Tag Archiv für Huber

Huber: Ethik der Digitalisierung

Für eine Ethik der Digitalisierung

Ethik & Werte

von Kurt-Helmuth Eimuth

9. Januar 2023

Wie intelligent ist sie wirklich, die „künstliche Intelligenz“? Um das herauszufinden, experimentierte unser Autor mit dem künstlichen Intelligenz-Modell ChatGPT, das seit kurzem frei im Internet zugänglich ist, und sprach mit dem ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, der gerade ein Buch über digitale Ethik geschrieben hat.

Wolfgang Huber: Menschen, Götter und Maschinen, C.H.Beck 2022, 207 Seiten, 18 Euro.
Wolfgang Huber: Menschen, Götter und Maschinen, C.H.Beck 2022, 207 Seiten, 18 Euro.

Von künstlicher Intelligenz (KI) haben wir alle schon mal gehört. Wir wissen, sie findet Anwendung in der Medizin, beim Analysieren von Röntgenbildern etwa – und das ist gut so, denn die KI ermüdet nicht, anders als die Augen des Arztes. Eine KI schätzt auch unsere Zahlungsfähigkeit bei der Kreditvergabe ein – hoffentlich hat noch ein Bankmitarbeiter oder -mitarbeiterin das letzte Wort. KI-Programme, genauer gesagt: speziell trainierte Algorithmen, haben längst zum Sprung in unser aller Alltag angesetzt. Dabei geht es nicht bloß um autonom gesteuerte Einparkhilfen.

Eine neue KI, das Dialogprogramm ChatGPT, steht neuerdings frei zugänglich für alle im Internet. Der Chatbot erstellt Texte, Nachrichten, Kommentare oder zeichnet Bilder, die kaum von anderen Kunstwerken zu unterscheiden sind. Er hilft auch bei der Planung von Seminaren, das habe ich selbst ausprobiert: Zur Vorbereitung eines Hochschulkurses über Partizipation im Kindergarten fertigte die KI mir eine Literaturliste an, spuckte eine Liste mit Filmen aus und gab didaktische Tipps. Und vergaß auch nicht den freundlichen Hinweis, dass man bei einem Seminar über Partizipation diese auch selbst praktizieren müsse.

Und was hält die KI von diesem Text, den Sie gerade lesen? Antwort: „Der Text gibt einen Überblick über die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von künstlicher Intelligenz (KI). Er erwähnt Beispiele aus verschiedenen Bereichen wie Medizin, Finanzen und Alltag. Der Autor scheint positiv über die Verwendung von KI zu denken und betont ihre Fähigkeit, menschenähnlich zu arbeiten und handeln.“

Keine Frage: Computerprogramme sind heutzutage fähig, in gutem Deutsch (oder vielen anderen Sprachen) Artikel zu schreiben, Analysen zu erstellen oder Überschriften zu finden. Sie können sogar Kritik. Jedenfalls empfiehlt mir die KI in ihrer Artikelanalyse: „Insgesamt ist der Text etwas allgemein gehalten und könnte durch die Hinzufügung von mehr Details und der Berücksichtigung von Ethikaspekten vertieft werden.“

Das nehme ich mir zu Herzen und vereinbare ein Interview mit Wolfgang Huber, Autor des Buches „Menschen, Götter und Maschinen. Eine Ethik der Digitalisierung“. In der Ethik, so der Theologe und frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, müssten die großen menschlichen Handlungsfelder thematisiert werden. Dies sei bei der Digitalisierung aber kaum geschehen, sagt Huber: „Man hat sie stiefmütterlich behandelt.“ Sich selbst will er da gar nicht ausnehmen.

Doch die Gesellschaft müsse Verantwortung dafür tragen, allen Menschen einen fairen Zugang zur Digitalisierung zu ermöglichen. Er sei nicht etwa ein Gegner dieser Technik, die er gerne auch selbst nutzt. Doch es komme auf die Art ihres Einsatzes an. Ob sie etwa gegen die Würde des Menschen verstößt.

Huber sieht Anzeichen dafür, dass sich die Menschheit selbst vergöttlicht. „Menschen vergessen den Unterschied zwischen Gott und den Menschen.“ Manche hätten die Idee, mit Hilfe der Digitalisierung unsterblich werden zu können, was aber, falls es funktionieren sollte, den kommenden Generation das Lebensrecht absprechen würde. Huber setzt sich mit dem israelitischen Historiker Yuval Noah Harari auseinander, der davon spricht, dass sich der Homo sapiens zu einem Homo deus, zu einem Gott gewordenen Menschen, wandele. Die Folge sei eine Spaltung der Gesellschaft zwischen einer zu Übermenschen mutierten Elite und der breiten Masse.

Huber ist überzeugt: „Um der Humanität willen ist es wichtig, dass die Unterscheidung zwischen Gott und Mensch nicht nur vorausgesetzt, sondern auch lebensweltlich dargestellt und erfahren wird. Das ist die Aufgabe der Religion, in besonderer Weise die Aufgabe christlicher Kirchen.“

Und was sagt die KI jetzt zu diesem Text? Antwort: „Wolfgang Huber, ein deutscher Theologe und Professor für Systematische Theologie, argumentiert in seinem Buch, dass die Menschheit den Unterschied zwischen Gott und Mensch wahren und lebensweltlich darstellen muss, um eine Spaltung der Gesellschaft in eine Übermenschen-Elite und die breite Masse zu verhindern.“ Wohl wahr.


Zu ChatGPT: https://chat.openai.com/chat

Menschen, Götter und Maschinen – Wolfgang Huber zu Gast

In seinem neuesten Buch „Menschen, Götter und Maschinen“ fordert Wolfgang Huber eine Ethik der Digitalisierung. Im Podcast bei Conny & Kurt warnt der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands vor einem „Digital gap, also einer Kluft zwischen den Teilhabern an der digitalen Revolution und den von ihr Ausgeschlossenen.“ Huber betont, dass die digitale Welt Arbeitserleichterungen erschließt, aber die letzte Entscheidung, auch bei der KI müsse beim Menschen liegen.

Kirche sucht Perspektiven

„Leuchtfeuer“ sollen in die Gesellschaft ausstrahlen

Die evangelische Kirche will ihre Strukturen und Arbeitsfelder besser den heutigen Herausforderungen anpassen. In der Evangelischen Kirche in Deutschland sorgt vor allem der Vorschlag für Aufregung, die Zahl der Landeskirchen zu verringern. Zudem soll stärker exemplarisch gearbeitet werden, was wohl bedeutet, dass das Geld für eine exzellente Arbeit in der Breite nicht mehr reicht. Durch sogenannte „Leuchtfeuer“, also Arbeit, die weit in die Gesellschaft hinein ausstrahlt, will die evangelische Kirche Kontur gewinnen.

Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau hat einen Prozess „Perspektive 2025“ eingeleitet. In der Frühjahrssynode im April will das Kirchenparlament dazu eine „Richtungsentscheidung“ treffen, so Öffentlichkeitsreferent Dietmar Burkhardt. Insgesamt fühle man sich auf dem eingeschlagenen Reformweg bestätigt. Allerdings sollen sich Stadt und Land künftig unterschiedlich entwickeln können. Bisher gab es gerade zwischen der Metropole Frankfurt und der Landeskirche häufig Streit um die Verwendung der Kirchensteuer.

Ob diese Perspektive aber bedeutet, dass die kirchliche Präsenz in der Großstadt stärker gefördert wird, ist fraglich. Wie die Kirchenstrukturen dem Bedarf einer Volkskirche in der Minderheit angepasst werden, darüber wird wohl auch am Main weiter heftig diskutiert.

Kurt-Helmut Eimuth

Evangelisches Frankfurt April 2007