Traditionsbewusst ist man im Westen Frankfurts. Die evangelische Martinusgemeinde im ehemals katholischen Dorf Schwanheim, direkt am Main gelegen, hat ihre Geschichte und ihre Geschichtchen. Es geht die Sage, dass der (katholische) Fährmann den evangelischen Pfarrer vom gegenüberliegenden Griesheim des öfteren etwas langsamer über den Main schipperte, damit dieser sich beim sonntäglichen Gottesdienst in Schwanheim verspäte. Doch längst sind die Zeiten des konfessionellen Behakelns vorbei. Pfarrer Burkhard Sulimma bleibt völlig gelassen, als ihm ein Bauarbeiter in der Kirche erklärt, dass es mit der Konfirmation Mitte Mai ja wohl nichts würde. Der Termin sei nicht zu halten. „Dann gehen wir halt in die katholische Kirche.“ Ökumene ist heute selbstverständlich.
Genauso selbstverständlich ist der kreative Umgang mit Veränderungsprozessen. Vor bald einhundert Jahren baute man die Martinuskirche. In die alte Kapelle zog der Kindergarten ein. Schon 1907 eröffnete er seine Pforten. Inzwischen verfügt die Gemeinde außerdem noch über einen integrativen Kindergarten und über einen Hort. Eine Krabbelstube, in Regie des Diakonischen Werks für Frankfurt, wird demnächst das Angebot komplettieren. „Ein Schwerpunkt ist die Arbeit mit Kindern“, stellt denn auch Sulimma fest. Krabbelgruppen, Miniclubs, Kindergruppen am Nachmittag und Kochgruppen – auch für Jungen! – und die Kindergottesdienstarbeit belegen dies.
Als die Kirchenmusikerstelle kürzlich dem Rotstift zum Opfer fiel, ließ man sich etwas einfallen. Es gelang, die Dekanatskantorin für Gemeinde-, Senioren-, Kinder- und „Spatzenchor“ zu gewinnen. Auch als immer deutlicher der Zahn der Zeit nicht nur am Putz der Kirche im romanischen Stil nagte, ging man das Problem offensiv an. Flugs gründete die Gemeinde einen Förderverein, der inzwischen die stolze Summe von 30 000 Euro für die Restaurierungsarbeiten gesammelt hat. Insgesamt belaufen sich die Kosten auf 220 000 Euro. Silke Wedekind-Hirschberger, Vorsitzende des Kirchenvorstandes, berichtet, dass sich die Gemeinde nicht leicht tat mit der Entscheidung, soviel Geld in den Bau zu stecken: „Aber letztlich gab das Votum der Denkmalpflege den Ausschlag.“ Und so entsteht wieder der ursprüngliche blaue Sternenhimmel in der Apsis. Für nur 50 Euro kann man „Pate“ eines Sternes werden. Bei den Portallöwen wird’s allerdings richtig happig: 3000 Euro kostet die Restauration und die Patenschaft.
Das ehemals katholische Dorf Schwanheim hat längst, so der Gemeindeprospekt, ein „kleinstädtisches und mittelständiges Gesicht“ und wird zunehmend multikulturell. Im alten Pfarrhaus ist ein therapeutisches Wohn heim für Flüchtlinge untergebracht. Obgleich es vom Evangelischen Regionalverband getragen wird, ist es doch Teil der Gemeinde. „Wir sind eben“, so Pfarrer Sulimma, „eine typische Gemeinde im Umbruch.“
Kurt-Helmuth Eimuth