Tag Archiv für Krabbel

Bonames: Neubau zum Krabbeln

Evangelisches Frankfurt November 2009

Neubau zum Krabbeln
Vier neue Gruppen in der Kita Bonames

Die erste Gemeinde, die ihre Kindertagesstätte um die Altersgruppe der Null- bis Dreijährigen erweitern kann, wird die Miriamgemeinde in Bonames sein. Vier neue Gruppen für diese Altersspanne wird ein Neubau beherbergen, der hinter dem Gemeindehaus am Kirchhofsweg entsteht. Zudem kommen in diesem Gebäude auch die beiden Kindergartengruppen der bestehenden Einrichtung unter, sodass der Neubau dann 80 Kindern im Alter von null bis sechs Jahren Platz bietet.

Die Planung des Darmstädter Architektenbüros Eisele und Stanjek ist nicht nur großzügig, sondern auch ökologisch ehrgeizig. So wird etwa im Passivhausstandard gebaut. Sollte trotz optimaler Dämmung und Wiedergewinnung der Wärme aus der Abluft noch Heizenergie benötigt werden, greift man auf Erdwärme zurück. In 99 Metern Tiefe wird die dafür notwendige Energie gewonnen.

Die Großzügigkeit des Raumangebots wird gleich im großen Foyer sichtbar werden. Zudem kann durch eine variable Wand ein Mehrzeckraum zugeschaltet werden, sodass sich auch Feste einfach veranstalten lassen.

Durch die terrassenförmige Bauweise erhält das Gebäude nicht nur ein ganz eigenes Gesicht, sondern auch einen zweiten Spielplatz auf der Terrasse im ersten Stock. Jeder Gruppenraum verfügt über eine eigene Nasszelle, und eine Küche, in der die Mahlzeiten täglich frisch zubereitet werden, gehört selbstverständlich auch dazu.

Der Neubau auf dem Gelände der Gemeinde und dem eines angrenzenden Parkplatzes ersetzt die recht marode zweigruppige bisherige Kindertagesstätte, die abgerissen werden muss. Die Kosten für den Neubau und die Einrichtung belaufen sich auf drei Millionen Euro.

Kurt-Helmuth Eimuth

Die Krabbel-Offensive

Evangelisches Frankfurt April 2009

Die Krabbel-Offensive

Krabbelstuben sind nichts Böses – vorausgesetzt, die Qualität stimmt. In den nächsten vier Jahren will die evangelische Kirche in Frankfurt tausend neue Plätze für Kinder unter drei Jahren schaffen und ihr derzeitiges Angebot damit fast verfünffachen. Die Bedürfnisse und Bildungschancen der Kinder selbst stehen dabei im Mittelpunkt.

Es ist ein sonniger Tag, und die Kinder in der evangelischen Krabbelstube in Zeilsheim freuen sich, raus zu kommen – eifrig steigen sie in ihre Stiefel und Anoraks und toben kurz darauf im Außengelände herum. Lena hingegen ist müde und hat sich in ihr Bettchen im Schlafraum gelegt, Samantha knabbert an ihrem Tischchen an einem Brot, während der kleine Stefan, der noch nicht laufen kann, auf eigene Faust den Raum erkundet. „Bei uns machen nie alle Kinder zur gleichen Zeit dasselbe“, sagt Leiterin Tanja Stadtmüller, „wir passen uns ganz dem Rhythmus jedes einzelnen Kindes an.“

Neuankömmling Jarne weiß noch nicht genau, ob es ihm in der Krabbelstube gefällt. Aber er hat ja Zeit, sich daran zu gewöhnen – mindestens vier Wochen lang sind Mama oder Papa jederzeit erreichbar. | Foto: Ilona Surrey

Neuankömmling Jarne weiß noch nicht genau, ob es ihm in der Krabbelstube gefällt. Aber er hat ja Zeit, sich daran zu gewöhnen – mindestens vier Wochen lang sind Mama oder Papa jederzeit erreichbar.
Foto: Ilona Surrey

Dreh- und Angelpunkt dieses Konzeptes, das sich an den Vorschlägen der ungarischen Kinderärztin Emmi Pikler orientiert, ist die Beziehung zwischen Erzieherin und Kind. So ist in der Eingewöhnungsphase, die in der Regel vier bis sechs Wochen dauert, eine einzige Erzieherin für das Kind zuständig – wird sie krank, muss der Eingewöhnungsprozess unterbrochen werden. „Nur wenn die Bindung zwischen Kind und einer festen Bezugsperson stark und sicher ist, wird es anfangen, die Umgebung aktiv zu erkunden“, sagt Vanessa Hoch, die im Diakonischen Werk für Frankfurt die fachliche Ausrichtung betreut.

Es ist jedoch nicht immer leicht, konsequent die Bedürfnisse der Kinder in den Mittelpunkt zu stellen. Da komme es vor, dass Eltern sich beklagen, wenn ihre Kleinen am Nachmittag zu lange geschlafen haben – weil sie dann am Abend wach sind und beschäftigt werden wollen. Andere fragen schon in der Krabbelstube nach Frühenglisch und sind skeptisch, wenn die Erzieherinnen die Kleinen nicht ständig „bespielen“ und beim Lernen vorantreiben.

Vielleicht ist diese Erwartungshaltung kein Wunder, denn schließlich wurde der massive Ausbau von Krippenplätzen in Deutschland nicht zuerst aus pädagogischen, sondern vielmehr aus wirtschaftlichen und ordnungspolitischen Gründen angestoßen: Junge Frauen sollen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und der Nachwuchs „bildungsferner“ Schichten möglichst früh gefördert werden. Auch Tanja Stadtmüller weiß um den Druck, dem viele Eltern heute im Alltag ausgesetzt sind. „Deshalb bemühen wir uns sehr, ihnen möglichst entgegen zu kommen.“ Feste Bring- und Abholzeiten gibt es nicht, Verbesserungsvorschläge sind jederzeit willkommen.

Wann immer die Kleinen Hunger haben, gibt's etwas zu essen. Die Wünsche der Kinder werden von den Erzieherinnen sehr ernst genommen. | Foto: Ilona Surrey

Wann immer die Kleinen Hunger haben, gibt’s etwas zu essen. Die Wünsche der Kinder werden von den Erzieherinnen sehr ernst genommen.
Foto: Ilona Surrey

Viel zu lange sind in Deutschland Familien und öffentliche Einrichtungen beim Thema Kleinkinderbetreuung gegeneinander ausgespielt worden. Es wird höchste Zeit, dass sie an einem Strang ziehen. „Der Weg zu einer Institutionalisierung der Kinderbetreuung auch unter drei Jahren ist richtig und notwendig“, bekräftigt Pfarrer Michael Frase, der Leiter des Diakonischen Werkes für Frankfurt. Auch in der Kirche – lange Zeit ein Hort überkommener Familienmodelle – hat sich diese Erkenntnis inzwischen durchgesetzt.

Beim Ausbau der Krabbelstuben dürfe es aber nicht einfach um „Betreuungsplätze“ gehen, sondern vielmehr um Bildung, ist der zuständige Arbeitsbereichsleiter Kurt-Helmuth Eimuth überzeugt. Wobei sich der Bildungsbegriff nicht länger an dem klassischen Schulmodell orientiert, wo die Lehrer vorgeben, was wann gelernt wird. Eher steht das Verhalten einer Mutter Modell, die verlässlich da ist, dem Kind erklärt, was es wissen will, und ihm im ganz normalen Lebensalltag Anregungen bietet.

„Der Mensch lernt durch Nachahmung, Ausprobieren und Kommunikation“, erläutert Eimuth diesen Prozess. Material dazu gibt es in den Krabbelstuben zur Genüge: Holzrampen und Treppen, Sachen zum Rütteln, Betasten, Auf- und Zuschrauben. „Wir nehmen gerne Alltagsgegenstände“, sagt Tanja Stadtmüller und deutet auf leere Plastikflaschen, Cremedosen, bemalte Würfel und vieles mehr, das auf den Entdeckungsdrang der Kleinsten wartet. Die Erzieherinnen fragen regelmäßig nach den Wünschen der Kinder und erklären ihnen alles, was sie selbst tun. Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Windelwechseln, das nicht etwa als lästige Notwendigkeit, sondern als wichtiger Teil des Bildungsprozesses verstanden wird. „Diese intime Interaktion trägt ganz entscheidend zur Vertrauensbildung bei“, sagt Vanessa Hoch. Wobei das Kind selbst entscheidet, wann die Windel gewechselt werden soll.

Auch für viele Erzieherinnen ist so ein Konzept eine Herausforderung. „Sie müssen lernen, sich selbst zurückzunehmen und die Kinder machen zu lassen.“

In den meisten Ausbildungsgängen gibt es in punkto Frühpädagogik jedoch noch einen gewissen Nachholbedarf. Forderungen nach einer Akademisierung der Erzieherinnenausbildung sieht Kurt-Helmuth Eimuth zwiespältig. Er setzt eher auf differenzierte Ausbildungsgänge und „multiprofessionelle“ Teams: akademisch ausgebildete „Bildungsorganisatorinnen“ in der Einrichtungsleitung, dazu Spezialistinnen für interkulturelle oder religiöse Bildung, die mit ihren Fachkenntnissen diejenigen unterstützen, die als erste Bezugspersonen für die Kinder da sind.

Antje Schrupp

Frankfurt braucht 4500 zusätzliche Erzieherinnen

Ab dem Jahr 2013 haben Eltern in Deutschland einen Rechtsanspruch auf einen Krabbelstuben-Platz für ihre Kinder. Zuständig sind die Kommunen. Für die Stadt Frankfurt heißt das: In nur vier Jahren müssen rund 5500 neue Plätze geschaffen werden. Die evangelische Kirche will sich mit 1000 neuen Plätzen an diesem gewaltigen Ausbau beteiligen. Dafür ist ein Bauvolumen von rund 20 Millionen Euro vorgesehen, finanziert ganz überwiegend von der Kommune sowie aus Landes- und Bundeszuschüssen.

Dabei stellen sich vor allem zwei Probleme. Erstens gilt es, geeignete Liegenschaften zu finden. Sie müssen aus Sicherheitsgründen im Erdgeschoss liegen und über ein Außengelände verfügen – keine leichte Sache, vor allem im Innenstadtbereich. Noch schwieriger wird es jedoch sein, genügend Erzieherinnen zu finden. Die Stadt Frankfurt schätzt den Bedarf in den kommenden vier Jahren auf 4500 zusätzliche Kräfte. Dem stehen aber in diesem Zeitraum nur rund 1500 Absolventinnen und Absolventen der Berta-Jourdan-Schule gegenüber.

Antje Schrupp

Kinderkrippen droht „Profit von Anfang an“

Evangelisches Frankfurt Mai 2008

Kommentar:
Kinderkrippen droht „Profit von Anfang an“

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Ohne Zweifel: Familienministerin Ursula von der Leyen gebührt Anerkennung. Sie hat die Kinderbetreuung in Deutschland nicht nur in den Mittelpunkt der Familienpolitik gestellt, sondern gegen viele Widerstände – auch in der eigenen Partei – den flächendeckenden Ausbau des Krippenangebots durchgesetzt. Doch mit ihrem jüngsten Vorschlag, auch private Anbieter von Kinderbetreuungsplätzen staatlich zu fördern, kehrt die CDU-Politikerin zurück in das Lager konservativer Ideologien.

Ohne Not sollen private Investoren mit öffentlichen Geldern geködert werden. Dem Argument, dass dieses womöglich die Qualität der Betreuung schmälert, begegnet die Ministerin mit dem Hinweis auf „Qualitätsstandards“. Doch die Erfahrung zeigt, dass dies immer nur Mindeststandards sein können. Auf dem ambulanten Pflegemarkt ist das längst zu sehen. Private Pflegedienste arbeiten mit Hilfs- statt mit Fachkräften, bezahlen geringere Löhne und können dadurch deutlich billiger sein.

Im Bereich der Betreuung von Kleinkindern ist die Sache noch einmal komplizierter. Wie kann bei so komplexen Bildungsprozessen, die von der Beziehung zwischen Kind und Erzieherin abhängen, Qualität objektiv gemessen werden? Sie lässt sich allenfalls beschreiben. Die wirkliche Zuwendung zum Kind entzieht sich aber jeder Mess-Skala. Messbar dagegen ist der Profit. Wenn Kapital eingesetzt wird, muss eine Rendite herauskommen. So funktioniert dieses Wirtschaftssystem nun einmal. Dagegen ist auch überhaupt nichts zu sagen. Doch es ist klar: Die private Kinderkrippe mit staatlicher Unterstützung wird nicht nur das Kind, sondern auch die Bilanz in den Mittelpunkt stellen. Das ist schlecht für die Steuerzahler, die private Gewinne subventionieren, und es ist schlecht fürs Kind, das Mittel zum Zweck der Profitmaximierung wird.

Die Stadt Frankfurt hat in einer einzigartigen Anstrengung vorgemacht, wie es anders gehen kann. Sie hat die Zahl der Erzieherinnen in den Kindertagesstätten gesteigert, und im Dialog mit den gemeinnützigen Trägern wird weiter an der Qualitätssteigerung gearbeitet. Dazu bedarf es weder elitärer noch privater Einrichtungen. Jeder in eine Kindertagesstätte investierte Euro bringt, volkswirtschaftlich betrachtet, ein Vielfaches an Nutzen für die Allgemeinheit. Es bleibt das Geheimnis von Ursula von der Leyen, warum sie einen Teil dieses so dringend benötigten Geldes privaten Investoren in den Rachen werfen will. Mit dem Motto „Bildung von Anfang an“ ist doch wohl nicht „Profit von Anfang an“ gemeint.

Kurt-Helmuth Eimuth