Olympiade in Paris. In all der Angespanntheit ist einer da, der keine sportliche Aufgabe hat. Olympiapfarrer Thomas Weber begleitet das Team Deutschland in Paris. „Wir haben Zeit, hören zu und sind verschwiegen“, beschreibt Weber seine Aufgabe im Podcast Conny und Kurt. Schon acht mal hat er deutsche Mannschaften im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland zu Olympia begleitet. Weber ist Mitglied im Arbeitskreis Kirche und Sport der EKD, hat aber zuhause noch seine eigene Gemeinde. Er steht auch am Rande der Wettkämpfe, fiebert mit und feuert an. Jeder Sportler und jede Sportlerin, die in Paris dabei sind, hätten Großartiges vollbracht, sagt Weber und empfindet deshalb manche Berichterstattung als unbarmherzig. „Wenn davon gesprochen wird, es sei nur der 4. Platz geworden oder nur auf den Medaillenspiegel geschaut wird. Aber nicht nur Olympia begeistert den Seelsorger. Er freut sich im nächsten Jahr auf die World University Games, die in seiner Heimat an Rhein und Ruhr stattfinden. Auch dort begleitet Weber die deutsche Mannschaft.
Zur Person: Thomas Weber ist Olympiapfarrer der evangelischen Kirche. Bereits seit 2006 begleitet der gebürtige Siegerländer das deutsche Team zu den Olympischen Spielen. Sonst arbeitet der Pastor in seiner Gemeinde im westfälischen Gevelsberg.
Die evangelische Kirche verwaltet in Deutschland ein Finanzvermögen von rund 40 Milliarden Euro, das vor allem der Finanzierung von Ruhestandsgehältern und Zusatzrenten dient. Jetzt wurden die ethischen Regeln, nach denen diese Anlagen getätigt werden, verschärft.
Nach welchen Kriterien legt die evangelische Kirche in Deutschland ihr Geld an? Immerhin geht es nach Angaben von Heinz Thomas Striegler, dem Vorsitzenden des Arbeitskreises Kirchlicher Investoren (AKI), um ein Volumen von rund 40 Milliarden Euro. Gebraucht wird das Geld vor allem für die Finanzierung von Ruhestandsgehältern für Pfarrer:innen und Zusatzrenten für kirchliche Mitarbeiter:innen.
Schon 2011 hat der Arbeitskreis im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Kriterien zur ethischen Geldanlage erarbeitet. Jetzt stellte er eine grundlegend überarbeitete Fassung vor.
Statt wie bisher zehn dürfen in Zukunft nur noch fünf Prozent der Einlagen bei Unternehmen investiert werden, die an der Entwicklung und Produktion von Rüstungsgütern beteiligt sind. Ganz ausgeschlossen sind Investitionen, wenn es um international geächtete Waffengattungen wie autonom gesteuerte Systeme oder Atomwaffen geht. „Als Kirchen wollen wir nicht an den Gewinnen von Rüstungskonzernen profitieren,“ sagt Striegler, „das ist mit dem christlichen Friedensauftrag nicht vereinbar. Wir legen Wert darauf, dass dies auch die Produktion autonomer Waffen umfasst.“
Aber warum nimmt die Kirche dann überhaupt einen Anteil von fünf Prozent aus der Waffenproduktion hin? Darauf antwortet AKI-Geschäftsführerin Antje Schneeweiß auf Nachfrage des EFO-Magazins: „Bei Unternehmen mit sehr geringem Rüstungsanteil kann es leicht zu Wertekonflikten kommen. So macht das Unternehmen Dräger 98 Prozent seines Umsatzes mit Produkten, die der Lebensrettung dienen – Inkubatoren für Frühchen, Ausstattungen für Feuerwehr- und Rettungswagen und so weiter. Allerdings produzieren sie auch eine Tauchausrüstung, die vor allem militärisch genutzt wird. Solche Unternehmen sollen nicht ausgeschlossen werden.“
Im Bereich der Umweltkriterien hat der AKI ebenfalls nachgeschärft. So sind zukünftig Investitionen in Atomenergie ganz ausgeschlossen. War bislang nur die Kohleförderung tabu, ist nun die ganze Bandbreite der unkonventionellen Förderung von Öl und Gas ausgenommen, etwa das Fracking. Außerdem erwarten die evangelischen Investoren, dass Unternehmen eine Policy zum Schutz der Biodiversität in den Wertschöpfungs- und Lieferketten implementiert haben. Der AKI sei diesbezüglich im Gespräch mit Aktiengesellschaften, so Striegler. Dabei habe man festgestellt, dass es durchaus hie und da kleine Veränderungen in der Geschäftspolitik gab, etwa die Einführung existenzsichernder Löhne.
Insgesamt seien die Anlagemöglichkeiten nach diesen ethischen Kriterien etwa um zwanzig Prozentpunkte geringer sind als bei großen Indizes. Die zu erwartende Rendite gab Striegler mit 3,0 bis 3,5 Prozent an. Bei langfristigen Anlagen etwa auf 20 Jahre läge sie eher bei 4,5 bis 5,5 Prozent. Damit sei man durchaus vergleichbar mit anderen Anlageformen.
Den Kriterienkatalog können auch Privatanleger:innen nutzen. Er ist zu finden unter https://www.aki-ekd.de.
Annette Mehlhorn war in den vergangenen neun Jahren in der deutschen Gemeinde in Shanghai tätig. Im Podcast Conny&Kurt spricht sie über Religionspolitik in China und ihre Erfahrungen mit der dortigen Gesellschaft und Kultur. Auch in China gäbe es eine Kultur des Diskurses – nur eben anders. Die Kirche sieht sie – trotz aller notwendigen Kritik am System – durchaus als Brückenbauerin. Das Gespräch wurde vor Weihnachten aufgezeichnet. Eine gekürzte Printversion ist im Evangelischen Frankfurt Offenbach erschienen.
Der Austragungsort der WM ist in der Kritik. Mit den Bedingungen in diesem Land, den Menschenrechten den Arbeitsbedingungen aber auch mit den erreichten Verbesserungen setzt sich eine Broschüre der Evangelischen Kirche in Deutschland auseinander. Sie gibt Anregungen für Adventsgottesdienste. Der Frankifurter Stadionpfarrer Eugen Eckert sagt im Podcast Conny&Kurt: „Wir treten auch nicht als Spielverderber auf oder empfehlen, die WM grundsätzlich zu boykottieren. Das ist eine Frage, die jeder einzelne, jede einzelne für sich beantworten muss.“ Wichtig ist Eckert, den Blick auch auf die Europameisterschaft 2024 in Deutschland zu richten. „Da müssen wir die gleiche Folie anlegen.“ Doch für ihn persönlich ist klar: „Der Anpfiff zur WM ist der Ewigkeitssonntag, im Volksmund Totensonntag genannt, ein stiller Tag. Da gucke ich sowieso kein Fußball.“ Und dann beginne für ihn der Advent. „Da gehe ich in Konzerte oder gebe Konzerte und backe Plätzchen und genieße die Adventsstimmung. Also ich lass mir vom Fußball mein Leben nicht bestimmen.“
Der 31. Oktober ist in vielen Bundesländern Feiertag. Nein nicht wegen Halloween sondern es wird das Reformationsfest begangen. Luthers Thesenanschlag zu Wittenberg ist vor lauter Kürbissen, Gruselmasken und Skeletten kaum noch wahrnehmbar.
Für Conny & Kurt ist das auch in Ordnung. Ihr Gesprächspartner, Pfarrer Bernd Tiggemann von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) empfiehlt den Kindern, „das zu tun, wozu sie Bock haben, aber niemanden Schaden zuzufügen“. Da sei ein Fest über uns geschwappt mit attraktiven Inhalten. Da habe es das Reformationsfest schwer. Beide Feste sind erklärungsbedürftig, wenn man sie verstehen will.
„Du bist ein geliebtes Kind Gottes. Du musst dafür nichts leisten. Du kannst so ein wie du bist. Das ist eine Megabotschaft“, meint der Leiter der Kommunikationsabteilung der EKD. Man müsse nur die Sprache der Menschen sprechen und die Bilder von heute verwenden. Übrigens die Anregung, Reformation in der Sendung mit der Maus zu erklären, hatte der WDR längst umgesetzt.
Die Wurzeln von Halloween gehen auf die Kelten zurück. In dieser Nacht soll das Leben (der Sommer) die Herrschaft für ein halbes Jahr an den Tod (den Winter) abgeben. Man glaubte, dass die Toten sich für ein halbes Jahr lang den Körper eines Lebenden suchen. In jener Nacht soll, so die Vorstellung, die Trennwand der Welt der Toten und der Lebenden besonders dünn sein, weshalb man mit den Toten in Kontakt kommen könne. Im Jahre 837 verfügte Papst Gregor IV, dass an diesem Tag Christen ihre Toten ehren sollten und setzte Allerheiligen auf den 1. November und am darauffolgenden Tag Allerseelen fest. Das Christentum hatte wieder einmal seine große Integrationskraft bewiesen. Die Iren brachten den keltischen Brauch mit nach Amerika und nun kehrt er wieder zurück auf den alten Kontinent.
Besonders junge Menschen am Anfang ihrer Berufstätigkeit wenden sich von der Kirche ab. Aus diesem Grund luden die Evangelische Sonntagszeitung und die Evangelische Akademie Frankfurt zu einer Diskussionsrunde ein. „Die Kirchensteuer ist Austrittsgrund Nummer eins“, so die Ausgangsthese. Aber stimmt das überhaupt?
Kirche und Geld – kein einfaches Thema. Klar ist, dass mit dem anhaltenden Mitgliederschwund auch dieEinnahmen sinken werden. Voriges Jahr nahm die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau 530 Millionen Euro Kirchensteuern ein. Für dieses Jahr wird wegen Corona mit mindestens zehn Prozent weniger gerechnet. Doch der Hauptgrund für die schwieriger werdende Finanzsituation ist, dass vor allem junge Menschen zwischen 20 und 40 Jahren aus der Kirche austreten.
Stimmt es überhaupt, dass die Kirchensteuer für sie der Austrittsgrund Nummer eins ist? Susanne Teichmanis bezweifelt das. Sie ist Mitglied der „Zukunfts-Gruppe“ der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die kürzlich vielbeachtete Leitsätze zur Zukunft der Kirche erarbeitet hat. Darin werden in der Tat Spielräume für die Entlastung junger Menschen gefordert, aber die Kirchensteuer selbst nicht in Frage gestellt. „Für die Kirchensteuer spricht, dass sie gerecht ist. Außerdem ist sie Grundlage innerkirchlicher Solidarität“, stellte Teichmanis bei der Diskussion am Römerberg fest. Die Frage der Zugehörigkeit zur Kirche stelle sich nicht erst mit dem Eintritt ins Berufsleben, sondern schon viel früher. Deshalb werde eine Reduzierung der Kirchensteuer für bestimmte Altersgruppen das Problem nicht lösen. Vielmehr „benötigen wir Verfahren, wo wir miteinander ins Gespräch kommen“, so Teichmanis.
Dem stimmte auch der Publizist Erik Flügge zu, der online zur Diskussion zugeschaltet war. Eine Rabattierung macht seiner Ansicht nach keinen Sinn. Der Kirche dürfe nicht länger fragen: „Wie kriege ich die jungen Leute dazu, das Alte zu akzeptieren“? Stattdessen komme es darauf an, dass „die Gottesfrage eine öffentliche Relevanz“ bekommt. Wenn die Hälfte der evangelisch Getauften laut aktueller Shell-Jugendstudie antwortet, dass der Glaube für sie keine Rolle spielt, ist es kein Wunder, dass die Hürde zu einem Austritt für sie nicht hoch ist. Dabei leiste die Kirche enorm viel, zum Beispiel in der Seelsorge bei Trauer, Tod und Krise, so Flügge: „Die beiden Kirchen sind der große Anker der seelsorgerlichen Versorgung der Älteren.“ Dies müsse man aber auch erklären. „Wir brauchen mehr Kommunikation, mehr Direktansprache“, so Flügge. Wenn Geld vom Gehalt abgebucht werde, müsse man den Menschen auch erklären, für was das Geld verwendet wird. Derzeit hätten die Kirchen noch die Mittel für solche Kommunikations-Maßnahmen. Flügge riet den Verantwortlichen also: „Schaffen Sie nicht die Kirchensteuer ab.“
Aber kann man die Kirche nicht auch anders finanzieren? Torben Telder, Pfarrer der Wallonisch-niederländischen Gemeinde mit Sitz in Hanau, erzählte davon, wie sie es machen. Die 1100 Mitglieder werden jährlich angeschrieben mit der Bitte um eine Spende in Höhe der Kirchensteuer, also neun Prozent der Einkommenssteuer. Weil die Gemeinde diese Form der Finanzierung beibehalten will, sei sie nicht einer Großkirche beigetreten, obwohl es theologisch keine großen Differenzen gebe. Aber mit diesem Spendensystem könne man verlässlich arbeiten. Die eigene Stiftung habe über hundert Angestellte. Von großer Bedeutung sei die Beziehung der Menschen zu Pfarrerin und Pfarrer, die langen Perioden der Pfarrstellenbesetzung ermöglichen einen intensiven Kontakt zu den Familien.
Einigkeit herrschte auf dem Podium darüber, dass der Austritt aus der Kirche nur das Ende eines Entfremdungsprozesses ist. Auch Gegenmaßnahmen müssten daher früher einsetzen und nicht erst ganz am Schluss.
Die klassische Kirchengemeinde wird es vielleicht bald nicht mehr geben. Ein Zukunftspapier in elf Leitsätzen schlägt stattdessen mobile, NGO-artige Strukturen vor.
„Wie kommen wir aus der Defensive des Rückzugs, des Lockdowns, der sozialen Distanzierung heraus in die Offensive einer verantwortlichen und zugleich zuversichtlich gestaltenden Perspektive kirchlicher Gemeinschaft?“ Diese Frage aus einem aktuellen Zukunftspapier der Evangelischen Kirche in Deutschland bewegt gerade die Gemüter.
Mancher Vorschlag aus den „elf Leitsätzen“ der EKD könnte auch in der Expertise einer Unternehmensberatung stehen: Konzentration auf das Kerngeschäft (Gottesdienst und Kasualien wie Taufe oder Beerdigung), Kundenwünsche ernst nehmen (Gottesdienste zu unterschiedlichen Zeiten und unterschiedlicher Prägung), Kundenbindung erhalten (temporäre Absenkung der Kirchensteuer), neue Kundenkreise erschließen (Kooperationen).
Vieles daran ist richtig und schon lange überfällig, zum Beispiel die geforderte Entbürokratisierung und das Entschlacken der Gremienarbeit. Die institutionelle Gestalt der Kirche soll eine Mischung aus Institution, Organisation und Bewegung werden. Neben den Ortsgemeinden sollen andere Formen von Kirche an Bedeutung gewinnen, so eine Art Bewegung „zu schnellem, flexiblem, NGO-ähnlichem Vorgehen“.
Das bedeutet aber eine radikale Abkehr von der heutigen, an den Wohnort gebundenen Zuordnung zu einer Kirchengemeinde, Parochie genannt. „Parochiale Strukturen werden sich wandeln weg von flächendeckendem Handeln hin zu einem dynamischen und vielgestaltigen Miteinander wechselseitiger Ergänzung.“ Das Gottesdienstangebot soll kleiner und vielfältiger werden, eine Tendenz, die in Frankfurt und Offenbach bereits sichtbar wird.
„Die ‚Kirche im Dorf‘ und die Gemeinde im städtischen ‚Quartier‘ werden sich wandeln. Parochiale Strukturen werden ihre dominierende Stellung als kirchliches Organisationsprinzip verlieren.“ In Hessen-Nassau denkt man ebenfalls in diese Richtung: „In Zukunft sind Ortsgemeinden – darin durchaus den Gemeinden in der frühen Christenheit vergleichbar – stärker als bisher in regionalen Netzen miteinander verbunden.“
Der eine Pfarrer, die Pfarrerin vor Ort, die für alles zuständig sind, sind passé. Für die Vermittlung von religiösem Glauben braucht es allerdings persönliche Begegnung und Bindung. Und der Glaube an Gott unterscheidet schließlich die Kirche von humanistischen Initiativen und NGOs.
Es ist gerade eine Stärke der Kirche, dass sie noch in den Stadtteilen präsent ist, also dort, wo sich Metzger und Sparkasse längst zurückgezogen haben. Trotz des Sparzwangs muss es gelingen, einen Spagat aus „Vereinskirche“ und moderner Bewegung hinzubekommen. Denn weder darf die Kirche eine profillose Institution werden noch eine sektenhafte Glaubensgemeinschaft.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, schlägt vor, die Kirchensteuer für Berufseinsteiger*innen zu senken. Klingt auf den ersten Blick zwar plausibel, wird aber so nicht funktionieren.
Die Evangelische Kirche in Deutschland diskutiert, ob für Berufseinsteiger die Kirchensteuer ausgesetzt oder reduziert werden soll. „Viele junge Menschen sind mit Studium und Ausbildung beschäftigt, verlieren womöglich den Kontakt zur Kirche. Und wenn sie dann ihr erstes Gehalt bekommen, fragen sie sich, warum sie Kirchensteuern zahlen sollen und treten aus“, sagte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Beford-Strohm in einem Interview mit der Tageszeitung „Die Welt“. Ziel sei es, die Gruppe der 25- bis 35-Jährigen „in möglichst hoher Zahl in der Kirche zu halten“.
Tatsächlich tritt vor allem diese Altersgruppe in sehr hohen Zahlen aus der Kirche aus, dem will man verständlicherweise entgegenwirken. Bei der ersten Lohnabrechnung stellen viele erstaunt fest, wie viele Abzüge vom Bruttogehalt es gibt, wie groß die Differenz zwischen Netto und Brutto. Die einzige Stellschraube, an der sich dann etwas ändern lässt, ist die Kirchenmitgliedschaft. Denn bei der Kirchensteuer handelt es sich nicht um eine unvermeidliche Steuer, sondern um einen Mitgliedsbeitrag – und wer nicht Mitglied ist, zahlt auch keinen Beitrag.
Das ist der Grund, warum der Ratsvorsitzende diesen Beitrag am Anfang des Berufslebens möglichst klein halten will, und damit auch die Austrittsneigung. Zumal gerade die 25- bis 35-Jährigen für Wohnungseinrichtung oder auch Familiengründung jeden Cent gebrauchen können.
Trotzdem greift die Überlegung in dreifacher Hinsicht zu kurz. Erstens: Ein Produkt, das ich nicht verwenden kann, kaufe ich nicht. Als Nichtschwimmer werde ich nicht in den Schwimmclub eintreten, egal wie hoch der Rabatt ist. Mag sein, dass mit so einer Maßnahme einige Hundert oder auch Tausende vom sofortigen Austritt aus der Kirche abgehalten werden. Aber werden sie damit auch für die Kirche gewonnen? Die mangelnde Akzeptanz dafür, eine Mitgliedsbeitrag zu zahlen, reicht tiefer, ihr Grund liegt in einer Entfremdung von Kirche und Glauben. Ein Kirchenaustritt steht meist am Ende eines langen Entfremdungsprozesse, der oftmals bereits über Generationen angedauert hat.
Zweitens: Die Rabattierung des Mitgliedsbeitrages für bestimmte Gruppen konterkariert das Prinzip des heutigen Mitgliedsbeitrages, der an die Lohn- oder Einkommenssteuer gekoppelt ist: Neun Prozent davon gehen zusätzlich an die Kirche. Indem der Kirchenmitgliedsbeitrag analog zur Einkommensteuer steigt und fällt, ist er an die wirtschaftliche Lage der Mitglieder angepasst. Wer viel verdient, zahlt auch viel Kirchensteuer, wer kein Einkommen hat, muss auch der Kirche nichts bezahlen. Das ist sozial gerecht. Außerdem ist die Kirchensteuer als Mitgliedsbeitrag für eine gemeinnützige Organisation wiederum steuerlich absetzbar, was bedeutet, dass sich die tatsächliche Belastung noch um 20 bis 48 Prozent verringert. Das ist ein kompliziertes System, aber im Ergebnis sozial ausgewogen.
Übrigens erhebt der Staat die Mitgliedsbeiträge für die Kirchen keineswegs umsonst, sondern lässt sich dafür bezahlen. Das Land Hessen zum Beispiel behält drei Prozent der erhobenen Beiträge als Verwaltungspauschale ein. Dass die Mitgliedsbeiträge der Kirchen vom Finanzamt erhoben werden ist ein historisch entstandenes Arrangement, das aber für beide Seiten Vorteile hat.
Drittens schließlich erhebt nicht die EKD, sondern die einzelnen Landeskirchen die Steuern. Bevor der Vorschlag des Ratsvorsitzenden Wirklichkeit werden kann, müssten sich also alle 20 Landeskirchen auf ein solches Vorgehen einigen. Und es ist auch eine gute Tradition, dass man sich hier ebenfalls mit der katholischen Kirche abstimmt. Das wird kein einfacher Prozess.
Klar ist: Die christlichen Kirchen in Deutschland stehen vor gewaltigen – auch finanziellen – Herausforderungen, die aktuell durch den coronabedingten Einbruch bei der Kirchensteuer noch einmal verstärkt werden. Das kirchliche Angebot und die kirchlichen Strukturen werden sich grundlegend verändern. Die Diskussion darüber wird jetzt auch öffentlich geführt.
Immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus. Allein 540.000 Mitglieder haben die beiden großen christlichen Konfessionen in Deutschland im vorigen Jahr verloren. So richtig viel können die Kirchen nicht gegen diesen Trend tun. Denn Glaube wird in allererster Linie in den Familien weitergegeben. Oder eben auch nicht.
Die Bekanntgabe ihrer Mitgliederzahlen ist für die evangelische und katholische Kirche alljährlich ein unangenehmer Termin: Seit Jahren ist der Trend nach unten ungebrochen. Der Mitgliederschwund durch Austritte schmerzt. Mehr als 540.000 Menschen haben die beiden großen Konfessionen im vergangenen Jahr verlassen. Das entspricht etwa der Einwohnerzahl von Nürnberg oder Dresden. Manch Kommentator spricht von einem „Massenexodus“.
Was tun? Die Evangelische Kirche Hessen und Nassau (EKHN) betont zunächst einmal die positiven Seiten der Statistik: Die Konfirmationen blieben der Eckpfeiler der Kirche für junge Menschen, denn immerhin ließen sich 87 Prozent eines evangelischen Jahrgangs in der Landeskirche konfirmieren. Auch die Zahl der Taufen bliebe stabil. Die Zahl derjenigen, die in die Kirche eingetreten sind, hat leicht zugenommen, es waren voriges Jahr 2812 Personen. Demgegenüber sind allerdings 21.071 ausgetreten. Dazu kommen noch Sterbefälle und Zu- und Wegzüge. Im Saldo ist die Zahl der Mitglieder im Kirchengebiet um 2,2 Prozent gesunken. Damit wird der langfristige bundesweite Trend bestätigt. Bis 2060, so die Prognose, wird sich die Zahl der Mitglieder aller Wahrscheinlichkeit nach halbiert haben.
Nicht alles von dieser Entwicklung liegt speziell an den christlichen Kirchen. Manches ist einfach ein gesellschaftlicher Trend. Auch andere große Institutionen wie die Parteien und die Gewerkschaften haben ihre Bindungsfähigkeit verloren. Anderes sind hausgemachte Fehler, wie zum Beispiel Versäumnisse bei der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in den eigenen Reihen.
Was aber wirklich an den Kern geht, ist etwas anderes: Schaut man sich die Ergebnisse der „Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften“ (ALLBUS) aus dem Jahr 2018 an, so wird klar, dass der Glaube an Gott bei vielen Menschen schwindet. Nur noch 44 Prozent der Befragten gaben an, im weitesten Sinne an Gott zu glauben. Zwar kommen noch einmal 20,8 Prozent hinzu, die die Antwort gaben: „Ich glaube nicht an einen leibhaftigen Gott, aber ich glaube, dass es irgendeine höhere geistige Macht gibt.“ Es sind also noch fast zwei Drittel der Menschen in Deutschland, die eine überirdische Macht für möglich halten. Allerdings ist auch hier ist die Tendenz seit Jahren fallend.
ALLBUS bestätigt in Zahlen, was schon vielfach erhoben wurde und sich auch im Alltag leicht beobachten lässt: Der Glaube – und auch das Wissen vom Glauben – schwindet stetig. Aber warum?
Nicht, wie man vielleicht meinen könnte, weil die Pfarrerinnen und Religionslehrer schlechte Arbeit machen. Denn wesentlich für die Glaubensvermittlung sind nicht die Kirchen und ihr Personal. Die Grundlage für Gottvertrauen wird in jungen Jahren in den Familien gelegt. Hier werden religiöse Traditionen weitergegeben, gebetet und aus der Kinderbibel vorgelesen – oder eben auch nicht. Und es sind ganz konkret meist die Großmütter, die kleinen Kindern im Herzen etwas vom Glauben weitergeben.
Fehlende religiöse Sozialisation im Kindesalter, in den Familien, können Kirchengemeinden nicht kompensieren. Pfarrer, Gemeindepädagoginnen, Bibelkurse und gute kirchliche Angebote können Eltern und Großeltern darin unterstützen. Auch christliche Kindertagesstätten können in Familien hineinwirken. Aber das alles kann die Familie in der religiösen Erziehung nicht ersetzen.
Die moderne Gesellschaft mit ihren Leistungsanforderungen, ihrer Individualisierung und auch der Institutionalisierung von Erziehung verstärkt den Trend von Generation zu Generation. Für die Kirchen bedeutet das, dass ein „Weiter so“ keine Option ist. Schon allein die knapper werdenden Finanzen fordern zum Handeln auf. Und Corona verstärkt den Druck: Allein die EKHN erwartet in diesem Jahr Mindereinnahmen von 50 Millionen Euro.
Zwei Strategien stehen im Raum und werden derzeit diskutiert: Entweder kann sich die Kirche auf ihr „Kerngeschäft“ zurückziehen, sich darauf beschränken, gute Gottesdienste, Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen abzuhalten. Doch damit würde sie ihren Anspruch, in die Gesellschaft hineinwirken zu wollen, aufgeben. Sie verzwergt. Das andere Extrem wäre ein weiter gesteigertes Engagement für die Schwächsten, für Verfolgte und Abgehängte, ohne dabei allzu sehr von Bibel und Co. zu sprechen. Dann würde aus der Kirche so etwas wie ein Wohlfahrtsverband mit angeschlossener spiritueller Abteilung. Auch keine Lösung.
Ein Patentrezept gibt es wahrscheinlich nicht. Irgendwo zwischen diesen beiden Optionen wird sich der künftige Weg finden. Immerhin wurde in der Zeit der Corona-Krise deutlich, dass die Organisation Kirche durchaus kreatives Potenzial hat und sich auf Veränderungen einstellen kann.
Zum 60. Geburtstag erschien eine Biografie der prominenten Theologin.
Sie ist die wohl bekannteste und beliebteste Theologin Deutschlands: Zum 60. Geburtstag von Margot Käßmann erschien nun ihre Biografie. Verfasst hat sie der Theologe und Journalist Uwe Birnstein, der seit sieben Jahren ihr Berater ist.
Für ihn und für die Leserinnen und Leser hat Margot Käßmann tiefe Einblicke gewährt. Zahlreiche Fotografien und Zitate aus dem Tagebuch lassen Geschichte, Kirchengeschichte und Familiengeschichte lebendig werden. Käßmanns Auseinandersetzung mit Martin Luther King als Jugendliche und ihre Begegnung mit Nelson Mandela lassen die Wurzeln ihres Pazifismus erahnen.
Wie ein roter Faden zieht sich die Erfahrung durch ihr Leben, als Frau benachteiligt worden zu sein. Immer wieder versuchten Männer, sie auszutricksen. Zum Beispiel der damalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Eduard Lohse, der 1983 ihre Wahl in den Zentralausschuss des Ökumenischen Rates verhindern wollte.
Auch dass die Kirche wie selbstverständlich von ihr verlangte, ehrenamtlich als Pfarrerin zu arbeiten, während sie ihrem Mann eine volle Stelle gab, gehört zu diesen Erfahrungen. Immer wieder stieß sie auf Vorbehalte: „Wie wollen Sie das mit vier Kindern schaffen?“
Ausführlich beschreibt Birnstein auch die Krebsdiagnose, den Rücktritt vom Amt der EKD-Ratsvorsitzenden und ihre letzte Tätigkeit als Luther-Botschafterin.
Uwe Birnstein ist nicht nur eine Biografie über eine populäre Frau gelungen. Vielmehr ist das Buch eine Zeitreise, spannend erzählt und voller Hintergrundinformationen über die jeweiligen gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen. Das klingt ernst, ist auch ernstm ist aber doch mit lockerer Feder geschrieben, sodass der Leser und die Leserin oft lachen können.