Archiv für 30. März 2012

Nicht nachlassen, Herr Becker!

Evangelisches Frankfurt März 2012

Kurt-Helmuth Eimuth ist Leiter der Redaktion von „Evangelisches Frankfurt“. Foto: Rolf Oeser 

Der Ausbau der Kinderbetreuung geht langsamer voran als geplant. Die Gründe sind vielfältig, auch nachvollziehbar und doch kann das Eltern nicht trösten, die verzweifelt einen Betreuungsplatz für ihr Kind suchen. Besonders prekär ist die Lage in Frankfurt bei den ganz Kleinen und den Großen: Vor allem Krippen- und Hortplätze sind rar.

Grund ist der Geburtenanstieg und der Zuzug junger Familien nach Frankfurt: Jedes Jahr wächst die Zahl der Kinder um etwa 400. Frankfurt ist eben eine Kinderstadt. Und das nicht nur in den Neubaugebieten wie etwa dem Riedberg. Besonders beliebt bei jungen Familien sind auch das Nordend, das Ostend und Sachsenhausen.

In der Summe hat die Stadt seit 2003 bereits weit über 8.000 Kinderbetreuungsplätze neu geschaffen. Eine gewaltige Anstrengung und ein gewaltiges finanzielles Engagement. Jetzt hat der Kämmerer die Reißleine gezogen. Nicht mehr für jedes zweite Kind soll ein Krippenlatz zur Verfügung stehen, sondern nur noch für vierzig Prozent. Mit Recht kann Uwe Becker auf die fehlenden Immobilien, auf fehlende Fachkräfte und auf die erschöpfte Bundesförderung verweisen. Ist zwar nachvollziehbar, war aber vorhersehbar.

Es bleibt also die Frage: Wie will die Stadt den Rechtsanspruch auf eine Betreuung auch der Jüngsten ab dem 1. August 2013 erfüllen? Oder wird sich die Politik aus der Verantwortung stehlen, in dem sie schnell noch eine Übergangsregelung erlässt? Eltern und Gesellschaft haben ihre Einstellung zur Kinderbetreuung in den letzten Jahren verändert. Die hohe Akzeptanz wird dazu führen, dass selbst die jetzt nicht erfüllten Planzahlen dem tatsächlichen Bedarf hinterherhinken.

Die familiäre Planung geht heute davon aus, dass nach der Elternzeit ein Krippenplatz, dann ein Kindergartenplatz und mit der Einschulung eine entsprechende Betreuung in der Schule oder im Hort zur Verfügung steht. Nur so kann eine Berufstätigkeit beider Eltern ermöglicht werden.

Eine Gesellschaft, die demnächst unter einem dramatischen Fachkräftemangel leiden wird, kann es sich nicht leisten, Eltern hier kein attraktives Angebot zu machen. Wir brauchen mehr und wir brauchen sehr gute Kinderbetreuungseinrichtungen. Hier darf nicht gespart werden. Der Kinder wegen, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen. Nachlassen, Herr Becker, gilt nicht.

Kurt-Helmuth Eimuth

Wahlen

Andacht, MAV-Wahl 19.03.2012

Kurt-Helmuth Eimuth

Lied: EG 193, Erhalt uns Herr bei 1-3

Votum:

Im Namen Gottes kommen wir zusammen.

Gott nimmt uns an, wie wir sind.

Jesus gibt unserem Leben Richtung und Sinn.

Gottes Geist ruft uns auf den richtigen Weg.

Herzlich willkommen allen, die sich haben rufen lassen.

Nehmen wir uns an diesem Wahltag Zeit

für uns, für Gott, miteinander.

Amen

Psalm 84, Nr. 734

Lied: 295,Wohl denen die da wandeln, 1-4

Ansprache:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

gestern wurde in Berlin gewählt, heute wird hier gewählt. Sicher ist die Wahl des Bundespräsidenten irgendwie bedeutungsvoller. Aber für mich als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter haben die Entscheidungen meiner Vertretung womöglich konkrete Auswirkungen. Joachim Gauck hat gestern nach seiner Wahl gesagt, dass er eine Wahl nie unbeteiligt an sich vorüberziehen ließe. Er weiß es zu schätzen, dass es in diesem Land demokratische Strukturen gibt. Auch wir sollten keine Wahl ungenutzt vorüberziehen lassen. Also motivieren Sie sich und andere und machen ihr Kreuz.

In unserer Kirche gibt es eben verschiedene Perspektiven und doch steht eines im Mittelpunkt: Gelebter Glaube.

Das Bibelwort zum gestrigen Sonntag hieß:

Wenn nur Christus verkündigt wird auf jede Weise, es geschehe zum Vorwand oder in Wahrheit, freue ich mich darüber.

(Philipper 1,18)

Christus zu predigen ist in unseren Breiten und Zeiten nicht gerade gefährlich – anders als für Paulus. Der saß im Gefängnis, als er dies schrieb.

Auch in der deutschen Geschichte finden wir genügend Beispiele dafür, was auf dem Spiel stand, wenn Christen und Christinnen an ihrer Überzeugung fest und das Wort Gottes den Machthabern entgegenhielten. Das taten diejenigen, die 1934 mit der Barmer Theologischen Erklärung gegen die Nazis bekannten, der Auftrag der Kirche bestehe darin, die Botschaft von der freien Gnade Gottes an das ganze Volk zu richten. Welch ein Trost bedeutete das Evangelium für die Hörenden und welche Kraft wohnte dieser Verkündigung inne.

Heutzutage sind andere Schwierigkeiten damit verbunden, das Evangelium unter die Leute zu bringen, wenn auch keine, die das Leben gefährden. Da ist am Sonntag die kleiner werdende Gottesdienstgemeinde, die treue Schar derer, die noch mit biblischer Sprache und theologischen Begriffen vertraut ist, aber durchaus hohe Erwartungen an Verkündigung und Prediger hat. Und da ist die stetig wachsende Zahl derer, denen das alles nichts mehr sagt und die durch die herkömmliche Art der Vermittlung kaum erreicht wird. Da ist die große Zahl derer, die eher en passant zu bestimmten Gelegenheiten oder bei außergewöhnlichen Anlässen ansprechbar sind, was in der Regel mit einigermaßen hohem Aufwand verbunden ist und einer gewissen personellen und finanziellen Ausstattung bedarf. City-Kirchen spielen in diesem Zusammenhang eine große Rolle.

Und da ist die große Gruppe derer, die wir nur über unser diakonisches Tun erreichen. Gelebte Hilfe ist Verkündigung.

Die äußerst disparate Zielgruppe macht konsequenterweise ganz unterschiedliche Formen der Verkündigung notwendig. Ja, es wird mehr und mehr darauf ankommen, der Vielfalt der Verkündigung Raum zu geben. Wir alle arbeiten als Mitarbeitende des Evangelischen Regionalverbandes an irgendeiner Stelle auf irgendeiner Weise an diesem Werk der Verkündigung mit.

Wenn nur Christus verkündigt wird auf jede Weise, es geschehe zum Vorwand oder in Wahrheit, freue ich mich darüber, schreibt der Apostel Paulus. Wohl wahr.

Lied: EG: 494,In Gottes Namen fang ich an, 1-4

Mitteilungen:

Geburtstage

Gebet:

Gott, schenke uns gesundes, behütetes Leben gib gute Zeit und Tage mit klaren Zielen.

Wir bitten dich darum für uns und alle, die du uns zu unseren Nächsten gemacht hast.

Wir bitten dich um Augen,

die hellsichtig sind für Zeichen der Not,

für Winke zum Helfen;

um offene Ohren,

die uns auch die halblauten Bitten anderer hören lassen.

Wir bitten dich um Fingerspitzengefühl

im Umgang mit schwierigen Menschen;

um ein gutes Gedächtnis für die Sorgen,

die jemand uns anvertraut hat,

und für die Dinge, die wir zu tun versprochen haben.

Wir bitten dich um gute Nerven,

damit wir uns nicht an Kleinigkeiten gegenseitig zerreiben,

denn du willst keine verärgerten Leute.

Wir bitten dich um ein fröhliches Gesicht

und um ein Lächeln, das aus dem Herzen kommt, denn andere sollen sich an uns freuen können.

Du bist uns zugetan, wie eine Freundin, wie ein Freund;

Lass uns freundlich zu den Menschen werden.

Lass uns in allem so gesinnt sein, wie Jesus Christus gesinnt war.

Und was uns noch bewegt, bringen wir vor dich mit den Worten, die Christus uns gelehrt hat:

Vater unser im Himmel,

geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe,

wie im Himmel so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Segen:

Geht in diesen Tag, in diese Woche mit dem Frieden

unseres Gottes:

Der Herr segne dich und behüte dich,

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir

und sei dir gnädig.

Der Herr hebe sein Angesicht auf dich und

gebe dir Frieden. Amen.

Lied: EG: 171, Bewahre uns Gott 1-4

Kirche muss sich auf Veralterung einstellen

Kirche muss sich auf Veralterung einstellen

Winfried Kösters beim Tag der Offenen Tür im Evangelischen Regionalverband Frankfurt. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Die Gesellschaft wird bunter und älter, aber auch kleiner: Der demografische Wandel erzeugt eine in der Geschichte der Menschheit einmalige Situation. Der Anteil der Über-65-Jährigen steige stetig, sagte der Wissenschaftsjournalist Winfried Kösters gestern beim Tag der offenen Tür des Evangelischen Regionalverbandes, und: „Die Zahl der verkauften Inkontinenzwindeln übersteigt schon heute die Zahl der Baby-Windeln.“

Auch wenn Frankfurt im Vergleich zu anderen Regionen in Deutschland eine sehr „junge“ Stadt sei, so müsse doch die evangelische Kirche ihre Zukunft mit älter werdenden Mitgliedern gestalten. Und obwohl in Frankfurt – wie in anderen Metropolen auch – noch relativ viele jüngere Menschen leben, altere auch hier die Bevölkerung im Schnitt.

Kösters zeigte auf, dass der demografische Wandel alle Bereiche des gesellschaftlichen und kirchlichen Lebens betrifft: Kirchengebäude müssten für Menschen mit Rollatoren zugänglich sein. Das Engagement von und für alte Menschen müsse überdacht werden. Die heutigen Rentner und Rentnerinnen seien sehr unterschiedlich. Es komme ja auch niemand auf den Gedanken, bei einem 22-Jährigen und einem 44-Jährigen von ein und derselben Generation zu sprechen. Der 62-Jährige werde aber ebenso wie der 84-Jährige in die Kategorie „Senior“ sortiert.  Die Generation der älteren Menschen müsse viel differenzierter wahrgenommen werden.

Insbesondere auf dem Arbeitsmarkt werde die Veränderung spürbar, so Kösters: „Wir brauchen jedes Kind.“ Trotzdem würden in Deutschland jedes Jahr 65.000 Jugendliche die Schule ohne Abschluss verlassen. Auch die Alten müsse man im Berufsleben anders in den Blick nehmen. In wenigen Jahren bereits werde jeder zweite Beschäftigte älter als 50 Jahre sein. Und man brauche die Potenziale der zugewanderten Menschen. Zudem gebe es auf einem veränderten Arbeitsmarkt auch Chancen für Menschen mit Behinderung.

Die demografische Entwicklung spiegelt sich auch im kirchlichen Personal wider. Zwei Drittel aller Pfarrerinnen und Pfarrer gehen in den kommenden 13 Jahren in Pension, führte Franz Grubauer von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau aus. In der Mitarbeiterschaft Frankfurter evangelischen Kirche sind es 39  Prozent. Die Zahl der Kirchenmitglieder werde gleichen Zeitraum in Frankfurt um gut zehn Prozent schrumpfen, im Rhein-Main-Gebiet sogar um 17 Prozent.

Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt 3.März 2012 via facebook