Archiv für 26. Februar 2012

Eimuths im Städel

Foto: Eimuth

Appetithäppchen – 500 Jahre Kirchenmusik

500 Jahre Kirchenmusik an Beispielen

Als Appetithäppchen für das Jahr der Kirchenmusik hat Georg Magirius dieses kleine Buch zusammengestellt. 500 Jahre Kirchenmusik auf nur 48 Seiten unterzubringen ist sicher kein leichtes Unterfangen, zumal in einem Band, der auch mit Bildern und Grafiken Lust auf mehr macht.

Martin Luther steht natürlich am Anfang. Für ihn ist das Evangelium eine „gute Botschaft, davon man singet und saget und fröhlich ist“. Deshalb dichtet und komponiert er selbst. Neben Luther greift der Autor die wichtigsten Künstler heraus, die jeweils stellvertretend für eine Facette der Kirchenmusik stehen: Heinrich Schütz vertritt die Chormusik, Paul Gerhardt die Dichtung. Bei der Darstellung von Johann Sebastian Bach liegt der Schwerpunkt auf seinen Orgelwerken. Johannes Kuhlo findet wegen seiner Posaunenarbeit Beachtung, und der Frankfurter Texter Friedrich Karl Barth schließlich steht für die Moderne.

Friedrich Karl Barth hat in den 1970er Jahren die Frankfurter Beratungsstelle für Gottesdienste im Haus am Weißen Stein in Eschersheim geleitet. Zahlreiche seiner Lieder haben Eingang in das Evangelische Kirchengesangbuch gefunden, darunter Hits wie „Komm bau ein Haus“, „Brich mit den Hungrigen dein Brot“, „Wir strecken uns nach Dir“ und das wohl am meisten gesungene Tauflied „Kind, du bist uns anvertraut“.

Gemeinsam mit Peter Janssens war Barth an der Entwicklung einer neuen kirchlichen Musiksprache wesentlich beteiligt. Es war auch Friedrich Karl Barth, der mit der Form der Liturgischen Nacht den damals darbenden Kirchentag wiederbelebte.

Georg Magirius lässt, so der Verlag, „seine Texte leicht dahinfliegen. Sie informieren ohne je belehrend zu sein.“ Dem kann man nur zustimmen. Mit dieser Reihe haben Verlag und Autor Maßstäbe für ebenso ansprechend wie informative kleine Bände gesetzt, die sich auch gut zum Verschenken eignen.

Georg Magirius: Meister der Kirchenmusik, 48 Seiten, mit zahlreichen farbigen Abbildungen. Agentur des Rauhen Hauses 2012, gebundene Ausgabe 4,99, Taschenbuch 3 Euro.
Kurt-Helmuth Eimuth

Viele kleine Gruppen mit sektenähnlichen Zügen

Neuer Vorstand für Anti-SektenvereinSinus Vorstand

Nach Ansicht des neuen Vorsitzenden des Anti-Sektenvereins SINUS konnte zwar in den letzten Jahren das Wirken der Großsekten eingedämmt werden, aber es seien weiterhin zahlreiche kleine Anbieter von Heilslehren mit sektenhaften Strukturen unterwegs. „Scientology als totalitäres System ist weitgehend eingedämmt aber es gibt eben viele Anbieter, die eher ihr eigenes Wohlergehen als das ihrer Anhänger im Sinn haben“, sagt der Conny von Schumann, Vorsitzender von SINUS- Sekteninformation und Selbsthilfe Hessen e.V. Als Beispiel benannte der Sozialpädagoge die Angebote des Esoterik-Marktes. Die ebenfalls neu gewählte stellvertretende Vorsitzende Marion Eimuth hob die Bedeutung der Beratungsaktivität von SINUS hervor. SINUS gelingt es, Betroffene und deren Angehörige zu beraten. Dies sei um so erstaunlicher, da der Verein seit zwei Jahrzehnten ausschließlich vom ehrenamtlichen Engagement seiner Mitglieder lebe. Marion Eimuth weiß als Pfarrerin im Schuldienst wie wichtig die Informations- und Aufklärungsarbeit ist.

Evangelisches Frankfurt Februar 2012

 

Kirche 2030: Weiblich, kommunikativ und fromm

Kirche 2030: Weiblich, kommunikativ und fromm

Die Prognose ist einfach: Die Zahl der Kirchenmitglieder wird in den kommenden Jahren massiv zurückgehen. Vor allem die Demographie sorgt dafür – es sterben mehr Evangelische, als getauft werden. Sicher wird es in Frankfurt nicht soweit kommen wie in Mitteldeutschland, wo auf 208 Gemeindemitglieder ein Kirchengebäude kommt. Aber man wird sich strategisch etwas überlegen müssen.

Ilse Junkermann, Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, rät ihren Gemeinden: „Kommt zusammen, betet, singt und überlegt, wo ihr in der Welt helfen könnt“. Ob das reicht für die Zukunftsfähigkeit von Kirche? Man möchte ja und nein sagen.

Ein Symposium der Akademie der Bruderhilfe „Religion 2030“ in Erfurt suchte Antworten, und warf doch mehr Fragen auf.  Es lassen sich ein paar Entwicklungen und Hoffnungen herausfiltern. Unstrittig ist, dass der Pfarrberuf „weiblicher“ wird. Vor allem Frauen studieren heute Theologie, ihr Anteil wird daher noch deutlich größer werden als das derzeitige Drittel. Der Münchner Theologieprofessor Friedrich Wilhelm Graf stellte hier ein Auseinanderdriften der beiden großen Kirchen fest – denn das größte Problem der katholischen Kirche, bei der das Amt nur von Männern ausgeübt werden darf, ist der Mangel an Priestern.

Ein zentrales Problem beider Kirchen ist, dass sie ihre Botschaft nicht mehr vermitteln können, und zwar nicht einmal ihren eigenen Mitgliedern. Dies hat kürzlich erst wieder die Studie „Was glauben die Hessen“ von Michael Ebertz belegt, der von einer „Gottesvermittlungskrise“ spricht.

Ein Schwerpunkt einer künftigen Stadtkirche wird daher die Kommunikation sein müssen. Wenn es nach Bruder Paulus Terwitte geht, werden in Frankfurt zentral gesteuerte elektronische Schaukästen informieren und einladen. Die Kirche wird über ein Callcenter 24 Stunden erreichbar sein, und natürlich bekommt jedes Kirchenmitglied eine „Kundenzeitschrift“. „Warum soll ich als Kirchensteuerzahler schlechter gestellt sein als jedes ADAC-Mitglied?“ fragte der Frankfurter Kapuzinermönch.

Für die Kommunikation innerhalb der Theologie gibt es keine Patentrezepte. Der Theologe Graf sieht einen „Aderlass“. So würden siebzig Prozent der in München mit „Summa cum laude“ Promovierten nicht in den kirchlichen Dienst gehen. Die besten Köpfe gehen anderswo hin, weil für sie die Kirche kein attraktiver Arbeitgeber sei. „Lieber Taxifahrer als bayerische Landeskirche“, zitierte er das Fazit eines Doktoranden. Noch nicht einmal einen nationalen Stellenmarkt gibt es für Theologinnen und Theologen.

Sicher wird im Jahr 2030 der Dialog mit anderen Religionen und Weltanschauungen noch bedeutsamer sein als er heute schon ist. Es bedarf, so Graf, „einer neuen Form von Apologetik“, also der „Verteidigung“ und Erläuterung christlicher Glaubensinhalte. 2030 werden in den Gemeinden nur noch wenige Hauptamtliche tätig sein. Diese würden, so Graf, dann nicht verwalten, sondern „die Kommunikation mit dem Evangelium ausführen“. Also Gottesdienste feiern und durchaus auch kontroverse Gespräche mit und über andere Religionen und Weltanschauungen führen. Die sozialen Dienste der Kirche und die Diakonie hingegen werden sich in Zukunft wohl selbst refinanzieren müssen.

Dem Fazit „Schließlich geht es darum, wie wir unserem Auftrag gerecht werden und nicht wie wir uns selbst erhalten“ von Bischöfin Junkermann kann man nur zustimmen. Doch beides schließt sich ja nicht aus.

Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt Februar 2012 (via facebook)

Der späte Aufstand der Millionäre

Der späte Aufstand der Millionäre

Kurt-Helmuth Eimuth ist Leiter der Redaktion von „Evangelisches Frankfurt“. Foto: Rolf Oeser 

Der Protest gegen die neue Startbahn gewinnt an Fahrt. Jetzt, da die Flieger auch über die Nobelvillen auf dem Lerchesberg einschweben, gibt es ungewöhnliche Allianzen. Da protestieren die, die schon immer dagegen waren, plötzlich neben denen, die den Wert ihrer Immobilien im Sinkflug sehen. Um dreißig Prozent seien die Immobilienpreise im Süden Frankfurts gefallen, sagen Makler.

Der Protest der Millionäre zeigt Wirkung. Plötzlich erklärt der hessische Wirtschaftsminister Dieter Posch, er möchte ein dauerhaftes Nachtflugverbot, wenn das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mitzieht. Als sei es nicht eben diese Landesregierung gewesen, die die Nachtflüge zunächst genehmigt hatte. Erst der Hessische Verwaltungsgerichtshof stoppte den mitternächtlichen Lärm. Auch der Innenminister und Frankfurter OB-Kandidat Boris Rhein vertritt plötzlich eine neue Regierungslinie. Obgleich die Regierungspartei den Ausbau vorantrieb.

Zu Recht beklagt die Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, dass das unter anderem vom damaligen Umweltpfarrer Kurt Oeser erarbeitete Mediationspaket vom Flughafenbetreiber und der Hessischen Landesregierung nicht eingehalten worden ist. Es sei „ein aus damaliger Sicht tragbarer Kompromiss“ gewesen. Das Kirchenparlament tritt für ein striktes Flugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr ein und fordert, den Lärmschutz der Bevölkerung besser gesetzlich zu verankern. Einrichtungen für Kinder oder alte Menschen und Krankenhäuser bräuchten spezielle Lärmschutzmaßnahmen. Zudem fordert die Synode die Einführung einer ökologischen Kerosinsteuer und eine Flugverkehrsabgabe auf europäischer Ebene.

Das sind Forderungen und Notwendigkeiten, denen man nur zustimmen kann. Doch das alles wusste man schon vor gut einem Jahrzehnt. Warum, so fragt man sich, kommt der Aufstand erst jetzt? Die Antwort ist leider einfach: Es liegt an der menschlichen Schwäche, sich erst dann zu regen, wenn die Auswirkungen zu spüren sind. Erst wenn die Bagger anrücken, ist das Erstaunen groß. So war es auch bei Stuttgart 21.

Wir alle sind aufgerufen, uns auch mit Planungen auseinanderzusetzen, deren Auswirkungen womöglich erst die Generationen nach uns ausbaden müssen. Da fallen einem Stichworte wie Finanzkrise, Staatsverschuldung oder Generationenvertrag ein. Oder ist uns das Hemd wirklich näher als der Rock?

Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt Februar 2012

Gott und Engel fast gleichauf

Kontroverse Stimmen zur Studie „Was glauben die Hessen?“
Evangelisches Franfurt, Februar 2012

Zur tausendsten Sendung des Fernsehmagazins „Horizonte“ spendierte der Hessische Rundfunk eine religionssoziologische Studie zum Thema „Was glauben die Hessen?“ Die Ergebnisse werden kontrovers diskutiert. Während die Kirchen gelassen feststellen, dass die Studie keine neuen Erkenntnisse bringe, sprechen andere vom Bröckeln des religiösen Sockels und beschwören den Niedergang der Kirchen oder zumindest des Glaubens.

Auf jeden Fall ist Hessen noch immer überwiegend christlich geprägt: Von den sechs Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern des Bundeslandes gehören 40 Prozent der evangelischen und 25 Prozent der katholischen Kirche an, weitere 3 Prozent sind Mitglieder anderer christlicher Gemeinden. 20 Prozent gehören keiner Religion und 5 Prozent dem Islam an.

Nach wie vor haben die Kirchen auch einen großen Vertrauensbonus. 76 Prozent der Hessen finden es gut, dass es die Kirchen als Institutionen gibt, sei es als „kulturelle Anreger“ oder als Arbeitgeber. Allerdings werden die Kirchen weniger als sinnstiftend wahrgenommen: 80 Prozent der Befragten glauben, dass das Leben „nur dann einen Sinn hat, wenn man ihm selber einen Sinn gibt“. Sie glauben etwa an Wunder (70 Prozent), an Engel (40 Prozent) und teilweise auch daran, dass Menschen Gedanken lesen können (37 Prozent). Hingegen glauben nur 49 Prozent der Befragten an einen Gott als Person.

Für den Leiter der Studie, Michael Ebertz, ist der Befund eindeutig. Die Kirchen hätten nach wie vor starken Rückhalt in der Bevölkerung, aber in Sachen Religion wolle jeder „sein eigener Chef“ sein. Diese Tendenz ist aber keineswegs neu, sondern eine Folge des modernen Ideals der Selbstbestimmung. Man wächst heute nicht mehr einfach in einem bestimmten Milieu auf, sondern muss begründen können, warum man Protestant und nicht Hindu oder Muslim ist. Der Pressesprecher der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Stephan Krebs, wies darauf hin, dass früher die Menschen auch nicht glaubensfester gewesen seien. „Vielmehr war die Mitgliedschaft in der Kirche weitgehend vorgeschrieben oder zumindest durch sozialen Druck sicher gestellt.“

Es gibt aber durchaus zu denken, dass auch viele Kirchenmitglieder wichtige christliche Lehrmeinungen nicht teilen, etwa die zentrale Bedeutung von Jesus Christus. Hier muss die Kirche eine Sprache finden, die wenigstens für ihre eigenen Mitglieder verständlich ist.

Kurt-Helmuth Eimuth

Familie ein weltlich Ding

Familie ein weltlich Ding
Suchbewegung einer Fachtagung

Spannend: „Familien stärken in evangelischer Perspektive“ so das Tagungsthema des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD vom 2. bis 3. Februar in Eisenach. Ergebnis: „Familie lebt in vielen Formen. Wir müssen uns darauf einstellen.“
Landesbischof Jochen Bohl fasste die Erhebungen zur Familie in seinem Beitrag präzise zusammen. Familie verändert sich rasant. Der Zeitpunkt der Familiengründung verschiebt sich nach hinten. Eine Frau bekommt mit 29 Jahren ihr erstes Kind (im Durchschnitt). Die Kinderzahl pro Frau beträgt zwei Kinder, allerdings nimmt der Anteil von Männern und Frauen ohne Kinder zu. Er beträgt bei den 27 bis 31jährigen 60 Prozent. In Sachsen werden 62 Prozent der Kinder nicht-ehelich geboren.

Und auch die Rahmenbedingungen scheinen für die Kinder schlechter zu werden. Ein steigender Teil der Kinder hätten bereits in den ersten Lebensjahren erhebliche Defizite. So machten 13 Prozent der Sachsen keinen Schulabschluss, die Zahl der von der Schulpflicht befreiten Kinder steige. „Dies hat auch mit der mangelnden Erziehungskompetenz der Eltern zu tun“, sagt der Bischof. Das könne man nur mit Sorge betrachten.

Für Jochen Bohl ist Ehe und Familie „ein weltlich Ding und kein Sakrament“. Doch sie seien das Leitbild für das er werbe. Heute seien die Familien zerbrechlich geworden, doch das Band der Generationen sei unzertrennlich. Deshalb sei es Aufgabe der Kirche Familien in ihrer Bindungsfähigkeit zu stärken.

Die Erhebung des Sozialwissenschaftlichen Instituts in drei Landeskirchen ergab, dass die Hilfen für Familien stark versäult und zudem in den Landeskirche sehr unterschiedlich organisiert sind. Glaubt man sofort und freut sich, dass dieses nach 18monatigem wissenschaftlichen Mühen bestätigt wurde.

Schade, dass die Tagung Familie nicht in ihren unterschiedlichen Milieus, wie dies etwa die SINUS-Studie macht, in den Blick genommen hat. Erst mit Kenntnis der Verhaltensmuster dieser Milieus kann Kirche ernsthaft eine Perspektive entwickeln. Vorbild könnte die Studie „Eltern unter Druck – Selbstverständnisse, Befindlichkeiten und Bedürfnisse von Eltern in verschiedenen Lebenswelten“ der Konrad Adenauer Stiftung sein. Man darf gespannt sein, ob die vom Rat der EKD eingesetzte Kommission dies leisten wird. Ein entsprechende Denkschrift wird seit gut zwei Jahren vorbereitet.
Kurt-Helmuth Eimuth