Der derzeit in den Kinos laufende Film „Gotteskinder“ von Frauke Lodders beleuchtet Frömmigkeit und Inhalte von Freikirchen, von einem bestimmten Typus von Fundamentalismus. Im Podcast Conny&Kurt differenziert Matthias Pöhlmann, Weltanschauungsbeauftragter der evangelischen Kirche in Bayern, zwischen den „klassischen“ Freikirchen, die teils seit vielen Jahrhunderten existieren wie etwa die Mennoniten, Baptisten oder Methodisten und den modernen Freikirchen, die sich in den letzten Jahrzehnten herausgebildet haben. Diese modernen Freikirchen seien so etwas wie life style Kirchen. Die Inszenierung sei enorm wichtig und dadurch seien dies Gemeinschaften auch attraktiv. Der Film „Gotteskinder“ zeigt aber auch die Konflikte um Sexualität und das Rollenbild von der Frau am Herd sowie den patriarchalen Autoritarismus, der auch zu Gewalt gegenüber Kindern führt. Der Film gibt Einblick in eine religiöse Welt, die nach außen sich ganz anders darstellt.
Zur Person: PD Dr. theol. Matthias Pöhlmann (Jg. 1963), Kirchenrat, ist Landeskirchlicher Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern sowie Lehrbeauftragter für Religionswissenschaft und Religionsgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Der Theologe und Publizist hat eine Vielzahl von Sachbüchern und Beiträgen zu Religions- und Weltanschauungsfragen veröffentlicht, z.B. Handbuch Weltanschauungen, Religiöse Gemeinschaften, Freikirchen (als Mitherausgeber, 2015/2021), Die Freimaurer (2019) und Rechte Esoterik. Wenn sich alternatives Denken und Extremismus gefährlich vermischen (2021).
Es sind nicht die leichten Themen, die auf der Seite „abenteuer-weltanschauungen.de“ doch leicht und verständlich in Form eines Comic dargeboten werden. Der Religionspädagoge Bernd Dürhold, München, und der Weltanschauungsbeauftragte Dr. Harnigke Fugmann der evangelischen Kirche in Bayern, Bayreuth, bieten Einblicke in Denkmuster und Hintergründe von so verschiedenen Richtungen wie Esoterik, Schamanismus oder Anastasia-Bewegung bis hin zu Verschwörungserzählungen. Mit ihren Comics wenden sie sich an unterschiedliche Altersstufen. Wie sie im Podcast bei Conny&Kurt erzählen, benötigen sie bei einigen Dialogen wirklich lange. Vor Veröffentlichung diskutieren sie die Comics mit Jugendlichen. Deren Kritik bleibt nicht folgenlos, sondern führt auch zu textlichen Veränderungen. Die Comics kann man im Netz ansehen oder auch dort als Print bestellen.
Die beiden Autorinnen haben für sie einen griffigen Begriff gefunden. Sie nennen Kinder, die in weltanschaulich geschlossenen Systemen aufwachsen, „Filterblasenkinder“. Unter dem Titel „Zwischen den Welten: Filterblasenkinder verstehen und unterstützen“ haben Sarah Pohl und Mirijam Wiedemann jetzt einen Ratgeber für alle herausgegeben, die mit solchen Kindern zu tun haben, sei es im Kindergarten, in der Schule oder der Beratungsarbeit. Kinder, die in solch geschlossenen Systemen aufwachsen, müssen sich irgendwann entscheiden, entweder für die Gruppe oder für ihre Eltern. Eine kaum auszuhaltende Spannung. Sarah Pohl und Mirijam Wiedemann wollen sensibilisieren für die besondere Situation dieser Kinder und Jugendlichen und wollen Eltern sowie Pädagog:innen, Berater:innen und Therapeut:innen mit Handlungsempfehlungen für die Praxis unterstützen. Allerdings nennen sie nicht Ross und Reiter. Der Link zu den jeweiligen Ideologien, sei sei es auch nur beispielhaft, fehlt. Man könne so die Systeme besser aufzeigen und außerdem gäbe es zu viele Kleinstgruppen, erläutert Sarah Pohl im Podcast Conny&Kurt.
Conny & Kurt im Gespräch mit dem Weltanschauungsexperten Matthias Pöhlmann, der in seinem neuen Buch die Verbindungen zwischen Verschwörungsmythen und Esoterik aufzeigt. Inzwischen leugnet ein Teil der Szene nicht nur Corona, sondern verherrlicht gleichzeitig Putin. Eine Szene mit gwaltiger gesellschaftlicher Sprengkraft und dem Hang zur Radikalisierung.
Verschwörungserzählungen sind nicht erst seit Corona verbreitet. Das Problem: Sie können immer weiter nach rechts driften und radikalisiert werden.
„Aluhutträger“ lassen sich nicht überzeugen: Das Wort geht auf eine Science-Fiction-Geschichte von Julian Huxley aus dem Jahr 1927 zurück, in der Kappen aus Metallfolie Telepathie blocken sollen. | Foto: Kai Schwerdt /Flickr.com (cc by-nc)
Eigentlich verständlich, dass Menschen auf komplizierte Zusammenhange gerne einfache Antworten bekommen möchten. Einfache Antworten entlasten emotional, denn es ist sehr schwierig, Unsicherheiten auszuhalten. Eine repräsentative Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung, durchgeführt vor einem Jahr, zeigt, wie verbreitet der Wunsch nach einfachen Antworten ist: 30 Prozent halten demnach die Behauptung, dass geheime Machte die Welt steuern, „für wahrscheinlich richtig oder sicher richtig“, ein harter Kern von 11 Prozent ist sich dessen sogar „ganz sicher“.
Ganz oben auf der Hitliste klassischer Verschwörungsmythen steht die Überzeugung, die Mondlandung hätte gar nicht stattgefunden, sondern wäre im Studio gefilmt worden. Politischer wird es mit der Behauptung, die Anschlage vom 11. September seien von der US-Regierung selbst inszeniert worden, um islamistischen Staaten den Krieg erklären zu können. Und natürlich ist da auch noch die große Diana-Verschwörung, die gleich mehrere Deutungen des Unfalls der englischen Prinzessin zu bieten hat.
Seit Corona ist aber nicht nur die Zahl der Verschwörungserzählungen gewachsen, sie werden auch immer radikaler. Psychologisch ist das erklärbar: Wenn man an etwas glaubt – zum Beispiel, dass es das Virus gar nicht gibt oder Donald Trump mit Sicherheit die Wahl gewinnt – sich dies aber in der Realität nicht bewahrheitet, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man erkennt an, dass man falsch lag, oder man gräbt sich noch tiefer ein und erfindet immer neue Erklärungen.
Wie weit die Radikalisierung in den USA schon fortgeschritten ist, zeigt eine neue Umfrage: Fast 40 Prozent der Befragten glaubt, dass ein „tiefer Staat“ im Geheimen gegen Donald Trump operiert hat. Und mehr als die Hälfte hält es für vorstellbar, dass eine Gruppe „satanistischer Eliten“ einen Kindersexring betreibet und Politik und Medien kontrolliert.
Dass eine Elite Kinder gefangen hält und ihnen Blut absaugt, ist ein altes antisemitisches Erzählmuster. Schon im 15. Jahrhundert hieß es, Frauen und Juden würden aus Kindern Hexensalbe herstellen. Bis heute schwingt der Mythos einer geheimen jüdischen Weltverschwörung mit, wenn behauptet wird, dunkle Mächte wollten die Menschen durch eine Impfung manipulieren. Dementsprechend wird auch der Holocaust verharmlost, wenn zum Beispiel „Querdenker“ sich heute als ebenso verfolgt wie Jüdinnen und Juden unter Hitler stilisieren.
Mit dem harten Kern dieser Bewegung, in Deutschland etwa zehn Prozent der Erwachsenen, lässt sich kaum noch vernünftig diskutieren. Sie sind so in ihr eigenes Glaubensmuster verwoben, dass Argumente keine Chance haben. Doch der größere Teil derer, die Verschwörungsideen verbreiten, sind vor allem verunsichert. Mit ihnen muss gesprochen werden, sie brauchen Argumente so dringend wie Zuwendung.
Für die Verbreitung des Coronavirus in Südkorea war hauptsächlich eine religiöse Endzeit-Sekte verantwortlich. Ihrem Gründer droht jetzt eine Anklage wegen Mordes. Auch in Frankfurt ist die Gruppierung aktiv und hat hier schätzungsweise 500 Mitglieder. Ihr Frankfurter Zentrum ist allerdings zurzeit geschlossen, angeblich wegen Brandschutz.
Sektengründer Man-Hee Lee steht in Südkorea vor einer Mordanklage. Er und andere Mitglieder halten sich für unsterblich und haben daher großen Anteil an der Verbreitung des Corona-Virus in ihrem Land.
Die meisten Fälle von Infektionen mit dem Coronavirus außerhalb Chinas gibt es in Südkorea. An der Verbreitung des Virus hatte eine religiöse Sekte großen Anteil, die auch in Frankfurt aktiv ist und hier nach Schätzungen etwa 500 Mitglieder hat. Das Frankfurter Zentrum ist zur Zeit jedoch ebenso geschlossen wie das in Berlin.
Der Name der Gruppierung, „Shinchonji“ (auch: „Shincheonji“), heißt übersetzt „neuer Himmel und neue Erde“. Gründer ist Man-Hee Lee, der sich als „Pastor der Endzeit“ sieht, der das Volk Gottes sammelt und auf das Kommen Jesu vorbereitet. Die Mitglieder der Sekte halten sich für quasi unsterblich, weshalb sie auch glauben, dass Krankheiten ihnen nichts anhaben können. Dem Sektengründer droht nun in Südkorea eine Mordanklage. Immerhin soll die Hälfte aller Erkrankungen auf die Verbreitung durch Shinchonji zurückgehen.
„Lee selbst bezeichnet sich als körperlich unsterblich“, erläutert Oliver Koch, Weltanschauungsbeauftragter der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Dies gelte wohl auch für viele andere Mitglieder, „Krankheiten werden nicht ernst genommen.“
Koch warnt schon seit langem vor der Gruppierung. Die wahren Hintergründe von diversen Unterorganisationen würden verschleiert. Das Auftreten der Sekte sei sehr aggressiv, ihre Missionierungstaktik fast militärisch-strategisch, die Organisationsstrukturen intransparent bis hin zu Falschdarstellungen. Dies führe zu sehr vielen Beratungsanfragen. Wie auch bei anderen Sekten, steht bei Neumitgliedern der Einsatz für die Mission im Mittelpunkt. Darunter leiden Familie und Beruf.
Sektengründer Lee hat sich inzwischen öffentlich beim koreanischen Volk entschuldigt. Das Frankfurter Zentrum ist zur Zeit wegen „Brandschutz“ geschlossen, in Berlin werden Sanierungsarbeiten als Grund für die Schließung angegeben. Unklar ist, wie sich die Mitglieder in Deutschland verhalten werden. In Südkorea gehen die staatlichen Organe wohl mit allen Mitteln gegen die Verbreitung des Virus durch Shinchonji vor. Möglicherweise ist der Coronavirus dort der Anfang vom Ende dieser Sekte.
Weitere Informationen zu Shinchonji und dem Umgang mit der Sekte sind in einer Broschüre zu finden, die das Zentrum Oekumene veröffentlicht hat.
In Zeiten der Verunsicherung haben Verschwörungsmythen Konjunktur. Es ist die Zeit der Vereinfacher und Demagogen. Auch im religiösen Bereich gibt es viele bizarre Theorien zu den Ursachen des Coronavirus. Zum Glück gehen die etablierten Religionen verantwortungsvoll mit der Krise um.
Wer hat’s in die Welt gebracht? Verschwörungsmythen über Covid-19 verbreiten sich fast schneller als der Virus. | Foto: Fusion Medical Animation/unsplash.
Schon in den ersten Wochen nach Ausbruch des Coronavirus sollen nach einer Meldung der Washington Post sieben Prozent aller Posts auf Twitter falsche Informationen verbreitet haben. Komplizierte Sachverhalte reduzieren und möglichst einen Schuldigen benennen – so einfach ist das Muster des Verschwörungsmythos.
Islamische Geistliche aus Tunesien und Ägypten zum Beispiel haben behauptet, das Coronavirus sei eine Strafe Gottes für die Chinesen für deren Umgang mit den Uiguren. Im Irak verbreitete sich die Erklärung, bei der Epidemie handele es sich um ein amerikanisch-jüdisches Komplott. Ziel sei es, die Weltbevölkerung zu dezimieren.
Die Vorstellung von einer „jüdischen Weltverschwörung“ kursiert schon seit gut hundert Jahren. Sie geht unter anderem auf einen Roman aus dem Jahr 1868 zurück, der ein geheimes Treffen auf dem Judenfriedhof in Prag ausmalt. In den dort angeblich beschlossenen „Protokollen der Weisen von Zion“ sei beschrieben, wie das „internationale Judentum“ die Herrschaft über die Menschheit erlangen will, indem sie Wirtschaft, Finanzen, Medien und Kultur kontrollieren.
Diese fixe Idee wird bei jeder Krise wieder reaktiviert. Michael Blume, Antisemitismusbeauftragter der baden-württembergischen Landesregierung, sagte im Deutschlandfunk, es habe nur wenige Tage gedauert, bis das Auftreten des Coronavirus auch in Deutschland mit einer jüdischen Weltverschwörung verknüpft wurde: „Man hat gesagt: In Wuhan gibt es ein Biolabor, Bill Gates und Melinda Gates entwickeln Impfstoffe und verdienen damit Geld, und die seien ja Juden. Nichts davon stimmt.“
Vereinfachende Denkmuster finden sich bei sektenhaften Gruppierungen aller Religionen. Für Man-Hee Lee von der südkoreanischen Sekte „Shincheonji“ war klar: Das Coronavirus ist das Werk des Teufels, das die Ausweitung der Shincheonji-Kirche verhindern soll. An der Verbreitung des Virus in Südkorea hatte die christliche Sekte großen Anteil: Die Mitglieder halten sich für quasi unsterblich, weshalb ihnen Krankheiten nichts anhaben können. Dem Sektengründer droht in Südkorea jetzt ein Strafverfahren wegen Mordes. In Frankfurt hat Shincheonji 500 Mitglieder, ihr Zentrum ist geschlossen.
Die „Catedral Global do Espírito Santo“ in Brasilien hatte in einer Online-Broschüre mit der „Kraft Gottes gegen das Coronavirus“ geworben. Sie versprach ihren Gläubigen „eine Salbung mit geweihtem Öl“, das gegen Epidemien, Viren oder Krankheiten immun mache. In den USA geißelte ein evangelikaler Pastor Corona als Strafe Gottes für Homosexualität.
Doch Verschwörungsmythen sind nicht nur bizarr und abgedreht. Dies mag vielleicht für die Überzeugung gelten, dass die Mondlandung von der NASA in einem Filmstudio inszeniert wurde oder dass Elvis Presley noch lebt und von Außerirdischen entführt wurde, um die beiden beliebtesten Verschwörungsmythen zu nennen. Aber im politischen Bereich wird aus abgedrehten Ideen häufig blutiger Ernst.
Der rassistische Attentäter von Hanau fantasierte von einer angeblichen Überwachung durch ominöse Geheimdienste, von Gedankenkontrolle und Manipulation. Verschwörungsideologien sind häufig Teil eines Radikalisierungsprozesses. Durch sie fühlen sich Attentäter subjektiv berechtigt, andere zu töten. Die jeweilige Ideologie – und mag sie noch so krude sein – wirkt wie ein Durchlauferhitzer. Absurde Gedanken werden zum Kochen gebracht und entladen sich in Gewalt.
Auch der Rechtsextremist Anders Breivik, der 2011 in Norwegen 77 Menschen umgebracht hat, sah sich als Retter einer christlich-europäischen Ordnung. Er griff dabei auf Ideen sogenannter national-konservativer Intellektueller zurück, die vor einer angeblich geplanten Islamisierung Europas warnen.
Die Macht von vereinfachenden Vorstellungen, die Sehnsucht nach scheinbar leichter Erlösung überflügelt oftmals den Verstand. Auch unseren zuweilen. Ruhig und besonnen sollen wir bleiben, und doch rennen wir los und kaufen Nudeln und Toilettenpapier. Sind das die überlebenswichtigen Güter? Der Mensch ist vernunftbegabt, aber seine Gefühle stehen ihm oft im Weg. Und darum sind Verschwörungsideologien vermutlich unausrottbar. Mal sind sie nur grotesk, mal gefährlich für Leib und Seele.
1924 entmystifizierte Binjamin Segel in einem gründlich recherchierten Buch mit dem Titel „Protokolle. Eine Erledigung“ die so genannten Protokollen der Weisen von Zion, stellte aber gleichzeitig fest: „Wir sagten uns, es ist überflüssig, gegen dieses dumme Zeug anzukämpfen, das wird über kurz oder lang unter dem Hohnlachen der ganzen Welt zusammenbrechen. Wir haben uns getäuscht. Wir haben die Dummheit und Leichtgläubigkeit der Welt sehr erheblich unterschätzt. Mit diesen Protokollen hat gleichsam die Geschichte das Experiment gemacht, was man alles in einem aufgeklärten Zeitalter den Massen zumuten darf.“ Wie Recht er hatte.
Wie überall im Land war es schwierig Vereine ehrenamtlich weiterzuführen. Dies gilt auch für SINUS. „Es bestand die Gefahr, dass wir den Erwartungen von Ratsuchenden nicht mehr gerecht werden konnten“, sagt der Vorsitzende Conny von Schumann.
Vorsitzender Conny von Schumann
Mit Beschluss der Mitgliederversammlung vom 14.2.2018 hat sich der Verein aufgelöst.
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Wir danken allen, die uns unterstützten und mit uns kommunizierten. Auch wenn SINUS aufgelöst wurde, muss und wird die Auflärung über totalitäre Strömungen und Gruppen weiter gehen müssen. Dies braucht unsere Demokratie.