Kurt-Helmuth Eimuth/Evangelisches Frankfur 01/2006
Chance, nicht Zaubermittel
Hartz IV. Für die einen ist das gleichbedeutend mit Verelendung und Zwangsarbeit, für die anderen steht es für eine viel zu teure und auf dem Arbeitsmarkt kaum wirksame Sozialreform. Besonders umstritten sind die so genannten „1-Euro-Jobs“ – die es inzwischen auch bei der Kirche gibt.
Tatsächlich konnte sich kaum jemand vorstellen, wie umwälzend die Zusammenlegung der alten Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe zu einem Arbeitslosengeld II (das nach dem Vorsitzenden einer Kommission der Bundesregierung kurz Hartz IV genannt wird) sein wird. Dem Finanzminister fehlen 7 Milliarden. Soviel ist diese Reform teurer gekommen als geplant. Die Kritiker hingegen wollen noch mehr. 345 Euro im Monat plus Miete sei einfach nicht genug zum Leben.
Demgegenüber verweisen die Befürworter der Reform auf die Gestaltungsmöglichkeiten. So ist es nun für einen Arbeitslosen möglich, so genannte Arbeitsgelegenheiten anzunehmen und sich ein Zubrot zu verdienen. Diese „1-Euro-Jobs“ werden in Frankfurt mit 1,50 Euro die Stunde bewertet. Deshalb heißen sie am Main auch Frankfurt-Jobs. Sie machen es möglich, dass ein Arbeitslosengeld II-Empfänger monatlich etwa 900 Euro (inklusive Miete) zur Verfügung haben kann.
Und genau hier liegt ein Problem. „Diese Arbeitsgelegenheiten verstärken den Druck auf den Niedriglohnsektor“, meint Werner Schneider-Quindeau, Pfarrer für gesellschaftliche Verantwortung. Die Arbeitsgelegenheiten könnten zur Vernichtung von Arbeitsplätzen führen: „Wer vor drei Jahren einen Hausmeister entlassen hat, kann heute einen 1-Euro-Jobber einstellen.“
Unstrittig ist für Schneider-Quindeau die positive Wirkung der Arbeitsgelegenheiten für die Betroffenen. Davon kann auch Jürgen Simon berichten, der beim Diakonischen Werk für Frankfurt für die Einrichtung der Arbeitsgelegenheiten und für Förderung der Hartz IV-Empfängerinnen und Empfänger zuständig ist. Die Diakonie hat sich verpflichtet, eine Vernichtung von regulären Arbeitsstellen zu verhindern. Simons Problem ist eher, dass viele kirchliche Stellen und Gemeinden über die Möglichkeiten noch nicht richtig informiert sind und zu langsam entscheiden. 150 Einsatzstellen wurden laut Simon in der Frankfurter Kirche eingerichtet. Demnächst will man für die über 50-Jährigen ein besonderes Programm starten. „Es muss einfach schneller laufen“, sagt Simon und betont die Chancen der Arbeitsgelegenheiten für die Menschen und für die Kirche: „Wir können den Menschen auf diese Weise eine Teilhabe am Arbeitsleben bieten und zugleich Kirche vor Ort sein.“
„Hartz IV ist kein Zauberinstrument“, resümiert auch Schneider-Quindeau Kollege, Pfarrer Gunter Volz, denn dauerhafte Arbeitsplätze werden dadurch nicht geschaffen. Aber es hilft bei der Integration der Menschen.“
Kurt-Helmuth Eimuth/Evangelisches Frankfur 01/2006