Archiv für 25. Juli 2024

Altenheimschließung ist Alarmsignal

Weil Fachkräfte fehlen, mussten in Hamburg zwei Altenheime der Diakonie-Stiftung Alt-Hamburg geschlossen werden. Dadurch fallen 200 Plätze weg. Für Stefan Rehm, Vorstand der Diakonie Hamburg, ein Alarmzeichen. „Wir finden nicht genug Fachkräfte“, sagt Rehm im Podcast Conny&Kurt. Er fordert, dass die Fachkraftquote von 50 Prozent wegfällt. „Wenn wir die Quote nicht erfüllen, müssen wir die Zimmer leer stehen lassen. Das ist wirtschaftlich nicht zu vertreten.“

Rehm befürchtet nicht so sehr eine Qualitätsreduzierung durch den Einsatz von weniger qualifizierten Kräften. „Wir müssen die qualifizierten Kräfte zielorientierter einsetzen,“ sagt Rehm und verweist auf die zahlreichen Hilfstätigkeiten wie Essen anreichen oder Hilfestellung beim Waschen. Um den Beruf attraktiv zu machen, habe man beim Gehalt gewaltig nachgebessert. Ohne Zulagen bekommt eine Altenpflegerin als Einstiegsgehalt 3538 Euro. Doch die Personalgewinnung bleibt eine Mammutaufgabe. „Die Versorgungssicherheit“, so Rehm, „muss an erster Stelle stehen“. Rehm berichtet, dass schon jetzt die Einrichtungen mit Nachfragen überschwemmt werden.

Zur Person:
Stefan Rehm ist Vorstand des Diakonischen Werkes Hamburg. Er ist Vorsitzender des Fachausschusses Pflege und Senioren der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege sowie stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Hamburgischen Pflegegesellschaft. Außerdem ist er zuständig für die diakonischen Krankenhäuser und ist Vorstandsmitglied im Verband der FREIEN in Hamburg

Zusammenarbeit als Antwort auf Mitgliederschwund

Die Zahlen sind dramatisch. Die evangelische Kirche verliert jährlich drei Prozent ihrer Mitglieder. Die Halbierung der Mitgliederzahl wird jetzt schon für 2045 prognostiziert. Im letzten Jahr sank das Kirchensteueraufkommen erstmals auch nominal deutschlandweit um fünf Prozent. Hinzu kommt auch in der Kirche eine Pensionierungswelle. In der Evangelischen Kirchen von Hessen und Nassau (EKHN) gehen ab 2025 jährlich fünf Prozent der Pfarrerinnen und Pfarrer in den Ruhestand. Bis 2030 verliert die Kirche so ein Viertel ihrer Theologinnen und Theologen. Vor diesem Hintergrund führt an einer Veränderung der Arbeitsweise kein Weg vorbei, meint der Leiter der Ehrenamtsakademie der EKHN Steffen Bauer im Podcast Conny&Kurt. Mehrere Kirchengemeinden schließen sich zu einem Nachbarschaftsraum zusammen. Dies ermögliche mehr Flexibilität. Oft werde dies als reiner Sparprozess verstanden, so Bauer. Doch es sei eine Ermächtigung selbst zu bestimmen, wenn auch mit weniger Ressourcen. „Wohin sich Kirche entwickelt, bestimmen mehr und mehr die Nachbarschaftsräume“.

Zur Person:
Pfarrer Dr. Steffen Bauer leitet seit gut 10 Jahren die Ehrenamtsakademie der EKHN. In wenigen Wochen geht er in den Ruhestand. Vor seiner Tätigkeit in der Ehrenamtsakademie arbeitete Bauer von 2008 bis 2013 im Institut für Personalberatung, Organisationsentwicklung und Supervision (IPOS) der EKHN. Zuvor war Bauer unter anderem Gemeindepfarrer in Mannheim und Heidelberg sowie sieben Jahre lang Dekan der Evangelischen Kirche in Heidelberg. Bauers Nachfolge tritt im September 2024 der österreichische Theologe Dr. Bernhard Lauxmann an.

Bischof Jeremias: „Angst ist ein Baustein für populistische Lösungen“

Dem völkischen Menschenbild der AfD widerspricht Bischof Tilman Jeremias im Podcast Conny&Kurt. Das sei mit dem christlichen Menschenbild unvereinbar. Der Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern der Nordkirche hält die Entlassung eines Pfarrers, der bei der Kommunalwahl für die AfD kandidierte, für richtig. Gleichwohl plädiert er dafür, mit den Menschen im Gespräch zu bleiben. Immerhin haben ein Drittel diese Partei jüngst gewählt. „Ich möchte hören, warum die Menschen so wählen.“ Als Ursache sieht Jeremias eine tiefe Verunsicherung und Angst. Die Unübersichtlichkeit lässt wohl auch die Sehnsucht nach der klaren, übersichtlichen Welt der DDR wiedererstarken.

Dem „Megatrend“ der zurückgehenden Mitgliederzahlen kann sich auch die Kirche in Pommern nicht entziehen. Der Austrittsgrund sei nicht der spontane Ärger. „Wir sehen, dass sich Menschen über Jahrzehnte von der Kirche entfremden, sagt Bischof Jeremias. Auch die wachsende Distanz zum Glauben seien Austrittsgründe. Doch auch im Osten wollen man eine Kirche bleiben, die offen ist für Menschen jeglicher Couleur.

Zur Person:
Tilman Jeremias ist seit dem 20. September 2019 Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland. Zu seinen zentralen Aufgaben gehört die geistliche Leitung des Sprengels, der den Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreis Mecklenburg und den Pommerschen Evangelischen Kirchenkreis umfasst.

Die Kita prägte sie – Christiane Tietz kandidiert als Kirchenpräsidentin

Für Christiane Tietz war der evangelische Kindergarten und der Kindergottesdienst in ihrer Frankfurter Gemeinde eine prägende Zeit. Heute ist die Pfarrerin im Ehrenamt Professorin für systematische Theologie in Zürich. Sie kandidiert für das Amt der Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Die Kindergartenarbeit liegt ihr heute noch am Herzen. Sie sagt im Podcast Conny&Kurt: „Das was Kinder in der frühen Kindheit in einem evangelischen Kindergarten mitbekommen – das Kirchenjahr, welche Lieder kann man da singen und worum geht es da eigentlich – ist etwas, was sich ganz tief bei den Kindern einprägt. Insofern ist das für die Zukunft der Kirche eine ganz entscheidende Aufgabe, die wir auf gar keinen Fall aufgeben dürfen.“ und Christiane Tietz betont: „Man erreicht dort Menschen, die nicht Mitglied der Kirche sind.“ Der Umgang mit sexualisierter Gewalt ist ihr besonders wichtig. Deshalb wäre es auch eine ihrer ersten Handlungen die Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt zu besuchen. Aber auch die Gemeinden und die Verwaltung müssten für dieses Thema sensibilisiert werden. Im Podcast betont Christiane Tietz: „Kirche gibt’s nur mit Gott. Das heißt nicht, dass wir ihn haben, aber dass wir ihn immer suchen. Das steht im Zentrum dessen, was wir machen.“

Für das Amt des Kirchenpräsidenten, der Kirchenpräsidentin, kandidieren drei Personen: Pröpstin Henriette Crüwell, Pfarrer Martin Mencke, Professorin Christiane Tietz. Gewählt wird am 28. September.