von Kurt-Helmuth Eimuth 19. Oktober 2021
Nach vierzig Jahren hat Margot Käßmann einen alten Jugendfreund wiedergefunden. Inzwischen sind die beiden ein Paar und haben gemeinsam ein Buch über ihre Lebenserinnerungen geschrieben.
Sie ist die bekannteste Theologin Deutschlands. An ihrem Schicksal nehmen Millionen Teil, ob zweimalige Krebserkrankung, Scheidung oder jene unglückliche Alkoholfahrt, die sie das Amt der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland kostete. Seit Jahren lässt Margot Käßmann die Menschen teilhaben an ihren Herausforderungen, aber auch an ihrem Glück.
Und nun? Ruhestand, Enkel und hie und da eine Fernsehpredigt? Nein, nicht bei Käßmann. Hollywood hätte es sich nicht besser ausdenken können: Ihr alter Jugendfreund, Andreas Helm, traf sie, sprach sie vor acht Jahren an, und die beiden entdeckten, dass sie sich noch nahe sind. Erstaunlich ähnlich sind ihre Leben verlaufen: Beide geschieden, beide haben jeweils vier Kinder, teils mit den gleichen Namen.
Heute sind Margot Käßmann und Andreas Helm ein Paar. In einem dialogisch angelegten Buch beschreiben sie ihr neues gemeinsames Leben. Spannend wird es aber für den Leser und die Leserin, wenn von den gemeinsamen Erfahrungen berichtet wird. Von der großen Demonstration gegen den Nato-Doppelbeschluss oder der kritischen Haltung zur Atomkraft. Und sie lassen diejenigen von uns, die ebenfalls in den 50er und 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts geboren sind, teilhaben an ihren Erinnerungen: „Ja, die Jahre des Lebens verändern uns. Aber wir beide haben den Eindruck, der Wesenskern eines Menschen verändert sich auch in 40 Jahren nicht, selbst wenn es ein bisschen gedauert hat, bis wir uns erzählt hatten, was in dieser Zeitspanne passiert war.“
Sie erzählen es sich und uns, die wir es mit unseren eigenen Biografien vergleichen. Wie war das bei mir, wie war das bei dir? Gerade wenn man selbst eine Sozialisation in der evangelischen Kirche erlebt hat, wird vieles wieder lebendig. Die Partys im Jugendkeller, die Fahrten mit der Gemeindejugend, auch die Musik. Es war eine Zeit des Aufbruchs in Kirche und Gesellschaft.
Käßmann und Helm leben ihr Leben weiter, haben keine gemeinsame Wohnung und sind doch oft zusammen. Ein Buch über eine gelungene Partnerschaft, deren Wurzel in der Jugend gelegt wurde und die sich doch erst im Alter wirklich zusammenfand. „Es braucht manchmal Kraftanstrengungen, einen neuen Aufbruch und Offenheit, um Beziehung zu wagen.“ Das geht auch noch mit 60 Jahren.
Doch die beiden verschließen nicht die Augen vor dem Alter und einer möglichen Pflegebedürftigkeit. „Sollte eine/r von uns pflegebedürftig werden, müssen wir neu schauen, wie wir unser Leben dann miteinander gestalten.“ Es ist kein theologisches Buch, aber es ist ein Buch über die Meisterung des Lebens in Gottvertrauen. Mehr Theologie geht doch eigentlich nicht.
Margot Käßmann/Andreas Helm: Mit mutigem Schritt zurück zum Glück, 187 Seiten, bene!, 20 Euro.