von Kurt-Helmuth Eimuth 17. Februar 2020
Woher kommt eigentlich die Fastnacht? Die Ursprünge, so wird vermutet, liegen in Riten zur Vertreibung des Winters. Aber ihre spezifischen Formen bekamen sie dann erst durch die christliche Neuinterpretation: Fastnacht ist die „Nacht vor dem Fasten“.
Neulich fragte mich eine Studentin, warum wir Fastnacht feiern. Sie kommt aus Äthiopien. Ich stammelte etwas von katholisch, Winteraustreiben und Kritik an der Obrigkeit. Stimmt irgendwie, und doch animierte es mich, der Sache nochmals genau nachzugehen.
Zwischen Winter und Frühling wurden schon im Altertum allerlei Vorfrühlings- und Fruchtbarkeitsfeste mit Masken, Kostümen und Radau zur Vertreibung des Winters gefeiert. Doch die Wurzeln der Fastnacht, der Nacht vor dem Fasten, liegen wohl in den christlichen Klöstern. Dort wurden seit dem 12. Jahrhundert vor Beginn der Fastenzeit ausgiebige Feste gefeiert – und am Aschermittwoch war dann „alles vorbei“, denn an diesem Tag beginnt eben die Fastenzeit vor Ostern.
Schon um 1200 hieß der Vorabend des Aschermittwochs „Fastnacht“, jedenfalls in bestimmten Regionen. In anderen Regionen sprach man vom „Karneval“ vom Lateinischen „Carnem Levare“ (zu Deutsch „Fleisch wegnehmen“) abgeleitet – auch dies ein Ausdruck, der direkt auf die Fastenzeit hindeutet. Man verzichtete in der 40-tägigen Fastenzeit aber nicht nur auf Fleisch, sondern allgemein auf Fett und Milchprodukte und sollte auch sexuell enthaltsam leben. Völlerei, Maßlosigkeit, derbe Scherze und Ausschweifungen aller Art waren in der Fastenzeit tabu.
In den Kirchen wurden vom 12. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts auch Narrenfeste gefeiert. Dabei übernahmen niedere Kleriker vorübergehend die Privilegien der höheren Geistlichkeit. Kirchliche Rituale wurden in Narren- oder Eselsmessen parodiert. Es kam sogar vor, dass ein Pseudobischof- oder -papst gekürt wurde.
Schon bald blieb das bunte Treiben nicht auf die Klöster und Kirchen beschränkt, sondern verbreitete sich auch in den Städten. Prozessionen, Musik und Spottgedichte, die wie im Süddeutschen oder am Rhein eine regionale Färbung bekamen, gehörten jetzt auch außerhalb der Kirche dazu. Schon im Spätmittelalter hatte sich der Karneval verselbstständigt. Mit seiner Völlerei, den Wettkämpfen und Spielen, den Besäufnissen und sexuellen Ausschweifungen war er geradezu zu einer „Civitas diaboli“, zu einer teuflischen Ausprägung geworden.
Die katholische Kirche versuchte, das Treiben zu kanalisieren und wieder in das Kirchenjahr zu integrieren. Die Reformatoren blieben auf Distanz und verboten den Karneval sogar. Dabei war Luther keineswegs derben Scherzen und einem guten Mahl abgeneigt. Seine Kritik bezog sich eher auf das damit einhergehende Verständnis vom Fasten: Einem Fasten, das Pluspunkte im Himmel versprach, stand Luther ablehnend gegenüber.
Der Narr ist in katholischer Vorstellung derjenige, der Gott nicht in den Werken der Schöpfung erkennt. Das Narrenzepter steht für seine Selbstbezogenheit. An seiner Mütze trägt er Eselsohren, Hahnenkamm und Schellen. Die Masken symbolisieren die sieben Todsünden. Für den Hochmut steht etwa der Pfau, für Neid der Drachen.
Im 18. und 19. Jahrhundert wurde dann aus ganz anderen Gründen versucht, das närrische Treiben zu unterbinden: Die Franzosen in den besetzten rheinischen Gebieten wollten den Karneval unterdrücken. Der Kölner Stadtkommandant verbot 1795 nicht nur das Maskieren, sondern jede Art der Verkleidung. Aber auch Preußens König Friedrich Wilhelm III. wollte seinen neuen Untertanen 1828 „Maskeraden“ nur noch in jenen größeren Städten der Rheinprovinzen erlauben, „wo sie von Alters her herkömmlich stattgefunden haben“. Man darf vermuten, dass nicht nur das wilde Treiben und die Sauferei der Grund für die Unterdrückung des Karnevals war, sondern auch die Verspottung der Obrigkeit, die schon immer auch zum Karneval gehörte.
Doch auch damals galt schon: Verbote machen eine Sache erst Recht interessant. Und so bekam der Karneval neuen Auftrieb. Heute ist das Fastnachtstreiben bunt, schrill regional gefärbt aber trotzdem international und manche Büttenrede kann es mit dem politischen Kabarett aufnehmen. Na dann: „Frankfurt Helau!“