Die christlichen Kirchen in Deutschland verlieren Mitglieder. Bis zum Jahr 2060 wird sich ihre Zahl voraussichtlich halbieren, wie eine aktuelle Studie der Universität Freiburg ergeben hat. Für Frankfurt und Offenbach heißt das, dass in vierzig Jahren wohl weniger als ein Viertel der Bevölkerung der Kirche angehören wird.
er absehbare Rückgang der Kirchenmitglieder ist nur zum Teil mit der Demografie zu erklären, also damit, dass mehr Kirchenmitglieder sterben als geboren werden. Der Hauptgrund ist, dass sich viele aus der Generation um die Dreißig von der Kirche abwenden: Rund ein Drittel aller Getauften tritt bis zum Alter von 35 Jahren aus.
Der Mitgliederschwund der Kirchen vollzieht sich also im dritten und vierten Lebensjahrzehnt, in der sogenannten „Rushhour“ des Lebens. In der Zeit, in der Menschen ins Erwerbsleben eintreten, die ersten Kirchensteuern zahlen müssen, Familien gründen und Kinder bekommen.
Die heute um die Dreißigjährigen werden in zehn oder fünfzehn Jahren die Entscheidungsträger und -trägerinnen der Gesellschaft sein. Kann die Kirche ihnen dann noch vermitteln, warum ihre besondere Stellung nötig ist? Auf einem Plakat der atheistischen Giordano-Bruno-Stiftung ist eine junge Frau zu sehen, die in einer SMS schreibt: „Hallo Kirche, wir sind seit 100 Jahren getrennt, aber du liegst mir noch auf der Tasche. Es reicht!“ Die Deutsche Bahn lehnte das Anbringen des Plakats mit Verweis auf „fehlende Neutralität“ ab. Ob die Verantwortlichen in zwanzig Jahren noch so entscheiden würden, ist fraglich.
Die Kirchen steuern auf eine Legitimationskrise zu. Sie können ihr nur begegnen, wenn sie die 25- bis 40-Jährigen ansprechen. Kontakt zu dieser Altersgruppe haben sie, zum Beispiel in Kindergärten und Krabbelstuben, aber auch im Religionsunterricht. Dort erreichen sie noch alle Familien, dort sind sie noch Volkskirche.
Die Kirchen müssen ihr Anliegen und eine christliche Haltung aber auch vermitteln. Das bedeutet nicht Mission, sondern Kommunikation. So ist Respekt gegenüber allen Menschen sicher eine gute ethische Haltung, aber ihr Ursprung liegt darin, dass Gott alle Menschen geschaffen hat. Klimaschutz ist überlebensnotwendig, aber er begründet sich christlich in der Bewahrung der Schöpfung. Die Kirchen sind von der Überzeugung geprägt, dass der Mensch nicht zerstören darf, was Gott geschaffen hat. Das gilt im Umgang miteinander ebenso wie im Umgang mit der Umwelt. Man darf ruhig etwas von dem Geist Gottes im Alltag spüren. Denn nur die Religionen haben eine Antwort auf die Frage, woher der Mensch kommt und wohin er geht.
Ihrer Legitimationskrise können die Kirchen nur mit Offenheit und dem Hinweis auf ihr Fundament begegnen.
Kurt-Helmuth Eimuth, 3.6.2019