Die Erschließung des alten Geländes einer Lederfabrik eröffnete der Gemeinde Unterliederbach die Möglichkeit, ihre alte Einrichtung in der Johannisallee zu verlagern und um zwei Krabbelgruppen zu erweitern.
Gleichwohl derzeit zahlreiche Kitas eingeweiht würden, habe sie noch nie eine auf dem Dach eines Supermarktes gesehen, sagte die Vorsitzende des Evangelischen Regionalverbandes Esther Gebhardt bei der Eröffnung der neuen Kindertagesstätte der Gemeinde Unterliederbach. Die Kita sei so eine Art „Penthouse-Kita“.
Neben Supermarkt und Kita entstanden noch zahlreiche Wohnungen. Die „Evangelische Kita am Liederbach“ besuchen 62 Kinder. In der neuen Einrichtung wird täglich frisch gekocht. Auch konnte die Gemeinde genügend pädagogische Fachkräfte finden.
Immer seltener erfahren Kinder in der Familie eine religiöse Erziehung. Können evangelische Kindertagesstätten das kompensieren? Eher nicht, meint Kurt-Helmuth Eimuth.
Wer hat mit Ihnen früher gebetet, biblische Geschichten erzählt und religiöse Lieder gesungen? Vielleicht die Mutter, sehr oft aber sind es die Großeltern, die in den Familien für die Weitergabe religiöser Überzeugungen verantwortlich sind.
Doch das ist immer seltener der Fall. Die aktuelle Mitgliedschaftsstudie der Evangelischen Kirche in Deutschland zeigt Alarmierendes auf. Bei den 14- bis 21-Jährigen sind nach eigener Auskunft knapp die Hälfte der westdeutschen Kirchenmitglieder nicht religiös erzogen worden. Von den Konfessionslosen dieses Alters berichten nur 8 Prozent im Westen und 14 Prozent in Ostdeutschland über eine religiöse Erziehung.
Die Offenheit für religiöses Denken wird in der Kindheit geweckt, oftmals durch die Großeltern. Heute sind diese jedoch in vielen Familien aufgrund von Entfernungen oder sich verändernden Familienkonstellationen nicht mehr präsent. Hier solle oder könne der evangelische Kindergarten einspringen, lautet eine weit verbreitete Meinung. Schließlich wendet die Kirche für den Elementarbereich erhebliche Mittel auf.
Doch das greift zu kurz. Aus der Integrationsdebatte ist bekannt, dass eine nachhaltige Förderung von Kindern immer die ganze Familie im Auge haben muss – sie ist entscheidend für den Erfolg. Erst wenn zum Beispiel die Familie die Notwendigkeiten eines deutschen Schulsystems versteht, können die Anstrengungen der Pädagogen und Pädagoginnen wirklich fruchten. Aus diesen Überlegungen heraus entstand die Idee der Kinder- und Familienzentren: Hier soll das System Familie als Ganzes in den Blick genommen werden.
Ähnlich ist es bei der religiösen Bildung. Auch hier müssen die Kirchen die Familien mit ins Boot nehmen. Der Kindergarten alleine ist mit der Aufgabe, religiöse Sozialisation zu leisten, überfordert. Zu erwarten, dass Kindertagesstätten die religiöse Erziehung in den Familien ersetzen können, ist eine Überdehnung der Möglichkeiten. Vielmehr müssen die Kitas in Sachen Religion so etwas Ähnliches werden wie ein Kinder- und Familienzentrum mit dem Schwerpunkt religiöser Kommunikation.
An vielen Stellen gelingt das in Frankfurt auch längst. Die Kindertagesstätte ist ein wesentlicher Pfeiler der gemeindlichen Kommunikation sowohl mit Menschen, die der Kirche verbunden sind, als auch mit Distanzierten.
Diese Ansätze gilt es vor dem Hintergrund des sich ausdifferenzierenden Familienbegriffs auszubauen. Das heißt: Alle Formen von Familie sind einzubeziehen. Kirche und Kindertagesstätte können hiervon nur profitieren.
Erstmals wurde für einen Stadtteil ein Wegweiser vorgestellt. Eine Arbeitsgruppe des Frankfurter Bündnisses für Familie trug alle wichtigen Punkte des Goldstein zusammen.
Ob Ärzte, soziale Einrichtungen oder Einkaufsziele, ob für Kinder oder Senioren und Seniorinnen, alle Anlaufpunkte finden sich in der farbigen Broschüre. Für das Kuratorium des Frankfurter Bündnisses für Familie hob Kurt-Helmuth Eimuth bei der Vorstellung im Evangelischen Kinder- und Familienzentrum Goldstein hervor, dass der 60-seitige Wegweiser auch eine Handreichung sein könne, um den Stadtteil neu zu entdecken.
Beitrag von Redaktion, veröffentlicht am 9. März 2014 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe Web.
„Eintracht Frankfurt ist Religion“ – das ist keine Aussage einer soziologischen Studie, sondern der Text eines Aufnähers für Fans. Die Verehrung von Fußballclubs trägt nicht zu übersehende religiöse Züge, meint der Weltanschauungsexperte Lutz Lemhöfer.
Der Weltanschauungsexperte und bekennende Fußballfan Lutz Lemhöfer verglich die Art der Verehrung des Spiels und der Spieler mit religiösen Riten. Foto: Anne-Elisabeth Eimuth
Vor den Mitgliedern von Sinus, der Sekteninformation und Selbsthilfe Hessen gestern in Frankfurt, führte Lemhöfer weitere Beispiele an. So wird die Vereinshymne von Borussia Dortmund auf die Melodie des alten Spirituals „Amazing Grace“ gesungen und beerbt auch inhaltlich das Genre des religiösen Hymnus mit dem Text: „Leuchte auf, mein Stern Borussia! Leuchte auf, zeig mir den Weg! Ganz egal, wohin er uns auch führt, ich will immer bei dir sein.“
Wenn der Fußballfan Glück hat, ergattert er eine Reliquie, etwa eines der in triumphaler Geste in die Zuschauermenge geworfenen Spielertrikots. „Die Fanshops, in denen man die entsprechenden Devotionalien käuflich erwerben kann, etwa Schals, Mützen und Trikots mit Spielernamen, tragen wesentlich zur Finanzierung des Sportbetriebs bei und dürften den vergleichbaren Umsatz an katholischen Wallfahrtsorten mittlerweile übertreffen, so die Einschätzung des Theologen.
Wortspiele wie das „Schalke unser“ mit der Textzeile „Dein ist der Sieg und die Macht und die Meisterschaft in Ewigkeit“ oder die Zehn Gebote des Kölner Fanclubs „Tora et labora“ mit dem Gebot „Du sollst nicht begehren Deines Nächsten Spieler, Stadion, Trainer“ würden heutzutage kaum noch als blasphemisch wahrgenommen, sondern sie seien Teil der lustvoll spielerischen Inszenierung einer Pop-Religion.
Vor sechzig Jahren, zur Zeit des „Wunders von Bern“, war das noch anders. „Die fröhliche Schamlosigkeit, mit der die heutige Popkultur die religiös-symbolische Asservatenkammer plündert, war damals noch in weiter Ferne“, so Lemhöfer. Zum Beispiel kritisierten die Kirchen die als blasphemisch empfundene Ernennung des Torwarts Toni Turek zum „Fußballgott“. Auch Bundespräsident Heuss bezog bei der Verleihung des Silbernen Lorbeerblatts an die Spieler auf dies religiöse Überhöhung und sagte: „Ich glaube, er ist ein guter, zuverlässiger Torwart und soll das auch bleiben.“
„Die öffentliche Biederkeit der Fünfziger Jahre ließ das Zelebrieren einer Popreligion noch nicht zu“, glaubt Lemhöfer. Erst seit der Fußball immer markanter zum Teil einer Unterhaltungsindustrie mit explodierenden Umsätzen und Spielergehältern geworden sei, nehme er bruchlos an der „Theatralisierung des Alltags“ teil. Wie beim Konsum generell gehe es auch hier nicht mehr um den Gebrauchswert, sondern um den Inszenierungswert. Gefragt seien Themenwelten, Lebensstile, Weltbilder, die kultisch inszeniert werden müssten.
Für Lemhöfer besteht kein Zweifel, dass sich gerade Fußball gut für diese Art der Inszenierung eignet. Er erinnerte an die nahezu liturgischen Rituale beim Einlaufen, dem Introitus, der Mannschaften, bei dem das eigene Team in elffachem Responsorium begrüßt werde. Der Vorbeter sage: „Mit der Nummer eins unser Kevin“. Die Gemeinde antworte: „Trapp!“
Doch so neu sei die „Heimholung des Sports in die Nähe des Sakralen“ dann auch wieder nicht. Schon in der Antike standen Tempel und Stadion dicht beieinander, „wobei die Statuen der Sieger bald größer wurden als die der Götter.“