Fußball als Religion

Von Kurt-Helmuth Eimuth – 6. März 2014

„Eintracht Frankfurt ist Religion“ – das ist keine Aussage einer soziologischen Studie, sondern der Text eines Aufnähers für Fans. Die Verehrung von Fußballclubs trägt nicht zu übersehende religiöse Züge, meint der Weltanschauungsexperte Lutz Lemhöfer.

Der Weltanschauungsexperte und bekennende Fußballfan Lutz Lemhöfer verglich die Art der Verehrung des Spiels und der Spieler mit religiösen Riten. Foto: Anne-Elisabeth Eimuth

Der Weltanschauungsexperte und bekennende Fußballfan Lutz Lemhöfer verglich die Art der Verehrung des Spiels und der Spieler mit religiösen Riten. Foto: Anne-Elisabeth Eimuth

Vor den Mitgliedern von Sinus, der Sekteninformation und Selbsthilfe Hessen gestern in Frankfurt, führte Lemhöfer weitere Beispiele an. So wird die Vereinshymne von Borussia Dortmund auf die Melodie des alten Spirituals „Amazing Grace“ gesungen und beerbt auch inhaltlich das Genre des religiösen Hymnus mit dem Text: „Leuchte auf, mein Stern Borussia! Leuchte auf, zeig mir den Weg! Ganz egal, wohin er uns auch führt, ich will immer bei dir sein.“

Wenn der Fußballfan Glück hat, ergattert er eine Reliquie, etwa eines der in triumphaler Geste in die Zuschauermenge geworfenen Spielertrikots. „Die Fanshops, in denen man die entsprechenden Devotionalien käuflich erwerben kann, etwa Schals, Mützen und Trikots mit Spielernamen, tragen wesentlich zur Finanzierung des Sportbetriebs bei und dürften den vergleichbaren Umsatz an katholischen Wallfahrtsorten mittlerweile übertreffen, so die Einschätzung des Theologen.

Wortspiele wie das „Schalke unser“ mit der Textzeile „Dein ist der Sieg und die Macht und die Meisterschaft in Ewigkeit“ oder die Zehn Gebote des Kölner Fanclubs „Tora et labora“ mit dem Gebot „Du sollst nicht begehren Deines Nächsten Spieler, Stadion, Trainer“ würden heutzutage kaum noch als blasphemisch wahrgenommen, sondern sie seien Teil der lustvoll spielerischen Inszenierung einer Pop-Religion.

Vor sechzig Jahren, zur Zeit des „Wunders von Bern“, war das noch anders. „Die fröhliche Schamlosigkeit, mit der die heutige Popkultur die religiös-symbolische Asservatenkammer plündert, war damals noch in weiter Ferne“, so Lemhöfer. Zum Beispiel kritisierten die Kirchen die als blasphemisch empfundene Ernennung des Torwarts Toni Turek zum „Fußballgott“.
Auch Bundespräsident Heuss bezog bei der Verleihung des Silbernen Lorbeerblatts an die Spieler auf dies religiöse Überhöhung und sagte: „Ich glaube, er ist ein guter, zuverlässiger Torwart und soll das auch bleiben.“

„Die öffentliche Biederkeit der Fünfziger Jahre ließ das Zelebrieren einer Popreligion noch nicht zu“, glaubt Lemhöfer. Erst seit der Fußball immer markanter zum Teil einer Unterhaltungsindustrie mit explodierenden Umsätzen und Spielergehältern geworden sei, nehme er bruchlos an der „Theatralisierung des Alltags“ teil. Wie beim Konsum generell gehe es auch hier nicht mehr um den Gebrauchswert, sondern um den Inszenierungswert. Gefragt seien Themenwelten, Lebensstile, Weltbilder, die kultisch inszeniert werden müssten.

Für Lemhöfer besteht kein Zweifel, dass sich gerade Fußball gut für diese Art der Inszenierung eignet. Er erinnerte an die nahezu liturgischen Rituale beim Einlaufen, dem Introitus, der Mannschaften, bei dem das eigene Team in elffachem Responsorium begrüßt werde. Der Vorbeter sage: „Mit der Nummer eins unser Kevin“. Die Gemeinde antworte: „Trapp!“

Doch so neu sei die „Heimholung des Sports in die Nähe des Sakralen“ dann auch wieder nicht. Schon in der Antike standen Tempel und Stadion dicht beieinander, „wobei die Statuen der Sieger bald größer wurden als die der Götter.“

Beitrag von Kurt-Helmuth Eimuth, veröffentlicht am 6. März 2014 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe 2014/2 – April, Web.

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