Die Fastenaktion „Sieben Wochen ohne“ ist längst zu einer guten Tradition geworden. Es war der im letzten Jahr verstorbene Hamburger Pfarrer Hinrich C.G. Westphal dessen Idee, entstanden in einer Kneipe, zu einer Tradition wurde. Im Podcast Conny&Kurt erläutert Frank Muchlinsky den Wandel der Aktion, die inzwischen nicht nur zum Verzicht von Alkohol oder Gummibärchen aufruft, sondern zu immateriellen Dingen. So steht die diesjährige Fastenaktion unter dem Motto „Leuchten! Sieben Wochen ohne Verzagtheit“ und will damit in einer unsicheren Zeiten Mut machen. Los geht’s am Aschermittoch. Fastenkalender, Fastenbriefe und Kontakt zu Fastengruppen gibt es unter 7wochenohne.evangelisch.de.
Archiv für 26. Januar 2023
Für eine Ethik der Digitalisierung
Ethik & Werte
9. Januar 2023
Wie intelligent ist sie wirklich, die „künstliche Intelligenz“? Um das herauszufinden, experimentierte unser Autor mit dem künstlichen Intelligenz-Modell ChatGPT, das seit kurzem frei im Internet zugänglich ist, und sprach mit dem ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, der gerade ein Buch über digitale Ethik geschrieben hat.
Von künstlicher Intelligenz (KI) haben wir alle schon mal gehört. Wir wissen, sie findet Anwendung in der Medizin, beim Analysieren von Röntgenbildern etwa – und das ist gut so, denn die KI ermüdet nicht, anders als die Augen des Arztes. Eine KI schätzt auch unsere Zahlungsfähigkeit bei der Kreditvergabe ein – hoffentlich hat noch ein Bankmitarbeiter oder -mitarbeiterin das letzte Wort. KI-Programme, genauer gesagt: speziell trainierte Algorithmen, haben längst zum Sprung in unser aller Alltag angesetzt. Dabei geht es nicht bloß um autonom gesteuerte Einparkhilfen.
Eine neue KI, das Dialogprogramm ChatGPT, steht neuerdings frei zugänglich für alle im Internet. Der Chatbot erstellt Texte, Nachrichten, Kommentare oder zeichnet Bilder, die kaum von anderen Kunstwerken zu unterscheiden sind. Er hilft auch bei der Planung von Seminaren, das habe ich selbst ausprobiert: Zur Vorbereitung eines Hochschulkurses über Partizipation im Kindergarten fertigte die KI mir eine Literaturliste an, spuckte eine Liste mit Filmen aus und gab didaktische Tipps. Und vergaß auch nicht den freundlichen Hinweis, dass man bei einem Seminar über Partizipation diese auch selbst praktizieren müsse.
Und was hält die KI von diesem Text, den Sie gerade lesen? Antwort: „Der Text gibt einen Überblick über die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von künstlicher Intelligenz (KI). Er erwähnt Beispiele aus verschiedenen Bereichen wie Medizin, Finanzen und Alltag. Der Autor scheint positiv über die Verwendung von KI zu denken und betont ihre Fähigkeit, menschenähnlich zu arbeiten und handeln.“
Keine Frage: Computerprogramme sind heutzutage fähig, in gutem Deutsch (oder vielen anderen Sprachen) Artikel zu schreiben, Analysen zu erstellen oder Überschriften zu finden. Sie können sogar Kritik. Jedenfalls empfiehlt mir die KI in ihrer Artikelanalyse: „Insgesamt ist der Text etwas allgemein gehalten und könnte durch die Hinzufügung von mehr Details und der Berücksichtigung von Ethikaspekten vertieft werden.“
Das nehme ich mir zu Herzen und vereinbare ein Interview mit Wolfgang Huber, Autor des Buches „Menschen, Götter und Maschinen. Eine Ethik der Digitalisierung“. In der Ethik, so der Theologe und frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, müssten die großen menschlichen Handlungsfelder thematisiert werden. Dies sei bei der Digitalisierung aber kaum geschehen, sagt Huber: „Man hat sie stiefmütterlich behandelt.“ Sich selbst will er da gar nicht ausnehmen.
Doch die Gesellschaft müsse Verantwortung dafür tragen, allen Menschen einen fairen Zugang zur Digitalisierung zu ermöglichen. Er sei nicht etwa ein Gegner dieser Technik, die er gerne auch selbst nutzt. Doch es komme auf die Art ihres Einsatzes an. Ob sie etwa gegen die Würde des Menschen verstößt.
Huber sieht Anzeichen dafür, dass sich die Menschheit selbst vergöttlicht. „Menschen vergessen den Unterschied zwischen Gott und den Menschen.“ Manche hätten die Idee, mit Hilfe der Digitalisierung unsterblich werden zu können, was aber, falls es funktionieren sollte, den kommenden Generation das Lebensrecht absprechen würde. Huber setzt sich mit dem israelitischen Historiker Yuval Noah Harari auseinander, der davon spricht, dass sich der Homo sapiens zu einem Homo deus, zu einem Gott gewordenen Menschen, wandele. Die Folge sei eine Spaltung der Gesellschaft zwischen einer zu Übermenschen mutierten Elite und der breiten Masse.
Huber ist überzeugt: „Um der Humanität willen ist es wichtig, dass die Unterscheidung zwischen Gott und Mensch nicht nur vorausgesetzt, sondern auch lebensweltlich dargestellt und erfahren wird. Das ist die Aufgabe der Religion, in besonderer Weise die Aufgabe christlicher Kirchen.“
Und was sagt die KI jetzt zu diesem Text? Antwort: „Wolfgang Huber, ein deutscher Theologe und Professor für Systematische Theologie, argumentiert in seinem Buch, dass die Menschheit den Unterschied zwischen Gott und Mensch wahren und lebensweltlich darstellen muss, um eine Spaltung der Gesellschaft in eine Übermenschen-Elite und die breite Masse zu verhindern.“ Wohl wahr.
Zu ChatGPT: https://chat.openai.com/chat
„Kirche muss chinasensibel werden“
Annette Mehlhorn war in den vergangenen neun Jahren in der deutschen Gemeinde in Shanghai tätig. Im Podcast Conny&Kurt spricht sie über Religionspolitik in China und ihre Erfahrungen mit der dortigen Gesellschaft und Kultur. Auch in China gäbe es eine Kultur des Diskurses – nur eben anders. Die Kirche sieht sie – trotz aller notwendigen Kritik am System – durchaus als Brückenbauerin. Das Gespräch wurde vor Weihnachten aufgezeichnet. Eine gekürzte Printversion ist im Evangelischen Frankfurt Offenbach erschienen.
Evangelisches Frankfurt Offenbach
https://www.efo-magazin.de/magazin/politik-welt/die-kirche-muss-chinasensibel-werden/
„Die Kirche muss chinasensibel werden“
4. Januar 2023
Annette Mehlhorn ist vielen in Frankfurt noch aus ihrer Zeit als Pfarrerin in Bockenheim und später als Studienleiterin der Evangelischen Akademie bekannt. In den vergangenen neun Jahren war sie in der deutschen Gemeinde in Shanghai tätig. Im Interview spricht sie über Religionspolitik in China und ihre Erfahrungen mit der dortigen Gesellschaft und Kultur. Das Gespräch führten Kurt-Helmuth Eimuth und Conny von Schumann.
Annette Mehlhorn war neun Jahre lang Pfarrerin in Shanghai. | Foto: Monja Tang
Frau Mehlhorn, Sie waren neun Jahre in China als Pfarrerin tätig. Wie kam es dazu?
2012 wurde mir klar, dass es Zeit wird für einen Stellenwechsel. Ich war damals Pfarrerin in Rüsselsheim, und als ich einem chinesischen Freund von der ausgeschriebenen Stelle in Shanghai erzählte, sagte er: Shanghai ist gut für dich, mach das.
Sie wurden von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) entsandt. Aber sie durften gar nicht als Pfarrerin einreisen.
In China bekommen ausländische Geistliche, gleich welcher Religion, in dieser Funktion keine Arbeitsgenehmigung. Deswegen müssen sie einen anderen Weg finden. Wir haben das große Glück, dass die Stadt Hamburg in Shanghai wegen der Städtepartnerschaft ein Büro unterhält. Dort wurden wir – also mein katholischer Kollege und ich, wir sind ja eine ökumenische Gemeinde in Shanghai – als interkulturelle Projektmanager offiziell geführt.
Sie hatten viel Kontakt zu den Menschen, auch zu Chinesen. Sie haben sogar Mandarin gelernt.
Ja, soweit es mir möglich war. Wenn man 55 ist und nochmal eine neue Sprache lernt, die noch dazu so sehr anders ist, als alle bisher gelernten Sprachen, dann hat das Grenzen.
Aber wie war der Kontakt mit den Einheimischen? Religion ist in China ja eher eine Art Subkultur.
Das stimmt nicht so ganz. China hat einen offiziellen Weg der Religionspolitik. Es gibt ein Religionsministerium und alle registrierten Religionsgemeinschaften – das sind insgesamt fünf genehmigte Religionsgemeinschaften – unterstehen diesem Religionsministerium. Auf der einen Seite bin ich nicht als Geistliche eingereist, aber auf anderen Seite war ich akkreditiert als evangelische Pfarrerin dieser Gemeinde. „That’s China“ – sagt man dazu, wenn man China kennt.
Seit dem Ukraine-Krieg schauen wir in Deutschland auch kritischer auf unser Abhängigkeit von China. Wie eng sind die Verflechtungen?
Shanghai ist meinem Eindruck nach eine der größten deutschen Wirtschaftsmetropolen der Welt, wenn nicht die größte überhaupt. Alle wichtigen deutschen Unternehmen haben dort einen Sitz. Shanghai ist Chinas Tor zur Welt. Die Entwicklungen in China während der letzten Jahre sind nicht in jeder Hinsicht zu begrüßen. Das würde ich auch so sehen. Vieles wurde enger und autokratischer.
Wie wirkt sich das auf die christliche Gemeinde aus?
Naja, mit Corona ist sowieso alles anders geworden. Schon vorher hatten die Restriktionen allerdings zugenommen. Auch die Religionsgesetzgebungen wurden enger formuliert. Das habe ich ebenfalls zu spüren bekommen.
In den Kirchen hängen Videokameras.
Das ist so. Im gesamten öffentlichen Raum und in allen Einrichtungen hängen solche Videokameras. Alle Gottesdienste werden aufgezeichnet und damit auch ein Stück weit überwacht.
Fühlten sie sich überwacht?
Das ist eine Frage, die schwer zu beantworten ist, weil man als Ausländer in China natürlich andere Freiheiten hat als Einheimische. Ich habe eigentlich kein Blatt vor den Mund genommen, und was meine Aussagen oder meine Rede angeht, bin ich nie kritisiert worden. Manchmal bin ich kritisiert worden, was mein Verhalten angeht.
Was würden Sie uns denn empfehlen im Umgang mit China, politisch und menschlich?
Wir als Kirche könnten durch unsere ökumenische Verbundenheit Brücken bauen. Selbst da, wo es auf der politischen oder der wirtschaftlichen Ebene Grenzen gibt. Wir täten gut daran, in die Partnerschaft mit China verstärkt einzutreten und uns dort zu engagieren. Dafür werbe ich. Für uns als deutsche Gesellschaft ist allerdings erhöhte Vorsicht geboten. Zum einen, was die Wirtschaft angeht, das ist keine Frage. Auf politischer Ebene scheint es mir wichtig, darauf zu dringen, dass alles auf Augenhöhe läuft. Ansonsten ist natürlich die Menschenrechtsfrage eine, die auf politischer Ebene zu Recht thematisiert wird.
Ist die Menschenrechtsfrage auch für die Chinesinnen und Chinesen wichtig?
Meinem Eindruck nach spielt das nur für wenige Chinesen eine Rolle.
Wie haben Sie diese restriktive Corona-Politik erlebt oder sind sie vorher ausgereist?
Wirklich schwierig wurde es erst, nachdem die Omikron-Variante nach China kam und die Null-Covid-Politik das nicht mehr in Griff gekriegt hat. In Shanghai haben wir durch den Total-Lockdown dieses Frühjahr eine sehr, sehr unangenehme Zeit verbracht.
Sie sind ja in dieser Schließzeit im Mai 2022 ausgeflogen.
Das war letzten Endes geplant, denn meine neun Jahre in China waren vorbei. Was nicht geplant war, war, dass ich keine Konfirmation mehr durchführen konnte. Mein Abschiedsgottesdienst war online. Ich bin dann im Mai unter sehr reglementierten Bedingungen von einem fast menschenleeren Flughafen abgereist.
Leute wurden in ihren Büros festgehalten.
Ja, das gab’s. Wenn sie im Moment des Lockdowns im Büro waren, mussten Sie dort bleiben. Ich war im Prinzip von Mitte März bis zu meinem Abflug total isoliert und konnte mit allen Leuten nur noch online kommunizieren.
Der Ärger über die Maßnahmen wurde so groß, dass viele Leute protestiert haben.
Schon die chinesischen Kaiser haben sich vor Protestwellen gefürchtet. In diesem riesigen, schwer zu regierenden Land war es immer eine Sorge, dass sich aus regionalen Aufständen landesweite Unruhen entwickeln. Das war auch früher schon für Regierungen ein Grund, die Politik zu ändern, und so ist es halt auch jetzt. Zumal es ja weitere Gründe für das Umsteuern in der Coronapolitik gab.
Also bewirkt ein Aufstand doch etwas?
Man darf nicht denken, ein solches Regime wäre nicht kritisierbar. Kritik findet durchaus statt. Nur hat das eine andere Grundstruktur als in einer Demokratie.
Was heißt: andere Grundstruktur?
Wenn es zu größeren Unruhen kommt, gibt es in China durchaus interne Diskussionsprozesse, auch wenn sie nicht offiziell und demokratisch und auf Mitbestimmung angelegt sind. Man darf nicht denken, dass dort niemand den Mund aufmacht. Auch in dieser Hinsicht sollten wir China etwas differenzierter wahrnehmen.
Noch eine Dauerkrise: Kirchenbänke blieben leer
Die Weihnachtsmärkte boomten. Endlich wieder weihnachtliche Normalität. Doch die Kirchen waren die Spielverderber, auch wenn es eigentlich Putin war. Energie sollte eingespart werden, drum wurden die Heizungen, sei es auch Heilig Abend, gedrosselt oder ganz abgestellt. Im Podcast Conny&Kurt hatte Pfarrer Wolfgang Weinrich dieses ungastliche Momentum kritisiert. Das sei Populismus sagten Vertreterinnen der evangelischen Stadtsynode, denn man könne entweder die Kindergärten und Gemeindehäuser oder die Kirchen heizen. Für beides reiche das Geld nicht. Selbstkritisch gab sich hingegen der katholische Stadtdekan Johannes zu Eltz über diese „ökumenisch-ökologisch-solidarisch-finanziell begründete Kälte-Aktion“. Der „Kollateralschaden“ sei ziemlich hoch gewesen. Man konnte es an den leer gebliebenen Kirchenbänken in den Weihnachtsgottesdiensten sehen. Wie steht es um die beiden großen Kirchen, deren Mitgliederzahl in Deutschland im letzten Jahr erstmals unter 50 Prozent fiel. Wie kann es weitergehen mit einer Kirche in der Minderheit? Conny&Kurt fordern Innovation.