Archiv für 24. Januar 2000

Macht

Bathseba

24.1. 2000 Heilig Geist

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

für den politisch Interessierten sind diese Tage spannend. Man schaltet am Abend das Radio an und fragt sich, was denn nun wieder ans Tageslicht befördert wurde. Da werden Gesetze gebrochen, da wird von einst Mächtigen gelogen oder es wird einfach geschwiegen, was auch nicht viel besser ist als lügen. Offenbar ist Macht eine Droge von der man schlecht runter kommt. In einem Interview für das Evangelische Frankfurt sagte mir Jean Claude Diallo, dass es in seiner Heimat ein Sprichwort hierfür gebe. Man sage:

Gib einem Manne Macht, der sie nie erwartet habe, dann wird er verrückt. Nimm einem Mann, der immer Macht hatte, die Macht, dann wird er auch verrückt. Der Virus des Herrschens und des besitzen-Wollens scheint dem menschlichen Wesen eigen.

Die jüdische Tradition kennt solches Verhalten. Drastisch beschreibt sie die Schattenseiten von König David. Im 2. Buch Samuel lesen wir: 2 – 6

Wenig später wird berichtet, wie David seine Intrige spinnt:

13 – 15

Diese Überlieferung ist eine der ältesten Kriminalgeschichten der Menschheit. Es geht um Begierde, um gnadenlose Machtausübung und um Mord. Motive und menschliche Schwächen, die in jedem Kriminalroman unserer Tage vorkommen. David setzt seine Macht gegenüber Batseba ein. Der Streit der Exegeten, ob es sich um eine Vergewaltigung handelte, ist angesichts der Gewalt königlicher Allmacht fast vernachlässigbar. Der König nimmt sich die, die er sieht. Gegen den König lehnt sich niemand auf, hat sich niemand aufzulehnen. Auch nicht, als er einen infamen Mordplan ausheckt und umsetzt. Auch in der weiteren Geschichte des Königshauses werden Frauen benutzt und ausgebeutet.

Zurück zu unserem Bezug, dem Machtmißbrauch. Er ist in einer demokratischen Gesellschaft immer auch eine Möglichkeit. Überall dort, wo Menschen wirken, besteht auch die Gefahr, daß sie ihre Kompetenzen mißbrauchen oder Vorschriften umgehen. Auch Kirche ist davor nicht geschützt. Der Betrugsfall des vergangenen Jahres bei uns, die Vorgänge im diakonischen Werk oder auch die Vorgänge in der evangelischen Kirche von München zeugen von der Anfälligkeit des Menschen.

Helfen kann hier nur ein gesundes Maß an Kontrolle und eine Ausrichtung des Lebens an die christlichen Gebote. Bei allem Entsetzen über das Ausmaß der Geldverschiebung in der Christlich Demokratischen Union bleibt doch auch eine Gewißheit. Die Medien sind wachsam genug, dass sie solche Ungeheuerlichkeiten ans Tageslicht befördern. Da hilft dann kein Schweigen und Leugnen. Wenn die Kontrolle innerhalb der Partei versagt, so funktioniert sie doch im öffentlichen Raum. Dies unterscheidet – gottlob – unsere demokratische Gesellschaft von der Monarchie eines Königs Davids. Unsere Staatsformen haben sich weiterentwickelt, doch der Mensch ist in seiner Sündhaftigkeit der Gleiche geblieben. Die Bibel erzählt vom ständigen Kampf des Menschen mit solchen Versuchungen. Sie benennt und brandmarkt aber auch Sünde als Sünde. Wir Menschen können uns in aller Freiheit entscheiden. Glaube kann uns die Kraft geben, solchen Versuchungen – ob im Großen oder Kleinen – nicht zu unterliegen.

Kurt-Helmuth Eimuth