Die Islamwissenschaftlerin Sabine Kalinock informierte bei der Sekten-Selbstinformation SINUS über islamistische Strömungen in Deutschland.
Über Strukturen, inhaltliche Ausrichtung und Verbreitung islamistischer Strömungen berichtete Sabine Kalinock bei der Mitgliederversammlung von „SINUS – Sekteninformation und Selbsthilfe“ am Samstag. Die Islamwissenschaftlerin erläuterte auch die Entstehungsgeschichte der gemein vereinfachend als fundamentalistisch klassifizierten Strömungen des Islams. Diese liegt in einer Identitätskrise des Islam, der sich plötzlich wirtschaftlich, militärisch und technologisch dem Westen unterlegen sah. Auch die Konfrontation mit den Kolonialmächten sei als Auseinanderstetzung zwischen Islam und Christentum gedeutet worden.
Die bekannteste Strömung des Islamismus sei die Gemeinschaft Milli Görüs, die gleichzeitig zu den umstrittensten gehöre. Obwohl sie lange von der Polizei und dem Verfassungsschutz beobachtet wurde, sei dieser Gruppierung keine Propagandierung von Gewalt nachzuweisen gewesen. Nach eigenen Aussagen gehörten 300 Moscheevereine in Deutschland dieser Bewegung an.
Die Gülen-Bewegung: Wenig bekannt und umstritten
Weit aus weniger bekannt und doch äußerst aktiv sei die Gülen-Bewegung, benannt nach Fetullah Gülen. Sie unterhält in mehr als fünfzig Ländern Schulen und Sozialzentren. In seinem Buch “Armee des Imams” beschreibe der türkische Autor Ahmet Sik erstmals, wie Unterstützer Gülens, die so genannten „Fethullahcis“, Justiz und Polizei missbrauchen, um Gegner einzuschüchtern. Kurz vor der Veröffentlichung wurde Sik verhaftet und Manuskripte seines Buchs beschlagnahmt. Im September 2010 wurde Hanefi Avci, ein früherer türkischer Polizeidirektor und einstiger Gülen-Sympathisant, festgenommen und beschuldigt, an einer Verschwörung mitgewirkt zu haben. Er hatte kurz zuvor in einem Buch Gülen-Kadern in der Polizei vorgeworfen, illegal Telefone ihrer Gegner abzuhören und Gerichtsverfahren zu manipulieren.
In Deutschland betreibt die Gülen-Bewegung 150 Nachhilfeinstitute und mehr als ein Dutzend staatlich anerkannter Schulen. Die Einschätzung dieser Bewegung sei allerdings sehr umstritten, so die Referentin. Die einen halten die Gülen-Bewegung für bestens integrierte konservative Muslime, anderen sehen darin einen erzkonservativen Geheimbund.
Außerdem gebe es in Deutschland rund fünfzig salafistische Prediger, die überwiegend den politischen Salafisten zugeordnet werden, so Kalinock. Am bekanntesten ist der Konvertit Pierre Vogel mit dem Verein „Einladung zum Paradies“.
Beitrag von Kurt-Helmuth Eimuth, veröffentlicht am 16. April 2013 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe Web.