von Kurt-Helmuth Eimuth 23. Oktober 2018
Ein Netzwerk aus Anwälten, Investment-Bankern und superreichen Investoren hat mit den sogenannten Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäften die Staatskassen in ganz Europa ausgeplündert. Wo bleiben eigentlich all die Talkshows und Sondersendungen dazu?
Sicher haben Sie sich auch schon einmal überlegt, was Sie mit einem Lotto-Gewinn von einer Million Euro machen würden: Ein Haus kaufen, den Kindern was geben, Reisen, vielleicht auch einen Teil einem karitativem Zweck spenden. Bliebe vermutlich immer noch was über. Eine Million ist viel Geld. Wenn Sie gut, sehr sehr gut verdienen, dauert es zehn Jahre, bis Sie soviel Geld zusammen haben. Ausgeben dürfen Sie in dieser Zeit leider nichts.
Und nun stellen Sie sich vor, was Sie mit 1.000 Millionen machen würden. Sicher nicht einfach, so viel Geld auszugeben. Da wird man schon lange überlegen müssen, was man damit machen kann. Den europäischen Staaten sind sagenhafte 55.000 Millionen Euro geklaut worden, davon allein Deutschland 31.800 Millionen Euro. Mit dieser unvorstellbaren Summe hätte man jeder Schule hierzulande eine Million Euro zur Verfügung stellen können. Oder etwa alle Dieselautos nachrüsten. Oder man könnte den Hunger in der Welt bekämpfen – denn immerhin leiden auf dieser so reichen Welt 705 Millionen Menschen Hunger.
Aber das Geld ist futsch: Ein Netzwerk aus Anwälten, Investment-Bankern und superreichen Investoren hat mit den sogenannten Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäften die Staatskassen auf dem ganzen Kontinent ausgeplündert. Und die Gangster mit weißem Kragen wussten, was sie tun: „Wer sich nicht damit identifizieren kann, dass in Deutschland weniger Kindergärten gebaut werden, weil wir solche Geschäfte machen, der ist hier falsch“ – ein Zitat, das so bei einem Meeting von Cum-Ex-Investoren in Frankfurt gefallen sein soll.
Die Vorstellung dieses Diebstahls sprengt offenbar unsere Phantasie. Denn alle Warnzeichen wurden übersehen und überhört. Schon vor 25 Jahren wurden die Finanzpolitiker von einem Staatskommissar gewarnt. Und noch 2017 wurde das wahre Ausmaß des Betruges klein geredet oder nicht gesehen. Rund eine Milliarde sei der Schaden groß wurde in einem Bundestagsausschuss behauptet.
Über den Steuersünder Uli Hoeneß wurde wochenlang öffentlich diskutiert. Dabei sind die von ihm hinterzogenen Steuern in Höhe von 28,5 Millionen Euro Peanuts im Vergleich zu diesem Betrug. Immerhin hat Hoeneß sich auch sozial engagiert und schien Reue zu zeigen. Dies ist bei den Herren (vermutlich kaum Damen) der Cum-Ex-Verbrechen kaum zu vermuten. Und doch bleibt die öffentliche Aufregung mau. Im ersten Halbjahr 2018 konnten wir schon neun Talkshows zum Thema „Flüchtlinge“ sehen, aber keine zum größten Betrugsfall der Geschichte.
Auch wenn das Ausmaß kaum fassbar ist, so müssen sich alle, die ein Interesse an einer solidarischen Gesellschaft haben, empören. Ja, etwas Wut gehört auch zur Empörung. Über die, die betrügen, und über die, die es nicht mit aller Macht bekämpfen.