Es ist einfach zum Verrücktwerden. Eine Krise jagt die nächste. Corona, Inflation, Finanzkrise, Krieg. Und über allem schwebt die Klimakrise. Wie kann ein Mensch das verkraften? Woraus schöpfen er und sie in diesen Zeiten Hoffnung. Conny&Kurt sind in ihrem Podcast der Meinung, dass man dies nur gemeinsam aushält. Gerade in Krisenzeiten braucht es schöne Erlebnisse. Am besten in Gemeinschaft.
Archiv für 30. März 2023
Dorothee Sölle: Den Politischen zu fromm, den Frommen zu politisch
von Kurt-Helmuth Eimuth
Die 1929 in Köln geborene Poetin und Theologin Dorothee Sölle hatte nie einen Lehrstuhl in Deutschland inne. Trotzdem war sie eine der einflussreichsten theologischen Denkerinnen des 20. Jahrhunderts. Am 27. April jährt sich ihr Todestag zum zwanzigsten Mal.
Dorothee Sölle studierte Theologie, Philosophie und Literaturwissenschaft, machte 1954 ihr Staatsexamen und promovierte. Die Mutter von vier Kindern habilitierte sich 1971. Sie arbeitete als Lehrerin zunächst an der Schule, dann im Hochschuldienst. Von 1975 bis 1987 lehrte sie auf einer Professur für systematische Theologie in New York. Erst 1994 erhielt sie die Ehrenprofessur der Universität Hamburg.
Schon im Elternhaus setzte sich Sölle mit Politik auseinander. In einem 1999 aufgenommenen Essay des SWR sagt sie: „Ich verdanke meinen nazikritischen Eltern viel.“ Aber doch, so erzählt sie im Rückblick, fragte sie sich, ob man nicht eine stärkere Verwurzelung benötigte, als sie der postchristliche Humanismus mit Goethe und Thomas Mann bieten könne.
In der Begegnung mit ihrer Lehrerin Marie Veit, die bei Rudolf Bultmann promoviert hatte, erschlossen sich für Sölle neue Horizonte. „Sie brachte mir bei, dass man seinen Verstand nicht an der Kirchentür abgeben musste, um naiv, geistlos und demütig Christin zu werden“. Jesus faszinierte sie. „An die Liebe glauben ist mehr als den himmlischen Knopfdrücker anzubeten.“
Die Auseinandersetzung mit einem scheinbar allmächtigen Gott ist ein Ursprung von Sölles theologischem Denken. „Omnipotenz ist nicht das höchste, was man von Gott sagen kann. Der Allmachtswahn hat in der Geschichte des Christentums vor allem Unglück erzeugt.“ Und dann kommen Sätze, die auch noch heute provozieren: „Dieser Herrschergott ist in der Tat tot.“
Sölle faszinierte der Traum eines anderen Lebens, in dem die Tränen abgewischt werden und die Ängste nicht mehr die Herrschaft über Menschen behalten. Sie liebte die Bibel und hat lange unter der Überschrift „Theologie nach dem Tode Gottes“ mit dem überkommenen Christentum gerungen. Dies war für sie, so erzählt sie rückblickend, der Widerspruch einer jungen Frau, die mit dem Horror der Nazizeit nicht so schnell fertig wurde. Die herrschende Theologie träumte weiter von der Allmacht Gottes. „Hatte denn Gott auch in Auschwitz alles so herrlich regieret?“ Hätte er eingreifen können?
Wie aktuell ihr theologisches Denken ist, zeigt ihre Auseinandersetzung mit militärischer Gewalt. „Mir war klar, wenn Hitler nicht von außen bekämpft worden wäre, hätte er Europa beherrscht und wir säßen nicht hier.“ Sicher wäre jede andere Lösung besser als militärische Gewalt. Aber: „Ich bin keine absolute Pazifistin“. Neu sei heute, dass Krieg immer auch Massenmord an der Zivilbevölkerung bedeute. Das Hauptinteresse, das Kriegsziel sei heute die Zerstörung derer, die sich nicht wehren können. Die Vision von Jesaja, sie werden den Krieg nicht mehr lernen, wäre für Sölle „schon sehr viel“. Und dann kommt in dem 1996 mit Wolfgang Niess geführten Interview der Satz: „Dass Staaten den Krieg für eine Konfliktbewältigung halten, das ist ein männliches Ideal, was wir vielleicht überwinden können.“
In den 1960er Jahren, Sölle arbeitete als Lehrerin, wurde ihr durch die Auseinandersetzung mit der Nazizeit immer deutlicher, dass das politische Bewusstsein zu fördern ist. Zentral hier der Begriff Gerechtigkeit. Eine Gruppe von katholischen und evangelischen Christ:innen fragte sich, welche Konsequenzen der Glaube haben sollte. Daraus entstand das Politische Nachtgebet. Es beruhte auf einer „Politisierung des Gewissens.“ Es wurden Fragen gestellt, die auch heute nichts von ihrer Aktualität verloren haben: „Von wem kaufen wir unsere billigen Bananen? An wem bereichern wir uns? Wie verhält sich unser Reichtum zur Armut der Menschen? Wie verhalten wir uns zur Schöpfung und all ihren Lebewesen?“
Die Entstehung geschah wieder einmal eher durch Zurückweisung. Die kleine Gruppe hatte sich 1968 beim Katholikentag in Essen für eine politische Gebetsliturgie zu aktuellen politischen Fragen beworben. Das Organisationskomitee wollte den Antrag nicht zurückweisen, legte den Termin aber auf eine Zeit nach 23 Uhr – und so kam es zum Nachtgebet. Diese Veranstaltungsform verband die spirituelle Sehnsucht vieler Menschen mit klaren politischen Aussagen. Es kamen, so Sölle, „Menschen, die politisch wach und geistlich frustriert waren.“ Politische Nachtgebete werden bis heute gefeiert, so auch beim kommenden Kirchentag 2023 in Nürnberg.
Apropos Evangelischer Kirchentag: Dort stieß Dorothee Sölle zunächst ebenfalls auf Ablehnung. Aber ihre Freundin Luise Schottroff nahm sie als Co-Referentin mit auf die Bühne. Über zwei Jahrzehnte füllten diese beiden Frauen bei Kirchentagen die großen Hallen. Mit dabei die Frankfurter Band Habakuk um Eugen Eckert. Schottroff und Sölle gaben – auch gemeinsam mit ihren Männern Willy Schottroff (Professor für Altes Testament in Frankfurt) und Fulbert Steffensky (Religionspädagoge in Hamburg) vielfältige Denkanstöße, etwa die materialistische Exegese, die sich auch in zahlreichen gemeinsamen Buchprojekten niederschlug.
Drei Dinge sind nach Sölles Überzeugung für die Zukunft des Glaubens zentral: „Gerechtigkeit, also eine nicht ausschließlich vom Profitinteresse gelenkte Wirtschaft, Frieden, also eine andere Art der Konfliktlösung, und die Bewahrung der Schöpfung.“ Eine Theologie nach der Schoah müsse die Sünde politisieren und die Zuschauenden als Vollstrecker:innen identifizieren. Denn es stelle sich nicht nur die Frage „Was hast Du getan?“, sondern auch: „Was hast Du nicht getan?“
Das Christentum der Zukunft wird für Sölle ökumenisch und feministisch sein und der Mystik mehr Raum geben. Die gelebte Einheit der Christ:innen sei wichtiger als eine Amtskirche, „die hinterher humpelt“. Der Ausschluss von Frauen, so ist sich Sölle sicher, wird zu Ende gehen. Die „Verweiblichung“ der Theologie sei eher eine „Vermenschlichung“ der Theologie.
Insofern war Sölle auch eine Vordenkerin der feministischen Theologie, „die darauf besteht, dass eine Theologie, die nur von der Hälfte der Menschheit formuliert wird, notwendig unzureichend bleibt.“ Bei der mystischen Dimension beruft sich Sölle auf den katholischen Theologen Karl Rahner. Die Seele jeder Religion ist die gelebte und angeeignete Erfahrung Gottes. Leider finde diese Dimension in den Kirchen derzeit wenig Raum. Jede lebendige Religion brauche das spirituelle, lebendige Element. Ohne Mystik sterbe der christliche Glaube.
Sölles theologisches Denken war geprägt von ihrer festen Überzeugung: „In allen Menschen ist etwas von Gott. Das kann man zumüllen, aber man kann es auch wieder aufwecken.“ Da folgte sie ganz der Mystik. Die Mystikerin Mechthild von Magdeburg oder auch Thomas Müntzer waren ihr darin Vorbild.
Die zierliche Frau beeindruckte die Menschen aber auch durch ihre Bescheidenheit. Eugen Eckert von der Band Habakuk erzählt von einer gemeinsamen Reise 1999 nach Kanada, wo Dorothee Sölle und Luise Schottroff bei den dreitägigen Pollock-Lectures an der Atlantic School of Theology in Halifax ihr Veranstaltungsformat vom Kirchentag vorstellten: ein faszinierender Dreiklang aus Exegese, Poesie und Musik. Sölle, die damals noch eine Vortragsreise nach New York anschloss, reiste mit leichtem, sprich Handgepäck.
Eckert erinnert sich auch an einen Sänger:innenwettstreit zu Chorälen des Gesangbuches, den er sich auf langen Autofahrten an der kanadischen Ostküste mit Sölle lieferte. Zu seiner Überraschung kannte Sölle oftmals mehr Strophen auswendig als er selbst. Und auch das Leben konnte Sölle genießen. Einen Zigarillo zu einem guten Wein und lange Gespräche verachtete sie nie. Dabei blieb sie bodenständig, sang im Kirchenchor und spielte selbst hervorragend Klavier.
Fulbert Steffensky beschrieb seine Frau im „Nachwort zu einem Leben“ so: „Sie konnte weder von den Frommen noch von den Politischen, weder von den Konservativen noch von den Aufklärern ganz eingefangen werden. Sie erlaubte sich, die jeweils andere zu sein – den Frommen die Politische, den Politischen die Fromme, den Bischöfen die Kirchenstörerin und den Entkirchlichten die Kirchenliebende.“
Hoffnungsvoll gegen die Verhältnisse ansingen
„Man kann gegen die Verhältnisse ansingen“, meint Stadionpfarrer Eugen Eckert und vergleicht es mit den Gesängen, die von den Rängen schallen, wenn seine Eintracht im Spiel hinten liegt. Eckert will mit seiner Band Habakuk die Finger in die Wunden der Gesellschaft legen und doch hoffnungsvoll bleiben. Er ist einer der bekanntesten christlichen Liedtexter. Seine Zeilen finden sich sowohl in den evangelischen Gesangbüchern als auch im katholischen Gotteslob. Und mit seiner Band hat er jetzt wieder eine neue CD vorgelegt. Pfarrer Eugen Eckert ist zu Gast bei Conny&Kurt, spricht über die Entstehung der CD „Überall“ zu Zeiten der Pandemie, aber auch darüber, warum die Texte heute politischer sind. Im Podcast wird kritisiert, dass sich die Kirchen zu sehr auf die klassische Musik ausrichten. Immerhin feiert das sogenannte „Neue Geistliche Lied“ mit Schlagzeug und Gitarre seinen 62. Geburtstag. CD-Besprechung unter https://eimuth.de/?p=4918
Der Synodale Weg ist keine Autobahn
Die Bilanz des Reformversuchs der Katholischen Kirche in Deutschland fällt für Doris Wiese-Gutheil, Journalistin und intime Kennerin der katholischen Kirche, sehr durchwachsen aus. Bei der abschließenden Versammlung des „Synodalen Weges“ am letzten Wochenende in Frankfurt seien Beschlüsse gefasst worden, „die weit hinter unseren Erwartungen zurückblieben“, bilanziert Wiese-Gutheil, die sich bei Maria 2.0 engagiert, im Podcast Conny&Kurt. Das Machtgebaren der Bisschöfe sei nicht eingeschränkt worden. Und die Ergebnisse sonst? Wiese-Gutheil weist darauf hin, dass der Predigtdienst für Frauen schon einmal erlaubt war, die Segensfeiern für Homosexuelle erst 2026 kommen, da jetzt erst noch ein Ausschuss über die Modalitäten berät. Und die Erkenntnis, dass es eine Geschlechtervielfalt gibt, müsse man nicht wahnsinnig feiern. „Das ist ja eigentlich eine Selbstverständlichkeit.“ Die katholische Kirche hat eine Chance vertan. Der Synodale Weg war keine Autobahn, eher eine Schotterpiste auf der das Vorwärtskommen mühselig war.
Gemeindepastorin im Einsatz für Obdachlose
Eigentlich ist Pastorin Sigrun König in der Thomas-Gemeinde in Kiel-Mettenhof tätg. Doch neben ihrer Gemeindearbeit sind ihr die Obdachlosen der Stadt eine Herzensangelegenheit. Und so kocht sie schon mal – ehrenamtlich – zwanzig Portionen, um sie gemeinsam mit ihren Mitstreiter:innen an Bedürftige in der ganzen Stadt zu verteilen. Dabei ist es ihr besonders wichtig, erzählt sie im Podcast Conny&Kurt, den Menschen in die Augen zu sehen, sie als Mensch wahrzunehmen. Sigrun König erzählt, dass die soziale Abwärtsspirale ziemlich steil nach unten führt, oftmals durch Scheidung oder Jobverlust. Im Moment sei festzustellen, dass vermehrt junge Männer obdachlos würden. Die Ursache hierfür sei noch unklar. Unterstützung bräuchten die Obdachlosen nicht nur im November und Dezember. „“Hunger und Durst bleiben, auch wenn es etwas wärmer wird.“ Inzwischen wurde der Verein Obdachlosenhilfe-Kiel e.V. gegründet. Spendenkonto Fördesparkasse DE 44 2105 0170 1004 5052 75
Katholischer Stadtdekan: Synodaler Weg schwierig aber alternativlos
Das Ziel ist auf dem Synodalen Weg der katholischen Kirche in Sichtweite. Am Donnerstag, 9. März, treffen sich Bischöfe und Laien in Frankfurt, um Beschlüsse zur Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland zu fassen.
Für den katholischen Stadtdekan Frankfurts Johannes zu Eltz ist die eingeschlagene Richtung eher Brücke „über einen garstigen Grund“ als Weg. Er positioniert sich klar: „Der Graben ist immer breiter und tiefer geworden. Über den muss eine Behelfsbrücke gebaut werden, damit wir in der Wirklichkeit ankommen. Das ist der Versuch des Synodalen Wegs. Das dies sehr schwierig ist, dass man von der Brücke auch runterfallen kann, dass man in den Abgrund stürzt, ist gut möglich. Aber es ist völlig alternativlos. Man muss es versuchen.“
Es gilt Mehrheiten zu finden zu Positionspapieren zu Macht, Sexualmoral, Rolle der Frau und priesterlicher Lebensform. Die zentralen Themen des Reformprozesses. Bei vier Texten sind die Differenzen unter den Bischöfen am größten: zwei Papiere zu Frauen in sakramentalen Ämtern und in der Verkündigung, ein Text zur Einführung von Segnungen für Homosexuelle und ein Text zu mehr Mitentscheidungsmöglichkeiten von Laien auf Bistumsebene.
Die bei der letzten Versammlung im Herbst gefassten Beschlüsse waren am Ende so verwässert, dass Doris Wiese-Gutheil, Frankfurter Journalistin und intime Kennerin kirchlicher Strukturen, den Reformprozess schon für gescheitert hält. Maria 2.0, in der Wiese-Gutheil verankert ist, hatte sich bewusst als außerparlamentarische Opposition aufgestellt. Für sie hat es den Anschein als sei die katholische Kirche immer noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen.
Ganz anders sieht es Ulrike Göken-Huismann. Die Vorsitzende des Deutschen Weltgebetstagskomitees ist Mitglied der Synodalversammlung in Frankfurt. Sie ist zuversichtlich, dass die Reformbemühungen erfolgreich sein werden.
Und da ist noch die Auseinandersetzung mit Rom. Darf der deutsche Katholizismus einen eigenen Weg gehen? Es soll ein neues Leitungsorgan aus Bischöfen und Laien vorbereitet werden. Der Vatikan befürchtet einen Eingriff in bischöfliche Befugnisse. Doch auch hier gilt wohl, was der Frankfurter Stadtdekan mit Blick auf den sexuellen Missbrauch formulierte: „Das ist in Rom noch nicht so, deswegen meint man, uns auf Bahnen zurückzwingen zu können, die wir nicht mehr für gangbar halten. Das wird sich ändern, wenn Rom zu einer ähnlichen Erkenntnis gekommen ist wie wir. Die Konfrontation mit den eigenen Untaten, die dem Vatikan und der italienischen Kirche nicht erspart bleiben wird, wird mehr Verständnis dafür wecken, was uns bewogen hat, den synodalen Weg zu gehen. Das wird nicht mehr lange dauern.“
Kurt-Helmuth Eimuth
Schärfere ethische Regeln für Geldanlagen der evangelischen Kirche
von Kurt-Helmuth Eimuth
27. Februar 2023
Die evangelische Kirche verwaltet in Deutschland ein Finanzvermögen von rund 40 Milliarden Euro, das vor allem der Finanzierung von Ruhestandsgehältern und Zusatzrenten dient. Jetzt wurden die ethischen Regeln, nach denen diese Anlagen getätigt werden, verschärft.
Nach welchen Kriterien legt die evangelische Kirche in Deutschland ihr Geld an? Immerhin geht es nach Angaben von Heinz Thomas Striegler, dem Vorsitzenden des Arbeitskreises Kirchlicher Investoren (AKI), um ein Volumen von rund 40 Milliarden Euro. Gebraucht wird das Geld vor allem für die Finanzierung von Ruhestandsgehältern für Pfarrer:innen und Zusatzrenten für kirchliche Mitarbeiter:innen.
Schon 2011 hat der Arbeitskreis im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Kriterien zur ethischen Geldanlage erarbeitet. Jetzt stellte er eine grundlegend überarbeitete Fassung vor.
Statt wie bisher zehn dürfen in Zukunft nur noch fünf Prozent der Einlagen bei Unternehmen investiert werden, die an der Entwicklung und Produktion von Rüstungsgütern beteiligt sind. Ganz ausgeschlossen sind Investitionen, wenn es um international geächtete Waffengattungen wie autonom gesteuerte Systeme oder Atomwaffen geht. „Als Kirchen wollen wir nicht an den Gewinnen von Rüstungskonzernen profitieren,“ sagt Striegler, „das ist mit dem christlichen Friedensauftrag nicht vereinbar. Wir legen Wert darauf, dass dies auch die Produktion autonomer Waffen umfasst.“
Aber warum nimmt die Kirche dann überhaupt einen Anteil von fünf Prozent aus der Waffenproduktion hin? Darauf antwortet AKI-Geschäftsführerin Antje Schneeweiß auf Nachfrage des EFO-Magazins: „Bei Unternehmen mit sehr geringem Rüstungsanteil kann es leicht zu Wertekonflikten kommen. So macht das Unternehmen Dräger 98 Prozent seines Umsatzes mit Produkten, die der Lebensrettung dienen – Inkubatoren für Frühchen, Ausstattungen für Feuerwehr- und Rettungswagen und so weiter. Allerdings produzieren sie auch eine Tauchausrüstung, die vor allem militärisch genutzt wird. Solche Unternehmen sollen nicht ausgeschlossen werden.“
Im Bereich der Umweltkriterien hat der AKI ebenfalls nachgeschärft. So sind zukünftig Investitionen in Atomenergie ganz ausgeschlossen. War bislang nur die Kohleförderung tabu, ist nun die ganze Bandbreite der unkonventionellen Förderung von Öl und Gas ausgenommen, etwa das Fracking. Außerdem erwarten die evangelischen Investoren, dass Unternehmen eine Policy zum Schutz der Biodiversität in den Wertschöpfungs- und Lieferketten implementiert haben. Der AKI sei diesbezüglich im Gespräch mit Aktiengesellschaften, so Striegler. Dabei habe man festgestellt, dass es durchaus hie und da kleine Veränderungen in der Geschäftspolitik gab, etwa die Einführung existenzsichernder Löhne.
Insgesamt seien die Anlagemöglichkeiten nach diesen ethischen Kriterien etwa um zwanzig Prozentpunkte geringer sind als bei großen Indizes. Die zu erwartende Rendite gab Striegler mit 3,0 bis 3,5 Prozent an. Bei langfristigen Anlagen etwa auf 20 Jahre läge sie eher bei 4,5 bis 5,5 Prozent. Damit sei man durchaus vergleichbar mit anderen Anlageformen.
Den Kriterienkatalog können auch Privatanleger:innen nutzen. Er ist zu finden unter https://www.aki-ekd.de.
Ein Beispiel für die Kirchen: Der Weltgebetstag
Da könnten sich die Kirchen ein Beispiel nehmen. Seit über 100 Jahren treffen sich rund um den Globus Frauen unterschiedlicher Konfessionen am ersten Freitag im März zum Weltgebetstag. „Die Frauen sind der Motor der Ökumene. Während in den Gremien, die von Männern besetzt sind, viel von Ökumene geredet wird, leben wir sie“, sagt die Vorsitzende des Deutschen Weltgebetstagskomitees Ulrike Göken-Huismann im Podcast Conny&Kurt. Der Weltgebetstag sei in über 130 Ländern selbstverständlich gelebte Ökumene. In diesem Jahr haben Frauen aus Taiwan die Liturgie ausgearbeitet. Trotz der Bedrohung strahlten die Texte Zuversicht aus. Und natürlich wird in Deutschland schnell eine Analogie zum Krieg in der Ukraine hergestellt. Deshalb ist Taiwan gar nicht so fern.