Andacht, Lk 12, 35
25. 11. 1996
Pfarrerin Marion Eimuth
Psalm: 126 Nr. 750
Lied: EG 147, 1-3
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Der Wochenspruch steht im Lukasevangelium, im 12. Kapitel. „Laßt eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen“.
Dieser Vers, es ist der 35., ist uns zunächst unverständlich. Unser heutiger Alltag ist so grundverschieden, daß wir die Symbolik erst übersetzen müssen. Das lange Gewand des Orientalen soll mit einem Gürtel hochgebunden sein, sodaß er jederzeit zur Wanderung oder auch zur Arbeit aufbrechen kann. Auch die Lampen sollen brennen, denn die Nacht steht kurz bevor.
Unser Vers beschreibt damit eine Alltagssituation. Doch für die damalige Christenheit am Ende des ersten Jahrhunderts beschrieb diese Szene noch eine andere Erwartung. Das Gewand soll mit einer Schürze hochgebunden sein um den heimkommenden Herrn sofort bedienen zu können. Selbstverständlich sollen bei der Wiederkunft Christi auch in der Nacht die Lampen brennen, damit er erkannt wird und Eingang findet.
Die Gemeinde, für die Lukas schreibt, lebt nicht mehr in der Erwartung, daß die Wiederkunft Christi noch zu ihren Lebzeiten stattfindet. Vielmehr hat sie die Erfahrung gemacht, daß ihre Väter- und Müttergeneration vergeblich auf die Wiederkunft gewartet hat. Deshalb fährt Lukas in den Versen 39 und 40 fort: „Das sollt ihr aber wissen: Wenn ein Hausherr wüßte, zu welcher Stunde der Dieb kommt, so ließe er nicht in sein Haus einbrechen. Seid auch ihr bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr’s nicht meint.“
Die Frage was unser Glaube bewirkt und wann er zum Erfolg führt ist damals wie heute aktuell.
Da hat etwas begonnen, z.B. die Arbeit für das Reich Gottes, aber das Reich Gottes ist unendlich fern. Wir leben und arbeiten für Ziele, aus unserem Glauben heraus, auf Gottes Wort hin, aber die Erfüllung, der „Erfolg“ bleibt aus. Unsere Fragen könnten vielleicht so lauten:
Wann endlich verändert sich denn etwas hin zu Friede und Gerechtigkeit? Wann fruchtet unsere Arbeit mit den Kindern- und Jugendlichen. Wann gelingt es uns, die Ohren für die Probleme der Obdachlosen zu öffnen – anstatt wie hier in Frankfurt eine „Gefahrenabwehrverordnung“ zu erlassen.
Wann kommt Gottes Reich? Wie kann es gelingen, daraufhin zu leben angesichts ausbleibender „Erfolge“, ausbleibender Veränderungen?
Das Reich Gottes ist kaum wahrnehmbar, leben wir Christinnen und Christen wirklich in einer begründeten Hoffnung?
Gerade zur Jahrtausendwende macht sich wieder eine Angst vor dem Weltuntergang breit. Da kommen eine Vielzahl von neuen religiösen Gruppen auf, die sich dieser Entzeitstimmung bemächtigen. Versprechen das Heil und Überleben nur in ihrer jeweiligen Gruppe und nutzten die Ängste der Menschen schamlos aus.
Doch bereits Tausend Jahre zuvor gab es das auch schon einmal. Damals hat man Zeichen des nahen Endes gesammelt und das eigene Leben im Licht dieser Endzeichen gedeutet. In der damaligen Frömmigkeit drückte sich die Endzeitfurcht auch dadurch aus, daß man möglichst viele gute Werke tun wollte: Höchste Aktivität und baldige Erwartung des Jüngsten Tages schließen sich nicht aus.
„Über Zeit und Stunde brauche ich euch nicht zu schreiben“, so Paulus.
Das ist manchmal ganz schön schwer, so völlig auf sein Gottvertrauen und auf die Hoffnung verwiesen zu sein, eine Hoffnung, die nicht sieht, die unabhängig ist von „Erfolg“, von sichtbarer Erfüllung.
„Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr’s nicht meint“. Völlig überraschend, unberechenbar.
Manchmal ist der Tag Gottes heute. Heute, wenn Mauern fallen. Heute, wenn Versöhnung gelingt. Heute, wenn ein Mensch endlich aus seiner Trauer heraustritt. Heute, wenn ein Durchbruch gelingt, politisch, seelisch, gesundheitlich…
Heute ist Gottes Tag, wo wir hier zusammengekommen sind, sichtbares Zeichen der Gegenwart Gottes in dieser Welt. Und wie gering auch immer unser Christsein gegenüber der Finsternis dieser Welt sein mag: es ist doch Gottes Anwesenheit in dieser Welt. Durch uns hindurch. Gott kommt, wann und wie er will. In kleinen Ereignissen, in großen Umwälzungen. In kleinen Leuten, seltener in großen Leuten. Wann Gottes Reich ganz und gar verwirklicht sein wird – da müssen wir uns dieselbe Antwort gefallen lassen wie sie einst Lukas gab.
Wir Christinnen und Christen können eben ganz im Gottvertrauen mit dieser Ungewißheit leben. Wir brauchen kein konkretes Endzeitdatum wie die Zeugen Jehovas, wir müssen uns nicht vor dem Ende der Welt ängstigen, wie die Würzburger Sekte Universelles Leben, die eine neue Sintflut erwartet und wir brauchen auch nicht die Jahrtausendwende als magisches Datum anzusehen wie weltweit zahlreiche Gruppen und Grüppchen. Nein, wir wissen nicht, ob es ein, zehn oder zehntausend Jahre bis zur Wiederkunft Christi dauert. Doch als Christin und Christ können wir all denen die auf ein bestimmtes Datum fixiert sind nur lächelnd entgegnen: Wir brauchen kein Datum, die Gewißheit genügt uns und ansonsten gibt es genug hier und jetzt im Sinne Jesu zu tun. Amen.
Lied: EG 152, 1+4
Gebet:
Dankbar nehmen wir dein Wort auf, Gott. Dankbar sind wir für deine Stärkung. Hilf uns, daß wir es uns auch gegenseitig in der richtigen, bestärkenden Weise zusprechen können. Stärke unseren Glauben und unsere Hoffnung. Komm uns nahe, spürbar! Hilf uns, lieber Gott, daß aus unserer Stärkung neue Schritte folgen, wachsame, kluge Schritte, die anderen Menschen dienen. Hilf uns zu einer liebenden Aufmerksamkeit für alles, was uns umgibt und laß segen für uns und andere daraus fließen.
Gemeinsam beten wir, wie Jesus uns gelehrt hat:
Vater unser im Himmel
geheiligt werde dein Name,
dein Reich komme,
dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Lied: 590
Segen:
Gott, der Ursprung und Vollender aller Dinge.
segne dich, gebe dir Gedeihen und Wachstum,
Erfüllung deinen Hoffnungen, Frucht deiner Mühe,
und am Ende das Ziel deiner Wege. Amen.