Archiv für 20. Dezember 2018

Nächstes Jahr wollen wir auch in einem Frankfurter Stadion Weihnachtslieder singen!

von Kurt-Helmuth Eimuth 20. Dezember 2018

War Ruckzuck ausverkauft: Das Weihnachtssingen von hr3.
War Ruckzuck ausverkauft: Das Weihnachtssingen von hr3.

Das größte Weihnachtssingen Hessens findet dieses Jahr nicht in einer Kirche statt, sondern in einer Fußballarena. Dort wo normalerweise die Fußballprofis des Drittligisten SV Wehen Wiesbaden spielen, stehen am 23. Dezember Tobi Kämmerer, das Elektropop-Duo Glasperlenspiel, die Sängerin FEE. und die Frankfurter Urban Club Band auf einer großen Bühne und singen gemeinsam mit dem Publikum die schönsten Weihnachtslieder. Besinnlichkeit und Wärme sollen auf ein friedvolles Weihnachtsfest einstimmen, so die Ankündigung von hr3.

Tatsächlich ist es ein mutiges Unterfangen, doch es gibt Vorbilder. In Dresden und Leipzig haben solche weihnachtlichen Stadionevents bereits Tradition – ausgerechnet im säkularen Osten! Federführend in Dresden ist der berühmte evangelische Kreuzchor. Und die Stadien sind bis auf den letzten Platz gefüllt. Selbst in der Fernsehübertragung ist etwas von der ganz besonderen Stimmung zu spüren.

Der Hessische Rundfunk war überrascht über die Resonanz. Nur eine gute Woche hat es gedauert, da waren sämtliche Tickets für das hr3-Weihnachtssingen vergriffen. Der Erfolg gibt dem Projekt also recht.

Da bleibt zu hoffen, dass im nächsten Jahr ein solches Event mit Unterstützung der Kirchen auch in der größten hessischen Stadt, nämlich in Frankfurt, geplant wird. Man kann ja mit dem Bornheimer Hang klein anfangen. Und im übernächsten Jahr geht es dann ins Waldstation, wie wir die Arena immer noch nennen. Träumen darf man ja, gerade an Weihnachten

Rechtsextremismus in der Kita

von Kurt-Helmuth Eimuth 5. Dezember 2018

Kurt-Helmuth Eimuth, Publizist und Erziehungswissenschaftler, kommentiert die aktuelle Debatte über eine Broschüre der Amadeu-Antonio-Stiftung zum Umgang mit rechtsextremen Einflüssen, die sich im Kita-Bereich bemerkbar machen.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Die Broschüre „Ene, mene, muh – und raus bist du. Ungleichwertigkeit und frühkindliche Pädagogik“ der Amadeu-Antonio-Stiftung sorgt für Aufregung. Die Stiftung will mit der 60-seitigen Druckschrift für Kindertagesstätten „sensibilisieren für einen kritischen Umgang mit Diskriminierung im frühkindlichen Bildungsbereich“. Anhand konkreter Fallbesprechungen werden Fachkräfte und Erzieherinnen auf Strategien rechter Akteure aufmerksam gemacht und unterstützt, eine Normalisierung rechtsextremer und menschenfeindlicher Einstellungen im frühkindlichen Bildungsbereich entgegen zu wirken. Familienministerin Franziska Giffey (SPD) hat ein Grußwort beigesteuert und unterstreicht die Notwendigkeit: „Die Kinder von heute werden morgen unsere demokratische Gesellschaft tragen. Deshalb ist es wichtig, die frühkindliche Bildung demokratisch zu gestalten und an Kinderrechten zu orientieren“. Dagegen kann man nichts sagen. Und sicher ist auch richtig, dass die zunehmende gesellschaftliche Polarisierung und der Anstieg rechtspopulistischer Bewegungen nicht vor der Kita-Tür Halt macht. „Kinder schnappen rassistische Bemerkungen oder antisemitische Einstellungen auf und geben sie weiter“, so die Familienministerin.

Wie diese Empfehlungen im Einzelnen ausgestaltet sind, sorgt jetzt allerdings für gewaltigen Unmut. So enthält die Broschüre angeblich konkrete Hinweise, wie Erzieher Kinder aus angeblich rechtslastigen Familien identifizieren können. Unter der Überschrift „Kinder aus völkischen Familien“ wird das Fallbeispiel eines Geschwisterpaars geschildert, das besonders zurückhaltend ist und wenig von zu Hause oder vom Wochenende erzählt.

„Gleichzeitig gibt es keine sogenannten Disziplinprobleme, diese Kinder scheinen besonders ‚gut zu spuren‘. Außerdem sind traditionelle Geschlechterrollen in den Erziehungsstilen erkennbar: Das Mädchen trägt Kleider und Zöpfe, es wird zu Hause zu Haus- und Handarbeiten angeleitet, der Junge wird stark körperlich gefordert und gedrillt. Beide kommen häufig am Morgen in die Einrichtung, nachdem sie bereits einen 1,5-km-Lauf absolviert haben.“

Nun, man kann sicher darüber diskutieren, ob in dem einen oder anderen Fall nicht zu sehr Stereotypen verwandt werden. Doch insgesamt sind die Ratschläge praxisnah, stellen das Kind in den Mittelpunkt und beziehen schnell die Eltern mit ein. Auch fordert man die Erzieherinnen auf, bei Fällen von Diskriminierung selbst Position zu beziehen. Von einer „staatlichen Handlungsanweisung zur Elternspionage“, so die CDU-Bundestagsfraktion, kann keine Rede sein. Vielmehr geht es den Autoren um eine Form der Erziehungspartnerschaft. Die Kinder dürfen nicht zwischen zwei Erziehungsstilen hin und her gerissen werden. „Aufgabe demokratischer pädagogischer Institutionen sollte es sein, Kinder zu stärken und ihnen in diesem Fall einen alternativen Erfahrungsraum zu ihrem Elternhaus zu eröffnen. Eine Ausgrenzung der betroffenen Kinder ist keine Lösung und ist keinesfalls anzustreben. Vielmehr sollte versucht werden, den Zugang zu den Kindern zu erhalten.“ Und man mag ergänzen: Auch der Zugang zu den Eltern ist deshalb zu erhalten.

Die Kontroverse um die Broschüre zeigt nur eines: Die Vielfältigkeit der Lebensstile, aber auch die gesellschaftliche Polarisierung hat das Arbeiten in einer Kindertagesstätte nicht einfacher gemacht. Und doch ist die Kita der Ort, in dem tagtäglich das Miteinander unterschiedlicher Weltanschauungen und Religionen vermittelt und eingeübt wird. Eine großartige Leistung des Personals und eine gute Basis für unsere Demokratie.