Archiv für 31. Mai 2016

Kirchliches Fundraising erreicht nur die ältere Generation

90 Prozent der Menschen, die für kirchliche Anliegen und Einrichtungen Geld spenden, sind älter als 60 Jahre, sagt Spendenexperte Kai Fischer. Und rät, sich schnellstens neue Strategien zu überlegen. Spendenexperte kai Fischer von der Mission-Based Consulting Hamburg mahnte neue Kommunikationswege an. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Spendenexperte Kai Fischer von der Mission-Based Consulting Hamburg mahnte neue Kommunikationswege an. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Die Zahl der Spenderinnen und Spender nimmt seit gut einem Jahrzehnt kontinuierlich ab, auch wenn das Spendenaufkommen leicht steigt. Pro Kopf wird im Schnitt eben mehr gespendet. Hinzu kommt, dass 90 Prozent der Spendenden über 60 Jahre alt sind. Für den Spendenexperten Kai Fischer, Hamburg, ist dies kein Wunder. Trotz der Professionalisierung des Fundraising in den letzten 20 Jahren werbe man hauptsächlich mit Briefen Spenden ein. Die Lebenswelt der mittleren Generation sei andere. Fischer forderte vor dem Fundraising-Forum in Frankfurt: „Wir brauchen andere Formen der Kommunikation“.

Fischer war einer der Referenten beim 14. Fundraising-Forum, veranstaltet von der Hessen-Diakonie und den beiden hessischen Landeskirchen. Über 150 Interessierte aus Kirche und Diakonie waren in die Räume der Frnakfurter DZ-Bank gekommen, um sich über Formen und Motive des Spendens zu informieren.

Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen, dass Spenden glücklich macht. Auch spenden glückliche Menschen häufiger. Allerdings wollen die Menschen angesprochen werden. Nach Aussage von Greenpeace kommen 90 Prozent der Spenden aufgrund einer Bitte. Eines der Motive ist die Solidarität. „Solidarität ist eine starke soziale Norm“, so Fischer. Das Motiv der Solidarität findet sich in allen Weltreligionen, im christlichen Kulturkreis wird es „Nächstenliebe“ oder „Barmherzigkeit“ genannt.

Besondere Ereignisse wie Naturkatastrophen emotionalisieren. So sei es kein Wunder, dass nach Naturkatastrophen mit Fernsehbildern die Spendenaufkommen besonders hoch seien. Allerdings werde mehr gespendet, wenn das Geschehen dem eigenen Kulturkreis näher sei. So habe man in Amerika nach dem Wirbelsturm Katrina deutlich mehr gespendet als etwa zum Kampf gegen Malaria.

Nicht immer steht das konkret zu unterstützende Projekt im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit des Spenders. Oftmals wolle man einfach eine Organisation unterstützen, „die die Welt besser machen will“. Man wolle mit dem Griff in die Geldbörse „die Mission der Organisation“ unterstützen.

Im kirchlichen Bereich machte Fischer auch als Motiv den Tausch von irdischen gegen himmlische Güter aus. Allerdings stieß seine Analyse zumindest bei der Konkretion, man wolle sich damit einen Platz im Paradies sichern, auf evangelischen Widerspruch. Schließlich hatte Luther solches Ansinnen schon vor 500 Jahren angeprangert.

Der Vorgang des Spendens könne auch ein soziales Ereignis sein. Fischer nannte als Beispiel die Ice Bucket Challenge. Vor zwei Jahren schüttete sich plötzlich alle Welt einen Eimer Eiswasser über den Kopf und fimte dieses ereignis. Für die Eingeladenen war es eine Ehre mitzumachen und zu spenden.

Eine besondere Form ist die Anlass-Spende. Ein Jubilar fordert dazu auf, anstelle von Geschenken einen guten Zweck zu unterstützen. Hier besteht keine Beziehung zwischen der Organisation und den Spendenden.

Schließlich geht es beim Spenden um öffentliche Reputation. Bei Unternehmen ebenso wie bei Privatleuten. Fischer: „Stiftungen sind eine Möglichkeit seinen Reichtum zu zeigen.“

Der Spendenexterte mahnte eindringlich: Bei jungen Menschen muss man mit Aktionen Geld sammeln. „So wie wir Fundraising betreiben, erreichen wir die Generation 70 plus“.

Beitrag von Kurt-Helmuth Eimuth, veröffentlicht am 31. Mai 2016 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe Web.

Eine Religion unter Generalverdachton

Kurt-Helmuth Eimuth. Foto: Ilona Surrey

Vergleiche mit der NS-Zeit sind immer schwierig. Aber wenn der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, warnt, dass erstmals seit den Nazis wieder eine ganze Religionsgemeinschaft bedroht wird, so wird die Ungeheuerlichkeit der Positionen der rechtspopulistischen „Alternative für Deutschland“ zum Islam deutlich. „Eine unerträgliche Grenzüberschreitung und Provokation“ nannte der Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier deren Forderungen. In einer einstimmigen Entschließung betonte der Hessische Landtag, „dass Fremdenhass, die Verklärung des Nationalsozialismus, Islamfeindlichkeit, Sexismus oder das Absprechen der Menschenwürde nicht akzeptabel sind“.

Formal bekennt sich die AfD im Wahlprogramm zwar zur Glaubensfreiheit, doch solle der Staat dieser Schranken setzen. Minarette und Rufe von Muezzins sollen verboten, muslimische Organisationen formal nicht den Kirchen gleichgestellt werden. Die Privilegien einer Körperschaft des öffentlichen Rechts sollen islamische Organisationen nicht erhalten. Außerdem will die AfD die Beschneidung von Kindern verbieten, was auch gegen die jüdische Religionspraxis geht. Man braucht aber nicht weiter zu betonen, dass das Grundgesetz die Religionsfreiheit garantiert. Dies gilt ohne Einschränkungen für alle Religionen, eben auch für den Islam.

Religiöse Radikalisierung gibt es in allen Religionen. Wenn man die Akteure der AfD genau anschaut, dann finden sich hier zahlreiche so genannte „bibeltreue Christen“, die zu den religiösen Scharfmachern zählen. Die FAZ schrieb 2014 sogar: „In der Alternative für Deutschland übernehmen bibeltreue Protestanten die Macht. Längst kritisieren sie nicht mehr nur den Euro, sondern auch Schwule und Muslime. Sogar die Schulpflicht stellen sie in Frage.“

Fundamentalisten, ob christlich oder muslimisch, sind tendenziell antidemokratisch. Eine offene, tolerante Gesellschaft braucht aber eine Kultur der gegenseitigen Anerkennung. Nur so kann man Gemeinsamkeiten feststellen, aber auch Unterschiede aushalten. Wer eine ganze Religionsgemeinschaft, sogar eine Weltreligion, in gehässiger Absicht diskriminiert, stellt sich gegen das Grundgesetz.

Wer Ja zu Kirchtürmen sagt, muss auch Ja sagen zu Minaretten. Unsere leidvolle deutsche Geschichte verpflichtet uns in dieser Hinsicht besonders. Nie wieder dürfen in Deutschland Menschen wegen ihres Glaubens verfolgt werden.

Beitrag von Kurt-Helmuth Eimuth, veröffentlicht am 2. Mai 2016 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe 2016/3 – Mai.