Tag Archiv für Marion

Die Schule hat zu Ihnen gepasst

Würdigung von Marion Eimuth durch Schulamtsdirektor Jan Schäfer

Liebe Marion Eimuth,

in diesem Gottesdienst verschieden wir Sie aus Ihrem aktiven Dienst als Pfarrerin in den Ruhestand.

Vor einigen Wochen haben wir uns getroffen, um diesen Gottesdienst zusammen vorzubereiten. Ich bin dankbar für unsere Begegnung. Zusammen mit ihrem Mann und Pfarrer Thorsten Peters haben wir auf ihren Berufsweg zurückgeblickt.

Schulamtsdirektor i.K. Pfarrer Jan Schäfer in der Gethsemanekirche bei der Entpflichttung von Marion Eimuth

Wir

haben einige Male miteinander Tränen vergossen. Weil es eben ganz besondere Umstände sind. Das wissen alle. Und, dass Sie sich diesen Übergang sicher ganz anders gewünscht hätten. Aber, wir haben auch zusammen gelacht. Beides liegt eng zusammen: Das betrübt sein und die Dankbarkeit und die Freude.

Dass wir hier in der Gethsemanekirche sind, ist stimmig. Seit Jahrzehnten ist das Ihre Heimatgemeinde. Hier waren Sie lange Jahre Kirchenvorsteherin und Mitglied im Chor. Hier im Stadtteil leben Sie seit vielen Jahren.

Ihr beruflicher Weg als Pfarrerin war ganz sicher kein typischer Weg in das Pfarramt. Aber ein interessanter und spannender Weg, der Ihrer Persönlichkeit sehr entspricht.

Bei unserem Gespräch bei Ihnen zu Hause habe ich durch Sie und durch Ihren Mann vieles von Ihnen neu erfahren. Obwohl wir im Schuldienst ja einige Jahre Kollegen waren.

Sie stammen aus dem Hessischen Hinterland. Ganz genau aus dem Ort Steinperf in der Nähe von Biedenkopf. Das haben Sie mit Pfarrer Peters gemeinsam. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Menschen dort eher fromm und gottesfürchtig sind.

Sie haben die Handelsschule besucht und dann zunächst etwas Richtiges gelernt. Nämlich den Beruf der Buchhalterin und in diesem Beruf dann noch ein Jahr gearbeitet.

Mit 18 Jahren sind sie von Steinperf weggegangen, nach Darmstadt. Sie sind in eine Frauen-WG gezogen und haben an der Evangelischen Fachhochschule das Studium der Gemeindepädagogik begonnen.

Ihr Anerkennungsjahr haben Sie im Frankfurter Stadtjugendpfarramt geleistet – 1976/77, da waren Sie 22 Jahre alt. Das war – vor allem der Ort „Stadtjugendpfarramt“ – eine wichtige Entscheidung, wegweisend für Ihr weiteres Leben. Denn dort sind Sie Kurt-Helmuth Eimuth begegnet. Der Beginn einer lebenslangen Liebe.

Ihre erste Stelle als Gemeindepädagogin hatten Sie in der St. Katharinengemeinde. In dieser Gemeinde haben Sie für sich das entdeckt, was wir heute neu-theologisch gern theologisieren nennen. Theologische Fragen haben Sie mehr und mehr interessiert. Vielleicht auch, weil Sie mit den Antworten der damals männlichen Pfarrkollegen oftmals eher unglücklich und unzufrieden waren.

Also haben Sie nach 2 Jahren in der Gemeinde entschieden: ‚Ich studiere Theologie!‘. Hebräisch und Griechisch haben Sie zusammen mit Ihrem Mann in Frankfurt gelernt. Dann sind Sie für 2 Semester nach Heidelberg und schließlich nach Mainz.

Dazwischen haben Sie 1981 geheiratet. 1983 kann Ihre Tochter Anne-Elisabeth zur Welt. 1989 haben Sie das erste Examen abgelegt und anschließend Ihr Vikariat in der Gemeinde Cantate Domino bei Pfarrer Hermann Düringer. Daran schloss sich ein Spezial-Vikariat im Pfarramt für Frauenarbeit an.

1994 sind Sie zum Diakonischen Werk der EKHN gegangen, als theologische Referentin. 1996 wurden Sie auf dieser Stelle als Pfarrerin ordiniert und beim DW bis 2002 tätig.

Und dann, 2002, noch einmal eine berufliche Weiterentwicklung. Jetzt in Richtung Schule. Mit Beginn des Schuljahres 2002/2003 wurden Sie Pfarrerin im Schuldienst, an der Georg-Kerchensteiner-Schule in Obertshausen.

Die Arbeit an der Schule, vor allen mit den jungen Erwachsenen im Übergang in den Beruf, bei den ersten Schritten in ein selbstständiges Leben, hat Ihnen große Freude gemacht.

Hier waren Sie als Pfarrerin und Seelsorgerin an der richtigen Stelle. Auch wenn Sie offiziell keinen Auftrag zur Seelsorge hatten, haben Sie sich immer als Seelsorgerin an der Schule verstanden.

Und die Mädchen und Jungen und Frauen und Männer an der Schule haben Ihren Rat und das Gespräch mit Ihnen als Seelsorgerin dankbar gesucht. Sie waren froh, dass Sie da waren.

Meistens haben Sie nicht nur die Evangelischen unterrichtet, sondern die ganze Klasse. Schülerinnen und Schüler aus unterschiedlichen sozialen Milieus, mit und ohne Glauben an Gott.

Auf einem wichtigen Lebensabschnitt haben Sie Ihnen das Angebot gemacht, über die existenziellen Fragen des Lebens zu sprechen.

Die Schule hat zu Ihnen gepasst, und Sie zur Schule. Daneben haben Sie sich im Dekanat Rodgau engagiert: Sie waren Mitglied des Dekanatssynodalvorstandes und in der Synode. Und weiter auch hier in Ihrer Gemeinde in Frankfurt aktiv, z. B. auch beim Feiern von Gottesdiensten.

Lange Jahre haben Sie junge Menschen bei Ihren existentiellen Fragen begleitet – und auf einmal – quasi aus heiterem Himmel – brach die Frage nach dem Leben, und nach dem was Leben ausmacht, in Ihr eigenes Leben. Im August 2015 traf Sie ein Schlaganfall. Ihr Leben veränderte sich von einem Tag auf den anderen. Für Sie, für Ihren Mann, Ihre Familie, Ihre Freunde war alles anders.

In den vergangenen 2 ½ Jahren haben Sie einen schweren Weg zurückgelegt. Mit Hilfe, mit Unterstützung und mit Liebe sind Sie ihn gegangen und haben sich Stück für Stück ins Leben zurückgekämpft. Und vielleicht kommt es auch Ihnen manchmal wie ein kleines Wunder vor, dass Sie bei all dem Schweren und Belastenden heute hier mit uns allen Gottesdienst feiern.

Heute werde Sie von allen dienstlichen Aufgaben entbunden. Und damit verbunden feiern wir Sie, liebe Marion Eimuth.

Und sagen – und das tue ich aus tiefstem Herzen – danke! Dank für all das, wie Sie durch Ihre Gaben und Fähigkeiten vielen, vielen anderen Menschen Freude und Lebensmut schenken konnten.

Anderen haben Sie die Gewissheit gegeben, nicht allein im Leben zu stehen, sondern sich getragen zu fühlen. Das durften auch Sie erleben – ganz besonders in den vergangenen 2 Jahren – und ganz sicher auch in der Zukunft. Liebende Menschen tragen Sie!

Ich möchte Ihnen deshalb ein Wort aus dem Alten Testament zusprechen. Es drückt diesen Gedanken der Bewahrung und des Getragen- und Gehaltenwerdens aus. Ein Wort, das Mut macht und das davon spricht, dass Gott uns nicht fallen lässt. Nicht in guten Zeiten und nicht in schweren Zeiten.

Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten. (Psalm 139.9.10)

Liebe Marion Eimuth, bleiben Sie von Gott geführt und in ihm gehalten. Amen.

Verabschiedungsteil/ Ruhestandsversetzung

(Verantwortlich: Jan)

(Jan bittet Marion Eimuth nach vorn)

  • Entpflichtung

Liebe Marion Eimuth,

Du hast 21 Jahre lang den Dienst als Pfarrerin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau geleistet – davon die letzten fast 14 Jahre als Pfarrerin im Schuldienst.

Dabei warst Du gebunden an die Ordinationsverpflichtung nach dem Bekenntnis und den Ordnungen unserer Kirche.

Wir danken Gott für deinen Dienst, für den Einsatz deiner Gaben und Kräfte, für deine Treue und Liebe.

Nicht alles im Dienst einer Pfarrerin liegt vor Augen. Vieles geschieht im Verborgenen. Und doch können Früchte deines Wirkens wahrgenommen werden. In der Begegnung mit Menschen in der Gemeinde, in der diakonischen Arbeit und in der Schule. Dafür sind wir dankbar.

Mit dem Eintritt in den Ruhestand beginnt für dich eine neue Lebensphase. Du bist nun frei von den dienstlichen Pflichten als Pfarrerin, als Pfarrerin im Schuldienst.

Auf Grund deiner Ordination bleibst du aber berufen, das Evangelium von Jesus Christus zu predigen, zu taufen und die Feier des Heiligen Abendmahls zu leiten.

Und, dass das trotz Deiner Krankheit in deinem Leben wieder möglich werden möge, wünschen wir Dir von Herzen und bleiben Dir dabei in Gebet und Fürbitte verbunden.

  • Entlastungsgebet

Lasst uns beten.

Gott, du beschenkst deine Kirche mit guten Gaben.

Und mit Menschen, die sich durch dich zum Dienst an den Menschen berufen fühlen.

Wir danken dir für alles, was du durch Marion Eimuth gewirkt hast.

Lass sie spüren, wie viel Segen ihr Dienst gebracht hat.

Wir bitten dich: Lass ihre Mühe nicht vergeblich sein.

Wandle in Segen, was nicht gelungen ist,

vergib, was sie schuldig geblieben ist.

Und vergib uns, was wir ihr gegenüber versäumt haben.

Gib Marion Eimuth Kraft und neuen Mut für das Zukünftige.

Geleite sie auf ihrem Weg und schenke ihr den Mut, Schritt für Schritt ihren Weg in das neue Leben zu gehen, auch dabei auch das alte wiederzuerlangen.

Halte deine Hand über sie, jetzt und allezeit und in Ewigkeit.

  • Segen zum Abschied (mit Handauflegen)

Gott segne dir den Blick zurück und den Schritt nach vorn.

Gott bewahre in dir die Erfahrungen an diesem Ort.

Gott begleite dich auf dem Weg, der vor dir liegt

Und lasse dein Vertrauen zu ihm wachsen.

So segne dich der barmherzige Gott,

der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.

Platz eins für die Kirchenmusik

Religiöse Erziehung für Kinder

Vortrag zum Elternabend in Wiesbaden, Bergkirchengemeinde (23.10.2001)

Marion Eimnuth, Pfarrerin und Dipl.-Religionspädagogin

Religion gehört zum Menschen wie Essen und Trinken, Lachen und Weinen. Ob in der Werbung oder in der Popmusik, überall werden religiöse Symbole verwandt. Die Sehnsucht des Menschen nach einer Antwort auf die existenzstiftenden Fragen ist nach wie vor aktuell.

Kinder haben ein Recht auf Religion. Diese These vertritt der Tübinger Theologe und Pädagoge Friedrich Schweitzer.

Dieser These möchte ich nachgehen. Was heißt dies für Eltern und Erzieherinnen und Erzieher?

Vieles, was angeblich zum Schutz des Kindes geschieht, scheint in Wahrheit eher die Erwachsenen in Schutz zu nehmen – beispielsweise vor Fragen nach dam Tod, den die Erwachsenen am liebsten verschweigen und der den Kindern doch begegnet, oder vor Fragen nach Krankheit, nach Trennung von geliebten Menschen, nach Schmerz und Einsamkeit.

Man kann von fünf großen Fragen der Kinder sprechen, die zum Aufwachsen der Kinder aufbrechen. Das sind Fragen, die entweder die Kinder an uns richten oder mit denen wir uns selbst bei der Erziehung konfrontiert sehen. Es sind große Fragen, weil sie zumindest potentiell nach einer religiösen Antwort verlangen.

Die erste Frage:

Wer bin ich und wer darf ich sein? Die Frage nach mir selbst

Heute wird der Selbstwerdung des Kindes einen hohen Stellenwert eingeräumt. Es wird von einer „Identitätsbildung“ als einer zentralen Entwicklungsaufgabe gesprochen. Dabei sind zwei Aspekte wichtig:

Die eigene Aktivität des Kindes und die unterstützende Anerkennung des Kindes durch andere. Die Selbstwerdung des Kindes ist eine Frage des Vertrauens und damit auch eine Frage der Verlässlichkeit oder Vertrauenswürdigkeit der Menschen und der Welt, in der das Kind aufwächst.

Auch wenn das Kind nicht ausdrücklich fragt „Wer bin ich?“, bekommt es doch Antworten durch seine ganze Umwelt, den Eltern, den Erzieherinnen, den Freundinnen und Freunden.

Doch nicht alles, was das Kind sein will wird ihm zugesprochen. Trotzphasen und Wutanfälle sind hier deutliche Zeichen dafür, dass es nicht nur darum geht, wer ich bin, sondern eben auch darum, wer ich sein darf.

Gerade eine Erziehung die an der Selbstverwirklichung interessiert ist, muss nach dem Grund fragen. Und genau an diesem Punkt greifen alle bloß sozialen Betrachtungsweisen der kindlichen Selbstwerdung zu kurz. Sie stehen in der Gefahr, das Kind überhaupt zu einem bloßen Produkt seiner Umwelt zu machen.

Zugespitzt und provozierend formuliert: Wo die Eltern keine Instanz anerkennen, die über ihnen steht und vor der sie sich selbst verantworten müssen, wird die Erziehung unfrei.

Natürlich kann auf der anderen Seite aber auch eine falsch verstandene religiöse Erziehung höchst unfrei machen.

Die zweite Frage:

Warum musst du sterben? Die Frage nach dem Sinn des Ganzen

Die Frage nach Tod und Sterben stellen alle Kinder früher oder später.

Was bedeutet der Tod für unser Leben? – Wie auch immer wir diese Frage beantworten, und selbst wenn wir sie nicht beantworten und beiseite schieben, ganz unvermeidlich geben wir damit zu erkennen, wo für uns der Sinn dieses Lebens liegt.

Der Umgang mit dem Tod entscheidet mit darüber, wie wir leben.

Bei dem polnisch-jüdische Pädagogen Janusz Korczak findet sich das Recht des Kindes auf seinen Tod. – was ist damit gemeint? Korczak erläutert es so: „Aus Furcht, der Tod könnte uns das Kind entreißen, entziehen wir es dem Leben; um seinen Tod zu verhindern, lassen wir es nicht leben“. Tod und Leben des Kindes gehören demnach zusammen. Für heute würde dies bedeuten, dass ein Kind nur wirklich leben kann, wenn die Erwachsenen auch seine Wahrnehmung des Todes und seine Erfahrungen mit Tod und Sterben mit begleiten.

Die Sinnfragen der Kinder beziehen sich auf das, was nach dem Tod kommt.

Nicht-religiöse Antworten auf die Frage nach dem Tod und Sterben sind sicher möglich, aber ob sie dem Kind wirklich weiterhelfen, bleibt offen.

Sicher kann man sagen, dass die Antwortend der Religionen hier eine wichtige Hilfe sein können und dass sie den Fragen des Kindes weit näher kommen, als dies beispielsweise für naturwissenschaftliche Erklärungen behauptet werden kann.

Christliche Antworten auf diese Fragen sind sicherlich, die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod, dass mit dem Tod nicht alles zu Ende ist. Wer tot ist kann sich geborgen bei Gott fühlen. Dies gibt Hoffnung. Dies kann ein Kind trösten, wenn z.B. das Meerschwein gestorben ist, stellt sich eben diese Frage genauso, wie wenn der Opa stirbt. Sind dann beide bei Gott?

Die dritte Frage:

Wo finde ich Schutz und Geborgenheit? Die Frage nach Gott

Kinder in unserem Kulturkreis stoßen fast zwangsläufig auf das Wort Gott, selbst wenn sie nicht religiös erzogen werden.

In Kunst und Architektur, in Musik und Literatur, in Geschichte und Politik – in allen diesen Bereichen ist immer wieder von Gott die Rede. Aber brauchen Kinder auch eine religiöse Antwort?

Kinder erfahren ihre Eltern und Bezugspersonen als allmächtige Quellen von Zuwendung und Versorgung. Bei ihnen finden sie Wärme, Schutz und Geborgenheit. Solche Erfahrungen sind mehr als das, was einfach von außen zu sehen ist:

Dadurch machen Kinder schon in der frühesten Zeit ihres Lebens Erfahrungen, die eine religiöse Dimension besitzen und die als Anfänge des Gottesbildes angesehen werden können.

Das Kind erfährt hier nicht nur einzelne Gefühle oder gar Stimmungen, sondern es geht vielmehr um Gefühle, die die gesamte Existenz des Kindes berühren.

Die Erfahrungen, die Kinder machen, die Beziehungen zu ihren Eltern übertragen sie unbewusst auf ihre Beziehung und ihre Vorstellung von Gott.

Fühlen sie sich von ihren Eltern angenommen, können sie auch glauben, dass Gott sie annimmt. Gottes Liebe erhält ihren Ausdruck durch die streichelnde Mutter oder den streichelnden Vater, die das Kind auf den Arm nehmen und auf Fragen eingehen.

Wenn Kinder also nach Gott fragen, müssen wir zuerst versuchen zu verstehen, warum es ihnen geht und welche Vorstellungen sie selber mit ihrer Frage verbinden. Wenn wir dabei Bilder für Gott brauchen ist es wichtig, dass Kinder nicht auf ein Bild festgelegt werden.

Gott ist wie die Sonne, hell, wärmend, schön. Oder: Gott ist wie der Wind – man sieht ihn selber nicht, man sieht nur, was er in Bewegung bringt.

Da fragt ein Kind z.B. was Gott denn zum Abendbrot gegessen hat. Die Eltern antworten, dass Gott nicht isst, weil er keinen Körper hat. „Was?“ ruft das Kind überrascht: „Gehen seine Beine denn bis zum Hals?“

Kinder wachsen schnell. Ebenso schnell verändern sich ihre Gedanken und Fragen.

Wenn wir mit ihnen zusammen nach Gott suchen, dann sollten wir darauf achten, dass ihr Gott mit ihnen wachsen kann. Wir sollten uns davor hüten, sie festzulegen auf ihre Vorstellungen von gestern. Wir sollten uns davor hüten, ihnen unsere Vorstellungen überzustülpen.

Es ist besser, wenn Kinder zu viele Bilder – statt zu wenig haben. Ein Kind kann gar nicht zu viele Bilder von Gott haben.

Wenn Kindern keine religiöse Sprache angeboten bekommen, verbinden sie dann ihre Erfahrungen mit anderen Gestalten aus der Welt der Medien – etwa wie He-Man? Oder bleiben solche Erfahrungen als unkontrollierte Stimmung zwischen Weltschmerz und Euphorie?

Die vierte Frage:

Warum soll ich andere gerecht behandeln? Die Frage nach dem Grund ethischen Handelns

Diese Frage ist eng mit dem Aufwachsen der Kinder verbunden. Denn Kinder stellen uns Erwachsene vor diese Frage: Warum eigentlich erwarten wir von ihnen, dass sie andere nicht verletzen, dass sie sich fair verhalten und niemand benachteiligen, vielleicht sogar für Schwache eintreten usw.?

Wer Kindern zu erklären versucht, warum dies besser sei, stößt bald auf Grenzen.

Es sind eher die Erwachsenen, die den Kindern ihr Weltbild, ihre Lebenseinstellung, ihre ethische Einstellung nahe legen.

Weil andere Menschen, Tiere oder auch die Dinge in bestimmter Weise wahrgenommen werden, sind sie auch rücksichtsvoll zu behandeln. Weil sie geachtet werden, soll ihnen auch achtsam begegnet werden usw. Hier sind die Motive für ethische Erziehung: Lebenseinstellungen und Lebenshaltungen, Bilder und Deutungen der Welt. 

Ethisches Handeln im christlichen Sinne beinhaltet Diakonie. Sozial Ausgegrenzte, behinderte und arme Menschen sollen integriert werden. So wie Jesus immer für die Ausgegrenzten da war, zu ihnen ging, sie als Menschen achtete, als Geschöpfe Gottes, so eben sollen auch wir unser Handeln danach ausrichten.

Die fünfte Frage:

Warum glauben manche Kinder an Allah? Die Frage nach der Religion der anderen

Schon im Kindergarten kommt es zu ersten Begegnungen mit anderen Religionen und Konfessionen. Auch hier müssen Kinder mit ihren Fragen begleitet werden.

Eine Begleitung der Kinder bei interreligiösen Begegnungen wird dann aber nicht nur die Einsicht in die religiöse Vorstellungen der anderen einschließen – sie wird auch auf die Fragen achten müssen, die dabei für das Kind selbst aufbrechen können. Wenn Kinder wissen sollen, warum manche Kinder an Allah glauben, so schließt dies auch die Frage nach dem Glauben der eigenen Familie ein: „Und was sind wir? Was glauben wir?“

Zum christlichen Umgang gehört Toleranz. Deshalb ist es nicht nur eine rechtliche Vorschrift, dass in der evangelischen Kindertagesstätte Kinder aller Religionen aufgenommen werden. Es ist vielmehr ein Gebot christlicher Nächstenliebe und Gastfreundschaft,  auf die Bedürfnisse anderer Religionen einzugehen. Als besonderer Teil der Gemeinde ist der Kindergarten der Ort, an dem sich viele Nationen, Religionen und Konfessionen treffen und miteinander leben. Hier praktizieren Kinder Toleranz, lernen andere religiöse Traditionen und Riten kennen und üben den verständnisvollen Umgang mit dem „Fremden“.

Zum Aufwachsen der Kinder gehören diese fünf Fragen und sie verlangen nach einer religiösen Antwort. Religiöse Erziehung ist nicht bloß ein Interesse von Kirche, sondern eine wichtige Dimension aller Erziehung..

Die Angst, dass religiöse Erziehung zur „Gottesvergiftung“ führen könne, ist weit verbreitet. In aller Regel geht es um eine unfreie Erziehung, die sich auf Gott beruft, um das Kind in subtiler Weise zu kontrollieren und zu manipulieren. Am bekanntesten ist die Vermittlung von Strafängsten (Der liebe Gott sieht alles!). „Gottesvergiftung“ steht symbolisch für eine religiöse Erziehung mit Gott als allmächtiger Überwachungs- und Beurteilungsinstanz, die von Erwachsenen mehr oder weniger bewusst eingesetzt wird.

Die gesunde Entwicklung des Kindes ist offenbar auch dann bedroht, wenn nicht zuviel, sondern zuwenig religiös erzogen wird und wenn religiöse Erfahrungen sprachlos bleiben und nicht mehr mit anderen geteilt werden können. Neben die „Gottesvergiftung“ stellen wir deshalb als Zweites die nicht weniger ernst zu nehmende Warnung vor einem religiösen „Kaspar Hauser“-Syndrom.  Kaspar Hauser steht auch hier für das Kind, dem die elementare Unterstützung und Begleitung seines Aufwachsens vorenthalten bleibt. Es steht für das Kind, das nicht zur Sprache findet, weil andere nicht zu ihm und nicht mit ihm sprechen.

Für die Kinder kommt es darauf an, was sie bei uns kennen lernen, weniger in den Antworten auf ihre Fragen, als vielmehr in der Weise, wie wir selber und mit ihnen zusammen leben. Es kommt darauf an, ob sie uns als Fragende, Suchende, für das unsichtbar „Göttliche“ um uns und in uns offene Frauen und Männer erleben. Es kommt darauf an, ob wir unsere Kinder sogar erfahren lassen, dass ihre Fragen uns selber wieder in Bewegung setzen und Anstöße geben.

Biblische Geschichten sind Hoffnungsgeschichten, die für die Selbstwerdung des Kindes eine elementare Bedeutung gewinnen können, weil sie eine hoffnungsvolle Zukunft eröffnen.

Christliche Feste, Beten und Singen, kleine Rituale und besondere Gottesdienste für Kinder und ihre Familien lassen etwas von christlicher Spiritualität erleben.

„Hallo, Mister Gott…“ ist der Titel eines Buches, der die Geschichte von Anna erzählt, einer fünfjährigen, die Fynn, ein Mathematikstudent in den Londoner Docks aufgelesen hat und nun bei ihm und seiner Mutter lebt.

Bei ihren Gesprächen kommen sie immer wieder auf Mister Gott. Anna hat oft die richtigen Einfälle, so auch hier zu Gottes Liebe.

„Fynn, du hast mich lieber als irgendwer sonst, und ich hab dich auch lieber als irgendwer sonst. Aber mit Mister Gott ist das anders. Siehst du Fynn, Leute lieben von außen rein, aber Mister Gott liebt dich innen drin und kann dich von innen küssen, darum ist es anders. Mister Gott ist nicht wie wir. Wir sind bloß ein bisschen wie er. Aber nicht sehr viel.“

Sie sehen, Anna, braucht keine weisen Definitionen zum Gottesbegriff. Gnade, Liebe, Gerechtigkeit sind doch nur schwache Stützen das Unbeschreibbare zu beschreiben. Anna brauchte solche Stützen nicht.