Archiv für 27. Oktober 2020

Keine Kirchensteuer ist auch keine Lösung

Torben Telder, Susanne Teichmanis, Moderatorin Andrea Seeger (von links nach rechts) und online zugeschaltet Erik Flügge diskutierten über die Kirchensteuer. | Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Besonders junge Menschen am Anfang ihrer Berufstätigkeit wenden sich von der Kirche ab. Aus diesem Grund luden die Evangelische Sonntagszeitung und die Evangelische Akademie Frankfurt zu einer Diskussionsrunde ein. „Die Kirchensteuer ist Austrittsgrund Nummer eins“, so die Ausgangsthese. Aber stimmt das überhaupt?

Kirche und Geld – kein einfaches Thema. Klar ist, dass mit dem anhaltenden Mitgliederschwund auch dieEinnahmen sinken werden. Voriges Jahr nahm die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau 530 Millionen Euro Kirchensteuern ein. Für dieses Jahr wird wegen Corona mit mindestens zehn Prozent weniger gerechnet. Doch der Hauptgrund für die schwieriger werdende Finanzsituation ist, dass vor allem junge Menschen zwischen 20 und 40 Jahren aus der Kirche austreten.

Stimmt es überhaupt, dass die Kirchensteuer für sie der Austrittsgrund Nummer eins ist? Susanne Teichmanis bezweifelt das. Sie ist Mitglied der „Zukunfts-Gruppe“ der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die kürzlich vielbeachtete Leitsätze zur Zukunft der Kirche erarbeitet hat. Darin werden in der Tat Spielräume für die Entlastung junger Menschen gefordert, aber die Kirchensteuer selbst nicht in Frage gestellt. „Für die Kirchensteuer spricht, dass sie gerecht ist. Außerdem ist sie Grundlage innerkirchlicher Solidarität“, stellte Teichmanis bei der Diskussion am Römerberg fest. Die Frage der Zugehörigkeit zur Kirche stelle sich nicht erst mit dem Eintritt ins Berufsleben, sondern schon viel früher. Deshalb werde eine Reduzierung der Kirchensteuer für bestimmte Altersgruppen das Problem nicht lösen. Vielmehr „benötigen wir Verfahren, wo wir miteinander ins Gespräch kommen“, so Teichmanis.

Dem stimmte auch der Publizist Erik Flügge zu, der online zur Diskussion zugeschaltet war. Eine Rabattierung macht seiner Ansicht nach keinen Sinn. Der Kirche dürfe nicht länger fragen: „Wie kriege ich die jungen Leute dazu, das Alte zu akzeptieren“? Stattdessen komme es darauf an, dass „die Gottesfrage eine öffentliche Relevanz“ bekommt. Wenn die Hälfte der evangelisch Getauften laut aktueller Shell-Jugendstudie antwortet, dass der Glaube für sie keine Rolle spielt, ist es kein Wunder, dass die Hürde zu einem Austritt für sie nicht hoch ist. Dabei leiste die Kirche enorm viel, zum Beispiel in der Seelsorge bei Trauer, Tod und Krise, so Flügge: „Die beiden Kirchen sind der große Anker der seelsorgerlichen Versorgung der Älteren.“ Dies müsse man aber auch erklären. „Wir brauchen mehr Kommunikation, mehr Direktansprache“, so Flügge. Wenn Geld vom Gehalt abgebucht werde, müsse man den Menschen auch erklären, für was das Geld verwendet wird. Derzeit hätten die Kirchen noch die Mittel für solche Kommunikations-Maßnahmen. Flügge riet den Verantwortlichen also: „Schaffen Sie nicht die Kirchensteuer ab.“

Aber kann man die Kirche nicht auch anders finanzieren? Torben Telder, Pfarrer der Wallonisch-niederländischen Gemeinde mit Sitz in Hanau, erzählte davon, wie sie es machen. Die 1100 Mitglieder werden jährlich angeschrieben mit der Bitte um eine Spende in Höhe der Kirchensteuer, also neun Prozent der Einkommenssteuer. Weil die Gemeinde diese Form der Finanzierung beibehalten will, sei sie nicht einer Großkirche beigetreten, obwohl es theologisch keine großen Differenzen gebe. Aber mit diesem Spendensystem könne man verlässlich arbeiten. Die eigene Stiftung habe über hundert Angestellte. Von großer Bedeutung sei die Beziehung der Menschen zu Pfarrerin und Pfarrer, die langen Perioden der Pfarrstellenbesetzung ermöglichen einen intensiven Kontakt zu den Familien.

Einigkeit herrschte auf dem Podium darüber, dass der Austritt aus der Kirche nur das Ende eines Entfremdungsprozesses ist. Auch Gegenmaßnahmen müssten daher früher einsetzen und nicht erst ganz am Schluss.

Kurt-Helmuth

Nachbarschaften werden in Corona-Zeiten wichtiger

Stadtdekan Achim Knecht beim diesjährigen Familienkongress, der „hybrid“ – teil in Präsenz, teils online – abgehalten wurde. Foto: Johannes Otte

Wie kommen Familien gut durch die Corona-Zeit? Dabei spielen Quartiere eine große Rolle, wie beim Frankfurter Familienkongress deutlich wurde.

Wir wussten, wir brauchen uns gegenseitig“, resümierte Sylvia Weber, Frankfurter Dezernentin für Integration und Bildung, auf dem Frankfurter Familienkongress, der seit 2007 jedes Jahr von einem gesellschaftlichen Familienbündnis veranstaltet wird, zu dem auch die evangelische Kirch gehört. Gerade mit Blick auf die Familien habe sich in den letzten Wochen gezeigt, was wirklich wichtig ist. Natürlich war es das Engagement aller, die in Sozialarbeit und im Gesundheitswesen tätig sind: Träger und Mitarbeiter*innen in den Bildungs- und Betreuungseinrichtungen hätten flexibel auf die Herausforderungen reagiert, sagte Weber. Diese Flexibilität brauche es auch künftig.

Katrin Bienge vom Wuppertal Institut, einem Think Tank für Nachhaltigkeitsforschung, sprach von einer „resilienten Post-Corona-Stadt“, die geprägt sei von größerer Nähe und Agilität. Der öffentliche Nahbereich, die Nachbarschaft, sei wichtiger geworden. Deshalb, so ihre Forderung, müssten die Quartiere gestärkt werden, ebenso die „Kreativ-Szene“, und Innenstädte müssten multifunktionell sein. Ähnliches unterstrich auch Thomas Franke vom Deutschen Institut für Urbanistik aus Berlin: „Der Nahraum hat größere Bedeutung gewonnen“, sagte er, deshalb sei die Sozialraumorientierung zu intensivieren.

Der evangelische Stadtdekan für Frankfurt und Offenbach, Achim Knecht, wies in seinem Beitrag darauf hin, dass die Mitarbeiter*innen in den rund 200 sozialen Einrichtungen in Frankfurt und Offenbach schnell und beweglich gehandelt haben. „Agilität ist eine Qualität gewesen.“ Man habe pragmatisch und mit hohem Engagement auf die jeweilige Herausforderung reagiert. Zum Beispiel hätten Jugendhäuser für die Besucher*innen, die während der Kontaktsperren kein Mittagessen mehr bekamen, Lunchpakete zusammengestellt. Der Beratungsbedarf insgesamt sei gestiegen, sagte Knecht, Rituale würden schmerzlich vermisst. An den Übergängen des Lebens brauche es Rituale wie Hochzeit, Taufe, Konfirmation. Doch sogar Kindergeburtstage konnten nur eingeschränkt gefeiert werden. „Da bricht viel Sinn weg.“

Klar wurde an diesem Tag, wie wichtig die Unterstützung von Familien in ihren Quartieren ist. Auch wenn der Personaleinsatz unter Corona-Bedingungen höher ist. Dezernentin Weber versicherte, dass der Frankfurter Magistrat sich des Problems bewusst sei und sieht, was auf Familien in diesem Herbst und Winter zukommt. Man habe Themen wie Not, Armut und Arbeitslosigkeit im Blick. „Aufgabe der Politik ist es, ein Leben mit Corona zu gestalten.“

Weitere Informationen zu dem Familienkongress und dem Frankfurter Bündnis für Familien gibt es unter www.frankfurter-buendnis-fuer-familien.de. Die Passagen des evangelischen Stadtdekans sind bei der Video-Aufzeichnung ab 1:17 zu finden..

kurt-Helmuth Eimuth

Herrnhuter Sterne leuchten seit über 120 Jahren

Claudia Reuter verkauft in ihrer Buchhandlung auch Herrnhuter Sterne. | Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Es gibt sie in zahlreichen Farben und Größen: Herrnhuter Sterne, meist von innen beleuchtet und mit zahlreichen Zacken, im Original sind es genau 25 Zacken unterschiedlicher Länge. In Frankfurt kann man sie unter anderem in der christlichen Buchhandlung Alpha im Oeder Weg 43 kaufen.

Die typischen, inzwischen weltberühmten Sterne werden seit 1897 im Auftrag der Herrnhuter Brüdergemeine hergestellt. Herrnhut ist ein Ort in der sächsischen Oberlausitz, den Glaubensflüchtlinge aus Mähren und Böhmen Anfang des 18. Jahrhunderts gründeten, um ein neues christliches Gemeinwesen zu gründen – im Habsburger Reich wurden protestantische Gemeinden im Zuge der Gegenreformation verfolgt.

Erfunden wurde der Stern im Internat der Brüdergemeine. Der dortige Mathematiklehrer ließ die Schülerinnen und Schüler Sterne aus verschiedenen Formen bauen, um ihr geometrisches Verständnis zu fördern. Später wurden die Sterne in den Räumen des Internats aufgehängt. Fortan bastelten die Kinder jedes Jahr ihre Sterne – eine Tradition war geboren.

Der Stern symbolisiert den Stern von Bethlehem, der laut Weihnachtsgeschichte den drei Sternforschern den Weg zu Jesus wies. In vielen Kirchen hängen die Sterne in der Advents- und Weihnachtszeit, immerhin haben die größten einen Durchmesser von 130 Zentimetern. Allerdings muss man die größeren Exemplare selbst zusammenstecken.

Einfacher für den Hausgebrauch sind die kleinen, fertigen Sterne, die mit LED-Beleuchtung bestückt werden können. Inzwischen gibt es auch Winzlinge, die nur acht Zentimeter groß sind. Bis heute geschieht die Produktion immer noch im Auftrag der Brüdergemeine, die hierfür eigens ein Unternehmen gegründet hat.

Die Filialleiterin der Alpha-Buchhandlung, Claudia Reuter, erwartet, dass auch in diesem Jahr wieder über 600 Herrnhuter Sterne in ihrem Geschäft über den Tresen gehen. Es ist eine von vier Verkaufsstellen von Herrnhuter Sternen in Frankfurt und Offenbach.