Archiv für 30. Oktober 2001

Evangelischsein ist eine Lebenshaltung

Kurt-Helmuth Eimuth

Reformationsandacht

Fachschule für Sozialpädagogik

30.10.2001

Orgelvorspiel

Gemeinde: Eingangslied: EG 362, 1-4 Ein feste Brug

Votum:

ich begrüße Sie herzlich zu dieser Reformationsandacht.

Wir feiern diese Andacht im Namen Gottes,

Gott nimmt uns an, wie wir sind.

Im Namen Jesu Christi

er gibt unserem Leben Richtung und Sinn.

Und im Namen des Heiligen Geistes

Er ruft uns auf den richtigen Weg. Amen

Lassen Sie uns im Wechsel den Psalm 143 beten. Er steht im Liederbuch unter der Nummer 755

Gebet

Guter Gott,

wir gedenken deiner Worte und Taten,

mit denen du Menschen Herzen und Gedanken bewegt hast.

Sprich heute zu uns und stärke uns an diesem Tag,

damit neues Leben in uns und durch uns entsteht:

Leben in deiner alt gewordenen Kirche,

Leben in den klein gewordenen Gemeinden,

Leben in der Mitte und an den Rändern

Leben draußen und drinnen.

Dazu sende deinen Heiligen Geist

Amen.

Gemeinde: Lied 341, 1-4 Nun freut euch lieben Christen

Predigt:

Predigttext:

Ich lese aus dem 5. Kapitel des Galaterbriefes die Verse 1-6

Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und laßt euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen! Siehe, ich, Paulus, sage euch: Wenn ihr euch beschneiden laßt, so wird euch Christus nichts nützen. Ich bezeuge abermals einem jeden, der sich beschneiden läßt, daß er das ganze Gesetz zu tun schuldig ist. Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt, und seid aus der Gnade gefallen. Denn wir warten im Geist durch den Glauben auf die Gerechtigkeit, auf die man hoffen muß. Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.

Liebe Gemeinde,

Im Mittelpunkt des heutigen Bibeltextes steht der Abschnitt: „Befreit zur Freiheit“.

„Wir wollen frei sein, um uns selbst zu finden“, heißt es in einem neuen geistlichen Lied. Auch das Lied von Reinhard Mey ist, denke ich, vielen bekannt: „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“. Und wenn man Leute fragt, was denn wohl der gute Grund ist, evangelisch zu sein, dann sagen sie: die Freiheit – Evangelische Freiheit.

Eigentlich begann alles mit einem Plakat, einigen Hammerschlägen an die Tür der Schloßkirche zu Wittenberg. Am 31. 10. 1517 schlägt der Augustinermönch und Professor für Bibelwissenschaften ein Blatt mit 95 Thesen an die Tür der Schloßkirche zu Wittenberg. Daß diese Hammerschläge nicht nur die Tür, sondern ganz Europa erschüttern werden, das ahnte damals niemand. War dieser Anschlag, doch kein Anschlag auf die römische Kirche, nein, einfach ein Aushang von 95 Thesen zur Frage von Ablaß und Gnade; für die Kollegen an der Universität Wittenberg zum Nachdenken gedacht. Und Wittenberg, das war weiß Gott nicht der Nabel der Welt, ein Provinznest in einer Ecke am Rande des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.

Der Anlaß: Ein Dominikanermönch namens Thetzel predigte in den magdeburgischen Nachbarorten Wittenbergs und forderte die Menschen dazu auf, Ablaßbriefe zu kaufen, was ihnen Erlösung aus dem Fegefeuer nicht nur für sich selbst, sondern auch für die verstorbenen Eltern versprach. „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Feuer springt“.

Dagegen richtet sich der Widerstand in Wittenberg. In These 79 stellt Luther klipp und klar fest: Zu sagen: Das Ablaßkreuz mit dem Wappen des Papstes, prächtig aufgerichtet, habe die gleiche Geltung wie das Kreuz Christi, ist Gotteslästerung.“

Offenbar trifft Luther den Geist der Zeit. Der Protest weitet sich aus:

Im Oktober 1519 verbrennt Luther vor dem Elstertor in Wittenberg das kanonische Recht, welches nach seinem Anspruch göttliches Recht ist. Luther und seine Mitstreiter sagen: Es ist samt und sonders menschliche Erfindung, mehr noch, die Freiheit des Christenmenschen wird durch die Kirche geknebelt.

Ostern 1525: Ein Wagen mit Heringsfässern fährt durch das Stadttor von Wittenberg. In den Fässern sind neun geflohene Nonnen aus dem Kloster Nimbschen. Sie hatten die Lehmwand des Klosters durchbrochen. Draußen warteten zum verabredeten Zeitpunkt die Fluchthelfer. Acht von diesen neun Frauen bringt Luther unter die Haube. Der neunten war der angebotene heiratswillige Kandidat zu geizig.

„Den Luther aber“, sagt sie, „den würde sie wohl nehmen.“ Und Luther – so die Überlieferung – willigt ein, obwohl er schon um die 40 ist und damit rechnet, auf dem Scheiterhaufen zu enden. Schließlich war er ja in Bann und Acht. Übrigens bis heute.

Aus der Ehe zwischen einer Nonne und einem Mönch geht das protestantische Pfarrhaus hervor. Die Absage an den Zölibat wird nicht nur theoretisch gefordert, auch praktisch vollzogen. Und fasse ich den Sinn dieser drei kurzen Schlaglichter zusammen. So geht es um Freiheit.

Freiheit von religiöser Ausbeutung. Freiheit des Wortes Gottes gegenüber menschlicher Erfindung und Freiheit des persönlichen Lebens.

Die Mittel der römischen Kirche hatten ausgedient, ihr unbeweglicher Machtapparat war ganz mit sich selbst beschäftigt. Die Privilegien seiner Funktionäre so kostspielig, daß andere dafür hungern mußten. Pfaffenhaß und groß‘ Geschrei, landauf, landab. Es bedurfte nur noch einer Stimme, die es aussprach. Jemand, der innerlich befreit war. Dem die allgegenwärtige Drohung mit dem zornigen und strengen Gott nichts mehr anhaben konnte. Der überzeugt war, daß Kirche etwas anderes sein muß als des Papstes Finanzamt von Gottes Gnaden. Mit Luther war diese Stimme auf dem Plan. Dem äußeren Kampf war eine harte innere Auseinandersetzung vorangegangen, bevor die Fesseln fielen, die auch sein Gewissen gebunden hatten.

Haben wir sie noch die Freiheit Luthers, unseren Glauben ganz von vorn durchzubuchstabieren? Oder sind wir unfähig geworden zur Selbstkritik wie die römische Kirche zur Zeit Luthers? Ein neues Lied wir heben an … doch die neuen Lieder sind alt geworden. Nach Luther kamen die Lutheraner, nach der Reformation die Konfession.

Wir werden Luther nicht gerecht im Nachbeten seiner Worte. Der Vorgang „Reformation“ zwingt zur Selbstklärung: Eine Kirche ohne Entwicklung gerät in die Abwicklung. Auch zur Selbstklärung gegenüber der Reformation selbst.

Eine Wechselwirkung, die im heutigen Soazialmanagement gerade wiederentdeckt wird. Im Prozeß der Qualitätsentwicklung heißt dieser reformatorische Prozeß: Stillstand ist Rückschritt. Organisationen – auch Schulen – müssen ständig auf die sich verändernden Anforderungen regieren und sich in der Folge ständig verändern.

Aber zurück zu Martin Luther: Er hat uns auf die zentrale Botschaft des christlichen Glaubens hingewiesen. Der christliche Gott ist ein befreiender und keiner der den Menschen klein macht und mit lauter Angst füllt.

Gestern rief mich eine Kindertagesstättenleiterin an und fragte um Rat, da sich Eltern einer christlichen Gemeinde darüber beschwert haben, dass sie mit den Kindern Haloween feiere. Schließlich erscheine in diesen Masken der Satan. Keine Frage, für diese Eltern ist dies eine reale Bedrohung ihrer Seele. Doch die Botschaft des Evangeliums verstehe ich so, dass wir uns eben frei machen können von solchen Ängsten.

Die Freiheit von religiöser Bevormundung ist unaufgebbar. Nicht Angst und Furcht vor Gott sollen uns den Atem rauben, der von Paulus verkündigte Gott der Gnade soll uns zum Leben befreien. Luther hat es erlebt und in Worte gefaßt. Die Menschen sind ihm nicht gefolgt, weil sie ihm geglaubt haben. Sie haben ihm geglaubt, weil sie gleiches erlebt haben. Aber ist die Frage nach dem gnädigen Gott noch die zentrale Frage der Menschen, mit denen wir heute zusammenleben?

Viele Menschen erfahren Gott nicht mehr und verabschieden sich. Gott selbst muß zu uns reden, dann geschieht Reformation. Von fremden Erfahrungen kann niemand leben. Luther kann uns nicht aus unserer Sprachlosigkeit erlösen, Gott selbst muß es tun.

Die Frage: katholisch oder evangelisch, oder was ganz anderes? Gehört in die Privatsphäre. Niemand von uns muß mehr fliehen, weil er dieser oder jener Konfession angehört. Wir wohnen, wir arbeiten, wir leben zusammen. An der Basis ist die Ökumene längst vollzogen.

Längst haben sich die Kindergärten auf die multireligiöse Wirklichkeit eingestellt. Es ist doch wirklich kein Problem, dass sich in unseren Kindergärten Menschen verschiedener Nationen und verschiedener Religionen begegnen. Wenn es in unserer Gesellschaft soviel Dialog und Begegnung der Nationen und Religionen gäbe wie in den Kindergärten, dann sähe diese Welt anders aus.

Aber es bleiben evangelische Kindergärten. Sie stehen – um es theologisch auszudrücken – in der Nachfolge Jesu. Jesu war ja nun wirklich ein Mensch, der mit allen Gruppen ins Gespräch kam. Gerade er grenzte niemanden aus. Er ging zu den Zöllnern ebenso wie zu den Aussätzigen. Er sprach und diskutierte mit den Pharisäern. Heute würden wir sagen: er pflegte den religiösen Dialog.

Der profilierte interreligiöse Dialog bedarf der religiösen Kontur. Das jeweils eigene Profil ist die Voraussetzung für eine ernsthafte Begegnung. Evangelisches Profil verhindert also nicht die gesellschaftlich notwendige Begegnung, sondern im Gegenteil: Evangelisches Profil befördert den interkulturellen und interreligiösen Dialog. Dies ist in den Kindergärten wie kaum sonst zu sehen. Nirgends sonst leben die Kulturen und Religionen nicht nur nebeneinander, sondern miteinander.

Evangelisch sein ist für mich im Kern eine Lebenshaltung und eben nicht ein dogmatisches Lehrgebäude.

Evangelisch sein, heißt, etwas zu spüren von der Freiheit sich nur nach der Schrift und nach seinem Gewissen zu richten.

Evangelische Freiheit ist Freiheit, die uns von Christus geschenkt wird. Zum Profil des Evangelischen gehört die Einsicht: Kein Mensch, vor allem keine menschliche Macht, darf Übermacht gewinnen über andere Menschen. Der höchste Platz muß frei bleiben für Gott, damit Menschen Menschen bleiben können.

Darauf hat Luther mit seinen 95 Thesen und seiner Lebensgeschichte uns wieder aufmerksam gemacht. Dass wir auf das Evangelium hören, ist die zentrale Botschaft der Reformation. Und dieses galt 1517 ebenso wie im Jahre 2001. Amen

Gemeinde: Lied 572,

Abkündigungen

Pfarrerin: Fürbittengebet

Guter Gott,

wir bitten dich an diesem Tag für uns und für alle,

denen der Mut fehlt, dich zu bekennen.

Schenke die rechten Worte, wenn wir gefragt werden.

Hilf uns zu eindeutigen Taten.

Gib Kraft zu Auseinandersetzungen.

Wehre allen faulen Kompromissen.

Wir bitten dich für uns und alle,

die ihre Freiheit missbrauchen.

Der Maßstab der Freiheit sei deine Liebe.

Sie leitet uns an, den Nächsten zu achten.

So lass uns Grenzen erkennen,

aber auch Grenzen überschreiten.

Schütze alle, die der Willkür ausgeliefert sind.

Stärke alle, die die Knechtschaft bekämpfen.

Fördere in aller Welt Freiheit, die sich deiner Ehre freut.

Wir bitten dich für uns und alle,

die an ihrer Schwäche leiden,

Gib Geduld und Mut.

Zeige dich nahe und verströme deine Liebe.

Richte die Mutlosen auf, und den Verzweifelten gib Aussicht.

Den Sterbenden schenke Vertrauen

Und uns allen deine Gegenwart.

Und was uns noch bedrängt bringen wir vor dich

mit den Worten die Christus uns gelehrt hat:

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe,

wie im Himmel so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Den Segen Gottes begleite uns diesen Tag. Er wird heute nicht zugesprochen sondern zugesungen

170 Komm Herr segne uns

Religiöse Erziehung für Kinder

Vortrag zum Elternabend in Wiesbaden, Bergkirchengemeinde (23.10.2001)

Marion Eimnuth, Pfarrerin und Dipl.-Religionspädagogin

Religion gehört zum Menschen wie Essen und Trinken, Lachen und Weinen. Ob in der Werbung oder in der Popmusik, überall werden religiöse Symbole verwandt. Die Sehnsucht des Menschen nach einer Antwort auf die existenzstiftenden Fragen ist nach wie vor aktuell.

Kinder haben ein Recht auf Religion. Diese These vertritt der Tübinger Theologe und Pädagoge Friedrich Schweitzer.

Dieser These möchte ich nachgehen. Was heißt dies für Eltern und Erzieherinnen und Erzieher?

Vieles, was angeblich zum Schutz des Kindes geschieht, scheint in Wahrheit eher die Erwachsenen in Schutz zu nehmen – beispielsweise vor Fragen nach dam Tod, den die Erwachsenen am liebsten verschweigen und der den Kindern doch begegnet, oder vor Fragen nach Krankheit, nach Trennung von geliebten Menschen, nach Schmerz und Einsamkeit.

Man kann von fünf großen Fragen der Kinder sprechen, die zum Aufwachsen der Kinder aufbrechen. Das sind Fragen, die entweder die Kinder an uns richten oder mit denen wir uns selbst bei der Erziehung konfrontiert sehen. Es sind große Fragen, weil sie zumindest potentiell nach einer religiösen Antwort verlangen.

Die erste Frage:

Wer bin ich und wer darf ich sein? Die Frage nach mir selbst

Heute wird der Selbstwerdung des Kindes einen hohen Stellenwert eingeräumt. Es wird von einer „Identitätsbildung“ als einer zentralen Entwicklungsaufgabe gesprochen. Dabei sind zwei Aspekte wichtig:

Die eigene Aktivität des Kindes und die unterstützende Anerkennung des Kindes durch andere. Die Selbstwerdung des Kindes ist eine Frage des Vertrauens und damit auch eine Frage der Verlässlichkeit oder Vertrauenswürdigkeit der Menschen und der Welt, in der das Kind aufwächst.

Auch wenn das Kind nicht ausdrücklich fragt „Wer bin ich?“, bekommt es doch Antworten durch seine ganze Umwelt, den Eltern, den Erzieherinnen, den Freundinnen und Freunden.

Doch nicht alles, was das Kind sein will wird ihm zugesprochen. Trotzphasen und Wutanfälle sind hier deutliche Zeichen dafür, dass es nicht nur darum geht, wer ich bin, sondern eben auch darum, wer ich sein darf.

Gerade eine Erziehung die an der Selbstverwirklichung interessiert ist, muss nach dem Grund fragen. Und genau an diesem Punkt greifen alle bloß sozialen Betrachtungsweisen der kindlichen Selbstwerdung zu kurz. Sie stehen in der Gefahr, das Kind überhaupt zu einem bloßen Produkt seiner Umwelt zu machen.

Zugespitzt und provozierend formuliert: Wo die Eltern keine Instanz anerkennen, die über ihnen steht und vor der sie sich selbst verantworten müssen, wird die Erziehung unfrei.

Natürlich kann auf der anderen Seite aber auch eine falsch verstandene religiöse Erziehung höchst unfrei machen.

Die zweite Frage:

Warum musst du sterben? Die Frage nach dem Sinn des Ganzen

Die Frage nach Tod und Sterben stellen alle Kinder früher oder später.

Was bedeutet der Tod für unser Leben? – Wie auch immer wir diese Frage beantworten, und selbst wenn wir sie nicht beantworten und beiseite schieben, ganz unvermeidlich geben wir damit zu erkennen, wo für uns der Sinn dieses Lebens liegt.

Der Umgang mit dem Tod entscheidet mit darüber, wie wir leben.

Bei dem polnisch-jüdische Pädagogen Janusz Korczak findet sich das Recht des Kindes auf seinen Tod. – was ist damit gemeint? Korczak erläutert es so: „Aus Furcht, der Tod könnte uns das Kind entreißen, entziehen wir es dem Leben; um seinen Tod zu verhindern, lassen wir es nicht leben“. Tod und Leben des Kindes gehören demnach zusammen. Für heute würde dies bedeuten, dass ein Kind nur wirklich leben kann, wenn die Erwachsenen auch seine Wahrnehmung des Todes und seine Erfahrungen mit Tod und Sterben mit begleiten.

Die Sinnfragen der Kinder beziehen sich auf das, was nach dem Tod kommt.

Nicht-religiöse Antworten auf die Frage nach dem Tod und Sterben sind sicher möglich, aber ob sie dem Kind wirklich weiterhelfen, bleibt offen.

Sicher kann man sagen, dass die Antwortend der Religionen hier eine wichtige Hilfe sein können und dass sie den Fragen des Kindes weit näher kommen, als dies beispielsweise für naturwissenschaftliche Erklärungen behauptet werden kann.

Christliche Antworten auf diese Fragen sind sicherlich, die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod, dass mit dem Tod nicht alles zu Ende ist. Wer tot ist kann sich geborgen bei Gott fühlen. Dies gibt Hoffnung. Dies kann ein Kind trösten, wenn z.B. das Meerschwein gestorben ist, stellt sich eben diese Frage genauso, wie wenn der Opa stirbt. Sind dann beide bei Gott?

Die dritte Frage:

Wo finde ich Schutz und Geborgenheit? Die Frage nach Gott

Kinder in unserem Kulturkreis stoßen fast zwangsläufig auf das Wort Gott, selbst wenn sie nicht religiös erzogen werden.

In Kunst und Architektur, in Musik und Literatur, in Geschichte und Politik – in allen diesen Bereichen ist immer wieder von Gott die Rede. Aber brauchen Kinder auch eine religiöse Antwort?

Kinder erfahren ihre Eltern und Bezugspersonen als allmächtige Quellen von Zuwendung und Versorgung. Bei ihnen finden sie Wärme, Schutz und Geborgenheit. Solche Erfahrungen sind mehr als das, was einfach von außen zu sehen ist:

Dadurch machen Kinder schon in der frühesten Zeit ihres Lebens Erfahrungen, die eine religiöse Dimension besitzen und die als Anfänge des Gottesbildes angesehen werden können.

Das Kind erfährt hier nicht nur einzelne Gefühle oder gar Stimmungen, sondern es geht vielmehr um Gefühle, die die gesamte Existenz des Kindes berühren.

Die Erfahrungen, die Kinder machen, die Beziehungen zu ihren Eltern übertragen sie unbewusst auf ihre Beziehung und ihre Vorstellung von Gott.

Fühlen sie sich von ihren Eltern angenommen, können sie auch glauben, dass Gott sie annimmt. Gottes Liebe erhält ihren Ausdruck durch die streichelnde Mutter oder den streichelnden Vater, die das Kind auf den Arm nehmen und auf Fragen eingehen.

Wenn Kinder also nach Gott fragen, müssen wir zuerst versuchen zu verstehen, warum es ihnen geht und welche Vorstellungen sie selber mit ihrer Frage verbinden. Wenn wir dabei Bilder für Gott brauchen ist es wichtig, dass Kinder nicht auf ein Bild festgelegt werden.

Gott ist wie die Sonne, hell, wärmend, schön. Oder: Gott ist wie der Wind – man sieht ihn selber nicht, man sieht nur, was er in Bewegung bringt.

Da fragt ein Kind z.B. was Gott denn zum Abendbrot gegessen hat. Die Eltern antworten, dass Gott nicht isst, weil er keinen Körper hat. „Was?“ ruft das Kind überrascht: „Gehen seine Beine denn bis zum Hals?“

Kinder wachsen schnell. Ebenso schnell verändern sich ihre Gedanken und Fragen.

Wenn wir mit ihnen zusammen nach Gott suchen, dann sollten wir darauf achten, dass ihr Gott mit ihnen wachsen kann. Wir sollten uns davor hüten, sie festzulegen auf ihre Vorstellungen von gestern. Wir sollten uns davor hüten, ihnen unsere Vorstellungen überzustülpen.

Es ist besser, wenn Kinder zu viele Bilder – statt zu wenig haben. Ein Kind kann gar nicht zu viele Bilder von Gott haben.

Wenn Kindern keine religiöse Sprache angeboten bekommen, verbinden sie dann ihre Erfahrungen mit anderen Gestalten aus der Welt der Medien – etwa wie He-Man? Oder bleiben solche Erfahrungen als unkontrollierte Stimmung zwischen Weltschmerz und Euphorie?

Die vierte Frage:

Warum soll ich andere gerecht behandeln? Die Frage nach dem Grund ethischen Handelns

Diese Frage ist eng mit dem Aufwachsen der Kinder verbunden. Denn Kinder stellen uns Erwachsene vor diese Frage: Warum eigentlich erwarten wir von ihnen, dass sie andere nicht verletzen, dass sie sich fair verhalten und niemand benachteiligen, vielleicht sogar für Schwache eintreten usw.?

Wer Kindern zu erklären versucht, warum dies besser sei, stößt bald auf Grenzen.

Es sind eher die Erwachsenen, die den Kindern ihr Weltbild, ihre Lebenseinstellung, ihre ethische Einstellung nahe legen.

Weil andere Menschen, Tiere oder auch die Dinge in bestimmter Weise wahrgenommen werden, sind sie auch rücksichtsvoll zu behandeln. Weil sie geachtet werden, soll ihnen auch achtsam begegnet werden usw. Hier sind die Motive für ethische Erziehung: Lebenseinstellungen und Lebenshaltungen, Bilder und Deutungen der Welt. 

Ethisches Handeln im christlichen Sinne beinhaltet Diakonie. Sozial Ausgegrenzte, behinderte und arme Menschen sollen integriert werden. So wie Jesus immer für die Ausgegrenzten da war, zu ihnen ging, sie als Menschen achtete, als Geschöpfe Gottes, so eben sollen auch wir unser Handeln danach ausrichten.

Die fünfte Frage:

Warum glauben manche Kinder an Allah? Die Frage nach der Religion der anderen

Schon im Kindergarten kommt es zu ersten Begegnungen mit anderen Religionen und Konfessionen. Auch hier müssen Kinder mit ihren Fragen begleitet werden.

Eine Begleitung der Kinder bei interreligiösen Begegnungen wird dann aber nicht nur die Einsicht in die religiöse Vorstellungen der anderen einschließen – sie wird auch auf die Fragen achten müssen, die dabei für das Kind selbst aufbrechen können. Wenn Kinder wissen sollen, warum manche Kinder an Allah glauben, so schließt dies auch die Frage nach dem Glauben der eigenen Familie ein: „Und was sind wir? Was glauben wir?“

Zum christlichen Umgang gehört Toleranz. Deshalb ist es nicht nur eine rechtliche Vorschrift, dass in der evangelischen Kindertagesstätte Kinder aller Religionen aufgenommen werden. Es ist vielmehr ein Gebot christlicher Nächstenliebe und Gastfreundschaft,  auf die Bedürfnisse anderer Religionen einzugehen. Als besonderer Teil der Gemeinde ist der Kindergarten der Ort, an dem sich viele Nationen, Religionen und Konfessionen treffen und miteinander leben. Hier praktizieren Kinder Toleranz, lernen andere religiöse Traditionen und Riten kennen und üben den verständnisvollen Umgang mit dem „Fremden“.

Zum Aufwachsen der Kinder gehören diese fünf Fragen und sie verlangen nach einer religiösen Antwort. Religiöse Erziehung ist nicht bloß ein Interesse von Kirche, sondern eine wichtige Dimension aller Erziehung..

Die Angst, dass religiöse Erziehung zur „Gottesvergiftung“ führen könne, ist weit verbreitet. In aller Regel geht es um eine unfreie Erziehung, die sich auf Gott beruft, um das Kind in subtiler Weise zu kontrollieren und zu manipulieren. Am bekanntesten ist die Vermittlung von Strafängsten (Der liebe Gott sieht alles!). „Gottesvergiftung“ steht symbolisch für eine religiöse Erziehung mit Gott als allmächtiger Überwachungs- und Beurteilungsinstanz, die von Erwachsenen mehr oder weniger bewusst eingesetzt wird.

Die gesunde Entwicklung des Kindes ist offenbar auch dann bedroht, wenn nicht zuviel, sondern zuwenig religiös erzogen wird und wenn religiöse Erfahrungen sprachlos bleiben und nicht mehr mit anderen geteilt werden können. Neben die „Gottesvergiftung“ stellen wir deshalb als Zweites die nicht weniger ernst zu nehmende Warnung vor einem religiösen „Kaspar Hauser“-Syndrom.  Kaspar Hauser steht auch hier für das Kind, dem die elementare Unterstützung und Begleitung seines Aufwachsens vorenthalten bleibt. Es steht für das Kind, das nicht zur Sprache findet, weil andere nicht zu ihm und nicht mit ihm sprechen.

Für die Kinder kommt es darauf an, was sie bei uns kennen lernen, weniger in den Antworten auf ihre Fragen, als vielmehr in der Weise, wie wir selber und mit ihnen zusammen leben. Es kommt darauf an, ob sie uns als Fragende, Suchende, für das unsichtbar „Göttliche“ um uns und in uns offene Frauen und Männer erleben. Es kommt darauf an, ob wir unsere Kinder sogar erfahren lassen, dass ihre Fragen uns selber wieder in Bewegung setzen und Anstöße geben.

Biblische Geschichten sind Hoffnungsgeschichten, die für die Selbstwerdung des Kindes eine elementare Bedeutung gewinnen können, weil sie eine hoffnungsvolle Zukunft eröffnen.

Christliche Feste, Beten und Singen, kleine Rituale und besondere Gottesdienste für Kinder und ihre Familien lassen etwas von christlicher Spiritualität erleben.

„Hallo, Mister Gott…“ ist der Titel eines Buches, der die Geschichte von Anna erzählt, einer fünfjährigen, die Fynn, ein Mathematikstudent in den Londoner Docks aufgelesen hat und nun bei ihm und seiner Mutter lebt.

Bei ihren Gesprächen kommen sie immer wieder auf Mister Gott. Anna hat oft die richtigen Einfälle, so auch hier zu Gottes Liebe.

„Fynn, du hast mich lieber als irgendwer sonst, und ich hab dich auch lieber als irgendwer sonst. Aber mit Mister Gott ist das anders. Siehst du Fynn, Leute lieben von außen rein, aber Mister Gott liebt dich innen drin und kann dich von innen küssen, darum ist es anders. Mister Gott ist nicht wie wir. Wir sind bloß ein bisschen wie er. Aber nicht sehr viel.“

Sie sehen, Anna, braucht keine weisen Definitionen zum Gottesbegriff. Gnade, Liebe, Gerechtigkeit sind doch nur schwache Stützen das Unbeschreibbare zu beschreiben. Anna brauchte solche Stützen nicht.

Halloween: Kritik von kirchlicher Seite

Halloween drängt auf den Markt. Ein Blick in die Schaufenster genügt: Kaum ist es Herbst geworden, lugen ausgehöhlte Kürbisse mit Fratzengesichtern, Gespenster und Hexen, Spinnen und Skelette aus allen Ecken. Halloween, das Fest der Fabel- und Gruselwesen, drängt seit einigen
Jahren immer stärker aus Amerika auf den alten Kontinent. In Deutschlan hat das weltliche Spektakel jedoch heftige geistliche Konkurrenz: Der evangelische Reformationstag am 31. Oktober, die katholischen Feste Allerheiligen (1. November) und Allerseelen (2. November) sind ernstem Gedenken gewidmet. In katholischen Gegenden gehört der Besuch auf dem Friedhof zum Auftakt des düsteren Monats November, werden die Gräber geschmückt und Ewige Lichter entzündet. Aber auch Halloween, eigentlich „All Hallow´s Eve“, das in der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November
inzwischen sogar mit Kostümpartys und Gespenstershows gefeiert wird, hängt mit dem Gedenken an die Toten zusammen. Allerheiligen hat, wie viele christliche Feste, einen heidnischen Ursprung: Schon die Druiden wollten in dieser Nacht die Grenze zwischen Lebenden und Toten aufgehoben wissen. Zum
Ende des Sommerhalbjahres sollte das Leben nun für ein halbes Jahr die Macht an den Tod, den Winter, abgeben. Schon früh sah die christliche Kirche eine Chance, diesen heidnischen Feiertag in das Gedenken an die Gemeinschaft der Heiligen umzuwidmen. 837 verfügte Papst Gregor IV., dass die Christen an diesem Tag ihre Toten ehren sollten. Seither wird Allerheiligen und Allerseelen an den ersten beiden Novembertagen begangen. Die Iren brachten den keltisch-christlichen Brauch schließlich nach Amerika, wo er bald einen fröhlicheren Akzent bekam. Die spielerische, eher lustige Kehrseite des
Umgangs mit dem Tod, sicherte Halloween in Amerika schon früh einen festen Platz im Jahresreigen. So beschreibt es der aus den USA stammende Frankfurter Pfarrer Jeffrey Myers. Aus manchen christlichen Kreisen in Deutschland ist dagegen Kritik an dem heidnischen Treiben zu hören, wie der langjährige Sprecher der evangelischen Kirche in Frankfurt, Kurt-Helmuth Eimuth, weiß. Denn nicht nur das katholische Allerheiligen, auch der Reformationstag muss sich gegen den Verkaufsschlager Halloween behaupten. „Das Fest der Reformation ist sperriger, der Anlass liegt quer zu
Verhaltensmustern der Spaßgesellschaft“, begründet Eimuth die Ablehnung. Der Reformator Martin Luther soll am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen an die Wittenberger Schlosskirche genagelt haben. Doch das für den deutschen Protestantismus so wichtige Ereignis ist durchaus umstritten. Viele
Historiker bezweifeln, dass Luther tatsächlich zu Hammer und Nagel griff. Belegt ist allein, dass Luther an diesem historischen Tag Briefe an seine Vorgesetzten schrieb, in denen er den Ablasshandel anprangerte. Diesen Briefen legte er, quasi als Diskussionsgrundlage, seine 95 Thesen bei. So
ist der Reformationstag in den Augen seiner Kritiker nicht der richtige Tagfür eine angelsächsische Variante des deutschen Faschings. Dieser hat ebenso heidnische und christliche Wurzeln, als letztes Aufbäumen vor der strengenFastenzeit bis Ostern. Doch für Pfarrer Myers ist es keine Frage, dass man
auch hier zu Lande fröhlich in den November starten darf. Die Fantasie-Welt, die Freude am Verkleiden, das Gemeinschaftsgefühl beim Kürbisschnitzen, aberauch die Gespräche über Angst und Vertrauen seien „gesund und munter in dieser besonderen Nacht“. Und Protestant Eimuth empfiehlt mit einem
Schmunzeln auch Christen die Teilnahme am Geistertreiben: „Schließlich ist die Nacht lang und die Reformationsgottesdienste beginnen schon am frühen Abend.“

von Doris Wiese-Gutheil Frankfurt/Main (dpa/lhe)

Oktober 2001