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Kitas: Gerechte Finanzierung und multiprofessionelle Teams

Die Kitas der Kirchen und aller freien Träger sollten nach Meinung der Leiterin des Arbeitsbereichs Kindertagesstätten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) Sabine Herrenbrück, Darmstadt, alle gleich gefördert werden. Dafür sprach sich die Sozialpädagogin, die für über 600 Kitas zuständig ist, im Podcast Conny&Kurt aus. Bisher wendet die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) beispielsweise noch 48 Millionen Euro für den Betrieb der Kitas auf, während andere freie Träger zu einhundert Prozent die Kosten erstattet bekommen.

Doch das größte Problem ist der Fachkräftemangel. Die Öffnung der Fachkräfteliste durch das Land Hessen begrüßt Sabine Herrenbrück ausdrücklich. Die Mitarbeit von Ergotherapeut:innen und Logopäd:innen ist für ein Schritt zu multiprofessionellen Teams und nicht nur eine quantitative Erweiterungsoption in der Personalgewinnung, sondern auch eine qualitative Verbesserung. „Es ist gut, wenn noch weitere Menschen mitarbeiten. Wir schulen diese zwei Jahre lang.“ Herrenbrück begründet im Podcast Conny&Kurt warum sie darin keine Deprofessionalisierung des Berufs der Erzieherin sieht. „Ich sehe da eher eine Professionalisierung. Deren Fachlichkeit wird eher gestärkt durch neue Aufgaben, etwa im Anleiten von verschiedenen Professionen im Gruppenalltag.“

Assistentinnen sollen in Kitas aushelfen

Evangelisches Frankfurt November 2009

Assistentinnen sollen in Kitas aushelfen

Steigende Kinderzahlen und ein gesetzlicher Betreuungsanspruch bescheren Frankfurt einen Boom an neuen Kitas und Krabbelstuben. Allerdings fehlt es an geeignetem Personal. Das Diakonische Werk hat nun ein Projekt initiiert, bei dem Langzeitarbeitslose zu „pädagogischen Assistentinnen“ qualifiziert werden.

Auf dem regulären Arbeitsmarkt tendierten Anna Starodubzewas Chancen gegen Null. Der „Generation 50 plus“ angehörend und ohne in Deutschland anerkannte Berufsausbildung, blieben für die Kasachin mit deutschen Wurzeln nur Ein-Euro-Jobs. Weil die studierte Pädagogin aber unbedingt arbeiten wollte, nahm sie das in Kauf – fast fünf Jahre lang.

Ein vom Diakonischen Werk im Evangelischen Regionalverband Frankfurt initiiertes Qualifi­zierungsprojekt mit dem Titel „Pädagogische Assistenz“ hat ihre Situation jetzt um 180 Grad gewendet: Seit Anfang November hält Anna Starodubzewa ein Zertifikat in Händen und vermutlich auch bald einen Anstellungsvertrag. Die Ginnheimer Krabbelstube „Gabriel“, in der sie den praktischen Teil ihrer Qualifizierung absolvierte, will sie übernehmen. Leiterin Sabine Ruschitschka wartet nur noch auf grünes Licht der Mitarbeitervertretung.

Anna Starodubzewa - links - hofft, nach ihrer Qualifizierungsmaßnahme in der Krabbelstube „Gabriel“ in Ginnheim wieder eine reguläre Arbeit zu finden – als pädagogische Assistentin. | Foto: Doris Stickler

Anna Starodubzewa – links – hofft, nach ihrer Qualifizierungsmaßnahme in der Krabbelstube „Gabriel“ in Ginnheim wieder eine reguläre Arbeit zu finden – als pädagogische Assistentin.
Foto: Doris Stickler

Die neue Kollegin habe sich als Glücksgriff erwiesen und sei eine Bereicherung für das Team, schwärmt Ruschitschka. Die Chemie stimmte, und auch die Ansichten zum Umgang mit Kindern waren ähnlich. Die Krabbelstube „Gabriel“ orientiert sich, wie alle evangelischen Krabbelstuben in Frankfurt, an der Pädagogik der 1984 verstorbenen Kinderärztin Emmi Pikler. Deren Forderung, Kinder vom Säuglingsalter an als eigenständige Wesen zu respektieren, ihren individuellen Entwicklungsstand zu beachten und nichts zu forcieren, wird den Kursteilnehmerinnen im Theorieteil der Qualifizierung ebenso vermittelt wie Kenntnisse in Spielpädagogik oder Ernährungswissenschaft.

Verbunden mit ihren ursprünglichen beruflichen Hintergründen sieht Kurt-Helmuth Eimuth, der Leiter des Arbeitsbereichs Kindertagesstätten im Diakonischen Werk, durch die Assistentinnen die „Teamkompetenz in den Einrichtungen erhöht“. Als ehemalige Musikerinnen, Chemielaborantinnen oder Handwerkerinnen würden sie die „rein pädagogische Arbeit durch ihre Multiprofessionalität sinnvoll ergänzen“. Eimuth hält es „ohnehin für einen Fehler, in Kitas ausschließlich Pädagoginnen und Pädagogen zu beschäftigen“. Es geht bei dem Projekt also auch um eine Erweiterung in der Konzeption. Deshalb hofft Eimuth, dass das bundesweit einmalige Projekt Schule macht.

Doch es gibt auch kritische Stimmen: Werden hier nicht ausgebildete Erzieherinnen durch rasch angelernte Hilfskräfte verdrängt? Eimuth versichert, das sei nicht der Fall: Wenn künftig pro Jahr etwa zwanzig Personen ein solches Zertifikat erhielten, so läute das „nicht den Untergang des Berufstandes“ ein. Dafür spricht auch der Fachkräftemangel im Kita-Bereich. Immerhin müssen mit dem seit kurzem verankerten Rechtsanspruch von Eltern auf einen Betreuungsplatz bis 2013 allein in Frankfurt weitere 6000 Plätze für Kleinkinder unter drei Jahren entstehen. Für rund 1000 davon will die evangelische Kirche sorgen.

Woher man allerdings die zusätzlich benötigten 300 Erzieherinnen und Erzieher nehmen soll, sei bislang schleierhaft, sagt Eimuth. Bereits jetzt würden pädagogische Kräfte händeringend gesucht. Mit enormem Aufwand werde Personal angeworben, bis in den Lahn-Dill-Kreis hinein. Dennoch seien in den evangelischen Kitas derzeit rund 40 Stellen vakant. Und dieses Defizit werde sich in der „Boom-Stadt“ Frankfurt noch vergrößern. Die Anzahl der Kinder wachse hier seit geraumer Zeit an. In den nächsten Jahren würden in Frankfurt 30 neue Kitas gebaut.

Auch Joachim Otto, der im Diakonischen Werk den Arbeitsbereich „Beschäftigung und Qualifizierung“ leitet, hält Einwände wie „hier werden mit einer Schmalspurqualifizierung reguläre Arbeitsplätze blockiert“ für unberechtigt. Und er bedauert es, dass die kirchliche Mitarbeitervertretung bislang nur dem Einsatz von Assistentinnen in den Krabbelstuben zustimmt, nicht jedoch in Kitas. Dennoch habe man für die Mehrzahl der ersten Absolventinnen bereits eine Stelle gefunden, und für den Rest sei eine Vertragsunterzeichnung „ziemlich sicher“, so Otto. Er werde weiterhin für das Projekt werben, will aber keine Konfrontation: „Die Mitarbeitervertretung soll mit ins Boot.“ Es gehe schließlich vor allem um die Frage, wie sich „Bedarf und Angebot sinnvoll zusammenbringen“ lassen.

Die Krabbelstube „Gabriel“ hat darauf eine befriedigende Antwort parat: Anna Starodubzewa entlastet mit ihren Kenntnissen das Team, ihr selbst bleibt das Tingeln durch zeitlich befristete Ein-Euro-Jobs erspart.

Doris Stickler

„Pädagogische Assistenz“ – nächster Kurs im Januar

Foto: Rolf Oeser

Foto: Rolf Oeser

Mit der Qualifizierungsmaßnahme „Pädagogische Assistenz“ reagiert das Diakonische Werk für Frankfurt auf eine Bedarfslücke von professionellen pädagogischen Hilfskräften in Krabbelstuben und Kindertagesstätten. Das einjährige Beschäftigungsprojekt richtet sich an langzeitarbeitslose Menschen über 40 Jahre, die möglichst das zehnte Schuljahr abgeschlossen haben und über berufliche Erfahrungen verfügen.

Der Qualifizierungsweg ist ähnlich wie das Berufspraktikum für angehende Erzieherinnen in die Bereiche Theorie und Praxis gegliedert. An 30 Unterrichtstagen, am wöchentlichen Reflexionstag sowie an den Fortbildungstagen wird theoretisches Wissen vermittelt. In der restlichen Zeit führt man die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Krabbelstuben oder Kindertagesstätten an die Praxis heran.

Für die Dauer des in Kooperation mit dem Rhein-Main-Job- Center organisierten Projekts beziehen sie weiterhin Arbeitslosengeld II und erhalten überdies eine monatliche Zusatzvergütung von bis zu 150 Euro. Die Qualifizierung endet mit einem Kolloquium und einem Zertifikat.

Vanessa Hoch (Foto), die im Diakonischen Werk für den Bereich Krabbelstuben zuständig ist und die Qualifizierung betreut, betont, dass hier ausschließlich Personen teilnehmen, mit denen man vorher Gespräche geführt hat, und die sich für die Arbeit mit Kindern eignen. Zudem würden die pädagogischen Assistentinnen ihre Rolle in den Einrichtungen sehr genau kennen: „Sie sollen zuarbeiten und die Erzieherinnen unterstützen, aber weder Gruppen leiten noch Elterngespräche führen oder Entscheidungen fällen.“

Das nächste Qualifizierungsprojekt startet im Januar. Weitere Informationen: Diakonisches Werk, Koordination und Organisation von Arbeitsgelegenheiten, Telefon 069 299255100, oder unter www.diakonischeswerk-frankfurt.de.

Doris Stickler