Andacht, 19. 7. 1996, Pfarrerin Marion Eimuth
Lied: EG 503 Geh aus mein Herz 1-3
Psalm 36, Nr. 719
Ansprache:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Das Haus ist leerer geworden. Viele Kolleginnen und Kollegen sind schon in den Sommerurlaub aufgebrochen oder werden dies noch am Wochenende tun. Es locken südliche Sonne, Sandstrände und laue Sommernächte. Manche Familie hat lange in Reisekatalogen geblättert, um die schönsten Wochen des Jahres vorzuplanen. Viele träumten lange von diesem Sommerurlaub.
Mit solchen Träumen der besonderen Art wurde ich beim Blättern durch esoterische Reisekataloge konfrontiert.
Sicher – es war schon immer etwas teurer einen besonderen Geschmack zu haben und so sind denn auch solche Angebote von Feuerlauftrainern, Pyramidenexperten, Reiki-Lehrern oder Astrologen bis zu Spezialisten für tandrische Körperarbeit etwas teurer als der Pauschalurlaub von der Stange.
Doch dies ist kein Argument gegen solche Angebote. Mich haben zwei Dinge nachdenklich gestimmt.
Zum einen zeigt sich in den weiterhin boomenden Psychomarkt eine Sehnsucht nach Sinndeutung. Da wird in einer internen Analyse der Reiseveranstalter die durchschnittliche Esoreisende als eine Frau – denn es sind über 70 % Frauen – als eine Art Frau beschrieben, die sich gerne mit schönen Dingen umgibt, wie beispielsweise Seidentüchern, Edelsteinen, und Auro-Soma-Fläschchen oder Aromalampen. Die durchschnittliche Esoreisende hat den Wunsch, ganzheitlich gesund zu werden, um im Einklang mit sich selbst zu kommen.
Da ist der Wunsch sich selbst zu vergewissern, der Wunsch auf die letzten Fragen des Lebens eine Antwort zu finden. Und diese Fragen sind eben die drei existentiellen, religiösen Fragen des Menschen: Woher komme ich? Wer bin ich? Wohin gehe ich?
Diese Fragen, so will uns die Esoszene glauben machen, kann ich beantworten, wenn ich den richtigen Kurs, den richtigen Urlaub buche. Dann fahre ich zu den Kraftplätzen Spaniens um die ungeheure Energie zu spüren. Und wenn ich diese Energie nicht mehr spüre, fahre ich zum „Erdchakra“, der intensivsten Energiequelle unseres Planeten, so ein esoterischer Reiseveranstalter.
Und so muß der esoterisch Suchende von einem Selbstverwirklichungsangebot zum anderen hecheln und findet vermutlich nie eine Antwort. Wir Christinnen und Christen haben es in gewisser Weise einfacher. Im Markusevangelium, Kapitel 4, Verse 39 und 40 heißt es: „Jesus stand auf und bedrohte den Wind und sprach zu dem Meer: schweig und verstumme! Und der Wind legte sich, und so entstand eine große Stille. Und er sprach zu den Jüngern: Was seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben? „
Wir als Christinnen und Christen müssen nicht ständig auf Achse sein, um uns zu finden. Wir brauchen nicht ständig um den eigenen Bauchnabel zu kreisen, als sei dies unser goldenes Kalb. Nein, wir dürfen ganz unbeschwert die Wunder Gottes annehmen. Und das größte Wunder ist sicherlich, daß uns dieser Gott als Mensch mit allen Fehlern angenommen hat. So ist es durch die Taufe bezeugt worden.
Dies ist mein zweiter Einwand gegen die Esoterikszene. Wir als Menschen müssen gar nicht fehlerfrei werden. Wir müssen nicht von einem Kurs zum nächsten hecheln, um immer mehr von uns zu wissen, um immer besser zu werden. Nein, im Gegenteil. Wir müssen lernen, mit unseren Fehlern, mit unseren Schwächen aber auch mit unseren Stärken zu leben. Denn wir sind Geschöpfe Gottes, von diesem ohne Vorbedingungen angenommen, verpflichtet unsere Fähigkeiten in Demut in unseren Alltag einzubringen und sind eben nicht Gott selbst.
Deshalb können wir in Gelassenheit und in Gottvertrauen unseren Urlaub antreten. Ob spirituell im Kloster oder von der Stange auf Mallorca.
Gebet:
Hilfreicher Gott,
Furchtlosigkeit brauchen wir,
um dir nachzufolgen,
um nachzuspüren den Gründen
der Hoffnungslosigkeit und der Angst,
um zu überwinden, was uns feige und
antriebslos macht.
Du rechnest mit uns.
Dein Geist inspiriert uns.
Dein Wort bewegt uns.
Geschwister denen zu werden,
die eingezwängt sind im Elend,
die von Gott und der Welt nichts erwarten,
die resignieren.
Du stehst am Anfang unseres Lebens.
Du erwartest uns am Ende
mit deinem Licht,
das alles klärt und heilt.
Laß uns nicht fallen
auf den komplizierten Wegen durchs Leben.
Von Abwegen und Irrwegen
hole uns zurück in deine Nachfolge.
Hilf uns, den christlichen Glauben
nicht in die innerlichsten Zellen des Lebens
zu verbannen,
oder auf eine Insel der Seligen abzuschieben.
Befreie Menschen aus der Gefangenschaft
der Angst und der Ausweglosigkeit
und ziehe uns in diesen Befreiungsprozeß hinein. Amen.
Lied: EG 503, 13 – 15
Segen:
Gott, der Ursprung und Vollender aller Dinge,
segne dich, gebe dir Gedeihen und Wachstum,
Erfüllung deinen Hoffnungen,
Frucht deiner Mühe,
und am Ende das Ziel deiner Wege. Amen.