Archiv für 17. April 1994

Sekten im Bildungsbereich

Ein Angriff auf die Seelen der Kinder

Lesung am 17.4.96 Carolus-Buchhandlung, Frankfurt

Schon immer haben totalitäre Systeme sich der Kinder bemächtigt. Die Gleichschaltung der Seelen und Köpfe ist die Vorraussetzung, um Herrschaft unumstritten ausüben zu können. Der Totalitarismus muß sich der Herzen und Sinne bemächtigen.

Es wundert also nicht, daß dieses auch für solche totalitäre Systeme gilt, die unter religiösen Vorzeichen antreten. Sie wollen die Welt erretten oder eben die Weltherrschaft erlangen – was für sie das Gleiche ist.

Die Gleichschaltung der Herzen und Sinne beginnt schon bei den Kindern. Zahlreiche Sekten haben eigene Lehrpläne entwickelt, Kindergrippen und  Kindergärten gegründet und betreiben Internate und Schulen. Etwa 100.000 Kinder und Jugendliche sind alleine in Deutschland solch totalitären Erziehungssystemen ausgesetzt.[1]

Zeugen Jehovas:

Züchtigung, Bluttransfusion und Kontrolle

Immer wieder gibt es in den Schulen Probleme mit Kindern der Zeugen Jehovas, da die Lehre der Zeugen Jehovas auf Kinder und Jugendliche sozial ausgrenzend wirkt. Schon im Kindergarten werden sie zu sozialen Märtyrern. Sie dürfen weder Geburtstage noch christliche Feste mitfeiern oder an deren Vorbereitung teilnehmen. Das heißt, schon das Bemalen eines Ostereis ist ihnen verboten.

Eine Einübung in die demokratische Willens- und Meinungsbildung wird Kindern und Jugendlichen vorenthalten bzw. untersagt. So dürfen die Kinder noch nicht einmal an Klassensprecherwahlen teilnehmen, weil dies ein Dienst im verhaßten System wäre.

Dadurch verläßt die Wachtturmgesellschaft den Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Wer Kindern und Jugendlichen verbietet, an jeder politischen Willensbildung – und seien es nur Klassensprecherwahlen – teilzunehmen, dem muß eine demokratische Grundhaltung abgesprochen werden. Und tatsächlich leben die Zeugen Jehovas auf eine Theokratie hin, die sie in ihrem Bereich schon verwirklicht haben.

Die physische Gefährdung von Kindern und Jugendlichen durch das unmenschliche und unbiblische Verbot der Bluttransfusion ist offenkundig. Zeugen Jehovas nehmen sich heraus, Menschen ihre Berechtigung zum Weiterleben abzusprechen. Und sollten der Mutter, deren Kind dringend die lebensrettende Transfusion benötigt, Zweifel kommen, stehen die netten Ältesten bereits vor der Tür.

Brief

Die Rechtssprechung kann sich angesichts dieser Tatsache nicht hinter Artikel 4 des Grundgesetzes verstecken. Das autoritäre angsteinflößende Erziehungskonzept der Zeugen Jehovas ist meines Erachtens eine Form von psychischer Kindesmißhandlung.

Guru-Schule als Programm

Fast unbemerkt ist in den sogenannten „Jugendreligionen“ eine zweite Generation herangewachsen. Für diese haben die verschiedenen Gruppen eigene Erziehungskonzeptionen entwickelt. So bedeutet Erziehung in der Krishna-Bewegung (ISKCON) die Vermittlung eines Menschen- und Gottesbildes im Kontext der Bhagavadgita. Ziel der menschlichen Existenz sei es, den ihr im Rahmen der göttlichen Ordnung zugewiesenen Platz einzunehmen. Alles andere ist bestenfalls Nebensache. Innerhalb der Krishna-Bewegung haben die Versuche, eine neue krishnabewußte Menschheit großzuziehen einen hohen Stellenwert. Die demokratische Organisation der Gesellschaft wird gemäß dieser Lehre für falsch gehalten, denn in der Demokratie wählten nur unvollkommene Menschen andere unvollkommene Menschen.

Zur Verwirklichung einer autoritären, theokratischen neuen Gesellschaft hat man eigene Guruschulen, die sogenannten Gurukula eingerichtet. In Europa bestehen Krishna-Schulen in Österreich, England, Italien und Schweden. In Frankreich ist eine geplant.

Nach Prabhupada, dem Gründer der Krishna-Bewegung, brauchen Kinder nur vier Dinge zu wissen:

1. „immer an Krishna zu denken,

2. Krishna-Anhänger zu werden,

3. Krishna Verehrung darzubringen

4. Krishna Huldigungen darzubringen.“

Prabhupadas Schlußfolgerung: Diese vier Dinge sollten gelehrt werden, und alles andere wird wie geschmiert folgen. Sie werden gelehrte Menschen sein.“

Acht Stunden werden diese Kinder in den Gurukulas ausdrücklich religiös erzogen. Wesentlicher Lehrinhalt und ausdrückliches Lernziel ist das Vermeiden von Kritik. Kritik wird mit schlechtem Denken, das auf die eigene Seele zurückfällt, gleichgesetzt.

Schulen, die nach solch einem weltanschaulichen Konzept organisiert werden, erziehen nicht zur Kritikfähigkeit, sondern zum Gehorsam. Auf eine allumfassende Bildung wird verzichtet.

Die kollektive Erziehung in der Gurukula ist bedeutender als die natürliche Eltern-Kind-Bindung. Erziehungsziel ist die Rekrutierung von Nachwuchs. Im Grunde hat dieses Erziehungskonzept nichts mehr mit Erziehung zu tun. Hier werden Kinder von klein auf schlicht und ergreifend im Sinne einer hinduistischen Wertordnung gedrillt. Die Grenze zur Indoktrination scheint überschritten.

Mit Kindern die Welt erobern

Ganz anders der Psychokonzern „Scientology“ des L. Ron Hubbard.

Während andere totalitäre Systeme Kindheit ideologisch überhöhen, ignoriert der Hubbardismus diese. Scientology kennt keine Kindheit. Kinder sind für Scientologen lediglich Thetane in einem kleinen Körper. Insofern können auch alle für Erwachsene gedachten Programme auch mit Kindern durchgeführt werden.

Die Wirkung wurde in der Zeitschrift Stern[2] am Beispiel der elfjährigen Dorothea so beschrieben:

Dorothea „schrie und war, wie sie später einem Arzt berichtete, nicht mehr ‚Herr über ihren Körper gewesen‘. Sie habe sich ‚von oben gesehen‘ und fühlte sich so, ‚wie wenn man gestorben ist‘.“

Der Vater hatte Dorothea und ihren ein Jahr älteren Bruder täglich in die Scientology Mission mitgenommen. Die Kinder nahmen am „Reinigungs-Rundown“ teil. Bei dieser Tortur mußten sie mehrfach drei bis fünf Stunden in der Sauna schwitzen.

Auch das berühmt berüchtigte Auditing mit seinen Hypnoseelementen wird an Kindern praktiziert. Und damit die Kinder schon frühzeitig an diese spezielle Technik herangeführt werden, soll mit den Kindern „Erinnern“ geübt werden. Der Verkauf von Handspielpuppen im Umfeld der Hubbard-Organisation (Marke „Happy Toys oder Lucky Toys“) dient genau diesem Zweck. Denn mittels dieser Handpuppen sollen nach Hubbard die Kinder an diese Technik herangeführt werden. Die Verkäufer dieser Handpuppen bewerben gerne Kindergärten.

Der pädagogische Bereich ist neben der Wirtschaft der für Scientology wichtigste Bereich der Infiltration. Hubbard selbst sagt: „Die wichtigsten Anwendungsbereiche der Scientology liegen auf den Gebieten der Pädagogik, der Organisation, der geistigen Unfähigkeit und der Religion“.

Scientology will also neben der Wirtschaft auch das Erziehungswesen erobern. Hierzu hat es den Bereich ABLE gegründet. Scientology versuchte bereits die Genehmigung für eine Grundschule in Deutschland zu erlangen. Als dies nicht gelang, schickte man die Schulkinder ins benachbarte Ausland, beispielsweise nach Dänemark. Zahlreiche selbstorganisierte Kindergärten gibt es auch in Deutschland, z.B. Happy Kids in Hamburg.

Die in Köln beheimatete Scientology-Unterorganisation Applied Scholastics bietet Sprachkurse, Grammatikkurse und Musikkurse mit der „LRH-Lern-Technik“ an. Nach eigenen Angaben soll die Hubbard-Technik Kindern und Erwachsenen helfen, ihre Lese-und Lernschwierigkeiten zu beseitigen. Die Organisation besteht in Deutschland seit fünf Jahren. Eltern können nur vor diesem und anderen Angeboten auf dem großen Markt des Nachhilfeunterrichts gewarnt werden.

Der bei Scientology herrschende Drill, das Menschenbild von Scientology, bei dem es darum geht, eine Art Übermensch heranzuzüchten, die destruktive Einstellung der Familie gegenüber, durch die Kinder vernachlässigt, abgeschoben oder gar abgetrieben werden, lassen nur einen Schluß zu: das Recht der Kinder auf Leben, auf natürliche Entfaltung, auf angemessene Entwicklung und das Recht auf Bildung werden völlig mißachtet. Die Kinder werden von klein auf in ein gedankliches System gequetscht, das sie zum sozialen Miteinander verpflichteten Gesellschaft entfremdet.

Universelles Leben:

Eine Mischung aus Esoterik, apokalyptischer Prophezeiung und pervertiertem Christentum

Die deutsche Sekte Universelles Leben hat es wie keine andere Gruppierung geschafft ein geschlossenes Angebot an Erziehungseinrichtungen für ihre Mitglieder bereitzuhalten. Neben Kinderkrippen und Kindergarten gibt es auch eine eigene Schule. Spätere Berufsausbildung ist sicherlich in den sogenannten Christusbetrieben möglich. Voller Stolz stellte die Organisation 1994 fest, daß 220 Kinder ihre Einrichtungen besuchen.

Diese Kinder sind einem Erziehungswesen ausgesetzt, das in vielfältiger Weise von der Ideologie dieser Endzeitsekte durchdrungen ist. Die Anhänger glauben, daß die Kontinente überflutet werden. Nur sie, die Anhänger der Prophetin der Jetztzeit, gemeint ist Schwester Gabi, alias Gabriele Wittek, werden überleben.

Diese wenig originelle Idee paart sich mit einer Reinkarnationsvorstellung. Das Kind ist für das UL kein Neugeborenes, sondern der Körper beherbergt eine reinkarnierte Seele, die bereits eine lange Geschichte hinter sich hat. Aufgrund einer karmischen Verbindung (Seelenschuld) ist die Seele mit ihrer Umwelt verbunden. Es gilt, diese karmische Verbindung in rechter Weise zu tilgen. Deshalb dürfen die Eltern ihr Kind nicht an sich ketten, sondern sollen es für eine ganztags Erziehung im Universellen Leben freigeben.

Jede Lebensäußerung, jeder alltägliche Handgriff wird auf die Ideologie zurückgeführt. So sollen etwa die Eltern des Nachts nicht ungehalten sein, wenn das Kind quengelig ist. Denn: „Die Seele eures Kindes hat vielleicht Anpassungsschwierigkeiten; denn auch sie geht, wie alle einverleibten Seelen, wenn der Erdenkörper schläft, in die Welten, die ihrem Bewußtsein entsprechen.“[3] Oder es soll jeden Abend geduscht werden, damit keine negativen Schwingungen in der Aura hängenbleiben.

Alle Lebensäußerungen des Kindes werden in ein Lebensbuch von den Erzieherinnen und später den Lehrer und Lehrerinnen eingetragen. Dort finden sich dann die Interpretationen warum etwa ein Streit Ausdruck der verunreinigten Seele ist. Den Erzieherinnen kommt deshalb eine besondere Bedeutung zu. Sie haben dafür Sorge zu tragen, daß die Kinder auf dem inneren Weg vorankommen. Die Eltern-Kind-Beziehung wird gewollt zu einer Trias aus Eltern, Kind und Erzieherin. Wobei zu vermuten ist, daß die Erzieherin die Richtung der Erziehung vorgibt. Denn sie notiert und protokolliert und interpretiert jede Äußerung des Kindes, jede Verhaltensweise als Ausdruck der Seelenschuld. Gefordert von den Kindern ist auf alle Fälle die Vermeidung von Streit, denn diese würde die Seele wieder belasten.

Die Kritik am Universellen Leben, insbesondere an der Schulgründung wurde mehrfach gerichtlich überprüft. Das Bay. Verwaltungsgericht hat am 4.4.95 mit Blick auf die Vater-Mütter-Häuser des UL und die Einflußnahme des UL auf die Familie festgestellt: „Die Lehre des UL ist damit nach eigenen Aussagen angelegt auf eine Entprivatisierung des Lebens; die Ehe wird ersetzt durch eine rechtlich unverbindliche Partnerschaft, und die Kinder werden gemeinschaftseigenen Erziehungseinrichtungen anvertraut. Die Familie ist nicht existent und wird in der gemeindeordnung nicht angesprochen. Diese Lehre steht im Widerspruch zur Wertordnung des Grundgesetztes und der Bayerischen Verfassung.“

Diese Schule ist demnach nicht nur pädagogisch problematisch, sondern auch noch verfassungswidrig. Sie muß geschloßen werden.

Sant Thakar Singh

Silikon und der göttliche Ton

Wie auch bei anderen Gruppen haben Kinder in der Ideologie dieser Guru-Organisation einen besonderen ideologischen Stellenwert. Denn die Kinder sind so etwas wie das neue Volk Gottes. Sie alleine können in wenigen Jahren die innere Vollkommenheit und Gottverwirklichung erreichen. Sie sind so etwas wie „Gott von innen und Engel von außen“. Sie sind die „Retter der Menschheit“. Nur müssen sie sehr viel meditieren. Schon Babys werden zur Meditation angeleitet. Dabei wird ihnen ein Ohr mit Silikon ausgegossen. Die Augen des Kindes sollen mit einer Art Augenmaske bedeckt werden. Kinder sollen wenigstens zwei bis drei Stunden meditieren, jedoch sind sechs bis acht Stunden anzustreben. Schlafentzug und Isolation in einem kalten Raum erhöhen angeblich die Konzentration auf den Meister. Der kleine Jakob, etwa im Alter von zwei Jahren dieser Tortur ausgesetzt, sollte nicht einmal seinen leiblichen Vater „Vater“ oder „Papa“ nennen, da dieses die Konzentration auf den Meister störe. Selbst Bilderbücher sollen durch Fotoalben mit Bildnissen des Meisters ersetzt werden.

Der vermeintliche Erfolg solcher Erziehung wird nach eigener Darstellung so gesehen:

„Die Meisterkraft ist während der Meditation mit Babys besonders spürbar.

Krankheiten werden gemildert.

Die Kinder brauchen weniger Schlaf und können teilweise in den Nächten meditieren.

Sie sind in der Regel sehr sensibel und geistig wach.

Sie reagieren meist sehr freudig und liebevoll auf die Meisterbilder.

Sie stecken sich oft selbst spontan den Finger ins rechte Ohr, um den inneren Ton besser hören zu können.“[4]

Der Vater von Jakob und die damalige Meditationslehrerin, Gerda Achternbusch, wurden inzwischen rechtskräftig zu einem halben Jahr Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Doch fehlt diesen Personen offenbar jedes Unrechtsbewußtsein. Gerda Achternbusch droht mir mit juristischen Schritten, wenn ein Zusammenhang zwischen der gestörten Sprachentwicklung Jakobs und der Meditationsfolter hergestellt wird. Jakob leidet heute an Schwerhörigkeit, er ist in psychotherapeutischer Behandlung. Jakobs Mutter, inzwischen von der Sekte getrennt und symbolisch zu zwei Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt, strebt eine Klage zur Übernahme etwaiger Rehabilitationsmaßnahmen für ihren Sohn an.

Schätzungen besagen, daß etwa einhundert Babys und Kinder dieser Meditationsfolter allein in Deutschland unterzogen wurden. Heute soll nach Darstellung der Sekte diese Meditation in Deutschland nicht mehr praktiziert werden. Aber ob deutsche Kinder in anderen europäischen Zentren oder in New Dehli dieser Meditationsfolter ausgesetzt werden, bleibt offen.

Selbst-los

Sekten können in erschreckender Weise Menschen manipulieren. Sogar Mütter sind in ihrem Bewußtsein dermaßen von der Sekte kontrolliert, daß ihr natürlicher Mutterinstinkt überlagert wird. Die Mütter und Väter sind bereit um der vermeintlich gerechten Sache willen, selbst ihren eigenen Nachwuchs körperlich zu mißhandeln.

Wie ist dieses zu erklären?

Sektenmitglieder erhalten in einem Prozeß der Selbstentledigung (Steffensky), der Unterordnung unter einen Führer, Gründer, Leitende Körperschaft oder Prophetin, durch Eintauchen und Verschmelzen mit ihrem Ich-Ideal eine neue Identität. Die Sektenidentität läßt sie teilhaben am omnipotenten Führer, Prophetin oder Meister. Dadurch gehören sie zur Elite, die nichts Geringeres als diese vom Untergang bedrohte Welt retten wird.

Wie aber sollen sich Kinder entwickeln können, die in einem solchen System aufwachsen, erzogen von Erwachsenen, die sich selber los sind, deren Ich verschmolzen ist mit dem des Über-Ichs?

Kinder, die in geschlossenen Sozialsystemen aufwachsen, können nur schwer eine Entwicklung hin zur Autonomie machen. Ihr Selbstwertgefühl hängt einzig und allein von der Teilhabe am kollektiven Ich ab. Und dieses kollektive Ich, diese Sektenidentität, hängt wiederum ab vom Über-Ich, verkörpert durch den jeweiligen religiösen Führer oder die Prophetin. Eine Ablösung vom Elternhaus ist unter diesen Bedingungen nur möglich, wenn gleichzeitig auch die religiöse Gemeinschaft verlassen wird. Hier wird eine psychische Konstellation produziert, die zu schweren inneren Konflikten führen muß.

Erschwerend kommt hinzu, daß die zweite Generation nie ein anderes Leben kennengelernt hat. Während Menschen, die mittels Mission bekehrt wurden, in einer anderen Welt aufwuchsen, haben die Kinder der zweiten Generation nie etwas anderes kennengelernt. Der Konversionsprozeß in der ersten Generation kann als ein schnell herbeigeführter Identitätswechsel bezeichnet werden. Über das Ich schiebt sich nach dem Beitritt das Sekten-Ich. Die Identität wird zur Sektenidentität. Die Kinder, die aber in einem solchen geschlossenen System aufwachsen, können zum Teil keine Identität ausbilden. Sie definieren sich ausschließlich über das Kollektiv. Frage an die neunjährige Vilasamanjari: „Warum ist die Karmi-Schule nicht gut für Gottgeweihte?“ Antwort: „Weil da nur Karmis drin sind, und weil sie die ganze Zeit Fleisch essen und nichts von Krishna lernen.“[5] Sie wird, so ist zu befürchten, auf dieser Entwicklungsstufe stehengeblieben sein. Bei der zweiten Generation der Sektenmitglieder handelt es sich also nicht um einen Prozeß der Selbstentledigung, sondern um einen Prozeß der Verhinderung von Selbstfindung, es handelt sich um eine systematische Kollektivierung dieses Vorgangs, so daß aus einem Identitätsfindungsprozeß ein „Kollektivfindungsprozeß“ wird. Auf dem Wege zu Identität können diese Kinder oftmals nur die Gruppenidentität finden. Alle anderen Wege bleiben ihnen verschlossen.

Nach der hier vorgelegten Analyse muß man zu folgender Bewertung kommen: Sekten-Kinder dürfen sich nicht zu autonomen Persönlichkeiten entwickeln. Sie werden behindert, manipuliert und kontrolliert. Dieses System ist als „Psychische Kindesmißhandlung“ zu bezeichnen.

Die Freiheit der Religion ist nicht grenzenlos.


[1]Eine ausführliche Analyse findet sich in Kurt-Helmuth Eimuth, Die Sekten-Kinder, Freiburg 1996 (Herder/Spektrum 4397)

[2]Gudrun Pott, Mit Kindern die Welt erobern, stern-extra, 9/93

[3]Dein Kind und Du, Würzburg 1985, S. 20

[4]N.N., Spirituelle Erziehung der Kleinsten, o. Hrsg. und J., S. 9

[5] Bhaktivedanta Swami Gurukula Rundbrief, 19. Oktober 1991, zitiert nach Ursula Zöpel a.a.O. Als Karmis werden abschätzig alle bezeichnet, die eine schlechte Reaktionen für ihre Wiedergeburt ansammeln