Archiv für 17. September 2000

Stärker als die Mächte der Gewalt

13. Sonntag nach Trinitatis, 1. Mos.4, 1-16a

17. 9. 00, Epiphaniskirche.

Pfarrerin Marion Eimuth

Kirchenvorsteher: Begrüßung

Orgelvorspiel

Lied: 443, 1-4+6 „Aus meines Herzens“

Pfarrerin: Votum:

Im Namen Gottes kommen wir zusammen.

Gott nimmt uns an, wie wir sind.

Jesus gibt unserem Leben Richtung und Sinn. Gottes Geist ruft uns auf den richtigen Weg.

Amen.

Pfarrerin und Gemeinde:

Eingangspsalm 36, Nr. 719:

Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist,

und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.

Deine Gerechtigkeit steht wie die Berge

Gottes und dein Recht wie die große

Tiefe.

Herr, du hilfst Menschen und Tieren.

Wie köstlich ist deine Güte, Gott,

daß Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben!

Sie werden satt von den reichen Gütern

Deines Hauses,

und du tränkst sie mit Wonne wie mit

einem Strom.

Denn bei dir ist die Quelle des Lebens,

und in deinem Lichte sehen wir das Licht.

Kommt, laßt uns anbeten

Gemeinde: Ehr sei dem Vater und dem Sohn

Pfarrerin Schuldbekenntnis:

Gott, du läßt uns deine Güte und Freundlichkeit erfahren – jeden Tag.

Vor dir breiten wir aus, was unser Zusammenleben so schwer macht. Wir nehmen deine Gaben in Empfang, aber wir sind nur selten bereit, sie mit anderen zu teilen.

Im Umgang miteinander bringen wir die Geduld nicht auf, die du immer wieder mit uns hast.

Wir geben die Liebe nicht weiter, die du uns zuwendest. Wir möchten gern anders leben, darum bitten wir dich: Öffne uns die Räume des Denkens und Handelns,

Gott, erbarme dich!

Kantorin und Gemeinde:

K: Kyrie eleison.

G: Herr, erbarme dich.

CH: Christe eleison.

G: Christe erbarme dich.

Ch: Kyrie eleison.

G: Herr, erbarm dich über uns.

Pfarrerin Gnadenwort:

Auch, wenn wir am Ende zu sein scheinen meistens gibt es doch einen neuen Anfang.

Auch, wenn uns Dunkelheit umhüllt irgendwo leuchtet doch ein kleines Flämmchen. Auch, wenn wir uns einsam und verlassen fühlen irgendwo bist Du, Gott.

Du gibst uns nicht auf,

Du wendest zum Guten, was wir versäumt haben.

Deine Liebe ist größer als unsere Schuld.

Darum können wir uns freuen und sprechen:

Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat!

Kantorin und Gemeinde:

K: Ehre sei Gott in der Höhe

G: und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen.

Gemeinde:

Wir loben, preis’n anbeten dich,

für deine Ehr‘ wir danken,

daß du Gott Vater, ewiglich

regierst ohn‘ alles Wanken.

Ganz ungemess’n ist deine Macht,

fort g’schieht, was dein Will‘ hat bedacht:

Wohl uns des feinen Herren!

Pfarrerin:

Der Herr sei mit euch…

Gemeinde:

… und mit deinem Geist.

Gebet (Kollektengebet):

Gott, du stellst unsere Füße auf weiten Raum. Wir sind frei, den Weg einzuschlagen, den wir gehen wollen.

Solange du das Ziel unserer Wege bist,

dürfen wir erhobenen Hauptes einhergehen

und brauchen keine Angst zu haben.

Gefahr lauert nur da, wo wir andere Ziele verfolgen. Abgründe sind verlockend.

Wir sehen uns gerne in der Rolle des Opfers.

Wenn schon, dann wollen wir selbst die Nächsten sein, denen auf wunderbare Weise geholfen wird.

Gott, es fällt uns nicht leicht, uns zu unserer Mittäterschaft am Totschlag des Lebens heute zu bekennen.

Dein guter Geist leite uns und zeige uns die Richtung, damit wir nicht umherirren und ohne Orientierung sind.

Darum sammle jetzt unsere Gedanken zu dir hin, daß wir zur Stille finden aus der Unruhe unseres Alltags. Das bitten wir durch Jesus Christus. Amen.

Kirchenvorsteher Schriftlesung:

Lukas 10, 25-37

Gemeinde:

Halleluja, Halleluja, Halleluja

Pfarrerin und Gemeinde:

Glaubensbekenntnis:

Laßt uns Gott loben und preisen mit dem Bekenntnis unseres Glaubens.

Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.

Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel;

Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vater; von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.

Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben. Amen.

Lied:

343, 1-5 „Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ“

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn Jesus Christus, Amen.

Text: 1. Mose 4, 1-16a

Und Adam erkannte sein Weib Eva, und sie ward schwanger und gebar den Kain und sprach: Ich habe einen Mann gewonnen mit Hilfe des Herrn. Danach gebar sie Abel, seinen Bruder. Und Abel wurde ein Schäfer, Kain aber ein Ackermann. Es begab sich aber nach etlicher Zeit, daß Kain dem Herrn Opfer brachte von den Früchten des Feldes. Und auch Abel brachte von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Und der Herr sah gnädig an Abel und sein Opfer, aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an. Da ergrimmte Kain sehr und senkte finster seinen Blick. Da sprach der Herr zu Kain: Warum ergrimmst du? Und warum senkst du deinen Blick? Ist’s nicht also? Wenn du fromm bist, so kannst du frei den Blick erheben. Bist du aber nicht fromm, so lauert die Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen: du aber herrsche über sie. Da sprach Kain zu seinem Bruder Abel: Laß uns aufs Feld gehen! Und es begab sich, als sie auf dem Felde waren, erhob sich Kain wider seinen Bruder Abel und schlug ihn tot. Da sprach der Herr zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Er sprach: Ich weiß nicht; soll ich meines Bruders Hüter sein? Er aber sprach: Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der Erde. Und nun: Verflucht seist du auf der Erde, die ihr Maul hat aufgetan und deines Bruders Blut von deinen Händen empfangen. Wenn du den Acker bebauen wirst, soll er dir hinfort seinen Ertrag nicht geben. Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden. Kain aber sprach zu dem Herrn: Meine Strafe ist zu schwer, als daß ich sie tragen könnte. Siehe, du treibst mich heute vom Acker, und ich muß mich vor deinem Angesicht verbergen und muß unstet und flüchtig sein auf Erden. So wird mir’s gehen, daß mich totschlägt, wer mich findet. Aber der Herr sprach zu ihm: Nein, sondern wer Kain totschlägt, das soll siebenfältig gerächt werden. Und der Herr machte ein Zeichen an Kain, daß ihn niemand erschlüge, der ihn fände. So ging Kain hinweg von dem Angesicht des Herrn.

Liebe Gemeinde,

Da ist eine der biblischen Geschichten, die die Erschaffung der Welt und die Entwicklung der Menschheit erklären will. In all diesen Geschichten vom Anfang – der Schöpfung, dem sogenannten Sündenfall, dem Turm von Babel und hier der Brudermordgeschichte – geht es um die Frage: Warum ist unser menschliches Leben so, wie wir es erleben? Warum gibt es diese herrliche Vielfalt an Geschöpfen – und doch ist die Freude immer wieder getrübt? Warum müssen wir uns plagen mit unserer Arbeit, Schmerzen haben bei der Geburt der Kinder; warum gibt es Gewalt und Tod; warum Feindschaft zwischen Völkern und sogar zwischen Brüdern?

Und für all diese Situationen, die in jeder Menschengeneration wieder vorkommen und die uns das Leben oft schwer machen, da gibt es so eine Geschichte am Anfang der Bibel, die sagt: So war es mit den Menschen von Anfang an. Schon die ersten Menschen waren nicht zufrieden, selbst im Paradies nicht, sondern wollten sein wie Gott. Und schon das erste Brüderpaar zerstritt sich und wurde einer des andern Opfer. So ist der Mensch von Anfang an. Das sagen diese Geschichten. Dies geschieht immer und immer wieder. Weil da etwas schief läuft zwischen den Menschen und Gott und weil es oftmals auch nicht stimmt in der Beziehung von Mensch zu Mensch.

Es sind also keine Geschichten, wie es vielleicht mal gewesen sein könnte, sondern Geschichten vom Menschen, wie er von Anfang an und bis heute ist, ob er nun Adam heißt oder Esau oder Wilhelm, ob Eva oder Lisa. Es sind Geschichten zu der Frage: Was läuft hier eigentlich ab unter uns, immer neu und anders, aber im Grunde doch immer wieder dasselbe? Anders ausgedrückt: Welche Verhaltens- und Kommunikationsmuster bestimmen unseren Alltag?

Von dieser Frage her wollen wir also auch die Geschichte der zwei Brüder hören. Als Geschichte von zwei Menschen, die eigentlich zusammengehören, aber so verschieden sind, dass sie aneinandergeraten.

Kain ist der Ältere und sicher auch der Stärkere. Vielleicht ist er auch von der Mutter besonders verwöhnt worden. Denn wie stolz ist ihr Ausruf bei seiner Geburt: Ich habe einen Mann geschaffen mit Gottes Hilfe!

In den zwei Brüdern sind zwei verschiedene Lebensarten wiedergegeben. Der eine, der mit viel Mühe und Anstrengung dem Boden Früchte abgewinnen will, – und der andere, der eher beschaulich Schafe hütet, nur dann und wann zum mutigen Verteidigen vor wilden Tieren herausgefordert wird. Jeder tut seine Arbeit, aber der eine versteht nicht viel von der Arbeit des andern. Und so denkt jeder vom andern, dass der es doch viel besser hat. Der muß sich nicht so viel körperliche anstrengen, der andere lebt nicht in so großer Gefahr. Der eine kann immer zum Ausruhn und Essen nach Hause kommen, der andere bekommt besonders gute Sachen in seine Tasche gepackt.

Grund für solches vergleichendes Hin- und Herschauen gibt es immer. Unter Geschwistern genauso wie unter Arbeitskollegen, unter Nachbarn wie unter Völkern. Es ist die Angst, zu kurz zu kommen, es ist das heimliche Aufpassen, ob der andere es nicht viel besser, viel leichter, viel schöner hat. Aber wir übersehen dabei leicht, dass wir ja gar nicht so viel wissen von dem Leben des andern. Hat nicht jeder Vorteil auf der einen Seite einen Preis auf der andern, den wir nicht zahlen wollten?

Dieses misstrauische Beäugen findet erst mal nur im Stillen statt. Ausbrechen in hellen Zorn tut es erst, wenn etwas offensichtlich Ungerechtes geschieht.

Anlass bei Kain ist, dass ihrer beider Opfer verschieden angesehen wird. Beide haben, wie es der religiösen Vorstellung früherer Zeiten entsprach, ein Opfer gebracht als Dank und als Bitte an Gott, sie weiter gut zu versorgen.

Der eine bringt Früchte des Feldes, der andere Jungschafe. Und Gott macht Unterschiede.

In einer Kinderbibel ist ein Bild, das zeigt wie Abels Rauch schön und hell nach oben steigt, Kains Rauch aber in einer dunklen Wolke nach unten gedrückt bleibt. Diese Vorstellung zeigt vielleicht einfach den Unterschied im Erfolg: im Jahr darauf war schlechtes Wetter und die Ernte fiel für Kain schlecht aus, Abels Schafe aber fanden immer grüne Wiesen und gedeihten prächtig. Und darum wird Kain wütend, dass sein Opfer wohl nichts zählt und all seine schwere Arbeit umsonst war.

Das ist eine Lebenserfahrung, die wir auch immer wieder machen: dem einen geht es gut, obwohl er egoistisch ist, sein Leben nur an seinem eigenen Vorteil orientiert. Der andere ist krank und elend, obwohl er immer ein freundlicher und bescheidener Mensch war. Diese Ungerechtigkeit – wie wir das empfinden – geschieht immer und immer wieder. Dann sehen wir uns leicht auch von Gott ungerecht behandelt.

Als die Ärzte mir nach einer schweren Operation mitteilten, ich dürfte keine Kinder bekommen, sah ich nur noch junge Mütter und schwangere Frauen, voller Neid betrachtete ich die Kinder. Warum durfte ich keine Kinder bekommen und es gab doch einige die hatten Kinder und wollten keine, warum diese Ungerechtigkeit!

Ich denke, jeder kennt solche Gedanken bei sich – vielleicht selten, vielleicht häufiger. Auch die Frage, warum muss mir das zustoßen? ist so eine vergleichende, unglückliche Frage. Man wünscht das Unglück ja nicht unbedingt jemand anderem. Aber man beneidet den, dem es besser geht.

Als Ausdruck der Traurigkeit und der Hilflosigkeit ist das auch ein ganz natürliches Gefühl. Aber wir müssen doch wissen, dass sie der Anfang sein können für ein verdorbenes Lebensverhältnis, für ein verdorbenes Verhältnis zu den Menschen um mich.

Gott warnt vor dieser Blickweise. Es ist ein geducktes, ein unfreies, ein unzufriedenes Beäugen der anderen. Und schon in diesem Umsichschauen ist die Gefahr angelegt, dass ich dem andern gegenüber grob werde. Grob mit Worten oder mit Gesten oder gar mit direkter gewaltsamer Tat.

Gott aber traut uns Menschen zu, sich dieser Macht in uns entgegenzustellen. Er traut uns Menschen zu, stärker zu sein als das Gefühl der Benachteiligung und der Wut und der Drang nach einem Ausleben der Aggression.

Aber Kain reagiert nicht darauf. Als hätte er es nicht gehört, fordert er Abel auf, mit ihm aufs Feld zu gehen. Denn dort will er’s ihm zeigen.

So ist das meist mit der Wut. Wenn sie erst mal da ist, hilft kaum noch ein gutes Wort. Dann ist die Kraft so stark, dass sie kaum zu bändigen ist.

Darum sind auch die gewaltbereiten Jugendlichen auf die Dauer eine Gefahr. Sie haben offenbar ein solches Potential an Wut in sich gestaut, dass sie keinen andern Weg der Entladung finden als die Gewalt. Die Gewalt selber erscheint als das einzige Mittel, all die angesammelten Enttäuschungen und Benachteilgungen und Drucksituationen wieder loszuwerden, wenigstens für kurze Zeit. Wie schwer ist es dann, wieder sprachfäig zu werden und ein Gefühl der Geborgenheit zurückzugewinnen.

Nach dem Mord ertönt in Kain noch einmal die Stimme. Die Stimme, die nach dem Bruder fragt. Aber Kain versucht sich herauszureden durch die freche Frage: Soll ich meines Bruders Hüter sein? Also etwa: Braucht der Hirte denn selber einen Hirten?

Und diese Frage ist über die Menschheit hin Ausrede geblieben, um die Augen verschließen zu können vor dem Leid anderer, vor Hilferufen, die uns belasten, und sogar vor dem Unrecht, dass wir an anderen begehen. Soll ich meines Bruders Hüter sein? Mir hilft ja auch keiner, heißt es dann; oder: die sind ja selber dran schuld; oder: der hat mich schließlich provoziert.

Immer wieder der Versuch, sich aus der Verantwortung zu ziehen, mit sich selber genug zu tun zu haben. In unserm Land etwa macht sich dieses Denken breit. Jeder versucht, möglichst auf seine Art erfolgreich zu sein, auch auf Kosten anderer. Die sich häufenden Bedrohungen und Verletzungen Behinderter oder ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger durch rechtsradikale Jugendliche sind nur der zugespitzte Ausdruck des sich immer mehr ausbreitenden Denkens.

Gott aber schaut auf die Schwachen. Von Anfang an ist Gott mehr auf der Seite der Schwachen. „Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der Erde.“ Gott achtet sehr wohl darauf. Keines der Opfer von Gewalt ist bei Gott vergessen und vergraben. Die Stimme all derer, die von Stärkeren Rücksichtslosen und gottvergessenen Menschen gequält werden, kommt bei Gott an und Gott wird das Unrecht verfolgen, auch wenn kein menschliches Gericht dahinter kommen oder sich dafür interessieren sollte.

Gott straft Kain. Und plötzlich fürchtet sich der starke und gewalttätige Kain vor der Einsamkeit und vor der Gewalt. Seine Gewalttat hat auch in ihm selber alles Vertrauen in das Leben zerstört. Er bittet Gott um Milde.

Und so erstaunlich es ist: auch wenn nun Kain ohne Gottes Nähe leben wird, „jenseits von Eden“ (so der eindrucksvolle Roman John Steinbecks zu dieser Problematik), so hat Gott doch auch da wieder für seinen Schutz gesorgt und ihn nicht völlig aus seiner Hand gegeben.

Wenn wir uns in Abel hineinversetzen, mag uns das vielleicht zu großzügig erscheinen. Wenn wir aber begreifen, dass auch wir in dieser und jener Situation eher dem neiderfüllten oder wütenden Kain ähneln, – dann kann das unser Trost sein: Gott sucht immer wieder das Gespräch mit uns. Er ruft uns immer neu zurück und lässt uns auch in der Gottesferne nicht ganz allein.

Später dann hat Gott einen andern unsern Bruder werden lassen. Auch er wurde Opfer der Gewalt. Aber Gott machte deutlich, dass in seiner Art zu leben die Zukunft und das Leben steckt.

Von daher können wir neue Hoffnung gewinnen: wir sind nicht einfach Kinder Kains. Wir sind Geschwister Jesu. Und von daher können wir die Kraft finden, stärker zu sein als die Mächte der Gewalt, die uns umgeben. Amen.

Lied:

316,1-5 „Lobe den Herren, den mächtigen“

Fürbittengebet:

Gott, du bist die Güte, aus der wir leben

Du glaubst an uns, laß uns darauf zugehen an diesem Tag und alle Tage unseres Lebens. Nimm die Kleinlichkeit und die Ängstlichkeit aus unserem Glauben, nimm die Zweifel aus unseren Niederlagen und die Verachtung aus unseren vertanen Möglichkeiten. Und laß uns leben, damit wir uns finden in dir, uns und die Menschen neben uns.

Gott, du glaubst an uns, an Jesus damals und an unser menschliches Angesicht heute.

Wir denken jetzt an die Frauen und Männer, an die Jugendlichen und alten Menschen, denen die Freude an sich und anderen genommen ist, die sich nicht ausstehen können, weil niemand zu ihnen hält, die sich abgeschrieben haben, weil niemand in ihren Augen liest, die es sich nicht recht machen können, weil niemand sie braucht.

Gott, du glaubst an sie.

Laß die Unmenschlichkeit ein Ende haben und zeige ihnen neuen Sinn in ihrem Leben.

Uns aber hilf, ihnen zu helfen.

Wir denken an die Frauen und Männer unter uns, die Freude und Hoffnung ausstrahlen an den Orten, an denen sie leben,

die manchmal ausgelaugt und müde sind von der Last der Pflege anderer, denen manchmal zum Weinen zumute ist, weil sie sich überfordern.

Gott, du glaubst an sie.

Aus dem Möglichen, das wir tun können,

aber auch aus unseren Grenzen willst du das Unmögliche schaffen:

daß wir gern auf dieser Erde und mit diesen Menschen leben wie Jesus uns ermutigt hat.

Gott, der du Hüter über Leben und Tod bist,

wir bitten dich, sei du bei denen, die um Helmut Mackel aus der Nordendstraße 32 a der im Alter von 83 Jahren verstorben ist, trauern. Tröste die Hinterbliebenen. Laß sie Kraft gewinnen aus dem Glauben, daß auch der Tod uns durch deine Liebe nicht trennen kann.

Und gemeinsam beten wir:

Vater unser im Himmel!

Geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe,

wie im Himmel, so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich und die Kraft

Und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Segen:

Gott segne dich und behüte dich,

Gott lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,

Gott hebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.

G: Amen, Amen, Amen.

Schlußlied:

171, 1-4 „Bewahre uns Gott“

Musik

22

Religiöse Kunst inmitten der Stadt

Evangelisches Frankfurt September 2000

Religiöse Kunst mitten in der Stadt
von Kurt-Helmuth Eimuth

Frankfurt hat eine Skyline. Die Hochhäuser der Banken sind das augenfällige Wahrzeichen der Stadt. Längst haben die Banktürme die Kirchtürme um Längen geschlagen. Doch wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, findet inmitten der Häuserschluchten und Fußgängerzonen unvermutet Kunst mit christlichem Hintergrund. Kurt-Helmuth Eimuth flanierte für das „Evangelische Frankfurt“ durch die Innenstadt.

Kunst am und im Bau gehört zum guten Image einer Bank. Die Gestaltung des Gebäudes von UBS Schröder Münchmeyer Hengst in der Friedensstraße, unmittelbar neben dem Frankfurter Hof, irritiert. Ian Hamilton Finaly hat sechs schwarze Granitplatten, Gesetzestafeln gleich, mannshoch an der Außenfassade aufgestellt.
Finlay versteht sich als Dichter und nicht als bildender Künstler. So hat er sechs Texte ausgesucht, die er auf die schwarzen Granitplatten meißeln lies. Da die Texte in englisch gehalten sind und es schon sehr guter Sprachkenntnisse bedarf, sie zu übersetzen, blieben sie von den Passanten weitgehend unbeachtet. Doch die im Stil einer lexikalischen Definition ausgesuchten Texte mahnen, den Wert des Geldes nicht zu überschätzen. So findet sich etwa zur Definition eines Pfennigs, der als „Münze von einigem Wert“ bezeichnet wird, das Zitat aus dem Matthäusevangelium: „Kauft man nicht zwei Sperlinge um einen Pfennig? Und doch fällt von ihnen keiner zur Erde ohne meinen Vater“. Und als Mahnung für das Gemeinwesen einzustehen, wird der Überfdluss als „ein Mangel an Sack und Asche“ bezeichnet.

Inmitten des Einkaufstrubels auf der Zeil, zwischen Katharinenkirche und Kaufhof steht die Bronzeplastik „David und Goliath“ von Richard Heß. Mit dieser Arbeit wollte der 1937 in Berlin geborenen und heute in Darmstadt lebende Künstler „ein Denkmal für den erhofften Sieg des Geistes über die rohe Brutalität der Welt, der Kultur über den Kommerz“ zu schaffen.
Von den meisten Vorübergehenden wird die Plastik kaum wahrgenommen, vielleicht, weil sie als Versammlungsfläche für Menschen ohne Wohnung fungiert oder weil das Kunstwerk erst aus einer gewissen Entfernung in seiner Gesamtheit wirkt. David sitzt auf dem riesigen Kopf und den gebrochenen Gliedern des Goliath. In der Hand hält er die Steinschleuder.

Engel auf dem Klaus-Mann-Platz, Foto: Reinhard Dietrich

Eher am Rande der Innenstadt, vor dem Eldorado Kino, findet sich eine kleine Engelfigur. Zwischen Kneipen, Boutiquen und Cafés hat Rosemarie Trockel auf dem Klaus-Mann-Platz ein Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus geschaffen. Die Inschrift erinnert an sie, der Engel zeigt die Verletzungen. Die zart anmutende, eher geschlechtslose Figur wurde einem Gipsmodell von 1860 für das Westportal des Kölner Doms entnommen.
Doch die von Trockel geschaffene Bronzefigur weist Verletzungen auf. Die Flügel sind gestutzt und der Kopf wurde von der Künstlerin abgeschlagen und sichtbar verrenkt wieder aufgesetzt. Die Schönheit des Engels, dessen Ästhetik auch im Zusammenspiel mit dem Engel der ehemaligen Engel-Apotheke im Eckhaus gegenüber besonders hervortritt, wird durch diese Verletzungen gebrochen. In der Widmung des Mahnmals heißt es: „Homosexuelle Männer und Frauen wurden im Nationalsozialismus verfolgt und ermordet. Die Verbrechen wurden verleugnet und verurteilt.“
Die Provokation dieses Kunstwerkes, aufgestellt inmitten der Schwulenszene, in unmittelbarer Nähe der von Tom Fecht geschaffenen Klagemauer für die Frankfurter Aids-Toten am Petersfriedhof, zeigt die Auseinandersetzung um den Standort. Er mußte der Kommune regelrecht abgetrotzt werden. Die Finanzierung des Kunstwerkes übernahm ebenfalls die Bürgerschaft.

U-Bahn-Station
Gänzlich unvermutet begegnet man biblischer Überlieferung im U-Bahnnetz. Beim Ausbau der neuen Linie 7 wurden zahlreiche Haltepunkte individuell gestaltet. So greift die Haltestelle „Kirchplatz“ im Stadtteil Bockenheim Motive aus der nahen Jakobskirche auf. Die Station Habsburger Allee hat Manfred Stumpf mit einem Esels-Zyklus versehen. Das Wandmosaik ist in schwarz und weiß gehalten und erinnert an den Einzug in Jerusalem.
Eine männliche Figur auf einem Esel reitend hält einen Palmzweig in den Händen. Die ingesamt 66 Esel sind – wie die U-Bahnen auch – Transportmittel. Ein Esel ist jeweils beladen, der darauffolgende nicht. Ein Esel trägt eine Frau mit Kind, Maria mit dem Jesuskind auf der Flucht nach Ägypten t. Ein Esel tritt als Engel in Erscheinung, ein anderer trägt das Kreuz als Passionswerkzeug.
Neben diesen religiösen Bildern werden auch Alltagsgegenstände und Konsumgüter transportiert, etwa Waschmaschine, Einkaufswagen, Scheckkarte, aber auch Symbole wie: eine Weltkugel, ein Atommodell, eine Wolke. Das Wandmosaik ist eine Computerzeichnung. Das einzelne Pixel des Computerbildes entspricht den quadratischen Mosaiksteinchen. Während des Wartens auf die nächste U-Bahn lädt der Esels-Zyklus zum Meditieren und Nachdenken ein. Auf die Reise des Menschen ist der Einzug in Jerusalem gleichnishaft zu übertragen.
In der U-Bahn-Station Zoo kommt die ganze bunte Tierwelt an der einen Seite der Station aus der Arche Noah heraus und auf der anderen Seite gehen die Tiere paarweise in die Arche Noah hinein. Anfangs wurde darüber debattiert, ob die kunterbunte Bilderwelt, die das Team Hans-Jürgen Dietz und Nicolas Vassilev nach Entwürfen der Malerin Hildegard Lackschewitz gestaltet hat, überhaupt Kunst sei. In frischen bunten Farben ist diese Station gestaltet. Die Tiere und Pflanzen stellen sich als Teil der Schöpfung dar. Der Regenbogen als Zeichen der Verbundenheit zwischen Gott und den Menschen überspannt die Station.

Frankfurt – ein Freilichtmuseum
Fragen an den Leiter des Dommuseums August Heuser

August Heuser

Sie verwalten im Dommuseum eher Geschichte. Welche Beziehung haben Sie zur zeitgenössischen Kunst.
Ich bin ein großer Freund der zeitgenössischen Kunst. Sie ist vielfach sehr lebendig und bringt Bewegung und Auseinandersetzung ins tägliche Leben. Sie provoziert, das heißt sie ruft aus dem täglichen Trott der Gedanken und Wahrnehmungen heraus.

Frankfurt wird häufig als die Stadt des Geldes gesehen. Ist sie aber nicht auch eine Stadt der Kunst?
Natürlich ist Frankfurt eine Stadt der Kunst. Nicht nur die Museumslandschaft ist vielfältig und reich. Schauen Sie sich auf den Straßen und Plätzen der Stadt um. Da ist in den vergangenen Jahren ein richtiges Freilichtmuseum für zeitgenössische Skulptur, für Installationen und Bilder entstanden. Wenn man alles, was da nationalen und internationalen Rang hat zusammentrüge, dann müßte man in Frankfurt ein weiteres neues Museum bauen.

Kinder und Fernsehen: Die Elterngeneration hat gelernt, dass Fernsehen dumm macht. Doch in der Mediengesellschaft des 21. Jahrhunderts führt (fast) kein Weg am Fernsehen vorbei. In einem Workshop, veranstaltet vom evangelischen Medienhaus und dem Netzwerk Kommunikation und Medien (Komed) wurde das Kinderfernsehen untersucht und auch die Frage nach der Religion im allgegenwärtigen Medium gestellt.