern wir heute die verändernde Gegenwart des Heiligen Geistes.

„Denn Gott hat uns nicht den Geist der Furcht gegeben,

sondern den Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“

Psalm: 119, Nr. 748

Lied: EG 640, Lass uns den Weg der Gerechtigkeit 1-3

Ansprache

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in der Welt ist wieder etwas zu spüren von jenem Geist, der nicht mehr alles hinnehmen will. Von dem Geist, der das Böse überwinden will. Als ich über das Thema der heutigen Andacht nachdachte, ging es in den Medien noch über Stuttgart 21 und um die Auseinandersetzung um Hartz IV.

Und da war noch ein Geburtstag. Joan Baez, die große Figur des Kampfes um Bürgerrechte in den USA wurde Anfang des Jahre 70 Jahre alt. In ihrer Familie war der Einsatz für Frieden, Menschenrechte und sozialen Ausgleich selbstverständlich. Ihr Großvater war Mexikaner, er trat – was damals ungeheuerlich war –aus der katholischen Kirche aus und wurde in den USA evangelischer Pfarrer. Von dort ist er weitergezogen zu den Quäkern. Das ist eine sogenannte Friedenskirche, denn ihre Mitglieder verweigern aus grundsätzlichen Gründen den Wehrdienst. Den Quäkern gehörten auch die Eltern von Joan Baez an. Ihr Vater war Physiker, er lehnte mehrere gute Berufsangebote ab, weil er nicht für die Rüstungsindustrie arbeiten wollte. Frieden, soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte – diese Themen umgaben Joan Baez also von klein auf. Und sie hat sie sich zu Eigen gemacht. Als Folksängerin sang sie für gleiche Rechte für Schwarze und Weiße – und gegen Gewalt. Ihre Stimme stand immer für gewaltlosen Widerstand, egal ob es um die Rechte von Arbeitern ging, um ein Ende des Vietnamkrieges, um eine Aussöhnung zwischen den Parteien das kalten Krieges oder später auch gegen die Diskriminierung von Homosexuellen.

We shall overcome – dieses Lied steckt voller Gefühle. Kampfgeist scheint darin auf und Trotz. Zuversicht, aber auch Traurigkeit – und ein tiefes Gottvertrauen:

Die zweite Strophe der Originalversion lautet: „Gott der Herr wird uns gut hindurchgeleiten. Gott der Herr wird uns gut durchbringen – eines Tages. Tief in meinem Herzen bin ich mir sicher, dass wir es eines Tages überwinden werden.“

Das Lied ist wie eine Quelle, aus dem viele Menschen ihr Vertrauen in Gottes gutes Geleit schöpfen. Und daraus schöpfen sie auch die Kraft zu kämpfen für ein besseres Leben und eine bessere Welt.

Was sie im Innersten antrieb, das bündelte sie in einem Lied: „We shall overcome“. “

Wir werden es überwinden. Eines Tages werden wir es überwinden. Tief in meinem Herzen bin ich mir sicher, dass wir es eines Tages überwinden werden.

Lassen Sie uns gemeinsam die ersten drei Strophen singen. 636 1-3

We shall overcome – dieses Lied steckt voller Gefühle. Kampfgeist scheint darin auf und Trotz. Zuversicht, aber auch Traurigkeit – und ein tiefes Gottvertrauen:

Die zweite Strophe der Originalversion lautet: „Gott der Herr wird uns gut hindurchgeleiten. Gott der Herr wird uns gut durchbringen – eines Tages. Tief in meinem Herzen bin ich mir sicher, dass wir es eines Tages überwinden werden.“

Das Lied ist wie eine Quelle, aus dem viele Menschen ihr Vertrauen in Gottes gutes Geleit schöpfen. Und daraus schöpfen sie auch die Kraft zu kämpfen für ein besseres Leben und eine bessere Welt.

Das taten schon Generationen vor Joan Baez. Denn das Lied wurde bereits 1901 komponiert. Als Gospel in der Tradition der religiösen Sklavenlieder. Geschrieben hat es Charles Tindley, ein Arbeiterpfarrer im Süden Amerikas, wo die Schwarzen als Sklaven hatten schuften müssen auf Plantagen oder in Bergwerken. Und wo sie auch im Jahr 1901 und lange danach noch Menschen zweiter Klasse waren. Ursprünglich hieß das Lied „I will overcome“ – ich werde es überwinden. Aber was es zu überwinden gab, das wurde in dem Lied gar nicht gesagt. So konnte jeder einzelne das eintragen, was ihn gerade umtrieb.

Wer vor Armut nicht mehr wusste, wie es weitergehen sollte, der konnte mit dem Lied gegen seine Armut ansingen: Gott der Herr wird mich da hindurch geleiten. Ich werde sie überwinden.

Wer an einer schweren Krankheit litt, der konnte mit dem Lied all seinen Kampfgeist hineinlegen und singen: Ich werde die Krankheit überwinden. Gott der Herr wird mich da hindurch führen.

Wer gerade einen lieben Menschen verloren hatte, der konnte in das Lied all seine Trauer hineinlegen und singen: Ich werde die Trauer überwinden. Gott der Herr wird mich darin nicht hängen lassen.

Und wer nur mit großen Sorgen in die Zukunft eines neuen Jahres blicken konnte, der konnte sich mit dem Lied Mut zusingen: Ich werde die Sorgen überwinden. Gott der Herr wird mich durch das Jahr hindurch geleiten.

Auf diese Weise haben viele Sängerinnen und Sänger das Lied durch die Zeiten getragen und umgekehrt: Es hat sie durch die Zeiten getragen.

Bei einer Gewerkschaftsaktion entdeckte 1947 auch der bekannte Folksänger Pete Seeger das Lied. Er veränderte das ICH zum WIR, fügte noch einige Strophen hinzu und machte es berühmt. So kam es auch zu Joan Baez. Durch sie und viele andere wurde das Lied zur Hymne der Bürgerbewegungen in den USA und der ganzen westlichen Welt. Heute steht es bei uns im Gesangbuch.636

„We shall overcome“ – das ist ein Lied für Ergriffene. Es spricht zu Menschen, die wissen, was sie verbindet, und die einen gemeinsamen Traum haben. Und Gegner, die diesen Traum bedrohen. Kein Wunder, dass das Lied nun auch in Deutschland wieder gesungen wird: In Stuttgart, bei Andachten von Gegnern des Bahnhofprojekts Stuttgart 21.

We shall overcome“ Strophe 4 bis 7

Wir gehen Hand in Hand – eines Tages.

Schwarz und Weiß zusammen – eines Tages.

Wir werden in Frieden leben – eines Tages.

Ist das ein Lied gegen Rassisten, Kriegstreiber, Ausbeuter oder andere Finsterlinge? Nein, es ist eher ein Lied für Frieden, Gerechtigkeit und sozialen Ausgleich. Für Ziele und nicht gegen Menschen. Das ist ein wichtiger Unterschied.

Und diesen wichtigen Unterschied macht auch der Satz, der uns in diesem Jahr als Jahreslosung begleitet. „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ Geschrieben hat ihn der Apostel Paulus. Und er teilt damit die Welt eben nicht in gute und böse Menschen auf. Er spricht nicht von den Guten und den Bösen, sondern von dem Guten und dem Bösen. Und was das jeweils genau ist, darin stimmen Paulus und Joan Baez überein.

Das Gute, das sind die Kräfte, die uns für einander Respekt und Mitgefühl empfinden lassen. Die uns bescheiden und gastfreundlich machen. Und die uns zu Botschaftern des Friedens machen.

Und das Böse, das sind die Kräfte, die Menschen dazu verleiten, anderen zu schaden oder sie gar zu vernichten. Es ist nicht immer leicht, beides auseinander zu halten. Der Alltag lässt sich eben nicht so einfach in schwarz und weiß aufteilen. Es gibt viele Schattierungen dazwischen.

Doch gerade deshalb ist eine solche Mahnung wichtig. Sie enthält ein anzustrebendes Prinzip.

Für das Böse ist jeder Mensch anfällig, auch der scheinbar Friedfertigste und Gutmütigste. Für das Gute auch. Beides ringt in jedem Menschen miteinander.

„Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ Eine anspruchsvolle Aufforderung. Die uns aber auch Mut macht, so wie das Lied im Laufe seiner Zeit vielen Menschen Mut gemacht hat. We shall overcome. Ich bin froh und bedanke mich ganz herzlich bei den Kolleginnen aus dem Arbeitsbereich, dass sie bereit waren uns zu so früher Stunde das Lied nochmals a capella zu singen.

Lied

Mitteilungen.

Gebet:

Gott, erleuchte und bewege uns

leite und begleite uns mit deiner befreienden Kraft.

Wir bitten dich um Augen, die hellsichtig sind

für Zeichen der Not, für Winke zum Helfen.

Wir bitten dich um Fingerspitzengefühl

im Umgang mit schwierigen Menschen;

um ein gutes Gedächtnis für die Sorgen, die uns jemand anvertraut hat,

und für Dinge, die wir zu tun versprochen haben.

Wir denken an andere, die mit schweren Lasten ihre Wege gehen.

Lass sie unter uns Menschen finden, die sie zum Sprechen bringen.

Wir denken an andere, die dem Frieden und der Versöhnung

nichts zutrauen.

Lass sie erfahren, wie Misstrauen gemindert

und Befreiung erlebt werden kann.

Wir denken an Menschen, die Zwang aushalten müssen

in der Familie, im Beruf, in ihren politischen Verhältnissen.

Lass uns Freundin oder Freund werden, die ihnen den Rücken stärken

und mit ihnen Wege zur Befreiung suchen.

Wir danken für die Freiheit Jesu Christi,

die gegen die Ängste in unserer Welt aufsteht.

Lass uns in diesem Geist miteinander leben.

In der Stille fügen wir hinzu was unausgesprochen blieb.

Mit den Worten, die Jesus Christus uns gelehrt hat beten wir:

Vater unser im Himmel,

geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme,

Dein Wille geschehe,

wie im Himmel so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Segen:

Geht in diesen Tag, in diese Woche mit dem

Segen unseres Gottes:

Der Segen

und die Güte Gottes

führe uns

von der Ungerechtigkeit

zur Gerechtigkeit.

Der Segen

und die Güte Gottes

führe uns

von den Ersten

zu den Letzten.

Der Segen

und die Güte Gottes

führe uns

vom Krieg

zum Frieden.

Amen.

Lobenswertes Engagement – Dekanat Rodgau zeichnet Gemeinden aus

Evangelische Kirchenzeitung 27. Februar 2011

Das Aus für die Zivis

In vielen Gemeinden wird man sie vermissen
Evangelisches Frankfurt Februar 2011

Im Kindergarten der Gemeinde Cantate Domino hat man schon Abschied genommen von den „Zivis“. Seit 1984 hatte man Zivildienststellen in den drei Kindergruppen und in der Küche vorgehalten. Jetzt arbeitet der letzte Zivildienstleistende in dieser integrativen Einrichtung in der Nordweststadt – noch bis Mai. Mit der Aussetzung der Wehrpflicht wird auch der Zivildienst zum 1. Juli abgeschafft. Allerdings, sagt Kita-Leiterin Helga Krämer, habe schon die Verkürzung des Zivildienstes auf sechs Monate die Einsatzmöglichkeiten stark beschränkt: „Und von den sechs Monaten gehen noch Lehrgänge und Urlaub ab.“

Eine wirkliche Beziehung zu den Kindern lässt sich in dieser Zeit nur schwer herstellen. Deshalb versucht man in der Nordweststadt schon seit einigen Jahren, zwei der vier Stellen mit jungen Menschen im „Freiwilligen sozialen Jahr“ (FSJ) zu besetzen. Doch „FSJler“ sind rar. Zudem will man gerne welche, die mindestens 18 Jahre alt sind und möglichst Männer, die das Team der Kita ergänzen. „Männliche Bezugspersonen zu haben, ist wichtig“, sagt Helga Krämer. „Die Identifikationsmöglichkeit wird fehlen.“

Lieve Van den Ameele, Pfarrerin in Fechenheim, schätzt an den Zivildienstleistenden in der Gemeinde ihre unterschiedlichen Fähigkeiten. Der jetzige ist gelernter Kfz-Mechaniker. Mit seinem technischen Verstand hilft er der Gemeinde über manche organisatorische Klippe hinweg. Wie es in der gemeindlichen Arbeit weitergehen soll, weiß Van den Ameele auch nicht. Der Zivi hilft Älteren beim Einkaufen, übernimmt Hausmeisterdienste oder ist in der Kindertagesstätte eingesetzt. „Wie wir das anderweitig machen sollen, ist offen. Ein-Euro-Kräfte gibt es ja auch immer weniger“, stellt Van den Ameele fest. Eine konkrete Auswirkung hat die Angelegenheit schon jetzt. Die Einladung zum Kindergottesdienst wird es nur noch per E-Mail geben. Denn der Zivi kann das Austragen in die Briefkästen nicht mehr übernehmen.

Ob und wie der von der Politik diskutierte Freiwilligendienst ein Ersatz in den zahlreichen sozialen Arbeitsfeldern sein kann, wird sich also erst noch herausstellen müssen. Es ist aber wahrscheinlich, dass für die zahlreichen Einsatzstellen in der Altenpflege, im Krankenhaus, im Rettungsdienst oder eben auch in Kirchengemeinden, an denen bisher Zivildienstleistende eingesetzt waren, sich nicht genügend Freiwillige finden werden.

Kurt-Helmuth Eimuth

EU-Projekt: Mehr Erzieher in Kitas

Evangelisches Frankfurt Februar 2011

„Mehr Männer in die Kitas“ heißt ein neues Projekt der Europäischen Union. Allein in Deutschland werden 16 Millionen Euro verteilt. Mit dabei sind auch die Frankfurter evangelischen Kitas. Mag sein, dass dieses Bild in der ein oder anderen Familie schon nicht mehr stimmt, aber auf die Kindertagesstätten trifft es doch zu: Kindererziehung ist Frauensache. Lediglich zwei von hundert pädagogischen Kräften sind männlich.

Mit dem neuen Projekt „Mehr Männer in Kitas“ will man aber keinesfalls den Macho als Identifikationsfigur in die Kitas holen. Vielmehr kommt es darauf an, die Vielfalt von Interessen und Fähigkeiten auch im Personal abzubilden. Im Material des Projektes heißt es: „Viele Männer interessieren sich für andere Themen und Aktivitäten als die, die in Kindergärten bislang üblich sind, und es wäre klug, sich dafür zu öffnen. Die pädagogischen Angebote und Aktivitäten von Kindergärten sind oft sehr traditionell und entlang der Bedürfnisse und Interessen von Frauen gestaltet.“

Ein Mann, der zum Beispiel Lust hat, eine kleine Werkstatt mit richtigen Werkzeugen und Ausrüstung einzurichten, würde den Kindern neue Herausforderungen und Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Natürlich können Profil, Inhalt und Kultur von Kindergärten auch dann variieren, wenn ausschließlich Frauen dort arbeiten. Die Sozialanthropologin Hilde Liden hat jedoch festgestellt, dass sich die Erwachsenen nicht so gerne körperlich betätigten, wie es von den Jungen erwartet wurde. Tendenziell sei den Jungen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. Dies schränke die Möglichkeiten von Mädchen und Jungen ein, ihre Geschlechtsidentität zu entwickeln.

Eine besondere Innovation wurde in Frankfurt entwickelt: Junge Männer, die sich für den Beruf des Erziehers interessieren, stehen oft vor dem Problem, dass sie kaum Möglichkeiten haben, mit anderen Gleichgesinnten Kontakt aufzunehmen. Deshalb, so das Konzept aus dem Arbeitsbereich Kindertagesstätten im Diakonischen Werk für Frankfurt, sollten Erzieher das Internet nutzen.

Zentrales Medium soll ein Blog werden, in dem sie ihren Alltag – auch anonym – diskutieren können. Auf diese Weise können Männer Ansprechpartner für ihr Probleme in einem „Frauenberuf“ finden. Für den Verbleib in dem Beruf ist eine solche Rollenreflektion unabdingbar notwendig.

Kurt-Helmuth Eimuth

„Supervielfalt“ auch in Kitas

Fachtag: Evangelische Erzieherinnen diskutieren über ihr Profil

Evangelisches Frankfurt Dezember 2010

Über ihr eigenes „Profil in der Supervielfalt“ dachten 120 Erzieherinnen aus den rund hundert Frankfurter evangelischen Kindertagesstätten bei einem Fachtag in der Gethsemanegemeinde nach. „Supervielfalt“ ist ein Begriff aus dem neuen Integrationskonzept der Stadt. Er solle eine neue Perspektive eröffnen, betonte Eva Maria Blum vom Amt für multikulturelle Angelegenheiten: Menschen aus 172 Nationen leben in der Stadt. Die Zahl der gesprochenen Sprachen liege noch höher. Doch „Supervielfalt“ zeige sich nicht nur in der Vielzahl der Nationen, sondern auch an den Lebensumständen. Der Leiter des Arbeitsbereichs Kindertagesstätten, Kurt-Helmuth Eimuth, bezeichnete Zuwanderung und religiöse Vielfalt als „Normalfall“ in den Kitas. „In zahlreichen Einrichtungen sind die Kinder mit christlichem Hintergrund in der Minderheit.“ Zwei Drittel der 2006 geborenen Frankfurter Babies seien „deutsche Staatsbürger mit einer zweiten oder dritten Staatsbürgerschaft“, die sie von ihren Eltern geerbt haben. Deutlich weniger als die Hälfte gehören einer christlichen Religion an.

Für Pfarrer Michael Frase, den Leiter des Diakonischen Werks für Frankfurt, sind Kitas ein „Seismograph für gesellschaftliche Veränderungen“. Die evangelische Kirche müsse den Dialog „in der Vergewisserung der eigenen Tradition, einer Tradition der Freiheit“ suchen.

truk

„Bildung muss zweckfrei sein“

Gesine Schwan sprach in der Evangelischen Stadtakademie
Evangelisches Frankfurt Dezember 2010

„So viel schlauer und fleißiger als ich kann Herr Ackermann nicht sein, um den Einkommensunterschied zu begründen.“ Mit anschaulichen Beispielen zog die ehemalige Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin und Präsidentin der Humboldt-Viadrina School of Governance in Berlin, Gesine Schwan, ihre Zuhörer und Zuhörerinnen in der Evangelischen Stadtakademie in ihren Bann. Es war spürbar, dass hier jemand spricht, die mitten unter uns lebt.

Schwan war eingeladen, um über „Talentförderung oder Elitebildung?“ zu sprechen. Sie betonte die Notwendigkeit, extreme Einkommensunterschiede zu vermeiden. Der Staat habe für eine materielle Grundsicherung zu sorgen. Bildung und Ausbildung müssten immer die Gerechtigkeit im Blick haben. Kein gutes Haar ließ Gesine Schwan am derzeitigen Bildungssystem. Der Vorrang des ökonomischen Prinzips habe die Erkenntnis verdrängt, dass Bildung zweckfrei sei. Bildung werde auf schnell verwertbares Wissen reduziert. Komplizierte Zusammenhänge könnten so nicht mehr ergründet werden: „Damit verkümmert eine Kultur der Begründung.“ Zudem „wissen wir heute nicht, was wir in 25 Jahren wissen wollen“, führte Schwan aus. Als Zeichen des Versagens wertete sie, dass über 70 000 Schüler und Schülerinnen pro Jahr die Schule ohne Abschluss verlassen: „Das dreigliedrige Schulsystem selektiert zu früh und zu hart.“

Auch wenn Bildung heute scheinbar ganz oben auf der politischen Agenda stehe, würden gemessen an der wirtschaftlichen Leistungskraft die Ausgaben für Bildung in Deutschland sinken. Gesine Schwan plädierte für ein Bildungsverständnis, das Selbstvertrauen, Neugier und Geduld zum Lernen beinhaltet. Dabei habe die Familie eine hervorgehobene Bedeutung: Bildung brauche Vertrauen. Bildung beginne im Mutterleib. Gesine Schwan plädierte für reduzierte Arbeitszeiten in der Familiengründungsphase: „Die Zukunft gehört partnerschaftlichen Familien, in denen beide sich um die Kinder kümmern.“

Selbstvertrauen und Selbstachtung seien zwei Grundhaltungen, die es zu vermitteln gelte. Man solle Schülerinnen und Schüler ermutigen und ihre jeweiligen Kompetenzen sehen.So gelte es, die Zweisprachigkeit der Einwanderer zu fördern. Dieses Potential helfe auch der Wirtschaft. An der Bildung entscheide sich, „wie wir zusammen leben wollten“, ob in Konkurrenz oder in einer Kultur der Gemeinsamkeit.

Kurt-Helmuth Eimuth

Unter strengen Regeln

Blick hinter die Kulissen der Zeugen Jehovas
Evangelisches Frankfurt Dezember 2010

Einen Blick hinter die Kulissen der Zeugen Jehovas vermittelt das Buch „Mara im Kokon“, das die Selbsthilfeinitiative „Sinus“ gemeinsam mit der Autorin Barbara Kohout in Frankfurt vorstellte. Sechzig Jahre lang war Kohout Mitglied der „Wachturmgesellschaft“. Sie beschreibt, wenn auch erzählerisch verfremdet, den Alltag in der Sekte.

So verhinderte sie die Freundschaft ihrer Tochter mit einer Klassenkameradin: „Es waren ‚Weltmenschen‘ und somit also schlechter Umgang.“ Als die Tochter einen jungen Mann kennenlernte, der kein Zeuge Jehovas war, und es zu angeblichen „sexuellen Verfehlungen“ kam, denunzierte die Mutter das eigene Kind bei den Ältesten. Die Jugendliche musste sich vor dem Rechtskomitee der Zeugen Jehovas verantworten.

Heute spricht kein Zeuge Jehova mehr mit Barbara Kohout. „Ich werde tot geschwiegen.“ Selbst das eigene Enkelkind, noch in der Sekte, mochte die Großmutter bei Facebook nicht als „Freundin“ akzeptieren. „Gemeinschaftsentzug“ nennt man diese Praxis.

Das Buch „Mara im Kokon“ (Engelsdorfer Verlag, 14,95 Euro) sei „ein leidenschaftliches Plädoyer für Gewissensfreiheit“, sagte der Weltanschauungsbeauftragte des Bistums Limburg, Lutz Lemhöfer. Die Wachturmgesellschaft hat in Deutschland etwa 160 000 Mitglieder und ist in einigen Bundesländern, darunter auch Hessen, als Körperschaft des Öffentlichen Rechts anerkannt.

Kurt-Helmuth Eimuth