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Kurt in der Pflege

Kurt-Helmuth pflegt seit 6 Jahren seine Frau, die gelähmt ist und nicht sprechen kann. In Deutschland gibt es 4,1 Millionen Pflegebedürftige. Rund vier von fünf Pflegebedürftigen in Deutschland werden zu Hause versorgt. Meist erfolgt die Pflege durch pflegende Angehörige. Häufig unterstützt sie dabei ein ambulanter Pflegedienst. Offen spricht Kurt über die Situation und darüber, was sich verbessern muss.

Zu guter Letzt

Die Redaktion des EFO hat für micht persönlich eine eigene, wunderbare Ausgabe gemacht. Vielen Dank liebe Kolleginnen und Kollegen. Unten kann man die Ausgabe runterladen.

Fünf Punkte für eine dringend notwendige Pflegereform

von Kurt-Helmuth Eimuth 4. August 2021

Die größte Gruppe von Menschen, die in der Pflege tätig sind, gingen bei der jüngsten Reform leer aus: die Angehörigen. Unser Autor, selbst pflegender Angehöriger, nennt fünf Punkte, die dringend nötig wären, um die Situation kurzfristig zu verbessern.

Die Pflegeversicherung wurde in Deutschland 1995 eingeführt, gegen den Widerstand der Wirtschaft, die eine weitere Belastung durch Sozialabgaben ablehnte. Als Kompromiss wurde ein gesetzlicher Feiertag, der evangelische Buß- und Bettag abgeschafft. Heute profitieren rund 4,1 Millionen Menschen von ihr.

Doch Vorsicht: Die Pflegeversicherung ist anders als die Krankenversicherung nur eine Teilkaskoversicherung. Das heißt, ein erheblicher Teil der Pflegekosten muss selbst aufgebracht werden. So übersteigen zum Beispiel die Heimkosten den Zuschuss der Pflegeversicherung oft erheblich, und auch bei der ambulanten Pflege ist der Zuschuss der Pflegekasse schnell aufgebraucht.

Rund 3,3 Millionen pflegebedürftige Menschen werden derzeit zuhause versorgt, davon 2,1 Millionen ausschließlich von ihren Angehörigen. Die von der Regierung im Koalitionsvertrag vereinbarte Verbesserung und Entbürokratisierung der Pflege wurde im letzten Moment bei der Pflegereform im Juni wieder gestrichen. Das Diakonische Werk Hessen Nassau stellte fest: „Die notwendige, umfassende Reform des Pflegesystems ist nicht erreicht! Eine demografiefeste und für alle Menschen bezahlbare Pflege ist nicht in Sicht.“

Was wäre zu tun? Unser Autor, selbst pflegender Angehöriger, hat die wichtigsten fünf Punkte zusammengetragen:

Erstens: Die Pflegeversicherung muss die entstehenden Kosten in ähnlicher Höhe wie die Krankenversicherung abdecken. Für die Grundversorgung muss vollumfänglich gesorgt sein: Vollkasko statt Teilkasko.

Zweitens: Die Abrechnung muss entbürokratisiert werden. Eigentlich war bei der jüngsten Pflegereform geplant, Tages- und Nachtpflege, Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege zu einem Budget zusammenzufassen. Das wäre ein erster Schritt gewesen. So wie die Abrechnungsmodalitäten jetzt sind, verhindern sie, dass zahlreiche Anspruchsberechtigte die ihnen zustehenden Leistungen in Anspruch nehmen. Dies ist zutiefst unsozial.

Drittens: Das Pflegegeld ist jährlich an die Inflationsrate anzupassen. Der relativ neue Entlastungsbetrag (125 Euro monatlich) kann derzeit zur Bezahlung von zertifizierten Dienstleistern genutzt werden, dazu kann auch die Reinigung der Wohnung gehören. Allerdings: Es finden sich kaum Angebote hierfür bei den Anbietern. Hinzu kommt, dass die Ausführungsbestimmungen in den 16 Bundesländern unterschiedlich sind. Selbst Nachbar:innen müssen sich erst qualifizieren, wenn sie einen Obolus aus diesem Budget erhalten sollen. Einfacher und eine wirkliche Entlastung wäre es, wenn das Pflegegeld um den Entlastungsbetrag aufgestockt würde.

Viertens: Pflegende Angehörige sollten die Möglichkeit erhalten, ihre Berufstätigkeit vorübergehend einzuschränken oder aufzugeben, ohne zu verarmen und ihre Arbeitsstelle zu verlieren. Für entsprechende Regelungen könnte das Elterngeld Pate stehen.

Fünftens: Die derzeit je nach Pflegegrad verpflichtende halb- oder vierteljährliche Pflegeberatung ist sicher hilfreich und auch im Sinne der Pflegenden eine Kontrolle. Doch sollten die Berater:innen auch in Sachen Finanzierung kompetent sein. So könnte die Beratung wirklich einen Lotsendienst erfüllen.

Pflegereform: Die pflegenden Angehörigen schauen in die Röhre

von Kurt-Helmuth Eimuth 15. Juni 2021

Während professionelle Pflegekräfte durch die Pflegereform auf mehr Geld hoffen können, gehen Angehörige leer aus: Anders als im Entwurf vorgesehen wird das Pflegegeld für sie doch nicht angehoben. Und, was fast noch schlimmer ist: Auch das versprochene Pflegebudget wird es nicht geben, die Abrechnungsmodalitäten bleiben also weiterhin ein bürokratischer Kraftakt. Das ist zutiefst unsozial.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Kurz vor dem Ende der Legislaturperiode hat die regierende große Koalition im Bund doch noch ein Gesetz hinbekommen, das auf eine faire Bezahlung von Pflegekräften abzielt. Allerdings sind von der Öffentlichkeit fast unbemerkt diejenigen Teile des Gesetzesentwurfes gestrichen worden, die die ehrenamtliche Pflegearbeit der Angehörigen gestärkt hätten. Dies betrifft vor allem das Pflegegeld, aber auch die Vereinfachung der Abrechnungsmodalitäten.

Auf Anfrage hin teilte das Bundesgesundheitsministerium zur Begründung mit: „Aufgrund der pandemiebedingten Umstände war es nicht mehr möglich, einen eigenständigen Gesetzgebungsprozess zur Pflegereform in Gang zu setzen.“ Das klingt aber vorgeschoben. Noch wenige Wochen vor der Entscheidung im Bundestag stand ja zumindest eine Anhebung des Pflegegeldes im Entwurf.

Pflegegeld erhalten die Pflegebedürftigen, um damit etwa Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Betreuung auszugleichen. Oft wird es genutzt, um pflegende Angehörigen, die ihren Beruf aufgegeben haben, damit sie die 24-Stunden-Pflege zu Hause stemmen können, zu entschädigen.

Diese Form der Pflege, die häusliche Pflege, ist keine Kleinigkeit, sondern sie ist das Rückgrat unseres Pflegesystems: Rund 2,9 Millionen Menschen sind in Deutschland pflegebedürftig. Davon werden 2,08 Millionen zu Hause versorgt, 1,39 Millionen davon von Angehörigen und Bekannten. Demgegenüber stehen 783 000 Pflegebedürftige, die in Einrichtungen gepflegt werden.

Die pflegende Care-Arbeit zu Hause, meist von Frauen geleistet, wurde also im Kern bei dieser Reform nicht berücksichtigt. Lediglich das Budget für die ambulanten Dienste wurde erhöht, um auch hier Kostensteigerungen, die durch verbesserte Zahlung der Pflegekräfte entstehen, auszugleichen. Die professionelle Hilfe wurde gestärkt, aber der größte Bereich der Pflege ging leer aus. Und dies ist keine Kleinigkeit. Seit Januar 2017 wurde das Pflegegeld nicht erhöht. Die fünfprozentige Steigerung, die im Entwurf noch vorgesehen war, wäre also mehr als angemessen gewesen.

Noch im Koalitionsvertrag hatte man zudem versprochen, verschiedene Leistungen in einem Entlastungsbudget zusammenzufassen. „Damit können wir“ so hieß es im Koalitionsvertrag vor vier Jahren, „erheblich zur Entbürokratisierung in der ambulanten Pflege beitragen, die häusliche Versorgung stärken und pflegende Angehörige entlasten.“ Das wäre schön gewesen.

Für die Angehörigen ist es oft ein Ritt durch Instanzen und Verordnungen. Ein kleines Beispiel: Der Bund beschließt einen monatlichen Betrag für ambulante Pflege von 125 Euro. Die Ausführungsbestimmungen überlässt er den Ländern. Das heißt, es gibt 16 verschiedene Ausführungsbestimmungen. In Hessen lässt man sich Zeit. Es dauert fast zwei Jahre, bis die Ausführungsbestimmungen kommen, erst dann können Angehörige das Geld bekommen. Zu Pandemiezeiten wird in Hessen per Verordnung die Möglichkeit des Zugriffes erweitert, wenn man nachweist, dass man einen Hol- und Bringdienst bezahlt. Nur wer informiert die Angehörigen? Das Hessische Sozialministerium verweist auf die Internetseite und schreibt auf Anfrage: „Auf dieser Plattform wird beispielsweise auch informiert, dass das Leistungsangebot der Unterstützungsleistungen im Alltag bis zum 30.06.2021 um die sogenannten „Dienstleistungen bis zu Haustür“ erweitert wurde.“

Interessehalber habe ich selbst das einmal ausprobiert und diese Dienstleistung abgerechnet: Weder die Krankenkasse noch die Beihilfe kannten offenbar diese Erweiterung und verweigerten die Zahlung. Diese Erfahrung machen pflegende Angehörige immer wieder: Bevor sie Geld, das ihnen rechtlich zusteht, auch bekommen, müssen sie ein langes Procedere absolvieren mit Einspruch, Begründung und viel Geduld.

In der Tat hätte das in der Pflegereform ursprünglich versprochene Entlastungsbudget, dessen Ziel es war, das alles zu vereinfachen, viel Geld gekostet. Aber nicht, weil neue Leistungen hinzugekommen wären, sondern weil mehr Menschen die Hilfen, die ihnen zustehen, auch in Anspruch genommen hätten. 2016 gab man für solche Leistungen 2,6 Milliarden Euro aus. Würde nur ein Viertel der Anspruchsberechtigen die Leistungen des einst anvisierten Entlastungsbudget abrufen, würde es zehn Milliarden Euro kosten.

Es beschleicht einen der Verdacht, dass die bürokratischen Hürden auch dazu dienen, Geld zu sparen. Oder ist das zu einfach gedacht? Mitnichten. Auf eine Anfrage unsererseits im Jahr 2018 teilte das Gesundheitsministerium genau das mit: Eine pauschale Abrechnung sei nicht möglich, weil das den Finanzrahmen sprengen würde.

Der derzeitige bürokratische Pflegedschungel ist also gewollt oder, wie die Jurist:innen sagen, er wird billigend in Kauf genommen. Aber er ist zutiefst unsozial. Denn es können sich nur diejenigen zu ihrem Recht verhelfen, die neben der eigentlich Pflegearbeit sich auch noch Woche für Woche viele Stunden Zeit haben, und die nötige bürokratische Kompetenz, um sich mit Krankenkassen, Pflegekassen und Abrechnungsvorschriften und dergleichen auseinanderzusetzen.

Trotz einiger Verbesserungen im professionellen Care-Bereich, die bei den Pflegekräften hoffentlich auch ankommen, sind der Bundesgesundheitsminister und die Große Koalition mit diesem Gesetzentwurf ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht geworden. In die Röhre schauen die pflegenden Angehörigen.

Der „Nicht ganz Ruheständler“

von Bettina Behler 25. Juni 2020

Der Pädagoge und Publizist Kurt-Helmuth Eimuth verabschiedet sich aus dem hauptamtlichen Dienst, vielfältig engagiert wird er bleiben.

Kurth-Helmuth Eimuth verabschiedet sich fürs Erste digital I Foto: privat
Kurth-Helmuth Eimuth verabschiedet sich fürs Erste digital I Foto: privat

„Sich einzumischen“, ob im Abschiedsvideo, aufgenommen anlässlich des Beginns seines Ruhestandes am 1. Juli, oder im Gespräch: Kurt-Helmuth Eimuth gebraucht diesen Begriff wiederholt, wenn es darum geht zu beschreiben, was ihm in seinen 40 Jahren als Hauptamtlicher des Evangelischen Regionalverbandes wichtig war. Zuletzt leitete der 66-Jährige den Arbeitsbereich Kindertagesstätten des Diakonischen Werks für Frankfurt und Offenbach, die Leitung der Erzieherinnenschule der Diakonissen im Holzhausenviertel war eine Station davor, auch der hiesigen Evangelischen Öffentlichkeitsarbeit stand der waschechte Frankfurter, aufgewachsen im Stadtteil Bockenheim, schon vor. Pädagoge und Publizist – beides prägt sein Schaffen.

Viele kennen Kurt-Helmuth Eimuth auch als „Sekten-Eimuth“, wie er selbstironisch sagt. Der Evangelische Regionalverband beauftragte ihn mit der Arbeitsstelle für Weltanschauungsfragen, zusammen mit seinem katholischen Kollegen Lutz Lemhöfer sorgte er in den 1980er und 1990er Jahren in Frankfurt für Aufklärung, wenn es um spirituelle Splittergruppen unterschiedlicher Couleur ging. Und nicht nur in der Region, bundesweit wurde Eimuth als Experte gefragt, wenn Informationen zu sektiererischen Seelenfängern gefragt waren. Eimuths Wissen – auch zu dem Thema – ist enorm. Besorgte Eltern, Institutionen, Medien ließ er an seinen Kenntnissen teilhaben.

In seinem Abschiedsvideo, anzuschauen auf www.eimuth.de, tauchen Beispiele seiner TV-Auftritte auf. Er war bei allen Talk-Sendungen jener Zeit Gast. Ob im Sat.1 Talk oder mit hr-Urgestein Holger Weinert: Eimuth zeigt wechselnde Brillen, mal rundgefasst, mal dick gerahmt, mal Glas und Draht pur, „immer vom selben Optiker“. Sein Ansatz blieb über die Jahre Haltung zeigen – und Engagement für die Menschen. Aufgrund der Corona-Krise fällt der Abschiedsempfang für Eimuth aus, ansonsten wäre von beidem sicher in mancherlei Ansprache die Rede gewesen. So berichtet er per Handyaufnahme von seiner Berufsvita. Zu Hause hat er sie aufgenommen. Das Bücherregal quillt über, CDs reihen sich ein, dazwischen sitzt aus Plüsch die Maus, bekannt aus der nach ihr benannten Sendung. Passt alles.

Eine wilde Lockenpracht trug Kurt-Helmuth Eimuth zu den Zeiten, als er nach dem Zivildienst in der Evangelischen Kirchengemeinde Cantate Domino vom Frankfurter Stadtjugendpfarrer Martin Jürges gewonnen wurde. 1976, schon vor dem Pädagogik-Diplom, das er 1982 ablegte, begann Kurt-Helmuth Eimuth sich vom Nordend aus einzumischen „für Kinderrechte, für Jugendliche“. Eher im Alternativmilieu sei er angesiedelt gewesen, die Rockergangs, auf die er im Umfeld von Cantate Domino stieß, seien nicht so seins gewesen, bekennt er offen.

Kurz bevor er 2001 zur Erzieherinnenschule wechselte, betreute Eimuth noch seitens der Evangelischen Öffentlichkeitsarbeit Frankfurt einen Auftritt beim Deutschen Evangelischen Kirchentag, der damals ebenfalls am Main stattfand. Gerne erinnert er sich an das Bühnenprogramm an der Hauptwache „und als Highlight eine Oldtimer Straßenbahn, die wir extra haben umspritzen lassen und mit der wir moderierte Stadtrundfahrten zwischen Messegelände und Zoo machten“. Neu zu denken, das hilft ihm bis heute.

Seine Frau Marion, eine Theologin, mit der Eimuth seit 39 Jahren verheiratet ist, erlitt vor fünf Jahren einen Schlaganfall. Beider Bereitschaft die Welt neu zu gestalten, andere Wege einzuschlagen, sich nicht zurückzuziehen, kam ihnen in den vergangenen Jahren zugute. Ihr gemeinsames Ziel: Die „Kommunikation mit dem Evangelium ermöglichen, Glauben erfahrbar zu machen“.

Gemeinsam haben die zwei einige Pläne, wenn der offizielle Dienst jetzt endet. Aber auch die Evangelische Kirche in Frankfurt und Offenbach muss nicht ganz auf Kurt-Helmuth Eimuth verzichten: neben Lehraufträgen in der Erzieherinnenausbildung sowie an der Hochschule und Ehrenämtern, zum Beispiel im Vorstand des Institutes für Medienpädagogik und Kommunikation Hessen e.V., wird er der Mitgliederzeitung der hiesigen Kirche, dem Evangelischen Frankfurt und Offenbach, kurz EFO-Magazin, als Redakteur erhalten bleiben. Und sich gewiss weiter mit Geschichten und Kommentaren einmischen.

Öffentlichkeitsarbeiter, Sektenbeauftragter, Schulleiter und Kita-Manager

Vier Jahrzehnte im kirchlichen Dienst in 16 Minuten schlaglichtartig erzählt mit überraschenden Bildern

Angehörige erzählen: Marion und Kurt-Helmuth Eimuth

Von Constanze Angermann

Kurt-Helmuth Eimuth und Frau Marion : Theme Pflege mit Constanze Angermann

Wir werden freundlich, aber bestimmt empfangen. Keinen Schritt dürfen wir in die gemütliche, lichtdurchflutete Wohnung machen, ohne uns vorher die Hände desinfiziert zu haben. Direkt neben der Eingangstür steht eine kleine grüne Flasche, die allen Besuchern in die Hand gedrückt wird. Marion Eimuth beobachtet das Ritual vom Wohnzimmer aus und gibt einem erst dann die Hand. Und dann nimmt sie auch die Blumen. Er holt noch Wasser – für uns und für die Blumen –, und dann setzen wir uns an den Tisch.

Die Bilder lassen ihn nicht los. Wie seine Frau, schon benommen, noch versucht, aufrecht zu gehen, bis zum Krankenhaus. Wie sie die lange Fahrt inklusive Irrweg des Taxifahrers noch durchhält, bis sie dann, als sie das Krankenhaus endlich erreicht haben und längst ahnen, dass etwas Schlimmes passiert ist, im Flur an der Anmeldung zusammenbricht. Sie kann sich nicht daran erinnern, auch nicht an die Angst. Aber ihm steckt das in den Knochen. „Sie war bewusstlos, sie war weg.“

Das, was er erlebt hat, war auch Antrieb: Ein Dreivierteljahr hatte er, um alleine ihr zukünftiges Leben zu organisieren. „Hätten die mich in der Reha gefragt, ob sie noch zwei Wochen bleiben soll, hätte ich auch nicht nein gesagt.“ Er wollte vorbereitet sein. Auf die Aufgabe, die er seitdem hat. „Das wird immer unterschätzt. Das ist ein Fulltime-Job. Den ganzen Tag sind Sie in Sorge und damit beschäftigt, das alles irgendwie hinzukriegen. Da kommt der Beruf – und alles andere – erst an zweiter Stelle. Und das funktioniert nicht. Das setzt einen unter Druck.“ Morgens tut es inzwischen beiden gut, immer zur gleichen Zeit aufzustehen, damit sie vor seiner Arbeit alles schaffen. Zwei Stunden brauchen sie für Waschen, Anziehen, Frühstück. Denn sie kann nichts mehr alleine machen.

Ein Schlaganfall. „Erst als ich Stroke Unit gelesen habe, wusste ich, was passiert ist.“ Ein schwerer Schlaganfall, der ihr fast alles nahm. Sie konnte nicht mehr sprechen, sie konnte sich nicht mehr bewegen, sie konnte nicht mehr schlucken. Allein das wieder zu lernen hat drei Monate gedauert. Und war so wichtig, da die künstliche Ernährung eine Belastung für den Körper ist, sorgfältig gemacht werden muss, da sie sonst Entzündungen hervorruft. Nicht jeder kann da so nachfragen – wie er. Und so viel lernen – wie sie. Nach einem halben Jahr brachte sie wieder einen Ton heraus.

Heute räuspert sie sich, lacht, stöhnt, singt und sagt Ja in 150 verschiedenen Variationen. Nein aber auch. „Sie glauben nicht, wie ein Nein moduliert werden kann! Sie kann auch schimpfen!“ Erzählt er mit einer Mischung aus Freude und Bedauern. Alle Jas und Neins werden begleitet von einer ihnen eigen gewordenen Gebärdensprache. Und in der ist kein Platz für einen falschen Ton. Sie sind einander ehrlich zugetan, das ist der wertvollste Teil der Pflege. Trotz ihrer Einschränkung schaut er nicht auf sie herab, sondern ihr in die Augen. Auch oder gerade, wenn sie Nein sagt. Es geht vom gehauchten und gelächelten Nein bis zum deutlichen und nachdrücklichen. Aber niemals ist es scharf. Ihr Nachdruck ist leise geworden. „Sie glauben doch nicht, dass wenn Besuch kommt und sie einen Fussel entdeckt, dass der da liegen bleiben kann. Der muss weg. Und das muss dann sofort passieren.“ Und beide lachen.

Sie könnten auch weinen. „Das Leben ist einfach so. Es gibt keinen strafenden Gott, der uns das angetan hat. Das ist nicht unsere Vorstellung.“ Deshalb fragen sie sich auch nicht, warum ihnen das passiert ist. „Klar könnte man fragen, warum wir. Aber man könnte auch fragen, warum nicht wir. Probleme muss man lösen. Ich habe immer so gearbeitet, da mache ich das hier genauso.“ Also löst er ein Problem nach dem anderen. Und es sind genug.

„Die erste Frage in der Reha war: ‚Ist eine Heimunterbringung geplant?‘ Da haben meine Tochter und ich wie aus einem Munde Nein gesagt. Nein, wir wollten nicht, dass sie ins Heim kommt. Aber wir wussten auch nicht, wie es wird. Und wissen es auch jetzt noch nicht.“ Sie mussten ausziehen aus ihrer großen Wohnung, in der sie zu viert und zu dritt gelebt hatten. In eine Wohnung mit Aufzug. Der ist klein. Da passt Marion Eimuth gerade mit ihrem Rollstuhl rein. Sonst nichts. „Zwei Wochen, bevor wir hier eingezogen sind, haben wir erst mal probiert, ob das überhaupt geht. Denn sonst hätten wir in diese Wohnung nicht einziehen können.“ Da die Wohnung aber nicht behindertengerecht gebaut war, mussten sie das Bad umbauen. Die Pflege beantragen, mit Verwandten sprechen, ob sie nach ihr schauen, wenn er arbeitet, Windelgeld beantragen, einen Rollstuhl. „Das sind alles verschiedene Adressen. Das macht nicht der Arzt, der sie kennt. Sondern andere Stellen, die dann aber wieder an den Arzt verweisen, da es ein Rezept, eine Verordnung sein muss. Der weiß doch gar nicht, was er im Laufe der Jahre alles verordnet hat.“ Ein Stehpult beantragen, an dem sie mit Mühe eine halbe Stunde am Tag steht, damit die Organe sich mal ausbreiten können. Denn sie werden durch das Sitzen dauernd gequetscht.

Die Krankengymnastik beantragen. Die Krankenkasse hat nun geschrieben, dass es medizinisch gesehen keinen Grund gebe, die Gymnastik weiterhin drei Mal die Woche zu finanzieren. Dabei lernt seine Frau, in kleinen Schritten, immer mehr zu bewegen. Sie bekommt wieder Kraft. Es gibt ein Gutachten dazu. Die Krankenkasse interessiert sich nicht dafür. „Wir bewegen uns hier in Absurdistan. – Also Anwalt“, sagt er. Und zuckt mit den Schultern. Sozialgericht. „Aber das dauert anderthalb Jahre, bis Sie da ein Urteil haben.“ Bis dahin bezahlt er die Krankengymnastik von seinem eigenen Geld, da er sieht, wie gut das seiner Frau tut. „Aber wer kann das schon?! Wir haben beide gute Jobs, meine Frau ist Kirchenbeamtin. Ich klemme mich dahinter, wir bekommen fast alles. Aber wer kann das denn sonst so machen? Sich auseinandersetzen mit Leuten, die eine ganz andere Sprache sprechen. Da immer wieder nachhaken.“ Nerven.

Er tut das. Und kämpft so auch gegen die Ohnmacht der erschöpften Pflegenden. „Krankheit macht arm. Sie haben ja Kosten. Für den Rollstuhl das Zusatzrad. Damit Sie in Frankfurt über das Kopfsteinpflaster fahren können. Ich möchte wirklich mal, dass der gesamte Frankfurter Magistrat mit dem Rollstuhl über den gepflasterten Römer fährt. Das halten Sie keine fünf Minuten aus. Warum macht man da keinen glatt asphaltierten Weg? Woanders gibt’s das. Da benutzen den die Radfahrer“, sagt er trocken. „Wenn es neu gemacht wird, hat man manchmal die Chance. Aber da muss man schon laut schreien, sich deutlich bemerkbar machen. Was denken die sich eigentlich dabei?“ Auch da kämpft er, und man fragt sich, woher er die Kraft dafür nimmt.

Natürlich gibt es schwere Tage. Aber die haben sie eigentlich nicht miteinander. Sondern nur wenn Kurt-Helmuth Eimuth einen Termin hat, weg muss und irgendwas von den vielen kleinen Dingen nicht so klappt – dann gerät er unter Druck. Der baut sich nicht so leicht wieder ab. Denn er ist ja eingebunden. In seine Arbeit. Er plant die evangelischen Kitas in Frankfurt. Noch ein Jahr, dann geht er in Rente. Bis dahin will er noch ein Buch fertig schreiben. Aber auch wenn er im Ruhestand ist, wird er arbeiten, etwas gestalten. „Nur pflegen, das könnte ich mir nicht vorstellen.“ Das will auch seine Frau nicht. Sie ist einerseits froh um die vielen Leute, die sich um sie kümmern. Andererseits furchtbar erschöpft. Denn jeder Mensch ist ein Reiz, jede Frage, die ihr gestellt wird, jedes Wort, das an sie gerichtet wird. Und jedes Wort, nach dem sie sucht.

Kurt-Helmuth Eimuth und Frau Marion : Theme Pflege mit Constanze Angermann

Die Logopädin kommt vier Mal die Woche; er schleppt eine Liste mit Wörtern an, die sie gerade lernt. Sie weiß, wie leicht es ist, sie auszusprechen; deshalb ist es so schwer für sie zu ertragen, dass sie es nicht kann. Denn sie muss jedes einzelne wieder lernen. Sie hat es auf der Zunge, aber sie findet den ersten Buchstaben nicht. Er gibt ihn ihr. Und dann klappt es: „Käse, Wein, Banane.“ Und – sehr deutlich: „… zum Zeitpunkt der …“ – „Das ist ein Platzhalter“, erklärt er. „Wenn sie etwas will und ich noch nicht das Richtige gesagt habe …“ Er rät sich durch die möglichen Antworten durch. Bis sie mit einem Leuchten in den Augen bejaht, weil er das Richtige getroffen hat. Sie hat alles im Kopf und arbeitet daran, es auch über die Zunge und die Lippen zu bekommen. „Und sie schafft das. Die Frau ist ehrgeizig!“ Man hört den Stolz in seiner Stimme. „Meine Tochter ist übrigens viel besser im Raten!“ Sie nickt, ein Lächeln schleicht sich in ihre Augen. Wenn die Tochter da ist, die wegen der Gesundheit in Kiel lebt, dann geht das den ganzen Tag so. Aber sie ist auch völlig fertig danach. „Das ist anstrengend, wirklich anstrengend für sie, aber eben auch schön.“ Ihre Tochter vermisst sie, um sie macht sie sich Sorgen. „Wenn wir nicht mehr sind …“ Das sieht man Marion Eimuth an; das muss sie gar nicht sagen. „Aber“, sagt er, „meine Tochter ist 36. Sie hat sich ihr Leben organisiert, selbst wenn auch sie ein nicht ganz einfaches hat. Die kann das. Und ich kann das nicht auch noch. Ich habe hier meine Baustelle.“

Die fordert ihn. Jeden Morgen, jeden Abend. Das gleiche wichtige Ritual, das ihr Leben zusammenhält. Sie haben gemerkt, dass es nur so geht. Den Ausflug mit dem Rollstuhl, die gemeinsame Runde, die gibt es nur am Wochenende. Denn die ist mühsam und kostet Stunden. Manchmal drehen Verwandte oder Freunde die Runde mit ihr. Denn er muss auch noch ihr Elternhaus ausräumen. Seit Generationen hat es der Familie gehört. Das herzugeben tut ihr weh. Aber sie sieht, dass sie nie mehr hinkommt. Und deshalb räumt er es jetzt aus, so wie er damals die große Wohnung leer geräumt hat. Sie musste sich von ihrem Geschirr trennen, er sich von seiner Modelleisenbahn. Denn die neue Wohnung ist nur halb so groß. „Genug Geschirr haben wir aber noch immer.“ Und ein paar Modellhäuschen und Bahnen auch noch. Und viele Bücher. „Meine Frau kauft sie immer, und die anderen lesen sie dann vor.“ Nur ein paar Zeilen schafft sie. Dann legt sie das Buch doch weg. Lesen ist für sie zu anstrengend.

Denn ihr Hirn steht unter Stress. Denn nach dem Schlaganfall bekam sie eine Lungenentzündung. Spät noch, es ging ihr schon deutlich besser, sie machte Fortschritte. Die Ärzte hatten nicht mehr damit gerechnet – und plötzlich die Lungenentzündung, schwere Krämpfe und epileptische Anfälle. Sechs Wochen lag sie im künstlichen Koma. Sechs Wochen lang fragte er sich, ob sie je wieder eigenständig atmen würde. „Atmen ist leben.“

Seither kann sie nicht mehr alleine aus dem Rollstuhl aufstehen. Sie nimmt schwere Antiepileptika, die sie zum Glück gut verträgt. Es war ein Rückschlag für sie – und für ihn. Auch da hadert er nicht. „Es ist keine Prüfung. Es ist einfach so. Man muss es umdrehen. Wir sind beide am Leben. Natürlich ist es nicht ganz einfach, aber wir haben uns drauf eingestellt. Es ist gut so. Alles gut.“ Es ist, als spreche er sich selbst Mut zu. Als sei er seine eigene Kraftzelle. Leise sagt er dann: „Natürlich fehlt mir oft der Schlaf, wenn sie nachts raus muss oder ihr schlecht wird oder schwindlig. Ich komme dann nicht zur Ruhe. Meine Tochter hat Bilder in der Reha gemacht, wie ich neben dem Bett meiner Frau auf dem Stuhl eingeschlafen bin.“ – Was er für sich tut: Fahrrad fahren. Er wollte ihr eine Art Lastenfahrrad für den Rollstuhl kaufen, damit sie mitfahren kann. Das wollte sie nicht. Also macht er das allein. Und lässt sie auch allein. „Eine Stunde oder so.“ Denn wenn das länger geht, wird er unruhig. Wenn sie allein ist – und die Wasserflasche ist leer. Dann kann sie sich kein neues Wasser vom Hahn holen.

Diese Hilflosigkeit mitzudenken, das muss man lernen. Und sich einstellen auf die Bedürfnisse des anderen. Aber die eigenen dabei nicht aus den Augen verlieren. Das ist der Balanceakt. Denn wenn er sich verausgabt, bis zur Erschöpfung, hat auch sie nichts davon. Am Anfang, da hat er den Fehler gemacht. In der Reha war er jeden Vormittag und jeden Nachmittag. „Das hat die Pflege entschieden verbessert. Einmal habe ich mitbekommen, wie der Therapeut, mit dem sie laufen lernen sollte, zur Tür reingeguckt hat und gesehen hat, dass sie noch nicht fertig – noch nicht gewaschen, nicht angezogen – war. Da ist er eben wieder gegangen.“ Also hat er immer drauf geachtet, dass sie versorgt war, damit in der Reha genau das passieren konnte, weshalb sie dort war. „Ich mache denen aber keinen Vorwurf, das ist einkalkuliert. Die sind zu wenig. Ich habe auch gelernt, eine Pflegekraft nicht anzusprechen, wenn die für 40 Patienten die Tabletten sortiert. Das ist hochkomplex. Da müssen Sie sich konzentrieren.“

Das macht er auch. Sich konzentrieren. Auf die Politik. Denn die ist verantwortlich dafür. „So was Aberwitziges wie dieses Pflegesystem habe ich noch nicht gesehen. Es ist vollgestopft mit Spezialwissen und mit Vorschriften, die keiner versteht, verstehen kann. Das System ist darauf angelegt, dass es die wenigsten schaffen, diesen Wust zu durchdringen. Das habe ich aus dem Bundesgesundheitsministerium schriftlich. Wenn wir allen Leuten zahlen würden, worauf sie Anspruch hätten, dann würde das Budget nicht reichen. Das heißt doch, dass die Ausbeutung der Leute eingepreist ist. Nur 20 Prozent bekommen das, was ihnen zusteht. Die, die sich nicht wehren können, die sprachlich nicht so gewandt sind, nicht so versiert im Durchdringen dieser Vorschriften, die fallen hinten runter. Und dabei habenʼs die am nötigsten. Da kann man schon verzweifeln.“ Genau das will er aber nicht. Deshalb nagelt er sie alle fest, die zuständigen Bundestagsabgeordneten im Wahlkampf, die zuständige Abgeordnete für Pflege der SPD-Landtagsfraktion. Sie alle stimmen ihm zu. „Aber keiner macht was. Keiner traut sich ran. Im Koalitionsvertrag steht, dass da was zusammengeführt werden soll. Die häusliche Pflege – die ja dieses System rettet, denn Heimplätze gibt es nicht genug – zu stärken, die Leute zu qualifizieren. Ich würde das machen.. Aber in Frankfurt gibt es das gar nicht.“

Sechs Jahre lang ist noch alles drin – nach einem Schlaganfall. Haben ihm die Ärzte gesagt. Und dass auch ein älteres Hirn lernt. Daran hält er sich fest. Gerade haben sie ihren 65. Geburtstag gefeiert. Mit vielen Freunden. Sie wollte erst nicht, sie musste dazu überredet werden. Dann hat sie den ganzen Tag gestrahlt. Und jetzt hat sie die schöne Erinnerung daran. Es geht weiter. Jeden Tag. Mit ihr, mit ihm und mit ganz vielen anderen, die helfen. Um ein Kind großzuziehen, braucht man ein Dorf. Um jemanden zu pflegen, auch.

Was passieren muss, damit ich weiter gut pflegen kann: „Es muss entbürokratisiert werden. Die Leute brauchen eine Adresse, an die sie sich wenden können, nicht hundert verschiedene Formulare und Ansprechpartner. Und es muss so klar formuliert sein, dass die, die es brauchen, es auch verstehen.“

Das Interview führte Constanze Angermann

Konstantin Wecker bekam in der Paulskirche die Albert-Schweitzer-Medaille

von Kurt-Helmuth Eimuth 4. September 2019

Der Poet, Sänger und Musiker Konstantin Wecker ist der erste Preisträger der Albert-Schweitzer-Medaille, die an den Arzt, Philosophen und Theologen Albert Schweitzer (1875-1965) erinnert. Sie wurde zum 50. Jubiläum des Frankfurter Albert-Schweitzer-Zentrums gestiftet.

Marion Eimuth mit Konstatin Wecker Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Es war der Höhepunkt des diesjährigen Jubiläumsjahres zum 50-jährigen Bestehen des Albert-Schweitzer-Zentrums in Frankfurt: Mit einem Festakt in der Paulskirche wurde gestern am 3. September erstmals die Albert-Schweitzer-Medaille verliehen. Preisträger war der Sänger und Musiker Konstantin Wecker, der für sein politisches Engagement bekannt ist.

In seiner Laudatio bezeichnete der Neurobiologe Gerald Hüther Wecker als „Suchenden, der die Herzen der Menschen öffnet“. Wecker sei ebenso wie Albert Schweitzer jemand, für den Poesie und Widerstand, Kunst und Wissenschaft zusammen gehören, betonte der Neurobiologe, der schon einige gemeinsame Veranstaltungen mit Wecker gestaltet hat.

Die Theologin Margot Käßmann wandte sich in ihrem Festvortrag gegen eine Sprache, die „inhumane Gedanken schleichend billigt“. Wer sich der Philosophie Albert Schweitzers mit ihrer zentralen Aussage der „Ehrfurcht vor dem Leben“ verbunden fühle, müsse solchen Tendenzen widersprechen. Die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland und ehemalige Reformationsbotschafterin führte zahlreiche Beispiele für eine menschenverachtende Sprache an, zum Beispiel den Ausdruck „Kopftuchmädchen“. Es sei zwar richtig, dass die Burka nicht nach Deutschland gehöre, „aber Springer-Stiefel und Glatzköpfe auch nicht“. Deutschland könne stolz auf seine Integrationsleistung sein, betonte Käßmann, und verwies auf die Leistung in den Nachkriegsjahren. Heute brauche man eine postmigrantische Definition von Deutschland. Schließlich sei das ganze christliche Abendland das Ergebnis von Migration. Für Albert Schweitzer sei die atomare Bedrohung seine Hauptsorge gewesen: „Das verbindet ihn mit Konstantin Wecker und mir“, sagte Käßmann. Sicher hätte Albert Schweitzer an dem jugendlichen Protest der Fridays for Future-Bewegung seine Freude gehabt. Auch das könne man von Schweitzer lernen: „Nicht nachlassen. Er hat für seine Sache alles gegeben.“

Albert Schweitzer hatte für Sport zwar nichts übrig und konnte mit Fußball nichts anfangen. Trotzdem sprach zum Jubiläum und zur Preisverleihung auch der Präsident von Eintracht Frankfurt, Peter Fischer, wohl auch, weil der Club und sein Präsident für eine klare Haltung stehen. Sport, so Fischer, könne Werte schaffen und vermitteln. Sport müsse politisch sein. Der Sport stehe dafür, dass alle Menschen gleich sind. In der Kabine der Eintracht säßen Spieler aus 19 Nationen. Die 80.000 Mitglieder des Clubs kämen aus 100 Nationen. Fischer kritisierte auch die antisemitischen Rufe gegen den Schiedsrichter beim Spiel gegen Straßburg vor einigen Tagen.

Der Frankfurter evangelische Stadtdekan Achim Knecht würdigte die Bedeutung des Albert-Schweitzer-Zentrums mit Archiv, das heute in der Wolfgangstraße im Nordend untergebracht ist. „Die Evangelische Kirche in dieser Stadt sieht sich auch heute noch dem Erbe des bedeutenden Humanisten Albert Schweitzer verpflichtet“, hob Knecht hervor und wies auf die Aktualität der Ethik Albert Schweitzers hin: „Die Rettung von Menschen, die auf ihrer Flucht und Migration nach Europa auf dem Mittelmeer in Seenot geraten, ist heute ein zeitgemäßer Ausdruck einer tatkräftigen Ehrfurcht vor dem Leben. Ich bin überzeugt, auch Albert Schweitzer hätte die Seenotrettung von Geflüchteten und Migranten aus dem Mittelmeer unterstützt!“

Oberbürgermeister Peter Feldmann erinnerte in seiner Ansprache an die besondere Verbindung Albert Schweitzers mit Frankfurt. Schweitzer hat 1928 den Goethepreis der Stadt erhalten, 1951 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, und 1959 wurde er zum Ehrenbürger Frankfurts ernannt. „Albert Schweitzer war gerne hier. Es hat ihn immer wieder in diese Stadt gezogen“, sagte Feldmann.

Der Musiker und Sänger Konstantin Wecker (links) verbindet seit vielen Jahren Kunst und Politik. Dafür wurde er in der Paulskirche mit der Albert-Schweitzer-Medaille ausgezeichnet. | Foto: Kurt-Helmuth Eimuth
Der Musiker und Sänger Konstantin Wecker (links) verbindet seit vielen Jahren Kunst und Politik. Dafür wurde er in der Paulskirche mit der Albert-Schweitzer-Medaille ausgezeichnet. | Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

„Es braucht viele Sprachrohre, damit pflegende Angehörige Unterstützung bekommen“

Hessenschau-Moderatorin Constanze Angermann fordert mehr Unterstützung für pflegende Angehörige. |Foto: hr
Frau Angermann, was macht man als Pflegebotschafterin der Diakonie? Erst mal redet man über Pflege und bringt damit das Thema, das sich zu einem ganz großen Teil hinter verschlossenen Türen abspielt, in die Öffentlichkeit. Der überwiegende Teil der Pflegebedürftigen wird zuhause von Angehörigen, von Frauen und Töchtern gepflegt. Die leisten Unglaubliches und sind oft allein mit dieser schwierigen Arbeit. Sie haben gar nicht die Zeit, jedem noch zu erzählen, was sie da leisten. Da ich mich aber mit pflegenden Angehörigen unterhalte und sie mir sagen, was sie brauchen, bin ich gerne ihr Sprachrohr. Es braucht allerdings viele Sprachrohre, damit erkannt wird, was die Pflegenden an Unterstützung brauchen. Und damit ihnen ihre Arbeit nicht noch durch Bürokratie schwerer gemacht wird. Wie kamen Sie zu dieser Aufgabe? Ich kümmere mich selbst um eine alte Frau und Freundin, die noch vieles selbst kann, aber das ändert sich ständig. Und so wachse ich gerade in eine Pflege hinein. Ich habe großen Respekt davor und werde mir so viel Hilfe wie möglich holen, einfach, damit man auch mit der Situation nicht allein ist. Dann hat die Diakonie vor einiger Zeit starke Frauen in der Pflege vorgestellt – dafür war es höchste Zeit. Denn in der Pflege wird Zukunftsweisendes geleistet. Was davon hat Modellcharakter? Das wird für uns alle immer wichtiger. Denn wir haben immer mehr zu Pflegende, aber immer weniger, die pflegen. Wie also machen wir das, wie organisieren wir das? Was sollte Ihrer Meinung nach zur Verbesserung der Pflege getan werden? Erst mal müssen wir anerkennen, was die pflegenden Angehörigen machen. Die machen das in der Regel nämlich gut und können die Signale des zu Pflegenden hören und einordnen. Sie haben einen für beide Seiten passenden Modus gefunden. Also: die sollte man unterstützen und nicht noch gängeln. Man soll ihnen Hilfe anbieten, die sie auch annehmen können. Was hat denn ein Mann vom Urlaubsangebot seiner Krankenkasse, wenn er in der Zeit keine Unterbringung für seine zu pflegende Frau hat? Es wäre sicher gut, die Maßnahmen in der Pflege zu bündeln, einen Ansprechpartner zu haben und nicht noch durch bürokratischen Wust, durch den sich der Pflegende erst mal kämpfen muss, die Situation weiter zu verschärfen. Außerdem muss die Pflege möglich gemacht werden, durch mehr Personal oder durch eine Arbeitswelt, die sich darauf einstellt, dass Angehörige gepflegt werden müssen. Welche Rolle kann die Diakonie dabei einnehmen? Es sind zu wenige Menschen auf dem Markt der Pflege, wir brauchen mehr Pflegekräfte. Von daher bin ich um jeden froh, der sich praktisch und organisatorisch damit befasst. Aber die vielen Anbieter müssen natürlich auch einem gewissen Standard genügen, und diese Qualität muss kontrolliert werden. Die Diakonie hat viele Einrichtungen und dadurch ein aussagekräftiges Bild der Pflege vor Augen. Sie weiß, was es außerdem noch braucht und kann das in die Politik bringen. Das halte ich bei den großen profilierten Einrichtungen in der Pflege für extrem wichtig. Welche persönliche Beziehung haben Sie zu Kirche und Diakonie? Ich habe eine ur-evangelische Sozialisation, ich bin gewissermaßen neben meinem Vater auf der Orgelbank der evangelischen Kirche in Götzenhain groß geworden. Also ich bin evangelisch durch Musik, wenn Sie so wollen. Und die Diakonie ist mir durch die Pflege zugewachsen. Dieses Thema liegt mir einfach am Herzen, wir können uns da nicht wegducken. Das kommt auf jeden von uns zu und wir müssen uns darum kümmern. Das Schöne ist: Man hat damit auch eine Aufgabe, die sinnvoll ist. Das macht zufrieden, wenn es gut läuft. Das ist noch ein Stück Leben, das man mit dem oder der zu Pflegenden teilen kann. Wir müssen nur dran arbeiten, dass wir dafür noch bessere Rahmenbedingungen haben. Das Gespräch führte Kurt-Helmuth Eimuth

Vorwärts gelebt, rückwärts verstanden

Abschied von Steinperf

Obgleich Frankfurter kam ich 1978 in eine hessische Gegend, die mir bisher verborgen geblieben war. Ich erinnere mich noch genau. Meine damalige Freundin zeigte mir wie die Kurven sportlich zu fahren waren und ich staunte in den Sitz des Audi 50 gepresst über eine Landschaft, die mich an Österreich mit seinen Wiesen und Wäldern erinnerte. Nur die Berge waren niedriger. Und dann die Sprache. Ich lernte, dass es nicht einfach nur Hessisch gibt. Der Sprachraum in Mittelhessen, im hessischen Hinterland, ist ein ganz eigener. Die ersten drei Tage verstand ich wenig bis nichts.

Doch im Laufe der Jahrzehnte habe ich mich eingehört, verstehe 98 Prozent, Platt schwätzen heute auch nur noch die alten Leute, zu denen meine Generation gehört. Das Leben im kleinen Dorf Steinperf im Altkreis Biedenkopf habe ich lieben und schätzen gelernt. Und nun gilt es Abschied zu nehmen. Die Schwiegereltern sind lange verstorben und auch wir können das Haus, das wir zwischenzeitlich für uns ausgebaut haben, nicht mehr nutzen. Es ist nicht barrierefrei und nur mit hohem Aufwand umzubauen. Ein Ausschlusskriterium, da meine Frau, jene Dame, die mich so flott ins Hinterland beförderte, seit vier Jahren auf den Rollstuhl angewiesen ist.

Hinzu kommt die medizinische Versorgung auf dem Land. Die Arztpraxen in den umliegenden Dörfern schließen nach und nach. Der öffentliche Nahverkehr findet praktisch nicht statt und von schnellem Internet darf man träumen. Alles Argumente, die uns schon vor vielen Jahren von unserem ursprünglichen Plan, im Ruhestand ganz aufs Land zu ziehen, abbrachten. Und noch eines sollten die bedenken, die für die Rahmenbedingungen unseres Zusammenlebens verantwortlich sind. Immer nur neue Wohnungen zu bauen, obgleich die Bevölkerung schrumpft, kann nicht die einzige Antwort sein. Auch im Hinterland, gut einhundert Kilometer von Frankfurt entfernt, stehen in jedem Dorf zehn Häuser leer. Für eine Drei-Zimmer-Wohnung in Frankfurt bekommt man dort fünf Häuser. Die Mieten liegen entsprechend weit unter dem, was in Frankfurt eine geförderte Wohnung kostet. Die Förderung des ländlichen Raums hätte mindestens so viel Aufmerksamkeit verdient wie die explodierenden Mieten in den Ballungszentren.

Aber wir können nicht mehr so lange warten bis die Politik den Trend wendet. Das Haus muss geräumt werden. Jedes Buch, jeder Schrank hat seine Geschichte. So wie das Gebäude selbst. Meine Schwiegermutter hatte es per Los zugesprochen bekommen. So wie man sich das vorstellt: Mit langen und kurzen Streichhölzern. Sie zog das Lange und ihre Brüder hatten das Nachsehen. Das 1900 erbaute Fachwerkhaus fiel ihr zu und die Brüder mussten ausgezahlt werden. Das war Anfang der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts. Ein Drittel des Hauses war Scheune, im Keller war ein kleiner Stall in dem eine Kuh gehalten wurde. Gemeinsam mit der Bewirtschaftung eines Ackers und eines Gartens trug diese Mini-Nebenerwerbs-landwirtschaft erheblich zum Unterhalt der Familie bei. Auch ich Stadtkind half dann später bei der Kartoffelernte und durfte auch mal Traktor fahren. Schönes Landleben, wenn auch der Rücken schmerzte.

Vor diesem Hintergrund kann man den Stolz nachvollziehen, wenn die Schwiegermutter vom Kauf des Küchenbuffet erzählt. Lange hatten sie sparen müssen. Der Dorfschreiner hat es in Handarbeit hergestellt. Die Schütten für Mehl und Zucker sind noch vorhanden. Dank der liebevollen Behandlung mit Möbelpolitur ist der Schrank noch gut erhalten. Längst ist er in den Keller gewandert. Fristete dort ein vernachlässigtes Dasein, wurde zweckentfremdet zur Aufbewahrung von Bastelmaterialien und ja, nicht verbrauchte Spielzeugeisenbahnutensilien hatte ich dort gelagert. Jetzt muss auch dieser Schrank entsorgt werden. Gut, dass die Schwiegermutter dies nicht mehr miterlebt.

Ein Freund kam während des Räumens vorbei und meinte. Auch er müsse mal mit seiner Frau das Haus räumen. Schließlich könne man das nicht den Kindern überlassen. Aber vom Gefühl könne er sich nicht vorstellen, alles wegzuwerfen. Mein Rat: „Tu dir das nicht an. Vererbe etwas Geld mit dem die Kinder den Entrümpler bezahlen können. Dann ist alles gut.“

Verschwiegen habe ich, dass das Wegwerfen nicht das Problem ist. Das Aussortieren ist das Problem. Welche Erinnerungsstücke möchte ich noch behalten. Wo habe ich Erinnerungen, was hat für mich einen ideellen Wert? Klar, Fotos wirft man nicht weg. Die Fotoalben finden sicher irgendwo einen neuen Platz. Auch die kleine Plastiktüte mit Bildern aus dem Krieg, die noch im Wohnzimmerschrank lag. Mein Schwiegervater stolz in Uniform. Er, den ich nur als eingefleischten Sozialdemokraten kannte. Brief-markengroße Bilder von fremden Landschaften, vermutlich Frankreich. Und Gruppenbilder wie wir sie heute auch machen. Nur eben eine Gruppe Soldaten. Auch das alte Soldbuch fand sich noch. Mit deutscher Gründlichkeit ist alles festgehalten, etwa auch ob Feldmütze, Drillichzeug, Unterhose oder Mantel an den Gefreiten ausgegeben wurde. Genau Buch geführt wurde auch über das Aushändigen einer Gasmaske. Und schließlich die Eintragungen des Lazaretts im Jahre 1944. Wie so viele seiner Generation sprach auch mein Schwiegervater nicht über seine Kriegserlebnisse. Wir hatten es gelegentlich versucht. Lungensteckschuss, Lazarett, Kriegsgefangen-schaft. Alles kein Zuckerschlecken. Viele Fragen bleiben unbeantwortet. Und dann nach dem Krieg Schleifarbeiten im Metallgewerbe. Ergebnis Staublunge. Bei allem, was die EU kritikwürdig macht, sind über sieben Jahrzehnte Frieden ein Geschenk für unsere Generation.

Zu den schöneren Funden gehört ein grauer Karton mit Briefen. Vor allem die Glückwünsche zu unserer Hochzeit vor 38 Jahren, aber auch einige Briefe, die wir uns geschrieben haben. Vergessen, verstaut im Trempel des Dachgeschosses. Viele, von denen, die uns gratulierten, sind nicht mehr unter uns. Es gilt der Satz von Sören Kierkegaard: „Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.“

Jeder Haushalt hat Geschirr. Die beiden Haushalte, unserer und der der Schwiegereltern, hatten unvorstellbare Mengen von Geschirr. Schließlich brauchte man auch für Geburtstagsfeiern jede Menge. Normale Geburtstage, keine Runden. Da wurde schon drei Tage vorher mit dem Backen begonnen, Tische und Stühle wurden herbeigeschleppt, das Wohnzimmer umgeräumt. Meine ungläubige Frage, wer denn alles eingeladen sei, entgegnete man mit einem unverständlichen Schweigen. Also schleppte ich mit, deckte Tische. So dreißig Personen waren unterzubringen. Und tatsächlich. Pünktlich um 15 Uhr war das Wohnzimmer mit Nachbarn, Freundinnen und Freunde und Verwandtschaft gefüllt. Auf jedem Tisch standen drei Torten und den Kaffee durften wir Kinder einschenken. Bedienung gehörte dazu. Kein Wunder also, dass hier Ess- und Kaffeeservices jeweils für 18 Personen in den Schränken gestapelt waren. Hinzu die zahllosen Kuchenplatten aus Bleikristall oder auch einfach Tupper für den Transport, denn schließlich bekam jede Familie noch etwas vom Geburtstagskuchen mit nach Hause.

Jetzt will niemand das Geschirr mehr haben. Selbst auf eBay erzielt es keine nennenswerte Nachfrage mehr. Man merkt, wir sind die Generation der Erben. Demografischer Wandel einmal ganz praktisch. So bleibt für Vieles nur noch der Restmüllcontainer.

Nachbarschaft ist auf den Dörfern etwas Besonderes. Es sind nicht nur Nachbarn, die sich Jahrzehnte kennen. Sondern auch die Generation davor und die Generation danach leben in der Dorfgemeinschaft. Man besucht sich, nimmt Anteil und übt natürlich auch soziale Kontrolle aus. „Du musst die Vorhänge waschen, man spricht schon darüber“, war der in einem Brief gefundene Ratschlag meiner Schwiegermutter.

Damit doch noch etwas Nachhaltigkeit erzielt wird, haben wir einen Hausflohmarkt veranstaltet. Mit mäßigem Erfolg. Auch da zeigt sich das Landleben negativ. Vieles hätte in Frankfurt seinen Abnehmer gefunden, doch wer will schon für gebrauchte Möbel, Geschirr und Haushaltsutensilien viele Kilometer fahren? Und die Zeitgenossen, die dann anrufen und fragen, ob man die geschenkte Couch nicht doch vorbeibringen könne, sind leider gar nicht so selten. Die, die flehentlich um die Reservierung des Tisches oder der Bank gebeten haben, erscheinen dann häufig nicht. Verbindlichkeit fehl am Platze.

Zu den ideellen Werten gehören immer Dinge, die selbst hergestellt wurden. Da sind die Intarsienarbeiten des Schwiegervaters, ob als Bild oder als Verschönerung der Möbeltüren. Oder die Kommode, die er für seine Enkelin in der Tradition naiver Bauernmalerei gestaltet hat. Natürlich werden solche Objekte sorgfältig verpackt und eingelagert. Auch die alte Bandonika, eine Art Akkordeon, gehört dazu. Überhaupt war der Schwiegervater ein begabter Künstler. Musik und Malerei waren seine Passion.

Bücher sind der Schreck eines jeden Möbelträgers. Wohin? Und warum nicht aufheben? Diesen Krimi wollte auch ich noch lesen und der Band über Masuren diente immerhin zur Vorbereitung einer wunderbaren Fahrradtour. Und was mache ich mit den Fachbüchern? Brauche ich sie trotz Internet nicht doch noch einmal zum Nachschlagen? Es hilft nichts. Für die allermeisten bleibt nur die Papiertonne.

Und wie überall wurde am Haus ständig gewerkelt. Den Einbau einer Zentralheizung, den Bau eines Zimmers in die Scheune, den Bau einer Garage waren die kleinen Projekte. Beim Bau der Garage konnte ich dem 1991 verstorbenen Schwiegervater helfen. Ob Maurerkellen oder Zollstocksammlung, alles von Schwiegervater Otto. Immer wieder erschall beim Ausräumen der Ruf: „Oh, das ist noch von Otto“. Schließlich die Frage eines helfenden Freundes: „Wer war denn dieser Otto?“ In der Erinnerung leben wir weiter. Und das ist doch schön.

Kurt-Helmuth Eimuth, Juni 2019