Archiv für 18. November 2021

Der Muezzin-Ruf gehört wie die Kirchenglocken zu Deutschland

von Kurt-Helmuth Eimuth 18. November 2021

In Köln dürfen islamische Gemeinden jetzt offiziell einen Muezzin-Ruf zum Freitagsgebet per Lautsprecher senden. Das ist auch richtig so.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Die Stadt Köln hat islamischen Gemeinden einen Muezzin-Ruf zum mittäglichen Freitagsgebet per Lautsprecher erlaubt. Zehn Gemeinden bekundeten Interesse. In der islamischen Welt kündigt der Ruf des Muezzins vom Minarett, dem Turm der Moschee, die Zeit zum Gebet an. Fünf Gebete Richtung Mekka am Tag schreibt der Koran vor, das Gemeinschaftsgebet der Männer in der Moschee ist nur freitags Pflicht. Eigentlich bedarf es hierzu gar keiner Erlaubnis, da es als Teil der grundgesetzlich garantierten Religionsfreiheit angesehen wird.

In Deutschland leben schätzungsweise über fünf Millionen Muslime. Deshalb ist es sicher ein Zeichen von Toleranz, wenn der Muezzin-Ruf ebenso wie das christliche Glockengeläut ermöglicht wird. Die Frankfurter Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg weist darauf hin, dass das Bundesgesetz beim Gebetsruf des Muezzin, wie auch bei Kirchenglocken, kein Genehmigungsverfahren vorsieht. Bislang beabsichtige aber wohl keine Moscheegemeinde in Frankfurt, einen Muezzin-Ruf einzuführen. In Offenbach übrigens auch nicht. Nur während des Versammlungsverbotes in der Corona-Pandemie hatten einige Moscheegemeinden um Genehmigung gebeten, manche, unter anderem die in Frankfurt-Hausen, haben den Ruf auch ertönen lassen. Von Beschwerden ist nichts bekannt geworden. „In Frankfurt gibt es ein friedliches und nachbarschaftliches Miteinander – gerade dort, wo sakrale Gebäude stehen“, sagt Bürgermeisterin Eskandari-Grünberg, die auch Dezernentin für Diversität, Antidiskriminierung und gesellschaftlichen Zusammenhalt ist.

Auch Kirchenglocken können als störend empfunden werden. Erst kürzlich musste ein Gericht sich mit der Klage einer Nachbarin der evangelischen Kirche in Merzhausen bei Usingen beschäftigen. Sie fühlte sich gestört. Die Glocken dürfen aber weiterhin zum Gottesdienst rufen. Glockengeläut wird von vielen auch als eine Form akustischer Beheimatung empfunden. Wenn sich die 50 Glocken der zehn Frankfurter Innenstadtkirchen im Geläut vereinen, lockt das immer Tausende an. Das Große Stadtgeläut erklingt am Samstag vor dem 1. Advent, 27. November, um 16.30 Uhr, sowie am Heiligen Abend, 24. Dezember, um 17 Uhr.

Wer nicht warten kann, verliert das Gespür fürs Besondere

von Kurt-Helmuth Eimuth 12. November 2021

Weihnachtskitsch schon Mitte November? Pandemiebedingt beginnen die Adventsmärkte in diesem Jahr teilweise schon Mitte November. Dabei kommt nicht nur das Gedenken am Totensonntag unter dir Räder. Es macht die Märkte auch beliebig.

Lydia Hinton/Unsplash.com
Lydia Hinton/Unsplash.com

Warten, Abwarten ist eine Tugend. Zumindest in England. Bei uns herrscht eher das Gedrängel im Gedrängel. Und klar, an der Kasse nebenan geht es doch schneller.

Uff, und da kommt der Advent daher. Diesmal kalendarisch bedingt schon sehr früh. Am 28. November ist schon der 1. Advent. Der Beginn der Ankunftszeit, sozusagen die letzten vier Wochen der Schwangerschaft. Man fiebert der Geburt entgegen. In diesem Jahr haben wir beim Holzkünstler eine schwangere Maria bestellt. Dass wir all die Jahre darauf nicht kamen? Warten auf das Kind, das noch im Bauch der Mutter ist.

Dieses Warten drücken auch die vier Adventskerzen aus. Ursprünglich hatte Johann Hinrich Wichern 24 Kerzen auf ein großes Wagenrad geklemmt. Man schrieb das Jahr 1839. Für die Kinder im Rauhen Haus in Hamburg, ein Kinderheim, sollte so das Warten erträglicher werden. Den Kranz hängte Wichern im Betsaal des Waisenhauses auf. Er hatte 19 kleine rote und vier dicke weiße Kerzen. Jeden Tag wurde eine neue Kerze angezündet – eine kleine für die Werktage, eine große für die Advents-Sonntage. Die Kinder wussten also immer, wie viele Tage es noch bis Weihnachten sind. Einen netten Nebeneffekt hatte der Kranz auch: Die Kinder lernten wie nebenbei das Zählen.

Die Idee ist so einfach wie genial und eroberte deshalb schnell die Welt. Nur das mit dem Wagenrad war in kleinen Wohnungen doch eher unpraktisch. Vier Adventskerzen für die Sonntage ist schon lange die bei uns übliche Sparversion.

Warten können wir aber trotzdem nicht. Überall müssen viele Lichter her, hoffentlich dem Klima zuliebe in LED-Technik. Und weil uns das Warten so schwerfällt, sollen auch die Weihnachtsmärkte möglichst früh aufmachen. Also zumindest vor dem 1. Advent. In Frankfurt will man immerhin noch den Totensonntag, den Ewigkeitssonntag abwarten, dieses Jahr am 21. November. Doch dann soll es gleich am Montag losgehen. Früher wartete man wenigstens bis zum Mittwoch, denn eigentlich soll die Woche nach dem Totensonntag dem Gedenken gewidmet sein. Aber nach all dem wirtschaftlichen Stillstand wegen der Pandemie soll es möglichst schnell losgehen mit dem Verkauf von Glühwein und Bratwurst, von Engeln und Zuckerwatte.

Während Frankfurt noch halbwegs am christlichen Jahreskreis festhält, ist man in anderen Städten noch forscher. In Offenbach und Darmstadt sollen die Weihnachtsmärkte schon am 15. November öffen, in Gießen am 18. November. Hoffentlich hilft es wenigstens der notleidenden Schausteller-Branche.

Aber es geht eben auch etwas verloren. Wer das Besondere, den Festtag, zum Alltäglichen macht, spürt nicht mehr die Freude auf diesen einen Tag. Dann wird eben auch der Weihnachtsmarkt nur noch ein Markt neben vielen anderen Märkten sein. Das Besondere braucht die Einzigartigkeit, auf die man sich beim Warten freuen kann. Das ist immer so, egal ob es aus religiösen oder traditionellen Gründen geschieht.

Denkanstöße: Drei Minuten, die sich lohnen

von Kurt-Helmuth Eimuth 12. November 2021

Die Texte des Frankfurter Pfarrers Helwig Wegner-Nord geben kurzweilige Denkanstöße zu unterschiedlichen Themenkomplexen.

Helwig Wegner-Nord: Ohne Himmel ist die Erde ziemlich grau. Denkanstöße - Hoffnungstexte - Glaubenswelten. Verlagshaus Speyer, 11,90 Euro.
Helwig Wegner-Nord: Ohne Himmel ist die Erde ziemlich grau. Denkanstöße – Hoffnungstexte – Glaubenswelten. Verlagshaus Speyer, 11,90 Euro.

Es gibt ja zahlreiche christliche Lebenshilfebücher. Gerne auch zu einem Anlass, wie runde Geburtstage oder Krankheit. Meist mit eindringlichen Bildern, die die Schönheit der Natur sinnlich abbilden. Nichts von dem hat das Buch des Frankfurter Pfarrers Helwig Wegner-Nord. Es setzt ganz auf das Wort. In 130 engbedruckten Seiten sind seine Denkanstöße, oder wie er es nennt, „Hoffnungstexte“, gebündelt.

Man merkt den Beiträgen an, dass sie ursprünglich für das Radio oder das Fernsehen konzipiert waren. Der Autor war lange als Sprecher des „Wortes am Sonntag“ in der ARD tätig. So entstand ein Buch, das man keineswegs am Stück durchlesen muss, auch wenn es Spaß macht, die vielen unerwarteten theologisch-philosophischen Wendungen zu entdecken. In sieben Themenblöcke gegliedert finden sich Einzeltexte, die gut als Denkanstoß für den Tag genutzt werden können. Mit Wegner-Nord durch das Jahr wäre nicht die schlechteste Idee.

Es sind vor allem unverhoffte Wendungen und unbekannte Hintergründe, die Wegner-Nord in durchaus humorvoller Weise darbietet. Etwa wenn er darauf hinweist, dass der biblische Adler eigentlich doch ein Geier gewesen sei, und warum er doch lieber beim Bild des Adlers bleibt. Wie frei der Autor in seinen Gedanken ist, zeigt etwa der Wunsch, der Bibel noch ein Kapitel hinzuzufügen. Ein Kapitel vom weinenden Gott, denn ein weinender Gott sei ein starker Gott. Aber es geht auch um aktuelle Ereignisse: Um Pandemie, um Rassismus, um Erziehung oder auch Qualitätsmanagement.

Selbst beim Thema Tod findet der Autor einen leichten Zugang, wenn er von dem Selbstbau-Sarg erzählt, den man zunächst auch als Schrank nutzen könne. Es sind diese überraschenden Verknüpfungen, die den Reiz des Buches ausmachen. Man ahnt gelegentlich, welche Mühe hinter mancher Recherche steckt. Etwa wenn er von der Jesus-Christus-Echse erzählt, die tatsächlich so heißt, weil sie übers Wasser laufen kann.

Fazit: Ein Buch mit zahlreichen äußerst kurzweiligen Denkanstößen zu unterschiedlichen Themenkomplexen. Drei Minuten reichen hierfür aus. Drei Minuten, die sich lohnen.