Jonas kam vor drei Jahren in die Kindertagesstätte der Sossenheimer Regenbogengemeinde. Der Dreijährige kam mit seiner Familie aus Eritrea. Verfolgung, Flucht und die ungewisse Zukunft hatten auch schon auf seine Seele einen Schatten geworfen. Nun stand er da, im deutschen Kindergarten, staunend und auch ängstlich. Die fremde Sprache verstand er nicht.
„Sprachförderung beginnt bei uns schon bei den 3- bis 4-jährigen“, sagt Ingrid Marth, die Leiterin des Kindergartens Regenbogenland, „sie gelingt aber nur, wenn es eine gute Beziehung zwischen dem Kind und der Erzieherin gibt.“ Was gibt es Schöneres, als sich gemeinsam mit der Erzieherin ein Bilderbuch anzuschauen? So einfach kann Sprachförderung sein.
Aufgeschreckt von den Ergebnissen bei der internationalen Vergleichsstudie Pisa, die den deutschen Schülerinnen und Schülern in Sachen Lesekompetenz ein schlechtes Zeugnis ausstellte, hat die hessische Landesregierung beschlossen, die Sprachkompetenz bei der Einschulung zu überprüfen und die Kinder wenn nötig vorab zu fördern. In Sossenheim haben die beiden Grundschulen und die 13 Kindertagesstätten dazu ein „Sossenheimer Modell“ entwickelt. Gemeinsam fördert man nicht nur die ausländischen, sondern alle Vorschulkinder. Beim Lernen bezieht man die Alltagswelt der Kinder ein. So geht etwa die eine Gruppe in den Stadtteil einkaufen: Zum Türken an der Ecke, zum italienischen Gemüseladen oder zum deutschen Kiosk. Und da wird keineswegs nur deutsch gesprochen, sondern auch mal italienisch oder türkisch. „Die meisten Kinder haben Sprachkompetenz in einer anderen Sprache, aber wir definieren sie als Kinder mit Defiziten“ kritisiert Ingrid Marth eine verbreitete Haltung.
Eine andere Gruppe machte sich auf die Suche nach Buchstaben und malte sie in ihr Heft ab. „HL“ zum Beispiel oder – vor allem bei Jungen beliebt – Automarken und Nummernschilder. Insgesamt nahmen 94 Kinder aus 21 Nationen am „Sossenheimer Modell“ teil. Jetzt soll es auch ein Kursangebot für die Eltern geben. Allerdings lastet die Durchführung fast ganz auf den Einrichtungen. Die Materialien seien, so Marth, auf dem Stand der 80er Jahre, und ausreichend Stunden für die Förderung wurden auch nicht zur Verfügung gestellt. Trotzdem zeigt das Projekt Wirkung. Jonas’ Deutsch ist inzwischen so gut, dass er eine gute Grundlage für die Schule hat.
Kurt-Helmuth Eimuth
Evangelisches Frankfurt Mai 2004