Tag Archiv für Religionspädagogik

Gottes Liebe gibt es geschenkt

Morgen wird Reformation gefeiert. Vor lauter Kürbissen in den Schaufenstern ist dies etwas in den Hintergrund gedrängt worden. Judith Schröder, Religionsädagogin und Leiterin der Evangelischen Auferstehungskita in Mainz, feiert bewusst mit den Kindergartenkindern das Reformationsfest, erzählt sie im Podcast Conny&Kurt. Mit etwas Mittelalter und mit Blick auf Sankt Martin gelingt es den Kindern das Grundanliegen zu vermitteln: „Gottes Liebe gibt es geschenkt“. Für die Religionspädagogin ein wunderbares Motto.

Hintergrund:
Vom Keltenritual zum Massenspektakel: Halloween

Ein Blick in die Schaufenster reicht: Halloween ist endgültig in Deutschland angekommen. Das Fest der Fabel- und Gruselwesen in der Nacht vom 31. Oktober zum 1. November ist in Amerika schon lange ein nicht mehr wegzudenkendes Verkleidungsfest. Genau wie hier an Fasching schlüpfen die Kinder gerne in andere Kostüme. Und natürlich gehört der Jahreszeit entsprechend der ausgehöhlte und mit einer schrecklichen Fratze versehene Kürbis dazu.

Bestimmte christliche Kreise kritisieren solches Gebaren, da die Wurzeln des Festes auf die Kelten zurückgehe. In dieser Nacht soll das Leben (der  Sommer) die Herrschaft für ein halbes Jahr an den Tod (den Winter) abgeben. Man glaubte, dass die Toten sich für ein halbes Jahr lang den Körper eines Lebenden suchen. In jener Nacht soll, so die Vorstellung, die Trennwand der Welt der Toten und der Lebenden besonders dünn sein, weshalb man mit den Toten in Kontakt kommen könne. Im Jahre 837 verfügte Papst Gregor IV, dass an diesem Tag Christen ihre Toten ehren  sollten und setzte Allerheiligen auf den 1. November und am darauffolgenden Tag Allerseelen fest. Das Christentum hatte wieder einmal seine große Integrationskraft bewiesen. Der Name Halloween leitet sich denn auch von „All Hallows‘ Eve (Allerheiligenabend) ab.

Die Iren brachten den keltischen Brauch mit nach Amerika und nun kehrt er wieder zurück auf den alten Kontinent. Klar, dass sich diese Chance Marktstrategen nicht entgehen ließen. Hersteller von Partybedarf und Dekorationsartikeln haben zwischen Fasching und Weihnachten ein Zwischenhoch entdeckt. Mit Kürbissen, ob aus Keramik oder Plastik, ob mit oder ohne Beleuchtung, mit allerlei gruseligen Accessoires wie Fledermäusen, Spinnen, Skeletten oder Hexen geben sie einen Trend vor. Und zumindest der Kürbis hat inzwischen längst via Herbstdekoration Einzug in die Häuser gehalten. 

Viel sperriger dagegen das Fest der Reformation. Schließlich liegt der Anlass quer zu Verhaltensmustern der Spaßgesellschaft. Martin Luther soll am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen an die Wittenberger Schlosskirche genagelt haben.

Belegt hingegen ist, dass Luther am 31. Oktober 1517 Briefe an seine Vorgesetzten schrieb, in denen er den Ablasshandel anprangert und um die Behebung des Missstandes bat. Den Briefen legte er jene 95 Thesen bei, die als Grundlage für eine Diskussion über das Thema dienen sollten. Heute versuchen zahlreiche Gemeinden mit besonderen Aktionen den Reformationstag im öffentlichen Gedächtnis zu halten.

Halloween hat sich schon längst als weltliches Fest in der angeblich so rationalen, modernen Gesellschaft festgesetzt. Heute ein netter Spaß, an dem man sicher auch als Protestant teilnehmen kann. Schließlich ist die Nacht lang und die Reformationsgottesdienste beginnen schon am frühen Abend. Und für alle, die Süßes haben wollen gibt es Luther-Bonbons.

Kurt-Helmuth Eimuth

Comics informieren über Sekten und Co

Es sind nicht die leichten Themen, die auf der Seite „abenteuer-weltanschauungen.de“ doch leicht und verständlich in Form eines Comic dargeboten werden. Der Religionspädagoge Bernd Dürhold, München, und der Weltanschauungsbeauftragte Dr. Harnigke Fugmann der evangelischen Kirche in Bayern, Bayreuth, bieten Einblicke in Denkmuster und Hintergründe von so verschiedenen Richtungen wie Esoterik, Schamanismus oder Anastasia-Bewegung bis hin zu Verschwörungserzählungen. Mit ihren Comics wenden sie sich an unterschiedliche Altersstufen. Wie sie im Podcast bei Conny&Kurt erzählen, benötigen sie bei einigen Dialogen wirklich lange. Vor Veröffentlichung diskutieren sie die Comics mit Jugendlichen. Deren Kritik bleibt nicht folgenlos, sondern führt auch zu textlichen Veränderungen. Die Comics kann man im Netz ansehen oder auch dort als Print bestellen.

https://www.abenteuer-weltanschauungen.de

Kirchentag: Jugend- und Seniorenfreizeit gleichzeitig

Im Podcast Conny&Kurt ist man sich schnell einig. So wie beim Nürnberger Kirchentag kontrovers diskutiert wurde, soll es im demokratischen Meinungsbildungsprozess doch eigentlich überall sein. Nur so kann die Spaltung der Gesellschaft überwunden werden. Und für Claudia Horn, Referentin im Zentrum Bildung der Evangelischen Kirchen in Hessen und Nassau, ist Christentum eben politisch, wenn auch nicht parteipolitisch. Christ:innen müssten Stellung beziehen. Nach ihrer Beobachtung war der Kirchentag wie seine Vorgänger ein Event für die Jugend und für die große Gruppe der Rentner:innen, sozusagen Jugend- und Seniorenfreizeit gleichzeitig. Horn warb an einem Stand im Markt der Möglichkeiten für die Seite http://Relimentar.de. Dort werden pädagogisch und theologisch empfohlene religionspädagogische Materialien bereit gestellt.

Kitas: Gerechte Finanzierung und multiprofessionelle Teams

Die Kitas der Kirchen und aller freien Träger sollten nach Meinung der Leiterin des Arbeitsbereichs Kindertagesstätten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) Sabine Herrenbrück, Darmstadt, alle gleich gefördert werden. Dafür sprach sich die Sozialpädagogin, die für über 600 Kitas zuständig ist, im Podcast Conny&Kurt aus. Bisher wendet die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) beispielsweise noch 48 Millionen Euro für den Betrieb der Kitas auf, während andere freie Träger zu einhundert Prozent die Kosten erstattet bekommen.

Doch das größte Problem ist der Fachkräftemangel. Die Öffnung der Fachkräfteliste durch das Land Hessen begrüßt Sabine Herrenbrück ausdrücklich. Die Mitarbeit von Ergotherapeut:innen und Logopäd:innen ist für ein Schritt zu multiprofessionellen Teams und nicht nur eine quantitative Erweiterungsoption in der Personalgewinnung, sondern auch eine qualitative Verbesserung. „Es ist gut, wenn noch weitere Menschen mitarbeiten. Wir schulen diese zwei Jahre lang.“ Herrenbrück begründet im Podcast Conny&Kurt warum sie darin keine Deprofessionalisierung des Berufs der Erzieherin sieht. „Ich sehe da eher eine Professionalisierung. Deren Fachlichkeit wird eher gestärkt durch neue Aufgaben, etwa im Anleiten von verschiedenen Professionen im Gruppenalltag.“

Kinder brauchen Religion

Andacht, 24.9.12

Kurt-Helmuth Eimuth

Lied: EG 443, 1,2,4

Votum:

Wir feiern unsere Andacht im Namen Gottes

der Quelle allen Lebens,

im Namen Jesu Christi,

Grund unserer Hoffnung,

und im Namen des Heiligen Geistes,

Spenderin von Trost und Kraft.

Amen

Psalm 146, Nr. 757

Lied: 302, 1-3, Du meine Seele singe

Ansprache:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

neulich in einem Kirchenvorstand diskutierten wir über die Religionspädagogik. Gibt es denn überhaupt für so ganz kleine Kinder in den Krabbelstuben eine Religionspädagogik? Kann man so kleine Kindern, etwas vom christlichen Glauben vermitteln?

In einer schon weitgehend säkularisierten Gesellschaft wird diese Frage ganz anders gesttellt. Darf man in der Erziehung überhaupt Religion vermitteln? Braucht es Religion in der Erziehung? Oder ist dieses nicht eine unzulässige Indoktrination?

Doch was ist Erziehung und was ist Indoktrination? Kinder lernen durch Nachahmung. Sie machen einfach das, was die Erwachsenen auch machen. So lernen sie – wie von selbst – ihre Muttersprache. Sie entschlüsseln grammatikalische Gesetzmäßigkeiten und formen den Klang der Silben nach. Eine Leistung, die das menschliche Gehirn in späteren Jahren nicht mehr vollbringt.

Aber nicht nur Wissen wird durch Nachahmung gelernt. Auch Einstellungen und Verhaltensmuster. Wenn es in einer Familie laut zugeht, wird das Kind auch zum Schreien neigen. Und wenn in einer Familie über „die Ausländer“ gelästert wird, wird das Kind Ayse und Yussuf in der Grundschule mit Vorurteilen begegnen.

Erziehung ist also niemals wertfrei, sondern immer wertevermittelnd. Erziehung ist immer Erziehung zu einem Ziel, beispielsweise dem respektvollen Umgang miteinander. Und Kinder achten akribisch darauf, dass Regeln eingehalten werden. Dies beginnt bei der roten Ampel. Mit Recht rufen die Kinder „Rotgänger – Totgänger“, wenn Erwachsene die rote Ampel ignorieren. Und die Schweißperlen auf der Stirn des Vaters kennen viele, wenn bei der Fahrkartenkontrolle im Zug die Tochter bei der Frage nach ihrem Alter schwindeln soll.

Die Vermittlung des Wertekanons erfolgt also über das beispielhafte Verhalten der Eltern. Umso mehr, als die Eltern in den ersten Jahren in den Augen ihrer Kinder unfehlbar sind. Wenn also die Eltern bestimmte Essgewohnheiten haben, sei es aus religiösen und ökologischen Gründen, so sind diese auch für das Kind Gesetz.

Kinder wachsen in einer Welt auf, die auch von religiösen Traditionen und Werthaltungen geprägt ist. Dies ist unvermeidlich. Wenn das Kind in der Moschee ein Bayramfest erlebt, so gehört es eben zur erlebten Welt des Kindes. Dabei geben vor allem die Eltern ihre eigenen Überzeugungen und Lebensweise an die Kinder weiter. Dies ist notwendig und keineswegs eine Form der Indoktrination. Erst später in der Pubertät kann sich das Kind hiervon absetzen und auch zur Religion eine eher eigenständige Meinung sich bilden.

Religion kann auch in der Kindheit nicht ausgeblendet werden. Sie gehört zur kindlichen Erlebniswelt. Die Begleitung der Kinder, auch in ihrem religiösem Erleben und in ihren Sinnfragen ist daher notwendig und keine Indoktrination. Diese Grundorientierung gibt dem Menschen Halt und Haltung für sein ganzes Leben. Der Trend ist schon seit vielen Jahren ablesbar. Immer mehr Kinder werden von ihren Eltern nicht mehr einer Religion oder einer Religionsgemeinschaft zugeordnet. „Sie oder er soll später einmal selbst entscheiden“, so das Argument. Sie sollen quasi ohne Religion aufwachsen um sich später einmal eine auszusuchen. Eine Vorstellung, die einer gängigen Vorstellung der Konsumgesellschaft folgt. Der mündige Verbraucher, die mündige Verbraucherin benötigt etwas, beispielsweise einen Kühlschrank, erstellt ein Bedarfsprofil und sucht sich dann das für sie oder ihn passende Produkt aus. Doch was schon in der schönen Welt des Konsums nicht funktioniert, soll ausgerechnet bei der Religion klappen?

Religion ist sicherlich Dogmatik, ist eine Lehre von den letzten Dingen. Religion ist aber auch und vor allem Gefühl. Und Praxis, Lebenspraxis. Religion ist Orientierung. Und gerade Kinder benötigen klare Regeln. Regeln, die ihnen Orientierung geben. Wenn beim Gebet die Hände gefaltet werden, dann ist dies in der von den Eltern praktizierten Form zu tun. Und es fällt ihnen sofort auf, wenn dies Kinder anders machen. Dies bedarf dann der Erklärung.

Und natürlich begegnen Kinder Religion auf Schritt und Tritt. Die großen Feste Weihnachten, Ostern und Pfingsten prägen die Gesellschaft und vor allem die Kinderwelt. Gibt es den Nikolaus? Wer war Sankt Martin? Und kommt das Christkind oder der Weihnachtsmann? Fragen, die unmittelbar die Welt der Kinder berühren. Dazu gehört auch die Frage muslimischer Kinder, warum zu ihnen an Weihnachten das Christkind nicht kommt.

Aber nicht nur die materielle Welt ist religiös geprägt. Auch Erzählungen vermitteln Werte, auch christliche Werte. Schauen wir uns doch mal die Handlungen in den Märchen an. Faszinierend an Märchen sind ja nicht nur die handelnden zauberhaften Figuren, sondern eben auch die Gewissheit, dass das Gute siegt. Es gibt eine klare Wertvorstellung. In den Märchen ist eben nicht der Ehrliche der Dumme, sondern im Gegenteil. Er wird oftmals reich belohnt. Moral und Wertvorstellungen bilden sich im Kontext religiöser Überzeugungen aus. Die Pflicht Armen etwas abzugeben, kennen alle drei großen Buchreligionen. Solche Werthaltungen lernen Kinder – wie alles andere auch – vor allem durch Nachahmung.

Und dann sind da noch die großen Fragen des Lebens, die existentiellen Fragen: Gibt es ein Leben nach dem Tod? Gibt es einen Gott? Sieht mich Gott und wie sieht Gott überhaupt aus? Hier sind die Erwachsenen gefordert. Kinder sind – so die Auffassung der Religionspädagogik – kleine Philosophen und kleine Theologen. Mit ihnen kann und muss man theologisieren. Man muss sich dem kindlichen Denken stellen – und damit auch den Fragen, die man selbst hat. Gibt es ein Leben nach dem Tod? Warum lässt Gott Krieg zu?

Aufwachsen ohne Religion? Kaum vorstellbar. Religion ist Teil kindlicher Lebenswirklichkeit. Aber sie ist noch mehr. Sie ist der Grund des Vertrauens in die Eltern, in die Welt. Für das kleine Kind sind die Eltern Gott. Sie können alles, sie machen alles. In diesem Urvertrauen in die Welt sehen Entwicklungspsychologen und Religionspädagogen die Wurzel einer späteren religiösen Bindung.

Und wer mit diesem Vertrauen aufwächst, auch in eine Religion hineinwächst, kann später aufgrund rationaler Überlegungen sicher auch begründen warum er oder sie Hindu, Christ, Moslem oder Atheist ist.

Sicher gibt es in unseren Krabbelstuben auch religiöse Riten. Es wird vor dem Essen gebetet, es wird gesungen und das Kirchenjahr ist präsent. Doch die eigentliche Religionspädagogik geschieht in der täglichen Beziehung zwischen Kind und Erzieherin. Die Kinder spüren, dass sie Vertrauen dürfen, dass sie verlässlich ist. In den Krabbelstuben wird dadurch nichts geringeres als die Basis für eine spätere religiöse Bindung gelegt. Man kann also die Frage nach der Religionspädagogik in den Krabbelstuben nur bejahen. Im täglichen Miteinander erleben Kinder, dass sie in dieser Welt willkommen sind, dass sie den Menschen Vertrauen können. So können sie womöglich selbst Gottvertrauen erlangen. In Jesus Sirach 2,6 heißt es: Vertrau auf Gott, er wird dir helfen, hoffe auf ihn, er wird deine Wege ebnen.

Lied: EG: 302, 4, 5, 8

Mitteilungen:

Geburtstage

Gebet:

Wir danken dir, Gott

Dein Wort spricht uns frei,

es nimmt uns die Angst und gibt uns neue Zuversicht.

Wir bitten dich:

Lass es wurzeln und wachsen,

blühen, reifen und Frucht bringen in uns allen.

Wir denken an unsere Kinder,

an die Freude, die sie uns bringen,

an die Sorgen, die sie uns aufladen.

Erhalte ihnen die Offenheit, die Lust zu lernen.

Hilf Eltern, Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrern,

hilf allen, die erziehen und ausbilden,

dass sie das ihnen geschenkte Vertrauen nicht enttäuschen, nicht missbrauchen.

Wir denken an die Menschen, die in der Mitte, stehen:

Bewahre sie davor, sich zu überfordern

und sich überfordern zu lassen.

Gib ihnen Selbstvertrauen und Gelassenheit.

Hilf ihnen, immer weiter zu lernen,

Neues, Ungewohntes zu wagen

und Altes, Bewährtes zu verteidigen.

Wir denken an die Alten in unserer Mitte,

an alle, die mit dem Gefühl kämpfen,

nutzlos und überzählig zu sein.

Zeige ihnen, wo sie gebraucht werden,

wo sie anderen helfen können mit ihrer Erfahrung, mit Rat und Tat.

Lehre sie, sich am Leben zu freuen,

die Zeit zu nutzen, die ihnen geschenkt ist.

Dir vertrauen wir uns an, durch Jesus Christus.

Und was uns noch bewegt, bringen wir vor dich mit den Worten, die Christus uns gelehrt hat:

Vater unser im Himmel,

geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe,

wie im Himmel so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Segen:

Geht in diesen Tag, in diese Woche mit dem Frieden

unseres Gottes:

Der Herr segne dich und behüte dich,

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir

und sei dir gnädig.

Der Herr hebe sein Angesicht auf dich und

gebe dir Frieden. Amen.

Lied: EG 171, 1-4, Bewahre uns Gott

Wertfreie Erziehung gibt es nicht

von Kurt-Helmuth Eimuth 10. September 2012

Immer mehr Menschen sind der Ansicht, Kinder sollten möglichst wertneutral erzogen werden, damit sie sich später selbst für eine Religion oder eine Weltanschauung entscheiden können. Bloß: Eine wertfreie Erziehung ist gar nicht möglich.

Einschulungsgottesdienst für Erstklässlerinnen und Erstklässler in Zeilsheim. Er fand in diesem Jahr erstmals in „großer“ Ökumene statt, also nicht nur evangelisch und katholisch, sondern auch muslimisch. Foto: Rolf Oeser
Einschulungsgottesdienst für Erstklässlerinnen und Erstklässler in Zeilsheim. Er fand in diesem Jahr erstmals in „großer“ Ökumene statt, also nicht nur evangelisch und katholisch, sondern auch muslimisch. Foto: Rolf Oeser

„Die religiöse Erziehung von Kindern stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die gesunde psychische Entwicklung eines Kindes dar“, schreibt ein Blogger auf der Webseite des „Zukunftsdialoges“ der Bundeskanzlerin und fordert konsequenterweise, dass die „Indoktrination“ von Kindern mit Religion unter Strafe gestellt wird.

Soweit gehen die meisten nicht, aber die Meinung ist doch weit verbreitet, dass Kinder ihre Religion, ihre Kirche, ihre Weltanschauung selbst wählen, also von ihren Eltern dabei möglichst wenig beeinflusst werden sollen. Doch was ist Erziehung, und was ist Indoktrination?

Kinder lernen durch Nachahmung

Kinder lernen zunächst einmal durch Nachahmung. Sie machen einfach das, was die Erwachsenen auch machen. So lernen sie auch ihre Muttersprache, entschlüsseln grammatikalische Gesetzmäßigkeiten und formen den Klang der Silben nach. Das ist eine Leistung, die das menschliche Gehirn in späteren Jahren nicht mehr vollbringt.

Aber nicht nur Wissen und Fertigkeiten werden durch Nachahmung gelernt. Auch Einstellungen und Verhaltensmuster formen sich am Anfang auf diese Weise. Wenn es in einer Familie laut zugeht, wird das Kind auch zum Schreien neigen. Und wenn in einer Familie über „die Ausländer“ gelästert wird, wird das Kind in der Grundschule Ayse und Yussuf mit Vorurteilen begegnen.

Erziehung ist also niemals wertfrei, sondern immer wertevermittelnd. Erziehung ist immer Erziehung zu einem Ziel, beispielsweise dem respektvollen Umgang untereinander. Und Kinder achten akribisch darauf, dass Regeln eingehalten werden. Dies beginnt bei der roten Ampel. Mit Recht rufen Kinder „Rotgänger – Totgänger“, wenn Erwachsene die rote Ampel ignorieren. Und die Schweißperlen auf der Stirn des Vaters kennen viele, wenn bei der Fahrkartenkontrolle im Zug die Tochter bei der Frage nach ihrem Alter schwindeln soll.

Die Vermittlung des Wertekanons erfolgt also nicht so sehr durch Argumente und intellektuelle Auseinandersetzung, sondern in erster Linie über das beispielhafte Verhalten der Eltern. Umso mehr, als die Eltern in den ersten Jahren in den Augen ihrer Kinder unfehlbar sind. Wenn also die Eltern bestimmte Essgewohnheiten haben, sei es aus religiösen und ökologischen Gründen, so sind diese auch für das Kind Gesetz. Es ist unmöglich, Kindern Werte und Verhaltensweisen nahezubringen, die man selbst im konkreten Alltag gar nicht umsetzt und praktiziert.

Das gilt genauso für die Religion. Kinder wachsen in einer Welt auf, die von religiösen Traditionen und Werthaltungen mit geprägt ist. Es ist also unvermeidlich, dass ihnen auch eine bestimmte Einstellung dazu vermittelt wird – nämlich eben jene, die die Eltern vorleben. Wenn das Kind jedes Jahr in der Moschee ein Bayramfest miterlebt, wird dieses Fest ein selbstverständlicher Bestandteil seiner Welt.

Dass Eltern ihre eigenen Überzeugungen und Lebensweisen an die Kinder weitergeben, ist also ein notwendiger Bestandteil der Erziehung und keineswegs eine Form der Indoktrination. Das Kind wird damit auch nicht in der eigenen Freiheit eingeschränkt. Später, in der Pubertät, kann es sich von den Einstellungen der Eltern absetzen und sich zu allen Fragen des Lebens, auch zur Religion, eine eigenständige Meinung bilden.

Grundorientierung gibt Menschen Halt

Als Reaktion auf die Forderung des Verbots zur Indoktrination kommentierte jemand: „Zur Religion gehört unbedingt die Freiheit dazu. Jeder Mensch kann sich immer dafür oder dagegen entscheiden. Und als Jugendlicher möchte man auch den Kinderglauben ablegen und setzt sich im Ganzen ab von der Familie.“

Religion gehört zur kindlichen Erlebniswelt, und es ist daher ganz unmöglich, sie in der Kindheit auszublenden. Notwendig ist es, Kinder in ihrem religiösen Erleben und in ihren Sinnfragen zu begleiten, ihnen Antworten zu geben und ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen. Dass die Überzeugungen und Lebensgewohnheiten der Eltern dabei die Kinder beeinflussen, hat überhaupt nichts mit Indoktrination zu tun, ganz im Gegenteil: Eine solche Grundorientierung gibt Menschen Halt und Haltung für ihr ganzes Leben, sie ist der Grundstein für die späteren eigenverantwortlichen Entscheidungen – egal, wie diese ausfallen mögen.

„Eltern sind wie Gott“

Eltern sind wie Gott“
Urvertrauen ist die Basis für Religiosität

Evangelisches Frankfurt Okt 2011
Frieder Harz bei seinem Vortrag über religiöse Prägungen vor Frankfurter Erzieherinnen. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Dass die ersten Lebensjahre prägend sind, ist keine neue Erkenntnis. Frieder Harz, emeritierter Religionspädagoge der Fachhochschule Nürnberg, hob aber auch die Bedeutung der ersten frühkindlichen Bindungen für die religiöse Prägung hervor. Vor den Teilnehmerinnen und Teilnehmern­ des Beratungsprojektes Kinder­tagesstätten des Diakonischen Werks für Frankfurt erläuterte Harz, dass für kleine Kinder ihre Eltern „Gott“ seien. „Ihr Angewiesen-Sein auf die primären Bezugspersonen ist elementar. Es hat in diesem Sinn religiöse Bedeutung.“

Harz greift damit eine Erkenntnis der Psychologie auf, wonach die Basis für ein positives Verhältnis zur Religion die Erfahrung eines unerschütterlichen Vertrauens zu den Eltern ist. Dieses Urvertrauen trägt Menschen ein Leben lang. Deshalb sei der behutsamen Eingewöhnung – vor allem in den Krabbelstuben – besonderes Augenmerk zu schenken. Religiöse Erziehung achte darauf, dass seine frühen Bindungen dem Kind einen guten Weg ins Leben eröffneten. Darauf aufbauend könne sich später das „Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit“ (Schleiermacher) auch auf ein umfassenderes Gegenüber beziehen.

Mit zunehmender Aneignung der Welt, mit dem (auch im wörtlichen Sinne) Begreifen der Welt, sei es die Aufgabe der religiösen Erziehung, diesen Prozess mit Deutungen zu begleiten, die dem Kind das Gefühl und später die Überzeugung geben, in der Welt aufgehoben und behütet zu sein. Das geschehe über Rituale und Symbole, in Erzählungen und Gebeten, in Raumerfahrungen, Bildern und Musik. Harz forderte Erzieherinnen und Kirchenvorstände auf, darauf zu achten, dass sich diese „frühe religiöse Sprache reich entfalten kann, von den Erwachsenen bewusst praktiziert wird, dass sie als ein Schatz gepflegt wird, der uns allen mitgegeben wird.“

An dem Beratungsprojekt des Diakonischen Werkes nehmen elf evangelische Kindertagesstätten und vier Krabbelstuben teil. Ziel ist es, ein Qualitätsmanagement nach Deutscher Industrienorm einzuführen. 65 Kitas in Frankfurt sind diesen Weg bereits gegangen.

Kurt-Helmuth Eimuth

Unterschiede verstehen – Interreligiöse Kompetenz für die Kleinsten

Evangelisches Frankfurt Mai 2011

Unterschiede verstehen

Interreligiöse Kompetenz für die Kleinsten

Seit bald einem Jahrzehnt untersucht ein Forschungsteam um die Tübinger Religionspädagogen Albert Biesinger (katholisch) und Friedrich Schweitzer (evangelisch) die religiöse Wirklichkeit von Kindern unter sechs Jahren. Unter dem Titel „Wie viele Götter sind im Himmel? – Interreligiöse und Interkulturelle Bildung im Kindesalter“ dokumentieren sie nun in einem gemeinsam mit Anke Edelbrock herausgegebenen Band vertiefende Forschungsergebnisse und den Stand der Diskussion. Durch die Beiträge von Rachel Herweg und Rabeya Müller werden die jüdische und die muslimische Perspektive eingearbeitet.

Die Forscherinnen und Forscher gehen davon aus, dass die Auseinandersetzung mit Religion immer wichtiger wird und schon Kinder Kompetenzen für die interreligiöse Verständigung benötigen. Bereits in einer Pilotstudie waren sie jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vielfalt der Religionen in den Kindertagesstätten ausgeklammert werde, „sodass eine lebensgeschichtlich frühe Anbahnung dialogischer Fähigkeiten, von Respekt, Toleranz und Anerkennung anderer Religionen nicht gefördert wird.“

Wenn Kinder aber keine Begleitung erhalten, schaffen sie sich eigene Erklärungen für das, was sie im Umgang mit anderen Religionen beobachten. So berichtete eine Interviewpartnerin, wie christliche Kinder über ein muslimisches Kind mit Down-Syndrom redeten: „Sultan ist ganz doll behindert, weil Sultan keine Würstchen essen darf.“ Und wie ist damit umzugehen, wenn die Mutter das Tragen des Kopftuches als unerlässlich ansieht, die dem Kind so wichtige Erzieherin ihr Haar aber offen trägt?

Erfreulicherweise entwickeln nur sehr wenige Kinder eine regelrechte Fremdenangst, aber die soziale Kategorisierung setzt offenbar schon sehr früh ein. Die meisten Kinder gehen von einem klaren ‚Wir und Ihr‘ aus. Die Autorinnen und Autoren kommen denn auch zu dem Schluss, dass die religiöse Differenzwahrnehmung schon im Kindesalter gegeben ist, und untermauern die bereits 2007 von Biesinger aufgestellte Forderung: Man darf Kinder nicht „um Gott betrügen“.

Anke Edelbrock, Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger (Hg.): Wie viele Götter sind im Himmel? – Religiöse Differenzwahrnehmung im Kindesalter, 202 Seiten, Waxmann-Verlag, 29,90 Euro.

Kurt-Helmuth Eimuth

Das Leben Jesu zum Anfassen

Erlebnisparcours mit Gebetsgarten im Evangelischen Jugendwerk

Bild: Wikimedia/3268zauber

Der Raum ist abgedunkelt, Kerzen brennen in der Mitte, sphärische Klänge wabern, an der Wand Bilder von Neugeborenen. Die erste Station des Erlebnisparcours über das Leben Jesu knüpft an Bethlehem an. Zahlreiche Jugendliche haben per Zettel auf der Pinnwand die Frage beantwortet, wo sie einen Neuanfang erlebt haben. „Am Ende einer Beziehung“, „nach einer Lungenentzündung“ oder auch „nach dem Sitzenbleiben in der neuen Klasse“ ist da zu lesen. Von den Ängsten junger Menschen ist auch etwas an einer anderen Station zu spüren. „Ich habe oft Angst zu versagen“, bekennt jemand auf gelbem Papier.
Das Evangelische Jugendwerk, das mit seinen ehrenamtlich geleiteten Jugendgruppen in 26 Frankfurter Kirchengemeinden aktiv ist, hatte in seiner Zentrale in Echersheim einen so genannten „Gebetsgarten“ aufgebaut.
„Eigentlich ist der Begriff irreführend, es müsste Erlebnisgarten heißen“, räumt der zuständige Jugendreferent Ralf Herold ein. Doch man habe eben auf den eingeführten Namen gesetzt. Und der Erfolg gab den Initiatoren Recht.
Gut zehn Tage hat es gedauert, bis aus schwarzen Zeltplanen und einem Baugerüst die unterschiedlichen Stationen gebaut waren. Neben dem Engagement Ehrenamtlicher wurden die Kosten mit Hilfe von Sachspenden niedrig gehalten. Zum Beispiel wurde das Gerüst kostenlos zur Verfügung gestellt, das in der Mitte des Saals einen kleinen Turm bildete, der mit seinen Etagen auf die Bergpredigt hinwies.
Ralf Herold ist zufrieden: Über tausend Besucherinnen und Besucher waren da. Vor allem Konfirmandengruppen zeigten sich begeistert von dem Angebot, das Leben Jesu mit allen Sinnen zu erleben.
Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt Mai 2005

Kinder brauchen Religion

Ein Beitrag von Marion und Kurt-Helmuth Eimuth in „Gemeinde leiten“