Archiv für 1. Juli 2009

Qualität für Krippen

Evangelisches Frankfurt Juli 2009

Qualität für Krippen
Sozialminister Banzer gegen Akademisierung

Durch den massiven Ausbau des Betreuungsangebots für Kinder unter drei Jahren sieht der Hessische Sozialminister Jürgen Banzer die Gefahr, dass die Qualität auf der Strecke bleibt. Bei einer Podiumsdiskussion in der Evangelischen Akademie Arnoldshain über die Perspektiven frühkindlicher Erziehung sagte Banzer, zur Zeit habe man für 18 Prozent dieser Altergruppe einen Krippenplatz, angestrebt seien 35 Prozent. Der Hessische Bildungsplan für Kinder von null bis zehn Jahren könne ein Weg sein, die Qualität zu sichern. Da die Kindertagesstätten von zahlreichen freien Trägern unterhalten werden, können Standards nicht von oben verordnet werden. Darum will der Minis­ter bei der Qualitätssicherung „goldene Zügel“ nutzen. „Es geht nur mit viel Kommunikation, Elternarbeit und einem umfangreichen Fortbildungsangebot.“.

Banzer wandte sich gegen die Forderung, die Ausbildung von Erzieherinnen zu akademisieren. Er bescheinigte der derzeitigen Ausbildung eine hohe Qualität. „Die Fachschulen bilden hervorragend aus.“ Vielmehr solle man darüber nachdenken, ob während der Ausbildung nicht ein Lehrlingsgehalt gezahlt werden könne. „Wir müssen den Beruf attraktiver machen.“

Den Wandel des Kindergartens zu einer Bildungseinrichtung mahnte Pfarrer Michael Frase, der Leiter des Diakonischen Werks für Frankfurt, an. Die Kindergärten kämen historisch betrachtet aus der Tradition der familienergänzenden Betreuung. Dies habe durchaus seine eigene Qualität. Jetzt gehe es aber darum, träger­übergreifende Netzwerke in den Stadtteilen zu knüpfen, um die Übergänge zwischen den Bildungseinrichtungen „flach zu halten“. Frase begrüßte die Entstehung von Familienzentren, die verschiedene Angebote unter einem Dach bündeln.

Kurt-Helmuth Eimuth

Ohne Ökumene geht es nicht

Evangelisches Frankfurt Juli 2009

Kommentar:
Ohne Ökumene geht es nicht

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Raban Tilmann geht in den Ruhestand. Feierlich wurde der katholische Stadtdekan mit einem Gottesdienst verabschiedet. Zwölf Jahre lang hatte der zum konservativen Flügel zählende Katholik dieses Amt inne. Über den Zustand seiner Kirche sagt Tilmann zufrieden: „Uns geht es gut“. Trotz Mitgliederschwund, langfristig zurückgehenden Kirchensteuereinnahmen und dem wachsenden gesellschaftlichen Bedeutungsverlust, dem sich beide Kirchen stellen müssen. Raban Tilmann konnte sich schon immer auf seine kommunikativen Fähigkeiten verlassen. Auch beim Zudecken von Problemen.

Im Rückblick muss man aus evangelischer Sicht sagen: Es war keine Dekade der Ökumene. In Rom nicht und auch in Frankfurt nicht. „Wir sind nicht füreinander geboren“, räumte Tilmann bei der offiziellen Verabschiedung von Pröpstin Helga Trösken vor drei Jahren ein. Und das war wohl nicht nur persönlich gemeint.

Und doch muss man dem scheidenden Stadtdekan konzedieren, dass er im Laufe seiner Amtszeit offener wurde. Als es um den Moscheebau in Hausen ging, hat er sich für die Religionsfreiheit eingesetzt. Und als die Nazis hier aufmarschieren wollten, hat sich Tilmann erstmals in seinem Leben an einer Demonstration beteiligt: gegen Rechtsextremismus und für Toleranz. Die Gründung des Rates der Religionen ist eine Konsequenz. Hier sollen nach der Vorstellung Tilmanns praktische Fragen erörtert werden. Keine theologischen. Denn da bleibt Tilmann sich treu. Ein gemeinsames interreligiöses Gebet geht für ihn nicht. Weil, so Tilmann, nicht alle zum selben Gott beten und die Buddhisten keinen Gott hätten.

Der Stadtdekan – und nicht nur er – achtete immer sehr auf die Wahrung der (katholischen) Identität. Dabei gibt es so viele Probleme, die von beiden Konfessionen gemeinsam anzupacken wären. Da sind die zahlreichen Kirchen, die eine kleiner werdende Zahl von Christenmenschen unterhalten muss. Da sind Neubaugebiete, in denen man den Bau eines gemeinsames Gotteshauses ablehnt. Und da ist die erschreckend niedrige Zahl von christlichen Erstklässlern, denen man gemeinsamen Religionsunterricht versagt. Und schließlich ist da eine Stadtgesellschaft, die bei vielen Ereignissen nach einem ökumenischen Auftritt der Kirchen verlangt.

Zugegeben, bei allen Problemfeldern sind Lösungen nicht einfach zu finden. Doch egal wer Raban Tilmann nachfolgt, er wird sich der ökumenischen Herausforderung stellen müssen. Denn für beide Kirchen gibt es zur Ökumene keine Alternative.

Kurt-Helmuth Eimuth

Selbsterlösung versus Gottesliebe

Evangelisches Frankfurt Juli 2009

Selbsterlösung versus Gottesliebe

Obgleich er in Deutschland nur rund 200000 Anhänger und Anhängerinnen hat, verfügt der Buddhismus über eine ungemeine Anziehungskraft. Das liegt sicher auch an der charismatischen Persönlichkeit des Dalai Lama.

„Alles steht in wechselnder Abhängigkeit.“ Oder: „Die Welt ist ein Netz von Beziehungsstrukturen, Gedanken und Gefühlen.“ Sätze wie diese faszinieren viele Menschen am Buddhismus. Der Religionswissenschaftler Michael von Brück bezeichnet sie als die Quintessenz des Buddhismus. Dabei blühen gerade im Westen auch „esoterisierte“ Versionen, wie Wellness und para-buddhistische Ego-Kult-Angebote.

Der Buddhismus, im 5. oder 4. Jahrhundert v. Chr. von Siddhar­tha Gautama, dem Buddha, in Nordindien gestiftet, hat sich im Lauf der Jahrtausende zu einem sehr heterogenen religiösen Gebilde ausdifferenziert. Der Kern der Lehre besteht in der Erkenntnis, dass das Leiden des Menschen im umfassenden Sinne durch Anhaften, Gier, Festhaltenwollen und durch die Illusion verursacht wird, die Welt könne „gegriffen“ und festgehalten werden. Alles Leiden entspringe aus der Frustration dieser Gier, denn die Welt ist vergänglich und alles in stetem Werden und Vergehen begriffen.

Diese Lehre ist im Wesentlichen eine psychologische Erkenntnisphilosophie. Erst im Lauf seiner Geschichte wurde der Buddhismus zu einer Religion mit Kultus. Im 19. Jahrhundert tritt er verstärkt auch im Westen in Erscheinung. Arthur Schopenhauer war in Deutschland einer der ersten „bekennenden“ Buddhisten.

Im Unterschied zum asiatischen Buddhismus, der heute fast ausschließlich als Tempelreligiosität und Ritenanbieter wahrnehmbar ist, tritt der westliche Buddhismus als Laienreligion mit deutlichem Bekenntnischarakter in Erscheinung, in deren Mittelpunkt die Meditation als zentrale Praxis steht. In einer Zeit, in der die Prägung durch ein christliches Elternhaus schwächer wird, ist für viele Menschen das Angebot einer erkennbaren Spiritualität, die zugleich seelische Wirkungen und Wandlungsprozesse erhoffen lässt, attraktiv. Zudem idealisiert man den Buddhismus als friedlich, obgleich es auch dort fundamentalistische Strömungen gibt und die Herrschaft der Dalai Lamas in Tibet alles andere als friedlich war.

Gemäß tibetischer Tradition wird angenommen, dass der vorherige verstorbene Dalai Lama eine Wiedergeburt als Mensch annimmt und dieser dann aufgefunden werden kann. Dies geschieht durch eine Findungskommission. Besondere Zeichen werden entsprechend gedeutet, etwa ungewöhnliche Fähigkeiten eines Kindes oder besondere Vorkommnisse bei der Geburt.

Für Ulrich Dehn von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen unterscheidet sich der christliche Glaube grundsätzlich vom Buddhismus: „Viele westliche Buddhisten betrachten die buddhistische Philosophie als Erkenntnislehre über die Wirklichkeit und als Weg zur Selbstfindung.“ Dies sei ein Weg der „Erlösung aus sich selbst heraus, während der christliche Glaube von der Hoffnung auf Errettung durch die Gnade Gottes lebt.“

Kurt-Helmuth Eimuth

„Ich gestehe jedem seine eigene Glaubenswahrheit zu“

Evangelisches Frankfurt Juli 2009

„Ich gestehe jedem seine eigene Glaubenswahrheit zu“

Kirchenpräsident Volker Jung spricht mit „Evangelisches Frankfurt“ über die Aufgabe der Kirche in globalen Krisenzeiten und die Chancen für den Dialog der Religionen.

Herr Jung, Sie kommen aus dem Vogelsberg und arbeiten jetzt in Darmstadt, dem Sitz der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau – verbindet Sie auch etwas mit Frankfurt?

Ich finde Frankfurt hoch spannend und bin gerne hier. Ganz abgesehen davon, dass ich seit meinem sechsten Lebensjahr Eintracht Frankfurt-Fan bin und mir diese Stadt daher schon immer emotional etwas bedeutet hat.

Volker Jung beim Redaktionsgespräch. Der 49-Jährige ist seit Anfang dieses Jahres Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Seine Amtszeit beträgt acht Jahre. Vorher war Jung Pfarrer in Lauterbach und Dekan im Vogelsbergkreis. | Foto: Rolf Oeser

Volker Jung beim Redaktionsgespräch. Der 49-Jährige ist seit Anfang dieses Jahres Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Seine Amtszeit beträgt acht Jahre. Vorher war Jung Pfarrer in Lauterbach und Dekan im Vogelsbergkreis.
Foto: Rolf Oeser

In guten wie in schlechten Zeiten?

In guten wie in schlechten Zeiten, davon bin ich nie abgewichen! Eine sehr schöne Sache für mich war es auch, den Pfingstgottesdienst auf dem Römerberg mitzufeiern. Da sind sicher viele Menschen gewesen, die ansonsten gar nicht in die Kirche gehen. In einer Großstadt hat die Kirche schon tolle Chancen.

Welche Impulse sollten denn von Frankfurt für die Landeskirche insgesamt ausgehen?

Wir brauchen offene, einladende Kirchen, wo Menschen aus unterschiedlichen Milieus erreicht werden. Die Stadt bietet da besondere Möglichkeiten für experimentelle Projekte und kann eine Vorreiterrolle haben. Aber ich würde den Gegensatz von Stadt und Land gar nicht so groß machen. Es gibt ja auch in Frankfurt Stadtteile, in denen noch das traditionelle Gemeindeleben in einem durchaus dörflichen Sinn gelebt wird. Das darf nicht kaputt gehen.

Sie sind angetreten als ein Kirchenpräsident, der die Kirche nicht nur verwalten, sondern auch geistliche Impulse setzen will. Welche Impulse braucht eine von Finanzkrisen und Klimawandel bedrohte Welt?

Die Welt braucht erstens eine geistlich begründete Gelassenheit. Wer sich von Gott getragen weiß, ist hoffentlich vor hektischem Krisenaktivismus etwas besser gefeit. Und zweitens braucht sie ein Krisenmanagement, das auf das langfristige Wohl aller bedacht ist. Auf Krisen reagieren viele mit Entsolidarisierung. Plötzlich geht es nur noch darum, die eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen. Die Welt braucht aber Entwicklungen, die das Leben in den heutigen globalen Beziehungen ernst nimmt, und das gilt sowohl für das Klima als auch für die Wirtschaft. Unser Glaube ruft uns nicht zum Kampf der Starken gegen die Schwachen, sondern er ruft uns in eine globale Solidarität. Dabei geht es nicht nur um die großen politischen Fragen, sondern auch um unsere Glaubwürdigkeit als Christen und als Kirche, um die Frage nach dem persönlichen Lebensstil: Was mache ich selber? Es geht darum, das Glaubensleben und das wache Aufnehmen gesellschaftlicher Fragen zusammenzubringen.

In die Schlagzeilen geraten ist im Streit um den Hessischen Kulturpreis das Verhältnis der Kirche zum Islam. Wie steht es aus Ihrer Sicht um den Dialog?

Ich würde mir wünschen, dass man sich gerade im Blick auf die Fragen der Weltverantwortung, die ja in jeder Religion vorkommen, verständigt und gemeinsam fragt, vor welchen Herausforderungen wir stehen. Vielleicht ist die Orientierung an ethischen Fragen dabei dialogfähiger als die Orientierung an den dogmatischen Fragen. Wobei natürlich beides zusammengehört. Es muss auch Platz sein, sich die dogmatischen Glaubensauffassungen gegenseitig zu sagen und sie nebeneinander stehen zu lassen.

Sind Allah und Gott letztlich nicht dasselbe?

Auf eine einfache Form gebracht würde ich sagen: Wir glauben zwar an einen Gott, aber wir beschreiben ihn in unterschiedlicher Weise.

Zur gesellschaftlichen Verantwortung gehört auch, Kinder im Sinne des friedlichen Zusammenlebens zu erziehen. Da hat die Kirche mit ihren vielen Kindertagesstätten ein großes Betätigungsfeld. Wa­rum beharrt die evangelische Kirche darauf, nur christliche Erzieherinnen einzustellen?

Diese Frage wird bei uns kontrovers diskutiert. Einerseits haben wir als Kirche den verständlichen Wunsch, dass in unseren Einrichtungen ein deutliches evangelisches Profil erkennbar ist. Aus meiner Sicht kann das bei einer Kindertagesstätte, in der viele muslimische Kinder sind, aber auch so erfüllt werden, dass man überlegt, ob eine muslimische Erzieherin dem Team und den Kindern gut tun würde. In diesem Sinn denkt die Synode über eine Änderung der Richtlinien nach.

Ihr Vorgänger im Amt, Peter Steinacker, vertrat im Interview mit „Evangelisches Frankfurt“ die Auffassung, dass der Buddhismus für das Christentum eigentlich eine größere Herausforderung darstellt als der Islam. Gerade in Zusammenhang mit dem Besuch des Dalai Lama ist das ein spannendes Thema. Wie sehen Sie das?

Natürlich haben wir so etwas wie einen Markt der Religionen, und darin gibt es viele Mitbewerber. Aber ob man das gewichten kann? Ich glaube, dass jedes religiöse Gespräch dazu führt, das Eigene deutlicher zu erkennen. Da kann man sich durchaus fragen, warum es manche Menschen zum Buddhismus zieht oder andere den Islam attraktiv finden. Ein guter religiöser Dialog gibt beidem Raum: dem gegenseitigen Befragen und dem kritischen Nachfragen an das Eigene.

Und warum ist für Sie das Christentum attraktiv?

Der Glaube, in dem man großgeworden ist, hat eine tiefe, lebensgeschichtliche Verankerung und eine große Prägekraft, sodass man immer mit der eigenen Religion eine höhere Identifikation empfindet als mit einer anderen Religion. Ich schätze am christlichen Glauben sehr, dass der Mensch als Individuum gesehen wird und zugleich auch als gesellschaftliches Wesen. Und dass der Begriff der Freiheit, die in Liebe begründet wird, eine große Rolle spielt. Aber niemand kann in einem absoluten Sinn sagen: Ich kenne die einzige Wahrheit. Sicher, ich habe subjektiv meine Glaubenswahrheit, aber ich gestehe jedem, mit dem ich rede, seine eigene Glaubenswahrheit zu. Auf dieser Ebene können Wahrheitsansprüche dann durchaus auch konkurrieren.

Im Zuge der Finanzkrise ist ja auch die finanzielle Situation der Kirche wieder angespannter. Wie sehen Sie da die Perspektiven für die Zukunft?

Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau hat glücklicherweise in den zurückliegenden Jahrzehnten eine gute Finanzpolitik gemacht. Das heißt, wir haben Rücklagen, die uns in die Lage versetzen, zwei oder drei schwierige Jahre ungefähr auf dem jetzigen Haushaltsniveau durchzuhalten. Dass wir uns perspektivisch auf Zeiten einstellen müssen, in denen uns weniger Finanzkraft zur Verfügung steht, das ist ja längst in unseren Sparbemühungen mit drin. Ich glaube allerdings nicht, dass wir eine Zielperspektive entwickeln können, die bedeutet, dass wir einzelne Arbeitsbereiche völlig brachlegen. Insgesamt werden wir wohl in allen Bereichen kürzen müssen. Aber wir hoffen natürlich sehr, dass die Krise überwunden werden kann und es dann auch wieder einmal in eine andere Richtung geht.

Interview: Antje Schrupp und Kurt-Helmuth Eimuth