Archiv für 29. Februar 2024

Kirchenasyl: Rettung im letzten Augenblick

Das politische Klima ist beim Thema Migration und Asyl frostiger geworden. Die Kirche jedoch hält an einer alten Tradition fest: dem Kirchenasyl. Derzeit sind nach Angaben von Pfarrerin Anja Harzke vom Verein „Maqom – Kirche und Zuflucht“ über 800 Personen im Kirchenasyl in 455 Gemeinden. Im Podcast Conny&Kurt verweist die Frankfurter Pfarrerin auf die biblische Tradition. „Das Kirchewnasyl ist eine uralte Tradition, zieht sich durch die ganze Bibel hindurch. Das hat es schon immer gegeben.“ Heute handelt es sich um eine Übereinkunft zwischen Staat und Kirche, das weltliche Recht in kirchlichen Räumen nicht durchzusetzen. Es sei eine Chance für den Staat, noch einmal genauer hinzuschauen, denn die Begründungen der Abschiebungen sind oft nur formal. Etwa weil das erste Einwanderungsland nicht Deutschland war und nach dem Dublin-Abkommen nur dort der Antrag auf Asyl gestellt werden könne. „Das Kirchenasyl ist ein Schutzraum um nochmal durchzuatmen und den Behörden die Möglichkeit zu geben, nochmal drauf zuschauen“, sagt Anja Harzke. Immerhin könnten über 90 Prozent derjenigen, die Kirchenasyl beantragten, bleiben.

Weltgebetstag: Texte aus Palästina überarbeitet

In schweres Fahrwasser geriet in diesem Jahr der eher gesetzte Weltgebetstag der Frauen. Seit 130 Jahren feiern Frauen aller Konfessionen weltweit nach Texten, die von Christinnen aus einem Land ausgewählt wurden. 2017 fiel die Wahl auf Palästina. Und so entstanden ab 2020 Texte und Liturgie, lange vor dem Überfall der Hamas auf Israel. Nach dem 7. Oktober schauten aber viele, etwa die christlich-Jüdische Gesellschaft oder Pax Christi genau hin und erhoben den Vorwurf des Antisemitismus. Das deutsche Weltgebetstags-Komitee überarbeitete die Texte. Die katholische Vorsitzende des deutschen Weltgebetstags-Komitees Ulrike Göken-Huismann nennt dies im Podcast Conny&Kurt Kontextualisierung. So wurde etwa das vom nationalen deutschen Komitee verantwortete Vorwort der Gottesdienstordnung neu formuliert. Mit Blick auf „die unfassbaren und grausamen Terrorakte der Hamas vom 7. Oktober 2023“ und den Gaza-Krieg heißt es dort jetzt: „Wann, wenn nicht jetzt sollten christliche Frauen aller Konfessionen sich weltweit zu Gottesdienst und Gebet, zu Klage und Schweigen, zu inständigem Bitten um Frieden versammeln?“ Die Fürbitten wurden durch eine Bitte für alle, die seit dem 7. Oktober in Israel und Palästina „in unvorstellbarem Ausmaß unter Terror, Not und Krieg und sexualisierter Gewalt leiden“ ergänzt. Den Gottesdienst am 1. März kann man auf Youtube schauen.

Kirche als Schule gegen Antisemitismus

„Wir wissen, dass in unseren Gemeinden ganz viel Toxisches passiert“, so Pfarrer Christian Staffa, der Antisemitismus-Beauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland im Podcast Conny&Kurt. Der Antisemitismus hat nicht nur eine lange Tradition, sondern er baut auf Typologien der kirchlichen Tradition auf, wie etwa das Verratsmotiv. „Wir müssen das an die Oberfläche bringen um es bearbeiten zu können“, so Staffa. „Da müssen wir Demokratie einüben“. Kirche als Schule der Demokratie und als Schule gegen Antisemitismus.

Kindesmissbrauch: Wider dem Verlangen

Sexualisierte Gewalt gibt es leider in allen Institutionen und quer durch alle Gesellschaftsschichten. Schmerzlich muss sich nach der jüngsten Studie die evangelische Kirche damit intensiv beschäftigen. Doch zum Schutz der Kinder müssen nicht nur dringend Strukturen in den Organisationen, etwa der Kirche, verändert werden. Auch am anderen Ende muss man dem Phänomen ins Auge sehen. Etwa ein Prozent der Männer – so die Schätzung – haben pädophile oder hebephile Neigungen. Sie fühlen sich von Kindern im vorpubertären oder frühpubertären Alter angezogen. Eine Neigung, deren Ursachen nicht eindeutig geklärt ist. Im Podcast Conny&Kurt erklärt die Psychologin Nora-Frederike Hoffmann, dass diese Neigung „biopsychosoziale Komponenten“ enthalte, also ein Anteil eben auch angeboren sei. Hoffmann und ihr Kollege Leif Trampenau bieten ein (psychotherapeutisch/psychiatrisches) Behandlungsangebot für Männer und Frauen, Erwachsene (und Jugendliche), die therapeutische Hilfe suchen, weil sie sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen. Die Arbeit der Mitglieder des Präventionsnetzwerks „Kein Täter werden“ wird im Rahmen eines Modellvorhabens nach §65d SGB V durch den Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-SV) gefördert. Hier können sich Männer hinwenden, die sich eben von den Kindern angezogen fühlen und dieses Verlangen in den Griff bekommen wollen. Die Beratungsstelle kann dabei helfen. Derzeit sind 30 Männer dort in Behandlung, Gleichwohl schätzt man, dass alleine in Schleswig-Holstein 10.000 Männer mit diesem Verlangen leben.

Evangelisch ist auch nicht besser

Man ahnte es. Doch das Ausmaß des Missbrauchs überrascht doch. Es lässt einen vor Scham verstummen, macht sprachlos. Dachte man, dass das strukturelle Problem der katholischen Kirche der Zölibat sei, was ja bekanntlich in der evangelischen Kirche kein Problem darstellt. Doch die letzte Woche veröffentlichte Studie ForuM stellt fest, dass ausgerechnet das evangelische Pfarrhaus ein Problembereich darstellt, neben den anderen Arbeitsbereichen. Auch hier gab es das Wegschauen, die Nichtbeachtung der Betroffenen und ja auch Vertuschung. Über die Vorstellung der Studie, die Zahlenbasis und die intensive Einführung in die Studie sprechen Conny&Kurt in ihrem Podcast mit Philipp Greifenstein vom Magazin für Kirche, Politik und Kultur „Die Eule“. Greifenstein schildert seine Eindrücke von der Pressekonferenz und ordnet das Zahlenwerk ein. Conny&Kurt sind verwundert, dass offenbar auch in den letzten beiden Jahrzehnten die evangelische Kirche kaum Schutzkonzepte ausgebaut hat, obwohl dies ein Gebot des schon 2005 verabschiedeten Gesetz zur Kindeswohlgefährdung (§8a, SGB VIII) ist.