Religiös legitimierte Gewalt ist eine Verzerrung von Religion
Die zerstörerische Kraft des religiösen Fanatismus und Fundamentalismus haben sich in den Selbstmord-Attentaten von New York und Washington vor einem jahr gezeigt. Seitdem werden nicht nur die politischen Konsequenzen bedacht. Auch die Frage religiös begründeter Gewalt wird mit zunehmender Schärfe diskutiert: Ist Religion schlechthin oder sind einzelne Religionen von ihrem Wesen her gewalttätig? Oder wird hier die ursprüngliche Friedensethik der Religionen pervertiert? Gibt es Unterschiede in der Nähe oder Ferne der Religionen zur Gewalt? Der katholische Weltanschauungsbeauftragte Lutz Lemhöfer hat gemeinsam mit dem evangelischen Publizisten Kurt-Helmuth Eimuth ein Buch vorgelegt, in dem namhafte Journalisten das Verhältnis der Religionen zur Gewalt untersuchen.
Das Fazit der beiden Herausgeber: “Eine nüchterne Betrachtung zeigt: Praktisch alle Religionen enthalten ein Potential von Gewalt. Da schießen Christen unterschiedlicher Konfessionen in Nordirland aufeinander. Da führen Hindus und Moslems einen blutigen Konflikt knapp unterhalb der Schwelle des großen Krieges um das umstrittene Grenzgebiet Kaschmir; im ewig scheinenden Bürgerkrieg in Sri Lanka stehen sich Hindus und Buddhisten gegenüber; der ständig eskalierende Konflikt in und um Israel/Palästina ist neben dem Kampf zweier Völker auch einer von zwei Religionen, Judentum und Islam, um vermeintlich gottgegebenes Land.“
Doch die Herausgeber weisen auch auf die andere Seite der Religion: Männer wie der Hindu Mahatma Gandhi, der buddhistische Dalai Lama oder der Christ Martin Luther King zeigten beispielhaft wie Religion Frieden und Versöhnung förderten. Lemhöfer: „Einseitige Schuldzuweisungen an die Religionen schlechthin verbieten sich also ebenfalls wie die Denunzierung etwa des Islam.“
Deutlich, so die Herausgeber, werde vielmehr: Religionen werden dort gewalttätig, wo irdische Ansprüche mit dem Heiligenschein göttlicher Setzung verklärt und damit unverhandelbar werden. Wo konkretes menschliches Leben abstraktem „heiligem Recht“ geopfert wird und der Nichtgläubige, welchen Glaubens auch immer, angeblich weniger Rechte innehat als der Gläubige. Lemhöfer wörtlich: „Es ist die sektiererische oder fundamentalistische Verzerrung der Religion, die mit Gewalt einher geht. Daran gilt es am Jahrestag der Attentate zu erinnern, und Kirchen und Religionen sind gut beraten, hier auf den Splitter im eigenen Auge zu achten und nicht auf den Balken im Auge des anderen.“
Das Buch „Terror – um Gottes willen?“, herausgegeben von Kurt-Helmuth Eimuth und Lutz Lemhöfer, ist beim Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik, Tel.: 069/58098-189 oder im Buchhandel zu erhalten.