Seit gut einem Jahr ist Sigrun König die neue Pastorin der Evangelischen Thomasgemeinde. Im Interview spricht sie über ihre theologische Wurzeln, über ihr Engagement für Obdachlose und über ihre Vorstellungen eines gemeindlichen Brückenschlages in die Mitte Mettenhofs. Das Gespräch führte Kurt-Helmuth Eimuth.
Guten Tag Frau König. Sie sind Pastorin in Kiel-Mettenhof. Was hat Sie nach Mettenhof verschlagen?
Erstmal die Pröpstin, um ehrlich zu sein.
Hat die Ihnen das vorgeschlagen?
Ja, ich war Pastorin zur Nachwuchsgewinnung und dann noch mit halber Stelle Vertretungspastorin im Kirchenkreis. Da bin ich im Januar ’22 nach Mettenhof entsandt worden. Es hat mir so gut gefallen, dass wir alle miteinander daran gearbeitet haben, dass ich bleiben darf.
Das ist ja schön, dass Ihnen Mettenhof gefällt. Der Stadtteil selbst hat ja nicht so einen guten Ruf.
Kann ich nicht verstehen, nicht nachvollziehen. Mich hat es sehr an meine Heimat erinnert. Ich komme ja aus dem Ruhrgebiet. Da ähnelt sich einfach Vieles. Wenn man durch’s Zentrum geht: das Multikulti und auch mal wieder schön in den türkischen Läden einkaufen zu gehen. Mettenhof hat zu Unrecht einen schlechten Ruf. Wir sind ein viel grünerer Stadtteil als alle denken.
Auf alle Fälle. Mettenhof ist sehr weitläufig
Ja.
Und die Gemeinde hat Ihnen offenbar auch gefallen?
Die Gemeinde hat mir auf jeden Fall gefallen. Die Vielfalt, die wir da haben. Das ist wunderbar. Auch mit dem Ökumene-Zentrum dabei. Auch die Freiheit, dass ich viel ausprobieren darf. So Sachen wie: Wir gehen mit der Gemeinde auf die Kieler Woche und feiern dort Gottesdienst. Das ist überhaupt keine Frage. Alle sagen: Ja, klar, machen wir. Was brauchen wir dafür.
Diese Offenheit schätzen Sie?
Ja, absolut.
Was wäre denn gemeindlich ihr Ziel in den nächsten zwei Jahren?
Mein Bild ist ja immer die Brücke, die vom Gemeindezentrum rüber geht ins Einkaufszentrum. Diesen Brückenschlag würde ich gerne intensivieren. Denn mein theologisches Anliegen ist Kirche in der Welt, für die Welt. Und so müssen wir schauen, wie kommen wir mehr in die Welt hinein. Gerne auch einen Gottesdienst auf dem Kurt-Schumacher-Platz feiern. Wir feiern ja auch schöne Gottesdienste vor dem Gemeindezentrum. Aber man könnte auch mal über die Brücke drüber gehen oder einen Brückengottesdienst feiern.
Die Brücke ist ja zur Zeit eher eine Brücke ins Grüne, weg von der Urbanität.
Ja, aber das kann man ja verbinden. Man kann ja auch aus dem Grünen in die Urbanität gehen.
Was sind denn theologisch Ihre Vorbilder?
Auf jeden Fall Dorothee Sölle und Dietrich Bonhoeffer. Ich habe mich intensiv mit der Befreiungstheologie auseinandergesetzt. Irgendwann weiß man nicht mehr, woher man alles zusammengesammelt hat. Ich habe immer gesagt, ich bin auch politische Theologin. Ohne dass wir uns in politische Belange einmischen, ohne Parteipolitisch zu sein, kann ich mir nicht vorstellen Theologin zu sein.
Nun sind wir ja politisch in sehr bewegten Zeiten. Das macht ja auch was mit den Seelen der Menschen. Wie kann man da Ihnen beistehen?
Ich glaube tatsächlich mit viel, viel Seelsorge. Ich führe im Moment viele Einzelgespräche. Wir müssen es auch zulassen, dass wir trauern, dass wir Angst haben. Das darf sein. Und gleichzeitig versuche ich einen Gegenpol zu schaffen, in dem ich sage: Wir können uns auch noch freuen an den schönen Dingen. Ja, es ist Krieg, wir haben die Klimakrise und trotzdem darf ich mich freuen, wenn ich in der Sonne auf meiner Terrasse sitze.
Aber Sie sonnen sich ja nicht nur wohl verdient auf ihrer Terrasse, sondern Sie engagieren sich jenseits ihres Dienstauftrages für Obdachlose.
Ja, wir haben einen Verein gegründet Obdachlosenhilfe-Kiel e.V. und verteilen jede Woche Essen. Jetzt am Montag haben wir ganz viele Schlafsäcke und Isomatten verteilt. Gerade jetzt kommt die warme Jahreszeit. Wir haben T-Shirts und Jogginghosen ausgegeben. Wir gucken immer, wo wir Spenden herbekommen, um sie weiterzugeben. Heute Abend zum Beispiel habe ich die sogenannte Bäcker-Tour. Von einem Bäcker bekommen wir Brot und Brötchen gespendet und bringen es an den Bahnhof und auch zu den Frauen in der Frauen-Notunterkunft.
Sie haben sich für Minderheiten schon immer engagiert. In ihren letzten Stationen waren es Geflüchtete.
Ja, damit bin ich groß geworden. In den 1970er Jahren in Recklinghausen hatten wir erst Boat People, also vietnamesische Flüchtlinge um die sich meine Mutter gekümmert hat. Da bin ich eben immer mitgelaufen. Dann kamen die eritreischen Flüchtlinge und da habe ich im Alter von 10 oder 11 Jahren mit den Kindern Hausaufgaben gemacht. Es waren dann mehr Freundschaften. Es gab auch immer lecker Essen. Imiera ist wunderbar. In der Studienzeit war ich dann in der Flüchtlingshilfe aktiv. Ich wollte nie nur am Schreibtisch sitzen und für’s Studium lernen, sondern auch aktiv sein und beides miteinander verbinden.
Nun gibt es auch ein Leben neben Beruf und Ehrenamt. Welche Hobbys haben Sie?
Fahrradfahren. Im Urlaub packe ich meine Taschen, pack das Zelt auf’s Fahrrad und die Isomatte und den Schlafsack und radle los. Ich war in Litauen, letztes Jahr war ich bis Norderney. Ich habe in einem Jahr Schleswig-Holstein umrundet. Alles mit dem Fahrrad.
Wo geht es dieses Jahr hin?
Ich weiß es noch gar nicht genau.
Also Vorschläge werden noch angenommen.
Genau Vorschläge werden noch angenommen. Ich würde unglaublich gerne wieder nach Litauen. Aber bei der weltpolitischen Lage?
Vielen Dank Frau Pastorin König für das Gespräch.