Olympiade in Paris. In all der Angespanntheit ist einer da, der keine sportliche Aufgabe hat. Olympiapfarrer Thomas Weber begleitet das Team Deutschland in Paris. „Wir haben Zeit, hören zu und sind verschwiegen“, beschreibt Weber seine Aufgabe im Podcast Conny und Kurt. Schon acht mal hat er deutsche Mannschaften im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland zu Olympia begleitet. Weber ist Mitglied im Arbeitskreis Kirche und Sport der EKD, hat aber zuhause noch seine eigene Gemeinde. Er steht auch am Rande der Wettkämpfe, fiebert mit und feuert an. Jeder Sportler und jede Sportlerin, die in Paris dabei sind, hätten Großartiges vollbracht, sagt Weber und empfindet deshalb manche Berichterstattung als unbarmherzig. „Wenn davon gesprochen wird, es sei nur der 4. Platz geworden oder nur auf den Medaillenspiegel geschaut wird. Aber nicht nur Olympia begeistert den Seelsorger. Er freut sich im nächsten Jahr auf die World University Games, die in seiner Heimat an Rhein und Ruhr stattfinden. Auch dort begleitet Weber die deutsche Mannschaft.
Zur Person: Thomas Weber ist Olympiapfarrer der evangelischen Kirche. Bereits seit 2006 begleitet der gebürtige Siegerländer das deutsche Team zu den Olympischen Spielen. Sonst arbeitet der Pastor in seiner Gemeinde im westfälischen Gevelsberg.
Bei grausamen Ereignissen wie diese Woche am Frankfurter Hauptbahnhof, als ein achtjähriger Junge und seine Mutter vor einen einfahrenden ICE gestoßen wurden und das Kind starb, wird auch die Notfallseelsorge gerufen. Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen den Angehörigen und Betroffenen zur Seite. 278 Mal war die Frankfurter Notfallseelsorge im Jahr 2018 im Einsatz.
Polizei und Notärzte kümmern sich in Notfällen um die direkt Betroffenen, aber auch andere brauchen Hilfe. Am 29. Juli, als im Frankfurter Hauptbahnhof ein achtjähriger Junge starb, erlitten auch viele Umstehende einen Schock oder brauchten Unterstützung und ein offenes Ohr: Die Reisenden auf dem Gleis, aber auch diejenigen, die in dem Zug saßen. Die Haupt- und Ehrenamtlichen der Frankfurter Notfallseelsorge kümmerten sich in den Räumen der Bahnhofsmission um alle, die Beistand brauchten.
Dass es in Frankfurt eine Notfallseelsorge gibt, dafür war ein anderes grausames Ereignis der Auslöser: An Weihnachten 1996 wurde in der Kirche in Sindlingen ein Handgranatenanschlag verübt, bei dem drei Menschen starben und zahlreiche Gottesdienstbesucherinnen und -besucher verletzt wurden. Polizei und Notärzte kamen, aber niemand war da, um die Zurückgebliebenen, die Angehörigen, die nicht verletzten Menschen zu betreuen.
Dieses Schlüsselereignis führte in der Folge zur Gründung der Notfallseelsorge vor zwanzig Jahren. In Kooperation mit den Einsatzkräften vor Ort kümmert sie sich um die Angehörigen eines Unfalles, eines plötzlichen Todesfalles oder auch eines Suizids. Die Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger überbringen auch Todesnachrichten.
Gerufen werden die heute 38 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die Feuerwehrleitstelle. „Von Anfang an war Bedingung, dass wir an 365 Tagen im Jahr immer zwei Personen in Bereitschaft haben“, sagt Irene Derwein. Die Pfarrerin ist von Anfang an dabei, zuerst als Ehrenamtliche, dann zehn Jahre lang als Leiterin der Notfallseelsorge. Heute ist sie die zuständige Arbeitsbereichsleiterin im Diakonischen Werk für Frankfurt und Offenbach.
Unter den Ehrenamtlichen sind Pfarrerinnen und Psychotherapeuten, Sozialarbeiter, aber auch Journalistinnen und Bankangestellte. Sie alle haben Erfahrung mit Menschen in Krisensituationen und eine 14-tägige Zusatzqualifikation absolviert. Zunächst ist ihre Aufgabe eine reine Krisenintervention, das heißt: bei den Menschen sein, mit ihnen sprechen, Hilfe durch Angehörige organisieren, wenn die Rettungskräfte abgezogen sind. Falls gewünscht, wird ein Gebet gesprochen.
Sollte der Leichnam noch im Haus sein, kann eine Aussegnung mit Kerzen und Gebet gemacht werden. Es geht um eine würdige Verabschiedung. Alle Ehrenamtlichen, ob Theologen oder Laien, sind darin geschult. Dies sei eine Besonderheit der Ausbildung, sagt Irene Derwein. Sie bedauert allerdings, dass es nicht gelungen ist, von Anfang an die katholische Kirche mit ins Boot zu bekommen. Unter den Ehrenamtlichen sind aber katholische Christinnen und Christen und auch Priester. Bei Bedarf vermittelt die Notfallseelsorge auch an muslimische Seelsorgerinnen.
Inzwischen hat die Notfallseelsorge eine hohe Akzeptanz. Im Jahr 2018 wurde sie 278 Mal gerufen und hat über 700 Menschen begleitet. Die Akzeptanz bei den Rettungskräften kommt nicht von ungefähr. So unterrichtet der neue Leiter der Notfallseelsorge, Conny von Schumann, die Feuerwehr in Krisenintervention und Stressbewältigung. Auch die Feuerwehrkräfte müssen mit den belastenden Ereignissen umgehen. Auch für sie ist die Notfallseelsorge Ansprechpartnerin.
Inzwischen sind die Seelsorgerinnen und Seelsorger auch bei einigen Großveranstaltungen oder bei Bombenevakuierungen direkt vor Ort. „Da gibt es immer was zu tun, und zahlreiche ältere Leute erinnern sich noch an die Bombennächte von Frankfurt“, berichtet von Schumann von der letzten Entschärfung im Ostend. „Da braucht es einfach Zuhörer.“
Der Weg zur Notfallseelsorge geht immer über die Rettungs- und Einsatzkräfte, Privatleute können sich im Fall von Krisen oder Hilfsbedarf an die Telefonseelsorge wenden, die rund um die Uhr unter der kostenlosen Telefonnummer 0800/111 0 111 erreichbar ist.
Die Fälle von sexualisierter Gewalt in kirchlichen Einrichtungen betreffen beide Kirchen. Es gibt Schätzungen, wonach sich ein Drittel der Fälle im kirchlichen Kontext in der evangelischen Kirche abgespielt hat. Wahrscheinlich hat der Missbrauch in der katholischen Kirche strukturelle Gründe. Aber es gibt auch evangelische Besonderheiten, die problematisch sind.
Keineswegs segelt die evangelische Kirche bei den Debatten über sexualisierte Gewalt in kirchlichen Einrichtungen im Windschatten der katholischen Kirche. Vielmehr wird ihr vorgeworfen, dass sie selbst im Glashaus sitze, nur eben ihre Verstrickung deutlich leiser bearbeite. Es gibt Schätzungen, wonach sich ein Drittel der Fälle im kirchlichen Kontext in der evangelischen Kirche abgespielt hat.
Wahrscheinlich hat der Missbrauch in der katholischen Kirche strukturelle Gründe. Deutlich stellten Katholiken und Katholikinnen um den Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz in einem offenen Brief einen Zusammenhang her zwischen vorgeschriebenen Lebensformen, sexuellen Tabus und Männerbünden: „Missbrauch in unserer Kirche hat auch systemische Gründe. Die Versuchung des Klerikalismus folgt dem Klerus wie ein Schatten.“
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) will in zwei wissenschaftlichen Studien das Ausmaß des Skandals in ihren eigenen Strukturen ergründen. Kirsten Fehrs, Bischöfin der Nordkirche, wo es bereits eine 500 Seiten starke Studie dazu gibt, machte in ihrem Bericht vor der EKD-Synode evangelische Spezifika aus. Problematisch seien zum Beispiel „die unreflektierte Vermischung von Privatem und Dienstlichem, dezentrale Strukturen, die unklar machen, wer für was zuständig ist, fehlende Beschwerdemöglichkeiten.“
Im der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) sind von 1947 bis heute 50 Fälle bekannt geworden, die denen der Verdacht auf sexualisierte Gewalt bestand. Dabei wurden 16 Mal Pfarrer verdächtigt. In 12 Fällen konnten keine Ermittlungen mehr geführt werden, weil die Beschuldigten bereits verstorben waren. Ein Verdacht hat sich als unbegründet erwiesen. Dreimal wurde ein kirchliches Dienstrechts-Verfahren eingeleitet. In den anderen Fällen richteten sich die Anschuldigungen gegen Erzieher, Ehrenamtliche oder Kirchenmusiker. In der Gesamtzahl sind laut EKHN auch alle bekannten Fälle aus Heimen in evangelischer Trägerschaft enthalten.
Bei der Bearbeitung von sexualisierter Gewalt kann sich die evangelische Kirche also strukturell nicht auf den Klerus fokussieren. Sie muss die Mitarbeiterschaft in ihrer ganzen Breite – ob haupt- oder ehrenamtlich – in den Blick nehmen. Mit Hilfe eines neuen Gesetzes gegen Kindeswohlgefährdung und der Vorschrift von erweiterten Führungszeugnissen für Haupt- und Ehrenamtliche sind erste Schritte unternommen worden. Schulungen ergänzen die formalen Anforderungen. Zudem hat die EKHN Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für Beschwerden ausgewiesen.
Überall, wo Macht ausgeübt wird, ob in der Psychotherapie, in der Seelsorge, in der Schule oder im Kindergarten, kann diese missbraucht werden. Deshalb gilt es weiterhin wachsam für Anzeichen eines Missbrauchs zu sein. Die Analyse der Vergangenheit kann da wertvolle Hinweise geben.