Archiv für 11. Mai 2008

Den Stummen eine Stimme (Jürges)

Den Stummen eine Stimme
Veranstaltungen zum 25. Todestag von Familie Jürges

[30.04.2008] Vor 25 Jahren starb die Pfarrersfamilie Jürges. Martin Jürges, Pfarrer der evangelischen Gutleutgemeinde, seine Frau Irmtraud, Sohn Jan (11), Tochter Katharina (1), Mutter Erna (77) und Nichte Gesine Wagner (19) sind auf dem Weg zu einem Familienausflug ins Grüne, als am 22. Mai 1983 ihr Auto auf der Autobahn von brennenden Wrackteilen eines Militärjets getroffen wird.
Zur Erinnerung an das engagierte Pfarrerehepaar und seine Familie lädt die Evangelische Hoffnungsgemeinde zu mehreren Veranstaltungen ein.
Am Pfingstsonntag, 11. Mai, um 12 Uhr findet ein Gedenken an der Unfallstelle am Kreuz an der Einmündung Otto-Fleck-Schneise statt.
Am Dienstag, 20. Mai, um 19 Uhr wird im Martin-Jürges-Haus, Gutleutstraße 131, eine Ausstellung zu Leben und Wirken eröffnet. Zu Gast ist Ulrike Bremer, Autorin des HR-Films „Die tödliche Flugschau von Frankfurt“. Zu sehen ist die Ausstellung bis 1. Juni täglich von 13 bis 18 Uhr.
Einen Gottesdienst zum Gedenken an Familie Jürges gestalten Diakon Kurt Kirmes sowie der Posaunen- und der Kirchenchor der Hoffnungsgemeinde am Sonntag, 25. Mai, um 10 Uhr in der evangelischen Gutleutkirche, Gutleutstraße 121.
Texte von Irmtraud Jürges-Kießling, Martin Jürges und Gesine Wagner sind am Dienstag, 27. Mai, um 19 Uhr im Martin-Jürges-Haus, Gutleutstraße 131, zu hören. Unter dem Titel „Im Feuer ist mein Leben verbrannt“ lesen Kurt-Helmuth und Marion Eimuth. Musik kommt von Marion Eimuth und Lutz Lemhöfer.

Umtriebiger Politiker- Armin Clauss

Evangelisches Frankfurt Mai 2008

Umtriebiger Politiker

Festschrift zum 70. Geburtstag von Armin Clauss

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Offizielle Feierlichkeiten und Lobreden wollte Armin Clauss, der am 16. März seinen 70. Geburtstag feierte, nicht. Der frühere hessische Sozialminister (1976-1987) und Fraktionsvorsitzende der Landtags-SPD ist auch nach seinem Abschied von der politischen Bühne im Jahr 2003 aktiv, vor allem als Funktionär in der Diakonie. Clauss leitet die Hauptversammlung des Diakonischen Werks in Hessen und Nassau, führt die Gesellschafterversammlung der Frankfurter Diakoniekliniken und sitzt im Aufsichtsrat des kirchlichen Krankenhaus-Konzerns Agaplesion. Das Bockenheimer Markuskrankenhaus führte er 1993 aus der wirtschaftlichen Krise und war Mitbegründer der Frankfurter Diakoniekliniken.

Eben dieser Krankenhaus-Verbund widmet seinem ehrenamtlichen Funktionär nun eine Festschrift. Auf gut hundert Seiten wird das Leben des umtriebigen Mannes vor allem in Gewerkschaft und Politik geschildert. Da wird die hessische Politik lebendig. Schließlich gehörte Clauss dem ersten rot-grünen Kabinett an, und Joschka Fischer fühlte sich in jener Zeit von seinem Minister-Kollegen schlicht „überrumpelt“.

Dies und vieles andere ist nachzulesen in: Sabine Hock, 70 Mosaiksteine zur Biographie des hessischen Sozialpolitikers Armin Clauss, Frankfurt 2008. Die Festschrift ist kostenlos zu beziehen bei Agaplesion, Telefon 95332172, E-Mail info@agaplesion.de.

Kurt-Helmuth Eimuth

Hirtenkapelle im urbanen Niemandsland

Evangelisches Frankfurt Mai 2008

Hirtenkapelle im urbanen Niemandsland

Man findet sie auf keinem Stadtplan, und auch die Suche auf der offiziellen Homepage der Stadt Frankfurt bleibt erfolglos. Die so genannte „Wurzelsiedlung“ bildet das äußerste westliche Ende des Gutleutviertels. Eingeklemmt zwischen einer breiten Ausfallstraße, Industrie- und Gleisanlagen leben dort in sieben Siedlungsstraßen 400 Menschen.

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Gebaut hat die Wohnungen in den 1920er Jahren die Deutsche Reichsbahn für ihre Mitarbeiter. Niedrige Mieten gibt es hier bis heute. In der Siedlung mit den engen Straßen gibt es keinen Laden, nicht einmal einen Kiosk. Aber es gibt eine Kapelle: Das zunächst für industrielle Zwecke genutzte Holzhäuschen an der Hirtenstraße wurde bereits Anfang der 1950er Jahre von der evangelischen Kirche genutzt. 1953 kam dann ein Holzturm mit Läutewerk hinzu. Die Gemeinde versammelte sich jeden Sonntag in ihrer „Hirtenkapelle“, wie sie nach der Straße genannt wurde, zum Gottesdienst. Bilder aus dieser Zeit belegen die qualvolle Enge, die dabei in dem winzigen Gottesdienstraum herrschte.

Heute sind die Zeiten anders. Gottesdienst wird in der Hirtenkapelle nur noch in den Sommermonaten gehalten, ein Mal im Monat. Auch in der Wurzelsiedlung selbst sind gesellschaftliche Veränderungen zu spüren. Trotzdem hat sich die Hoffnungsgemeinde vor zwei Jahren entschieden, den alten, marode gewordenen Holzturm durch einen neuen zu ersetzen. Aus eigenen Mitteln hat man hierfür 22000 Euro aufgebracht. Die Hirtenkapelle bleibt somit markantes Wahrzeichen im urbanen Niemandsland.

Text und Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Mit dem Taxi zur Kita

Evamgelisches Frankfurt Mai 2008

Mit dem Taxi zur Kita
Wochenendbetreuung für Schausteller-Kinder

Etwas Besonderes war es schon, mit dem Taxi zur Kindertagesstätte gefahren zu werden. Dieses Privileg genossen ein Dutzend Kinder aus Schausteller-Familien während der diesjährigen Frankfurter Frühjahrs-Dippemess.

Schaustellerpfarrerin Christine Beutler-Lotz weiß, dass diese Familien spezielle Probleme und Bedürfnisse haben. Gerade an den Wochenend-Nachmittagen, wenn das Geschäft so richtig brummt und alle im Familienbetrieb mit anfassen müssen, sind die Kinder meist auf sich alleine gestellt. Deshalb organisierte die Seelsorgerin ehrenamtliche Helferinnen und Helfer und nahm mit Unterstützung des Diakonischen Werks für Frankfurt Kontakt mit der Kindertagesstätte der Nicolaigemeinde im Ostend auf.

Deren Leiterin Ruth Woody war sofort bereit zu helfen. Die Kita wurde an den Dippemess-Wochenenden für die Kinder und die Betreuerinnen der Schaustellerseelsorge geöffnet. Die zwei Kilometer zwischen Kita und Dippemess mussten sie allerdings mit einem „Kindergarten-Taxi“ überwinden. Für die Kinder eine Attraktion. Doch soll dies – wie das Diakonische Werk augenzwinkernd mitteilt – nicht zum Standard in evangelischen Einrichtungen erhoben werden.

Kurt-Helmuth Eimuth

Kinderkrippen droht „Profit von Anfang an“

Evangelisches Frankfurt Mai 2008

Kommentar:
Kinderkrippen droht „Profit von Anfang an“

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Ohne Zweifel: Familienministerin Ursula von der Leyen gebührt Anerkennung. Sie hat die Kinderbetreuung in Deutschland nicht nur in den Mittelpunkt der Familienpolitik gestellt, sondern gegen viele Widerstände – auch in der eigenen Partei – den flächendeckenden Ausbau des Krippenangebots durchgesetzt. Doch mit ihrem jüngsten Vorschlag, auch private Anbieter von Kinderbetreuungsplätzen staatlich zu fördern, kehrt die CDU-Politikerin zurück in das Lager konservativer Ideologien.

Ohne Not sollen private Investoren mit öffentlichen Geldern geködert werden. Dem Argument, dass dieses womöglich die Qualität der Betreuung schmälert, begegnet die Ministerin mit dem Hinweis auf „Qualitätsstandards“. Doch die Erfahrung zeigt, dass dies immer nur Mindeststandards sein können. Auf dem ambulanten Pflegemarkt ist das längst zu sehen. Private Pflegedienste arbeiten mit Hilfs- statt mit Fachkräften, bezahlen geringere Löhne und können dadurch deutlich billiger sein.

Im Bereich der Betreuung von Kleinkindern ist die Sache noch einmal komplizierter. Wie kann bei so komplexen Bildungsprozessen, die von der Beziehung zwischen Kind und Erzieherin abhängen, Qualität objektiv gemessen werden? Sie lässt sich allenfalls beschreiben. Die wirkliche Zuwendung zum Kind entzieht sich aber jeder Mess-Skala. Messbar dagegen ist der Profit. Wenn Kapital eingesetzt wird, muss eine Rendite herauskommen. So funktioniert dieses Wirtschaftssystem nun einmal. Dagegen ist auch überhaupt nichts zu sagen. Doch es ist klar: Die private Kinderkrippe mit staatlicher Unterstützung wird nicht nur das Kind, sondern auch die Bilanz in den Mittelpunkt stellen. Das ist schlecht für die Steuerzahler, die private Gewinne subventionieren, und es ist schlecht fürs Kind, das Mittel zum Zweck der Profitmaximierung wird.

Die Stadt Frankfurt hat in einer einzigartigen Anstrengung vorgemacht, wie es anders gehen kann. Sie hat die Zahl der Erzieherinnen in den Kindertagesstätten gesteigert, und im Dialog mit den gemeinnützigen Trägern wird weiter an der Qualitätssteigerung gearbeitet. Dazu bedarf es weder elitärer noch privater Einrichtungen. Jeder in eine Kindertagesstätte investierte Euro bringt, volkswirtschaftlich betrachtet, ein Vielfaches an Nutzen für die Allgemeinheit. Es bleibt das Geheimnis von Ursula von der Leyen, warum sie einen Teil dieses so dringend benötigten Geldes privaten Investoren in den Rachen werfen will. Mit dem Motto „Bildung von Anfang an“ ist doch wohl nicht „Profit von Anfang an“ gemeint.

Kurt-Helmuth Eimuth

Wie konnte Gott das zulassen?

Evangelisches Frankfurt Mai 2008

Wie konnte Gott das zulassen?

Es war eine Tragödie mit Symbolwert: Vor 25 Jahren stürzte ein Starfighter während einer Militär-Flugschau auf das Auto eines friedensbewegten Pfarrers: Martin Jürges und seine Familie verbrannten in den Trümmern.

Weit über tausend Menschen waren am 30. Mai 1983 zur Trauerfeier in die Katharinenkirche gekommen. Bis auf die Zeil standen sie, um der Familie Jürges die letzte Ehre zu geben, die auf unfassbare Weise ums Leben gekommen war.

Pfingstsonntag vor 25 Jahren: Pfarrer Martin Jürges hält in der Gutleutkirche den Gottesdienst. Es ist Bilderbuchwetter – genau richtig für einen Familienausflug. Am frühen Nachmittag fährt die Familie los. Zur gleichen Zeit vergnügen sich Tausende bei der Kirmes vor dem Wäldchestag am Oberforsthaus sowie bei einer Flugschau der amerikanischen Streitkräfte am Rhein-Main-Flughafen.

Pfarrer Martin Jürges beim Kirchentag in Nürnberg im Jahr 1979. | Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Pfarrer Martin Jürges beim Kirchentag in Nürnberg im Jahr 1979.
Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Als sich einer der Militärjets aus der Formation löst, passiert der hellblaue Peugot-Kombi der Pfarrersfamilie gerade den Autobahnzubringer beim Waldstadion. Die brennenden Wrackteile des abstürzenden Flugzeugs knallen auf den Wagen. Martin Jürges (40), seine Frau Irmtraud (38), sein Sohn Jan (11), seine Tochter Katharina (1) und seine Mutter Erna (77) verbrennen im Auto. Die 19jährige Nichte Gesine Wagner erliegt 81 Tage später ihren schweren Verletzungen. Auch heute, nach einem Vierteljahrhundert, schaut man sich fassungslos die Bilder an. Eine ganze Familie ausgelöscht. Warum?

Martin Jürges und Irmtraud Jürges-Kiesling haben in Frankfurt viele junge Menschen geprägt. Beide arbeiteten im Stadtjugendpfarramt, er als Stadtjugendpfarrer, sie als Sozialarbeiterin. Ihre Mitwirkung beim Kir­ chentag, die Ausrichtung von Sacro-Pop-Festivals, ihre Einmischung in die Kommunalpolitik mit der Initiative „Politische Obdachlose“, die Untersuchung alternativer Lebensstile, die aktive Jugendpolitik, die praktizierte Ökumene – alles Stichworte, die die Breite und den Aktionsradius der beiden andeuten.

Die Nato wollte damals aufrüsten. Dagegen formierte sich die Friedensbewegung unter dem Slogan „Frieden schaffen ohne Waffen“. Lila Tücher, mit diesem Motto bedruckt, lagen schon im Keller der Gutleutgemeinde bereit, wo Martin Jürges seit knapp zwei Jahren Pfarrer war. Und dann kommt die Familie genau durch so eine Waffe ums Leben.

Wie konnte Gott dieses Unglück nur zulassen? Diese Frage ist wohl so alt wie die Vorstellung von Gott selbst. Krieg, Naturkatastrophen und familiäres Unglück lassen zweifeln. Doch der Mensch, so erzählt die Bibel, ist geschaffen als Wesen mit eigenem Willen. Es stimmt eben nicht, dass Gott lenkt und der Mensch denkt. Die Übel dieser Welt sind oft genug Menschenwerk. Aber Gott ist bei den Leidenden. Gott leidet mit. Gott war an diesem Pfingstsonntag vor 25 Jahren auch bei der Familie Jürges. Dies symbolisiert das Kreuz, das von der Paul-Gerhardt-Gemeinde zur Erinnerung am Rand der Einfahrt zu den Sportverbänden aufgestellt wurde.

Trotzdem machen solche Tragödien sprachlos. Da darf man klagen, so wie es ein Lied der Gruppe Habakuk sagt, das damals zur Trauerfeier gespielt wurde: „Meine ganze Ohnmacht, was mich beugt und hemmt, bringe ich vor Dich. Wandle sie in Stärke, Gott erbarme dich.“

Die Hoffnung, dass trotz Zerstörung Neues wachsen kann, war auch die Hoffnung von Martin Jürges. Im Jahr 1978 hatte er zu einem Sacro-Pop-Konzert, das den Titel „Unkraut Leben“ trug, geschrieben: „Und das Unkraut Jesus war so lebendig, dass es nach dem Zertreten weiterwuchs. Die Wurzeln waren so stark, sie waren nicht auszurotten. Aus dieser Wurzel kommt auch heute neues Leben, sie sind stark genug, um rauszuwachsen aus dem gleichgemachten Leben, und Mensch zu werden – eines schönen Tages.“

Kurt-Helmuth Eimuth

An das Leben und Wirken der Familie Jürges erinnert eine Ausstellung vom 21. Mai bis 1. Juni im Martin-Jürges-Haus der Gutleutgemeinde, Gutleutstraße 131. Eröffnet wird sie am Dienstag, 20. Mai, um 19 Uhr, einen Abend mit Texten und Musik gibt es dort am Dienstag, 27. Juni, um 19 Uhr. Ein Gedenkgottesdienst findet am Sonntag, 25. Mai, um 10 Uhr in der Gutleutkirche, Gutleutstraße 121, statt.