Archiv für 26. Mai 1997

Seien wir mutig

Andacht, 26. 5. 1997

Pfarrerin Marion Eimuth

Orgelvorspiel

Lied: 319, 1-4 Die beste Zeit im Jahr ist mein

Psalm: 145 Nr. 756

Ansprache:

Apg. 2, 1-13

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

gestern war der Trinitatissonntag, das Fest der Dreifaltigkeit. Es ist die Dreiheit der göttlichen Personen: Vater – Sohn und Heiliger Geist. Und damit hängt eng das Pfingstfest, die Ausgießung des Heiligen Geistes zuammen.

Vor ein paar Wochen habe ich mit Erzieherinnen darüber gearbeitet. Wir haben überlegt, was der Heilige Geist für eine jede von uns ist, was darunter zu verstehen ist, welche Probleme das Pfingstfest macht und was davon an Kinder weitergegeben werden kann.

Den Erzieherinnen ging es wie vielen Menschen, zunächst mal ist es ein Fest mit einem freien Tag. Sie freuen sich, mal wieder richtig ausspannen zu können. Und das ist sicher auch nötig. An Feiertagen darf man sich ausruhen. Wir sind aber auch dazu eingeladen über das, was es zu feiern gibt, nachzudenken. Anders als an Weihnachten oder an Ostern begleiten uns an Pfingsten wenig Bräuche.

Pfingsten scheint zweitklassig. Und dabei ist Pfingsten das Fest des Heiligen Geistes! Der Heilige Geist ist die Kraft, die treibt, bewegt und verändert. Das merken wir heute ebenso wie damals die Jüngerinnen und Jünger Jesu es bemerkt und erlebt haben. Sie, die Gruppe, die Jesu folgte, hatten sich zurückgezogen und lebten in großer Angst. Die kleine Christenschar hatte sich an diesem jüdischen Erntefest, sieben Wochen nach Ostern, in einem Haus in Jerusalem versammelt. Dabei wurden, wie wir eben hörten, alle mit dem Heiligen Geist erfüllt. Und die Versammelten fingen an, in anderen Sprachen zu predigen. Sie hatten den Geist Gottes erfahren.

Alle, die sich zu Pfingsten versammelt haben, sind bewegt, sie erleben, was sie nicht fassen können. Die Sprache wird nicht zur Abgrenzung oder zu dialogischer Auseinandersetzung benutzt. Sprache drückt hier Zusammengehörigkeit aus. Jedem und jeder klingt die Sprache des anderen vertraut. Sogar ein Verstehen ohne Worte, wie es sich in der Liebe zwischen zwei Menschen ereignet, scheint im Pfingstgeschehen möglich.

Gottes Geist befreit zum Leben. Genau dies hat an Pfingsten seinen Anfang genommen. Menschen, die an Jesus Christus glaubten, haben Atem und neue Luft geschöpft, haben Mut gefunden, weiterzusagen, was sie bewegte.

Pfingsten ist nicht nur das alte jüdische Erntedankfest der ersten Früchte. Pfingsten ist mehr. Es ist das Fest des Heiligen Geistes. Das Fest, das neue Perspektiven eröffnet. Der Geist von Pfingsten schafft Verbindungen, baut Brücken. Wie in der biblischen Pfingsterzählung auf einmal die Sprachbarrieren überwunden werden, so wird es auch der Kraft dieses Geistes gelingen, neue Möglichkeiten zu entdecken. Der Heilige Geist lädt ein neue Wege auszuprobieren. Dieser Geist will uns stark machen für den Kampf gegen jede Hoffnungslosigkeit.

In unserem Sprachgebrauch hängen Geist und Denken zusammen. Geistvolles und Geistreiches begeistert mehr als leeres Gerede. So wird auch der Heilige Geist uns immer wieder dazu auffordern, sich unseres Verstandes zu bedienen. Auch und gerade wenn es um die Verbindung zu unseren Mitmenschen geht. Aus der Kraft dieses Geistes kann es uns gelingen, unermüdlich zu bleiben und Verantwortung zu übernehmen.

Geist und Denken gehören zusammen. Doch lassen sich gerade die Kirchen die den Geist betonen, vom Gefühl leiten. Gefühle sind wichtig und für Christinnen und Christen in ihrer Beziehung zu Gott unabdingbar notwendig. Doch wir Menschen verfügen über Gefühl und Verstand. Beides gehört zusammen.

Weltweit verbreiten sich Gruppen, die Wert auf spektakuläre Geistgaben legen. In Lateinamerika haben die Pfingstkirchen großen Zulauf, in Nordamerika betonen Fernsehprediger mit oft zweifelhaften Geschäftsgebaren die scheinbar neuentdeckten Charismen und auch hier in Frankfurt haben sich in den letzten Jahren Gemeinden gegründet, die einer neuen Erweckungsbewegung zuzurechnen sind.

Sicher ist das Reden in Zungen eine mögliche Gabe. Das Zungenreden, Glossolalie genannt, gehört allgemein zu den wichtigsten Erscheinungsformen religiöser Ekstase: in einem Zustand der Begeisterung werden zusammenhängende, keiner menschlichen Sprache verwandte Laute hervorgestoßen.

Das Zungenreden ist für Lukas Anzeichen höchster religiöser Zuwendung, es ist für ihn die Sprache der Engel im Menschenmund. Paulus dagegen beurteilt das ganz anders. Er tritt diesem Phänomen unverhohlen kritisch gegenüber. Er warnt vor der Überbetonung des Gefühls. Auch heute gilt diese Einschätzung noch. Es gibt in diesen pfingstlerisch-orientierten Gemeinden so etwas wie eine Sucht nach dem Außergewöhnlichen, nach dem Spektakulären. Das Unscheinbare, das Alltägliche muß in den Hintergrund treten. Dabei ist doch gerade die Botschaft von Pfingsten, daß der Heilige Geist Christinnen und Christen im Alltag begegnet. Diese Kraft wirkt vielfältig. Sie hebt Sprachlosigkeit und Sprachverwirrung auf. Ein Lächeln, ein freundliches Wort kann ein solcher Neuanfang sein. In diesem Geist spüren wir die Zuwendung, die uns andere entgegenbringen. In diesem Geist wächst die Kraft, andere zu trösten und zu stärken. Und das können auch Kinder verstehen und erfahren.

So gesehen, ist das Pfingstfest auch in der Kindertagesstättenarbeit ebenso präsent wie Weihnachten und Ostern. Es gehört zu uns wie eben jener Geist, den wir den Heiligen Geist nennen. Pfingsten ist ein Teil unserer Tradition. Die Erzieherinnen, von denen ich eingangs sprach, haben sich auf den Weg gemacht, ihn zu entdecken. Seien wir nur ebenso mutig und machen uns auf den Weg, diese geheimnisvolle Kraft wirken zu lassen.

Amen.

Gebet:

Herr, unser Gott.

Wir suchen dich in der Ferne,

doch du bist uns

durch deinen Geist ganz nah.

Durch ihn gibst du den Schwachen Kraft.

Durch ihn tröstet du die Traurigen

und ermutigst die Verzagenden.

Mach uns zu geistesgegenwärtigen Menschen,

die mit offenen Augen durch diese Welt gehen.

Dein Geist schafft Verständigung

und Vertrauen.

Wir bitten dich für alle Menschen,

die sich nicht mehr verstehen.

Schenke uns mehr Verständnis füreinander.

Dein Geist will uns zu freien Menschen machen.

Befreie uns von der Sorge um uns selbst

und schenke uns das Vertrauen,

daß du für uns sorgst. Amen.

Lied: 126, 1-3

Segen: Und der Friede Gottes bewahre unsere Herzen und Sinne im Geist Jesu Christi. Amen.