Tag Archiv für Glauben

Glauben stärker als homo oeconomicus

Von Kurt-Helmuth Eimuth – 1. Dezember 2013

Das Verhältnis von Glaube und Politik stand im Mittelpunkt des Neujahrsempfangs.

Oberbürgermeister Peter Feldmann bekannte sich beim Neujahrsempfang des Evangelischen Regionalverbandes zu christlichen Werten. Erstmals wurden die Redner per Video auf eine Leinwand projeziert. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Erstmals sprach der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann auf dem träditionellen Empfang zum Beginn des Kirchenjahres. „Liebe, Treue und Freundschaft haben einen hohen Wert und halten unser Gemeinwesen zusammen“, so Oberbürgermeister Peter Feldmann beim Neujahrsempfang des Evangelischen Regionalverbandes in der Heiliggeistkirche. Traditionell lädt die Vorstandsvorsitzende des Evangelischen Regionalverbandes, Pfarrerin Esther Gebhardt, am 1. Advent Vertreter und Vertreterinnen aus Kirche, Gesellschaft und Politik ein. Feldmann bekannte sich zu einer meschlichen Gesellschaft. „Glauben kann stärker sein als der homo oeconomicus“, so Feldmann wörtlich. Der Oberbürgermeister erinnerte auch an seine persönliche Erfahrung mit der evangelischen Kirche, schließlich war er einst Leiter des vom Verein für Jugend- und Sozialarbeit getragenen Jugendhauses Am Bügel.

Gebhardt erinnerte in ihrer Begrüßung daran, dass Luther auf ganz unterschiedliche Weise das Verhältnis von Glaube und Politik geprägt habe. Staatsfrömmigkeit, politische Passivität würden als Folge benannt, Nähe zum Nationalismus des 19./20. Jahrhunderts sei auf ihn zurückgeführt worden, aber auch das Entstehen der Rechtsstaatlichkeit könne in Zusammenhang mit der Reformation gesehen werden. Gebhardt erwähnte auch die Rolle der evangelischen Kirche und der mit ihr verbundenen Friedensbewegung beim Niedergang des SED-Regimes als positive Beispiele für dieses Spannungsverhältnis.

Vier evangelische Politikerinnen und Politiker stellten sich der Frage, welche Auswirkungen ihr Glaube auf ihr politisches Wirken habe. Die Moderation übernahm Michael Opoczynski, (Mitte) vom ZDF. Von links. Mike Josef (SPD), Nicola Beer (FDP), Michael Opoczynski, Verkehrsdezernent Stefan Majer (Bündnis 90/Die Grünen) und Bettina Wiesmann (CDU). Auf der Leinwand ist in Grußaufnahme der Vorsitzende der Frankfurter SPD Mike Josef zu sehen. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Vier evangelische Politikerinnen und Politiker stellten sich im Rahmen des Empfangs der Frage, welche Auswirkungen ihr Glaube auf ihr politisches Wirken habe. Nicola Beer, FDP, Kultusministerin in Hessen und designierte Generalsekretärin der FDP, betonte, dass der Grundgedanke Luthers wonach die Freiheit immer auch der Verantwortung verpflichtet sei eine Grundposition ihrer Partei sei. Sie verwies aber auch darauf, wie wichtig für sie die Eschersheimer Jungschargruppe war, getragen von Diakonissinnen. Verkehrsdezernent Stefan Majer, Bündnis 90/Die Grünen, erzählte, wie sehr ihn Theologen wie Heinrich Albertz, Helmut Gollwitzer und Kurt Scharf geprägt haben. Deren Reden bei Kirchentagen hätten ihn sehr beeindruckt. Der gebürtige Tübinger hat Theologie studiert und gehört dem Vorstand des Evangelischen Regionalverbandes an.

Als einen besonderen Verdienst Luthers würdigte der Frankfurter SPD-Vorsitzende Mike Josef die Übersetzung des Neuen Testamentes. Martin Luther habe dafür gesorgt, dass die Texte für alle verständlich wurden. Josef, der in Syrien zur Welt kam und dessen Familien in Deutschland von der Orthodoxie zur evangelischen Kirche wechselte, lobte das Engagement der evangelischen Kirche in Frankfurt für Flüchtlinge, sie lege den Finger „in die Wunde“.

Die Frankfurter CDU-Landtagsabgeordnete Bettina Wiesmann, Mitglied des Sozialpolitischen Ausschusses in Wiesbaden, sagte, die Kirchen seien durchaus wachsam in Richtung Politik: Das erlebe sie auch in ihrem Alltag, regelmäßig gebe es beispielsweise zu der Arbeit des Ausschusses kirchliche Stellungnahmen. Befragt zu dem Verhältnis von Staat und Religion, zeigte sie sich zufrieden mit dem Weg der in Deutschland gegangen wird, der keine Staatskirche vorsieht, aber auch keinen laizistischen Staat. Auch für Beer ist das „eine gute Basis“.

Beitrag von Kurt-Helmuth Eimuth, veröffentlicht am 1. Dezember 2013 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe Web.

Gott und Engel fast gleichauf

Kontroverse Stimmen zur Studie „Was glauben die Hessen?“
Evangelisches Franfurt, Februar 2012

Zur tausendsten Sendung des Fernsehmagazins „Horizonte“ spendierte der Hessische Rundfunk eine religionssoziologische Studie zum Thema „Was glauben die Hessen?“ Die Ergebnisse werden kontrovers diskutiert. Während die Kirchen gelassen feststellen, dass die Studie keine neuen Erkenntnisse bringe, sprechen andere vom Bröckeln des religiösen Sockels und beschwören den Niedergang der Kirchen oder zumindest des Glaubens.

Auf jeden Fall ist Hessen noch immer überwiegend christlich geprägt: Von den sechs Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern des Bundeslandes gehören 40 Prozent der evangelischen und 25 Prozent der katholischen Kirche an, weitere 3 Prozent sind Mitglieder anderer christlicher Gemeinden. 20 Prozent gehören keiner Religion und 5 Prozent dem Islam an.

Nach wie vor haben die Kirchen auch einen großen Vertrauensbonus. 76 Prozent der Hessen finden es gut, dass es die Kirchen als Institutionen gibt, sei es als „kulturelle Anreger“ oder als Arbeitgeber. Allerdings werden die Kirchen weniger als sinnstiftend wahrgenommen: 80 Prozent der Befragten glauben, dass das Leben „nur dann einen Sinn hat, wenn man ihm selber einen Sinn gibt“. Sie glauben etwa an Wunder (70 Prozent), an Engel (40 Prozent) und teilweise auch daran, dass Menschen Gedanken lesen können (37 Prozent). Hingegen glauben nur 49 Prozent der Befragten an einen Gott als Person.

Für den Leiter der Studie, Michael Ebertz, ist der Befund eindeutig. Die Kirchen hätten nach wie vor starken Rückhalt in der Bevölkerung, aber in Sachen Religion wolle jeder „sein eigener Chef“ sein. Diese Tendenz ist aber keineswegs neu, sondern eine Folge des modernen Ideals der Selbstbestimmung. Man wächst heute nicht mehr einfach in einem bestimmten Milieu auf, sondern muss begründen können, warum man Protestant und nicht Hindu oder Muslim ist. Der Pressesprecher der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Stephan Krebs, wies darauf hin, dass früher die Menschen auch nicht glaubensfester gewesen seien. „Vielmehr war die Mitgliedschaft in der Kirche weitgehend vorgeschrieben oder zumindest durch sozialen Druck sicher gestellt.“

Es gibt aber durchaus zu denken, dass auch viele Kirchenmitglieder wichtige christliche Lehrmeinungen nicht teilen, etwa die zentrale Bedeutung von Jesus Christus. Hier muss die Kirche eine Sprache finden, die wenigstens für ihre eigenen Mitglieder verständlich ist.

Kurt-Helmuth Eimuth

„Vom Glauben sprechen“

Evangelisches Frankfurt März 2008

„Vom Glauben sprechen“
Pröpstin Scherle beim Arbeitskreis der CDU

Angesichts einer Debatte um einen wiedererstarkten Islam nannte Pröpstin Gabriele Scherle vor dem Evangelischen Arbeitskreis der CDU relativierende Fakten: „Die vier Prozent Muslime in Deutschland sind ein reines Zuwanderungsphänomen.“ Zudem seien zwei Drittel der deutschen Bevölkerung zu gleichen Teilen evangelisch oder katholisch. Und selbst viele Konfessionslose seien nach eigenen Aussagen immer noch Christen. Das Fazit der Pröp­ stin: „Es gibt keine Bewegung hin zu anderen Religionen.“

Allerdings räumte Scherle ein, „dass sich das Christentum heute dauerhaft mit Menschen arrangieren muss, die anders glauben und leben und die vor allem ihre Religiosität und Kirchlichkeit selbst bestimmen wollen.“ Dieser Herausforderung will die Pröpstin
dadurch begegnen, „dass alle Christinnen und Christen von ihrer Hoffnung erzählen.“ Ausdruck dieser Hoffnung sei zu allen Zeiten der Bau von Kirchen gewesen: „Eine Kirche, die nicht mehr baut, hat aufgehört ihre Hoffnung öffentlich werden zu lassen. Deshalb begrüße ich die Entscheidung, auf dem Riedberg eine neue Kirche zu bauen.“ Doch ließ die Pröpstin keinen Zweifel daran, dass der kirchliche Gebäudebestand in Frankfurt unangemessen groß sei und reduziert werden müsse. Immerhin seien seit 1945 mehr Kirchen gebaut worden als in der gesamten Zeit seit der Reformation.

Die wichtigste Herausforderung sieht Scherle in der Fähigkeit, „den christlichen Glauben zur Sprache zu bringen, sodass die Auferstehungshoffnung und das damit verbundene Gottesbild tragfähig erscheinen.“ Deshalb wolle sie Pfarrerinnen und Pfarrer ermuntern, Zeit und Arbeit in kreative Versuche religiöser Bildung wie etwa Glaubenskurse zu stecken.

Kurt-Helmuth Eimuth

Vom Karfreitag erzählen

Tod gehört zur Lebenswelt von Kindern

„Die Soldaten packten Jesus und führten ihn auf einen Hügel vor der Stadt. Dort nagelten sie ihn an ein Kreuz. Gleichzeitig wurden auch zwei Verbrecher gekreuzigt.“ Ist das eine Geschichte für Kinder?

Selbst in evangelischen Kindertagesstätten gibt es eine gewisse Scheu, sich diesem Teil des Ostergeschehens zu stellen. Formal betrachtet ist die Handlung aber auch nicht grausamer als das Märchen von Hänsel und Gretel. Spätestens seit der Psychologe Bruno Bettelheim belegte, dass Kinder Märchen brauchen, weiß man: Kinder brauchen die Auseinandersetzung mit Gut und Böse, mit – theologisch gesprochen – Tod und Auferstehung.

Die Kreuzigung aus Legosteinen nachgebaut – hier im „Brick Testament“ des amerikanischen Pfarrers Brendan Powell Smith. | Foto: www.thebricktestament.com

Die Kreuzigung aus Legosteinen nachgebaut – hier im „Brick Testament“ des amerikanischen Pfarrers Brendan Powell Smith.
Foto: www.thebricktestament.com

Fragen, warum der, der an Weihnachten erst geboren wurde, jetzt ans Kreuz genagelt wird, sind in der kindlichen Direktheit auch wirklich schwer zu beantworten. Warum ist Jesus nicht davon gerannt? Warum hat Gott nicht geholfen? Solche Fragen sind nichts anderes, als die kindgemäße Art, sich über die drei existenziellen Fragen Gedanken zu machen: Woher komme ich, wer bin ich, wohin gehe ich? Kinder wollen sich verorten. Sie können stundenlang zuhören, wenn Oma von ihrer Kindheit und von der Kindheit der Mutter erzählt. Sie stellen sich unbekümmert vor, wo all die Vorfahren jetzt leben, und sie stellen präzise die Frage nach der eigenen Endlichkeit: Muss ich auch sterben?

Der Tod gehört durchaus zur Lebenswelt der Kinder. Sie erleben, wie ihr geliebter Hamster stirbt, vielleicht auch, wie Oma oder Opa sterben. Und da ist die natürliche Frage der Kinder eben auch die, die die Erwachsenen haben: Was kommt nach dem Tod?

Ostern ist ohne Karfreitag nicht denkbar, aber ebenso gilt, dass Karfreitag ohne Auferstehung nicht nur trostlos, sondern unerträglich ist, gerade für Kinderseelen. Das Wesen von Märchen ist die Gewissheit, dass das Gute siegt. Die Botschaft von Ostern ist der Sieg des Lebens über den Tod. Deshalb kann man Kindern die Geschichte vom Karfreitag ruhig erzählen.

Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt April 2007

Das Leben Jesu zum Anfassen

Erlebnisparcours mit Gebetsgarten im Evangelischen Jugendwerk

Bild: Wikimedia/3268zauber

Der Raum ist abgedunkelt, Kerzen brennen in der Mitte, sphärische Klänge wabern, an der Wand Bilder von Neugeborenen. Die erste Station des Erlebnisparcours über das Leben Jesu knüpft an Bethlehem an. Zahlreiche Jugendliche haben per Zettel auf der Pinnwand die Frage beantwortet, wo sie einen Neuanfang erlebt haben. „Am Ende einer Beziehung“, „nach einer Lungenentzündung“ oder auch „nach dem Sitzenbleiben in der neuen Klasse“ ist da zu lesen. Von den Ängsten junger Menschen ist auch etwas an einer anderen Station zu spüren. „Ich habe oft Angst zu versagen“, bekennt jemand auf gelbem Papier.
Das Evangelische Jugendwerk, das mit seinen ehrenamtlich geleiteten Jugendgruppen in 26 Frankfurter Kirchengemeinden aktiv ist, hatte in seiner Zentrale in Echersheim einen so genannten „Gebetsgarten“ aufgebaut.
„Eigentlich ist der Begriff irreführend, es müsste Erlebnisgarten heißen“, räumt der zuständige Jugendreferent Ralf Herold ein. Doch man habe eben auf den eingeführten Namen gesetzt. Und der Erfolg gab den Initiatoren Recht.
Gut zehn Tage hat es gedauert, bis aus schwarzen Zeltplanen und einem Baugerüst die unterschiedlichen Stationen gebaut waren. Neben dem Engagement Ehrenamtlicher wurden die Kosten mit Hilfe von Sachspenden niedrig gehalten. Zum Beispiel wurde das Gerüst kostenlos zur Verfügung gestellt, das in der Mitte des Saals einen kleinen Turm bildete, der mit seinen Etagen auf die Bergpredigt hinwies.
Ralf Herold ist zufrieden: Über tausend Besucherinnen und Besucher waren da. Vor allem Konfirmandengruppen zeigten sich begeistert von dem Angebot, das Leben Jesu mit allen Sinnen zu erleben.
Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt Mai 2005

Was machte Gott, bevor er die Welt erschaffen hat?

Evangelisches Frankfurt, Dezember 2002

Viele Eltern scheuen sich, mit Kindern über religiöse Fragen zu sprechen.
Weit verbreitet ist die Meinung, dass die Kinder lieber später, wenn sie dafür reif sind, selbst entscheiden sollen, wie sie es mit der Religion halten wollen. Allerdings stellen schon Kindergartenkinder religiöse Fragen, zum Beispiel nach dem Tod, nach dem Sinn der Welt. Daher meinen Theologen und Pädagogen: Kinder haben ein Recht auf Religion.
Noch vor zwei Jahrzehnten waren viele Eltern der Meinung, dass in den Kinderzimmern eher die Ballade vom Baggerführer Willibald erklingen sollte als das alte und schreckliche Märchen vom Aschenputtel. Schließlich seien Märchen grausam und könnten Angst auslösen. Heute gilt das als überholt. Es war der Psychologe Bruno Bettelheim, der unmissverständlich feststellte: Kinder brauchen Märchen – und viele geben ihm inzwischen Recht.

Auch Religion im Kindesalter ist ein Reizthema. Viele Eltern scheuen sich, ihrem Kind religiöse Werte nahe zu bringen, wohl auch deshalb, weil sie oft selbst durch Missverständnisse und Fehlentwicklungen geprägt wurden. Da gab es den strafenden Gott, der alles sieht und stets und überall die Einhaltung der Regeln überwacht. Und da gab es eine Kirche, die religiöse Erziehung als Eingliederung der Kinder in die Gemeinde missverstand. Es geht aber nicht um die Rekrutierung von Nachwuchs für die Kirche, sondern darum, das Kind religiös zu begleiten. Die Kirche kann dabei freilich eine wichtige Rolle spielen.
Kinder haben ein Recht auf Religion, davon ist etwa der Tübinger Theologe Friedrich Schweitzer überzeugt. Damit will er hervorheben, dass das Kind – wie es JanuszKorczak einmal formulierte – ein Recht hat, so zu sein, wie es ist. Und zu dem kindlichen Erleben gehören eben auch religiöse Fragen.
Passt Oma Erna in die Urne? Wohnt Gott im Himmel? Solche Kinderfragen sind nichts anderes als die ihnen gemäße Art, sich über die drei existenziellen Fragen des Menschseins Gedanken zu machen: Woher komme ich, wer bin ich, wohin gehe ich? Kinder wollen sich verorten. Sie können stundenlang zuhören, wenn Oma von ihrer Kindheit und von der Kindheit der Mutter erzählt. Sie stellen sich unbekümmert vor, wo all die Vorfahren jetzt leben, und sie stellen präzise die Frage nach der eigenen Endlichkeit: Muss ich auch sterben?
Weil sie sogar schon im Kindergartenalter eine so fantasievolle Art haben, existenzielle Themen zu bedenken und zu bearbeiten, sprechen Pädagogen auch von Kindern als Philosophen. Man könnte auch sagen: Kinder sind Theologen, denn sie denken über die Dinge nach, die uns „unbedingt angehen“ – so hat Paul Tillich die Frage nach Gott einmal definiert.
Natürlich sind Kinder nicht Philosophen und Theologen in einem wissenschaftlichen Sinn. Aber sie haben die Fähigkeit, gehaltvolle religiöse Fragen aufzuwerfen und sogar Antworten zu formulieren. Und sie erwarten auch ernst gemeinte Antworten von den Erwachsenen. Ihre Fragen können die Eltern oft gleichzeitig schmunzeln lassen und ins Schwitzen bringen: Ist Oma jetzt ein Engel? Müssen Engel auch atmen? Gibt es Luft im Himmel? Haben Engel auch Ferien? Was hat Gott gemacht, bevor er die Welt erfunden hat?
Solche Kinderfragen ernst zu nehmen und zu beantworten, ist gar nicht so leicht. Mit einem Rückzug auf die Naturwissenschaft oder mit Plattitüden geben sich Kinder in der Regel nicht zufrieden. Anregungen zum religiösen „Disput“ mit Kindern gibt aber die Bibel. Denn hier finden sich Überlieferungen zu dem Woher und Wohin des Menschen, zum Beispiel in der Schöpfungsgeschichte. Die Bibel erzählt Geschichten, die auch Unerklärliches ausdrücken können und die auch Kinder verstehen. Die Erzählungen von Krankheit und Heilung machen Aussagen zu Tod und Sterben. Um Werte und Moral geht es in der Geschichte vom barmherzigen Samariter, in den Gleichnissen vom verlorenen Schaf oder den Arbeitern vom Weinberg. Die Frage nach Gott spielt in fast allen Erzählungen der Bibel eine Rolle.
Sicherlich sind diese Geschichten auch Teil des kulturellen Erbes und allein schon deshalb von Bedeutung. In den uralten Überlieferungen erfahren die Kinder, wie Menschen ihre Erfahrungen mit Gott gemacht haben. Nach christlicher Auffassung wird Gott durch die biblische Überlieferung erkennbar. Doch dies bedeutet keinesfalls, dass Kinder mit der Bibel alleine gelassen werden sollten. Kinder eignen sich Geschichten an, auch biblische Geschichten. Sie denken sich hinein, sie identifizieren sich mit einer Figur, sie spielen sie nach. Und sie haben, wie die Erwachsenen übrigens auch, das Recht, die Geschichten für sich zu interpretieren. Das heißt keineswegs, dass Erwachsene ihnen nicht widersprechen, Missverstandenes nicht auch falsch nennen dürften. Im Gegenteil – das ist doch ein guter Einstieg ins Gespräch.
Sicher ist nicht jede biblische Geschichte für jedes Alter geeignet. Und manches Thema findet sich in der Bibel in einem anderen gesellschaftlichen Umfeld, wie etwa die Frage des interreligiösen Miteinanders. Der Islam, der heute im Alltag der Kinder präsent ist, ist jünger als das Christentum. Er entstand 622 nach Christi Geburt. Schon deshalb kann er in der Bibel nicht vorkommen.
Sich mit Kindern über religiöse Fragen auseinander zu setzen ist eine Herausforderung. Doch wer sich ihr stellt, wird viel lernen. Der Religionspädagoge Friedrich Schweitzer beschreibt diesen Prozess so: „Das Recht des Kindes auf Religion ist kein Recht gegen die Erwachsenen. Dieses Recht ist vielmehr auch für die Erwachsenen, die nicht nur allesamt selber einmal Kinder waren, sondern die auch selber davon profitieren, wenn sie Kinder in religiöser Hinsicht begleiten. Kinderfragen sind nicht deshalb groß, weil Kinder noch klein sind – sie sind groß, weil sie auch noch so große Menschen umtreiben.“
Kurt-Helmuth Eimuth