Tag Archiv für Spiritualität

Sacri Monti – Orte, die die Seele streicheln

Kunst & Kultur

von Kurt-Helmuth Eimuth 12. Januar 2022

Die Sacri Monti sind neun „Heilige Berge“ im Piemont und der Lombardei, im Alpenbogen zwischen Mailand und Turin. Jetzt gibt es erstmals ein Buch darüber in deutscher Sprache.

Georg Blanc: Sacri Monti – dem Himmel so nah. EOS-Verlag, 9,95 Euro
Georg Blanc: Sacri Monti – dem Himmel so nah. EOS-Verlag, 9,95 Euro

Seit 2003 zählen sie zum Unesco-Weltkulturerbe. Zu unterschiedlichen Themen sind dort in Kapellen Szenen biblischer Geschichte oder aus dem Leben des Franz von Assisi mit lebensgroßen Figuren dargestellt. Sie erzählen vom Leben Jesu, von seinem Leiden und Sterben und, gut katholisch, auch von der Geschichte Mariens und den Geheimnissen des Glaubens im Rosenkranz. Im Mittelalter wollte man mit solchen Darstellungen die Bibel „verlebendigen“. Ihren Ursprung hat diese Tradition in der Darstellung der Geburt Jesu an Weihnachten 1223 in Greccio, die auf Franz von Assisi zurückgeht.

Der im Rhein-Main-Gebiet lebende Lehrer und Pastoralreferent Georg Blank hat in den vergangenen zehn Jahren alle Berge mit Schulklassen besucht. In diesem Büchlein gibt er nun zu ausgewählten Figurengruppen Erläuterungen – es ist das erste deutschsprachige Buch über diese einzigartige Tradition. Trotz seiner zahlreichen Fotografien ist es mehr als ein Fotoband und macht Lust auf Reisen und Pilgern.

Die neun Berge liegen in Landschaften von besonderer Schönheit. In der Begründung der Unesco wird auf das Zusammenspiel von Kultur und Landschaft, von Kunst und Umgebung, von Glaube und Geschichte, von Natur und Spiritualität hingewiesen. Alle neun Berge bieten sich als Pilgerroute für einen Tagesausflug an. Man kann gut an den einzelnen Stationen Halt machen. Dabei trübt das spirituelle Erlebnis nicht, dass zahlreiche Figuren stark restaurierungsbedürftig sind.

Ausgangspunkt der Touren von Blank war jeweils das Bungalowdorf des Jugendwerks Brebbia am Lago Maggiore. Die Anlage des Bistums Mainz wird auch für Fortbildungen der evangelischen Kirche genutzt, Individualreisende sind ebenfalls willkommen.

Zwischen Glauben und Gymnastik: Wie viel Religion steckt im Yoga?

von Kurt-Helmuth Eimuth 11. Februar 2019

Yoga gehört zum Programm jeder Volkshochschule und wird inzwischen sogar auch von Kirchengemeinden angeboten. Der Markt boomt also. Dabei ist Yoga nicht einfach nur Gymnastik. Ursprünglich ist es eine religiöse Praxis.

Yoga hilft gegen Schmerzen und zur Vorbeugung. Wie viel Spiritualität man damit verbindet, ist Glaubenssache. | Foto: Colourbox
Yoga hilft gegen Schmerzen und zur Vorbeugung. Wie viel Spiritualität man damit verbindet, ist Glaubenssache. | Foto: Colourbox

Die Werbung verspricht viel: „Finden Sie Harmonie und Ausgeglichenheit! Körperliche und emotionale Anspannungen lösen sich, der Geist kann zur Ruhe kommen!“ So oder so ähnlich werben viele Veranstalter, darunter auch christliche, für ihre Yoga-Angebote. Mal sind es ein paar Tage im Erholungsheim, mal der wöchentliche Kurs im Gemeindehaus, die „Vertrauen, Ruhe und Zuversicht“ in Aussicht stellen.

In Deutschland praktizieren mehrere Millionen Menschen regelmäßig Yoga. Am beliebtesten sind die Übungen bei Frauen mit höherer Bildung. Yogakurse werden unter bestimmten Voraussetzungen sogar von den Krankenkassen bezahlt. Doch es geht beim Yoga nicht nur um Entspannung und Fitness. Seine Ursprünge liegen im Hinduismus und Buddhismus.

Der indische Begriff „Yoga“ (Sanskrit: yuj) und das deutsche Wort „Joch“ (Lateinisch: iugum) sind sprachlich verwandt. „Das Bild des Anschirrens von Zugtieren vermittelt anschaulich Aspekte des Yoga: Kräfte werden vereinigt, gebündelt und zugleich beherrscht“, schreibt die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen. Es geht darum, die Fähigkeiten des Menschen zu fördern, wobei eine Reihe verschiedener Methoden und Techniken helfen soll.

Yoga wird bereits in jahrtausendealten philosophisch-religiösen Texten Indiens, den Upanishaden und der Bhagavad Gita, erwähnt. Die Grundlage der meisten Yoga-Systeme findet sich jedoch in den Yoga-Sutren des Gelehrten Patañjali. Diese 195 aphoristischen Merkverse begründen den hierzulande besonders beliebten achtgliedrigen Yogaweg zur Beherrschung der inneren Welt. Dies bedeutet, dass man einen Zustand erreichen kann, in dem die seelisch-geistigen Vorgänge zur Ruhe kommen. Die acht „Stufen“ werden dabei nicht nacheinander abgearbeitet, sondern etwa als „Blütenblätter“ einer sich entfaltenden Knospe betrachtet – daher auch das oft verwendete Bild der Lotusblüte.

Die Stufen beginnen bei der äußeren Disziplin, dann kommen die innere Disziplin, die Körperhaltung, die Atemlenkung, das Ausschalten der äußeren Wahrnehmung, die Konzentration auf einen Punkt, die Meditation als vertiefte Konzentration und schließlich das Einswerden des menschlichen mit dem göttlichen Bewusstsein. Neben diesem klassischen Yogaweg haben sich später weitere herausgebildet, und es kommt auch zu zahlreichen Mischformen.

Nach klassischer Lehre benötigt man für diesen spirituellen Weg einen Wissenden, einen Meister, einen Guru. Ähnlich wie in der Psychotherapie ist dieses Verhältnis zwischen Schüler und Meister ein Abhängigkeitsverhältnis. Es gibt einen Initiationsritus, bei dem der Schüler vom Guru ein individuelles „Mantra“ zur Meditation bekommt, es ist oftmals der Name einer hinduistischen Gottheit. Unter den Yogalehrenden findet schon seit längerem eine Diskussion zum Verhältnis von Yoga und Guru statt. Die Frage ist: Kann Yoga auch ohne das Guru-Jünger-Verhältnis in säkularisierter Form authentisch vermittelt werden?

Weltanschaulich betrachtet passen Yoga und Christentum nicht gut zusammen. So muss im Hinduismus und Buddhismus der Mensch daran arbeiten, den Kreislauf von Geburt und Tod zu durchbrechen, um selbst göttlich zu werden. Im Christentum hingegen sind die Menschen von Gott ohne jede Vorbedingung angenommen. Das Heil ist nach christlicher Überzeugung eine Sache des Glaubens, man muss dafür keine spirituelle Technik erlernen.

Die meisten Menschen, die hierzulande Yoga machen, tun das allerdings auch nicht, um die Einheit mit dem Göttlichen zu finden, sondern um ihre Rückenschmerzen loszuwerden. Sie wollen fit bleiben, aber nicht die Religion wechseln. Der Yoga-Markt folgt diesem Bedarf und hält vielfältige Yoga-light-Angebote vor, bei denen die spirituellen Aspekte gar nicht oder kaum erkennbar sind.

Es entstehen eigene spirituelle Profile, die Yoga mit einem mehr oder weniger kommerzialisiertem Esoterikmarkt verbinden. „Yoga“ ist zum Sammelbegriff für alle möglichen patchworkreligiösen Inhalte geworden. Es gibt Kundalini-Yoga, Kriya-Yoga, Sahaja-Yoga, Tanz-Yoga oder Lach-Yoga. Auf den ersten Blick lässt sich kaum entscheiden, was dahintersteckt.

Die dogmatischen und religiösen Hintergründe des Yoga sind bei diesen Angeboten in aller Regel nicht oder kaum erkennbar. In der westlichen Praxis geht es einfach um Gesundheitsübungen und Entspannung, weshalb es auch für viele Christinnen und Christen kein Problem ist, Yoga zu praktizieren.

Auch in den Light-Varianten versteht sich Yoga jedoch als ganzheitliche Praxis und sieht Körper und Seele als Einheit. Dagegen ist auch aus christlicher Perspektive nichts einzuwenden. Und die gesundheitsfördernde Wirkung der Übungen, auch als Prophylaxe, ist unstrittig. Wenn Yoga lediglich als Körperübung zur Steigerung des Wohlbefindens praktiziert wird, ist damit sicher keine Grenzüberschreitung zum Hinduismus oder zum Buddhismus verbunden. Genau genommen ist es dann aber auch kein Yoga mehr, sondern eher eine Art „Gesundheitsübungen im Stil des Yoga“.

Manche versuchen, diese Übungen auch mit christlichem Inhalt aufzuladen. Aber Yoga ist mehr als ein bloßes Behältnis, das mit jedem x-beliebigen Inhalt gefüllt werden kann. Es hat zum Beispiel auch in den Übungen den Anspruch, auf Energiezentren zu wirken. Diese Energiezentren, Chakren genannt, sind wissenschaftlich nicht zu belegen – sondern schlicht Glaubenssache.

Mit Leib und Seele

Evangelische Spiritualität

19. September 2011

Andacht Peterskirche

Kurt-Helmuth Eimuth

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Wir haben heute diese Andacht etwas anders gestaltet. Wir hatten vor gut einer Woche auf unserer Fortbildung “Mit Leib und Seele” so viel Freude an dieser Form, dass wir sie heute gerne daran teilhaben lassen wollten.

Mit Leib und Seele – eine Woche auf Körper und Geist hören, Anleitungen zu Sport und Meditation erfahren, und das noch an einem wunderbaren Ort im Jugendwerk Brebbia des Bistums Mainz am südlichen Lago Maggiore. Ist das denn Fortbildung?

Eine Frage, die sich auch den 30 teilnehmenden Erzieherinnen stellte. Gut protestantisch hatten sie doch ein klein wenig ein schlechtes Gewissen gegenüber ihren Kolleginnen. Eine Woche so ganz für sich selbst. Darf man das?

Um es vorweg zu nehmen. Ich meine: Ja, man darf das. Ja, man muss das sogar. Bei all den Arbeitsanforderungen, die ja auch in den Kindertagesstätten in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind, ist es geradezu notwendig, nach dem eigenen Grund zu suchen, sich gelegentlich wieder zu vergewissern, nach dem Grund unseres Tun`s. Früherer Nannte man das eine Rüstzeit. Da sollte man für den Alltag zugerüstet werden. Heute bedienen wir uns einer anderen Sprache. Aber der Zweck kommt doch der Rüstzeit sehr nahe. Es geht um die Suche, um das Spüren unserer eigenen Religiosität, die uns im Alltag halt gibtt.

In ihrem Buch: „Mit Herzen, Mund und Händen“ zeigt Margot Käßmann Grundlagen für eine christliche Spirituallität auf. Sie betont, dass Sinnlichkeit des Glaubens hier durchaus in reformatorischer Tradition steht und fragt nach evangelischer Spiritualität. Im Neuen Testament ist immer wieder von Gottes Geist die Rede. Der verwendete griechische Begriff hierfür, pneuma, wird im Lateinischen mit spiritus übersetzt. Der Geist steht für die Dimension des Glaubens, und auch für die innere Glaubenserfahrung, für die göttliche Gegenwart. Spiritualität ist damit die Glaubensdimension, die sich durch die dritte Person der Trinität erschließt, den Heiligen Geist. Durch Gottes Geist wird unsere Gottesbeziehung erfahrbar.

Den eigenen sprituellen Weg aber wird jeder Mensch individuell finden müssen. Spiritualität im Alltag zu leben, das scheint wichtig, das ist ein reformatorisches Anliegen für uns als Einzelne, für unsere Gemeinden und für unsere Kirche insgesamt.

Die vier tragenden Säulen evangelischer Spiritualität, die Margot Käßmann sieht, sind die Bibel, der Gottesdienst, das Gebet und das Gesangbuch.

Die Bibel

Aus der Bibel, dem Buch der Erfahrung des Glaubens an Gott, des Lebens mit Gott, finden wir Orientierung. Die Bibel ist niemals ausgelesen. Ein Text der Bibel ist nie ein für alle Mal im Leben derselbe und hat für unterschiedliche Menschen in ihrer je eigenen Lebenssituation eine unterschiedliche Bedeutung. Z.B. ist hier der Psalm 23 für viele Menschen außerordentlich verschieden.

Für viele Menschen ist der Psalm Trost und Zuspruch in unterschiedlichen Situationen. Aber es gibt auch diejenigen, die innerliche Widerstände spüren, wenn sie hören: Dein Stecken und Stab trösten mich. Sie verbinden damit Schläge in der Familie, die angeblich gut für sie sein sollten.

Es sei eine richtige Tragödie für Käßmann, schreibt sie, dass so viele Menschen in Deutschland die Bibel gar nicht mehr kennen. In diesem Land hat Martin Luther das erste Mal die Bibel in die Volkssprache übersetzt. Er wollte, dass die Menschen selbst nachlesen können. Schulen für Jungen und sogar für Mädchen hat er gegründet, ein Bildungsprozess unvorstellbaren Ausmaßes wurde so in Gang gesetzt.

Vor allem für Evangelische ist die Bibel von zentraler Bedeutung, ja die ganze Reformation ist letzten Endes von Luthers Bibelstudium her entwickelt. Die Übersetzung der Bibel in die deutsche Sprache war ein revolutionärer Vorgang.

Vielleicht sei die Poesie die schönste Sprache des Glaubens, so Käßmann. Poetische Texte der Bibel von den Psalmen bis 1. Korinther 13 haben die Herzen der Menschen immer besonders berührt.

Sie gibt die Anregung, doch mal z.B. ein Evangelium zu lesen. Jeden Tag ein Stück.

Der Gottesdienst

So mancher Seufzer ist über den Gottesdienst zu hören: zu trocken, zu lieblos, zu wenig ansprechend. Das Fazit einer Auswertung durch Konfirmanden lautet: Er ist für fast alle langweilig.

Ein Gottesdienst soll Menschen im Glauben stärken, sie aufnehmen in die Gemeinschaft, ihnen Anregung geben zum Nachdenken, sie das Lob Gottes singen und ihre Gedanken vor Gott bringen lassen. In den Gemeinden vor Ort sollte überlegt werden, wie der Gottesdienst lebendiger werden kann, sodass, wer teilnimmt, spirituell gestärkt wird und Gemeinschaft erlebt.

In Psalm 147 heißt es: „Unsern Gott loben, das ist ein köstlich Ding“. Das heißt, es macht Gott Freude, wenn ich Gott zum Lobe singe, wenn wir gemeinsam zu Gott beten, wenn wir Gottes Wort hören. Gottesdienst ist ein Dialog zwischen Gott und Gemeinde, wir hören und antworten, wir bitten um Gottes Gegenwart und erfahren sie.

Gemeinschaft im Hören, Singen und Beten ist Teil christlicher Spiritualität. Die erste Christenheit hat dafür ihr Leben riskiert. Auch heute kann es , etwa in China oder Indonesien, lebensgefährlich sein, an einem Gottesdienst teilzunehmen.

Gottesdienst, das ist die Liturgie, die Erfahrung der Gemeinschaft, die Tradition, in der ich stehe.

Taufe und Abendmahl sind für die Kirche der Reformation die beiden einzigen Sakramente, weil sie direkt auf Jesus Christus zurückgehen. Wasser, Brot und Wein sind elementare Versinnbildlichungen des Glaubens. Und diese beiden Sakramente verbinden uns mit allen anderen Konfessionen. Wir taufen in die eine Kirche Jesu Christi hinein.

Das Gebet

Das Beten gilt als das „Herzstück christlicher Spiritualität“ (VELKD).

Und es ist wohl auch der einfachste Zugang zu Spiritualität. Da bedarf es keiner langwierigen Unterweisung, es betet sich sozusagen von selbst.

Martin Luther hat einmal an seinen Barbier Meister Peter geschrieben und ihm Mut gemacht, ganz schlicht das Vaterunser zu sprechen. Nicht allzu viel Brimborium solle gemacht werden, sondern in diesem Gebet sei alles aufgehoben, wenn sich das Herz dafür erwärme. Luther schreibt: „Und ich habe so auch oft mehr in einem Gebet gelernt, als ich aus viel Lesen und Nachsinnen hätte kriegen können. Darum kommt es am meisten darauf an, dass sich das Herz zum Gebet frei und geneigt mache … Was ists anders als Gott versuchen, wenn das Maul plappert und das Herz anderso zerstreut ist?“

Gebet ist auch Konzentration. Es gibt das gemeinsame Gebet im Gottesdienst, aber vor allem auch das persönliche Gebet im Tagesablauf.

Gebet braucht auch eine Form von Disziplin. Eben mal beten, dass dies oder das eintreten möge, das degradiert Gott zu einem Automaten, in den ich eine Münze werde und erwarte, dass etwas herauskommt.

Es geht beim Beten darum, langfristig beziehungsweise auf Dauer mit Gott im Gespräch zu sein, sich auf die Gottesbeziehung einzulassen. Das verändert immer auch mich selbst.

Kraftvoll soll vor allem das „Amen“ gesprochen werden, so Luther, damit wir den Zweifel bekämpfen. Niemand steht so fest im Glauben, dass er oder sie nicht auch wanken würde.

Probleme verschwinden nicht durch das Gebet, aber sie werden manches Mal auf die ihnen angemessene Dimension zurückgestuft.

Gebete verändern. Das hat vor allem die Erfahrung der Montagsgebete in der Leipziger Nikolaikirche gezeigt. Hier konnte in Freiheit ausgesprochen werden, was Menschen bedrängt.

Wenn Menschen in Angst und Gefahr nicht mehr ein noch aus wissen, ist das gemeinsame Gebet ein Angebot der Geborgenheit und Gemeinschaft.

So sind das persönliche Gebet und das gemeinsame Gebet … tragende Säulen christlicher Spiritualität.

Das Gesangbuch

Das Singen ist das Herzstück evangelischer Spiritualität und neben Bibel, Gottesdienst und Gebet der vierte Grundpfeiler.

Die Psalmen fordern uns geradezu heraus: „Singet dem Herrn ein neues Lied!“ heißt es in Psalm 96 oder in Psalm 68: „Singet Gott, lobsinget seinem Namen!“ Gerade die lutherischen Kirchen haben eine große Tradition, im Singen unseren Glauben auszudrücken. Martin Luther selbst war ein äußerst kreativer Liederdichter. Und Paul Gerhardt ist wohl der größte Liederdichter überhaupt. Seine Verse gehören in den deutschen evangelischen Gesangbüchern zu den am häufigsten erscheinenden Texten, aber auch in der katholischen Kirche werden seine Lieder gesungen, ja sie finden sich in aller Welt.

Alte, weise Lieder können unserem Glauben Form, Töne und Text geben. Aber es können auch neue Lieder sein. Auch hier kann es um tiefen Glauben in neuer Sprache und neuen Tönen gefasst sein.

Singen ist zudem Teil von Bildung. Kirchenmusik ist auch religiöse Bildung.

Es geht um Halt und Orientierung in diesem Leben und weit darüber hinaus. Dafür Zeit zu finden in unserem Leben, Freiraum dafür zu schaffen, ist eine lohnende Angelegenheit. Wir lernen auf diese Weise, das Leben in seiner gottgeschenkten Fülle wahrzunehmen. Wir erfahren, dass der christliche Glaube nicht eine Sache allein des Intellekts ist oder des Kopfes, sondern mit allen Sinnen wahrgenommen werden kann, gerade auch in der lutherischen Kirche.

Davon, so zeigte die Auswertung, haben die Teilnehmerinnen am Lago Maiggore etwas spüren können. Bei den Andachten, beim meditativen Singen am Ufer des Sees, beim Walken und beim Pilgern zu den 15 Kapellen des Sacro Monte bei Varese.

Mitarbeiterinnen zu stärken, ihnen im Käßmann’schen Sinne Zugang neu oder wieder zur eigenen evangelischen Spiritualität zu eröffnen, ist sicher im besten protestantischen Sinne Bildung.

Geiz als Lebensmotto macht arm

Andacht Fasten

Kurt-Helmuth Eimuth

3. 3. 08

Orgel

Lied: EG 98, 1-3

Votum:

Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.

Mit diesen Worten des Wochspruchs aus dem Johannesevangelium, Kapitel 12, Vers 24 begrüße ich Sie zur heutigen Andacht, die wir feiern im Namen Gottes des Vater, und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

Psalm 84, Nr. 734

Lied: EG 584, 1-4

Ansprache:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

„Geiz ist geil“ war im vergangenen Jahr allerorts zu lesen. Ein Spruch, mit dem eine Elektronikhandelskette den Verkauf von Laptops, Fernsehern und DVD-Playern ankurbeln wollte. Ausgerechnet für die Fastenzeit ruft die evangelische Kirche nun zur Verschwendung auf.

Seit 25 Jahren fordert die Aktion „7 Wochen ohne“ Verzicht. Die alte Tradition des Fastens in der Passionszeit zwischen Aschermittwoch und Ostersonntag soll so wiederbelebt werden. Inzwischen beteiligen sich Jahr für Jahr zwei Millionen Menschen. Sie verzichten auf Alkohol, auf Süßigkeiten, auf Fernsehen oder was immer für sie eine besondere Markierung diese sieben Wochen beinhaltet. Ziel ist es, zu prüfen, was man wirklich für das eigene Leben braucht, was wirklich Lebensqualität ist.

Fasten ist Verzicht. Diese Gleichung ist so alt wie die Religion selbst. Alle Religionen kennen den Verzicht als spirituelle Übung. Durch das Verzichten wird eine besondere Konzentration auf die andere Dimension des Lebens möglich. Alle großen Religionsstifter haben eine Phase des Verzichts erfahren. Mohammed fastete, bevor ihm der Koran offenbart wurde, Moses stieg auf den Berg Sinai und fastete 40 Tage, bevor er Gottes Wort empfing und Jesus zog sich vor seinem öffentlichen Wirken 40 Tage zum Fasten in die Wüste zurück.

Doch Geiz und Schnäppchenjagd sind alles andere als erstrebenswert – nicht Geiz, sondern „Geben macht glücklich“. Das behauptet zumindest der Journalist Thomas Ramge in seinem neuen Buch „Nach der Ego-Gesellschaft. Die neue Kultur der Großzügigkeit“.

Großzügigkeit zahle sich aus und das ließe sich wissenschaftlich belegen, heißt es in dem Buch. „Menschen, die großzügig sind, sind im Durchschnitt glücklicher. Sie sind gesünder, haben ein positiveres Bild von sich und leben länger“, so Ramge. Großzügigkeit sei in unsere Gene eingeschrieben, auch wenn diese nicht immer dominant gewesen seien. Doch die steigende Zahl von ehrenamtlichem Engagement und Bürgerstiftungen spreche für eine klare Gegenbewegung zur reinen Ego-Mentalität.

Das ist eine Erkenntnis, die in unserer Kultur tief verankert ist. Großzügigkeit hat seit jeher einen fabelhaften Ruf. Den Geiz dagegen bezeichnete schon Apostel Paulus als „Wurzel allen Übels“. Und für Augustinus war er der „Wahnsinn der Seele“.

Grund genug für die Evangelische Kirche, den Begriff der Verschwendung zum Motto ihrer Fastenaktion zu machen. Traditionell steht die Passionszeit für Verzicht und Entsagung. Verzichtet werden soll in diesem Jahr aber auf den Geiz, mit dem Ziel, eine neue Kultur der Großzügigkeit zu entfalten, in der Geiz nicht geil ist.

„Ich stelle es mir wunderbar vor, einmal sieben Wochen ohne Sparsamkeit, Schnäppchenjagden und Zeitgeist durch eng gedrängte Terminkalender zu gehen und stattdessen so richtig verschwenderisch zu sein“, freut sich etwa die Autorin Amelie Fried. Sie ist eine von zahlreichen Prominenten, die die Aktion unterstützen.

Die Teilnehmer der Aktion sind dazu aufgerufen, sich in Gastfreundschaft, Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft zu üben. Gelegenheiten gibt es viele: etwa eine Einladung zum Essen für jemanden, der sonst nicht auf der Gästeliste steht, ein Gespräch, ohne auf die Uhr zu schauen, eine freundliche Geste für eine Person, die einem nicht wohlgesonnen ist, oder ein Hilfsangebot, auch wenn dadurch das Wochenende noch kürzer wird.

Die Aktion fügt sich bestens in die kommende Jahreszeit ein: „Verschwendung ist ein Begriff, den wir im Frühling positiv besetzen. Verschwenderische Fülle, Knospen platzen. Wir möchten, dass es auch in den Herzen so zugeht“, sagt Arnd Brummer, Leiter der Aktion „7 Wochen ohne“, die von einem zentralen Projektbüro im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik koordiniert wird.

In der christlichen Tradition bedeutet die Fastenzeit vor allem eine Zeit der Besinnung. So belebte die Gruppe der Initiatoren einen alten Brauch mit neuer Kraft. Die Idee machte schnell die Runde. Rund 300 Menschen nahmen vor 25 Jahren an der ersten Aktion in Hamburg teil. Heute sind es bundesweit mehr als zwei Millionen.

Ihre Anfänge nahm die Aktion in Hamburg: 1983 beschloss eine Gruppe von Journalisten und Theologen, nach einer fröhlichen Kneipenrunde sieben Wochen lang, von Aschermittwoch bis Ostern, zu fasten. Es ging den Fastenden nicht nur darum, in dieser Zeit dem Konsum abzuschwören. Vielmehr wollten sie einen persönlichen, spirituellen Mehrwert erreichen.

„Die Menschen in unserer Welt brauchen dringend einen Frühling der Herzen“, fordern die Initiatoren „Die ständigen Fragen – was bringt es mir? was nützt es? – die Erwartung, dass man für heute Investiertes schon morgen Erträge bekommen müsse, tötet jede spontane Geste. Eine geizige Welt schliddert in eine zweite, in eine soziale Klimakatastrophe – außen die Erderwärmung, innen die Eiszeit kalter Berechnung.“

Einen Tag verschwenderisch verbringen kann bedeuten: Lange im Bett liegen, gut frühstücken, ein Buch lesen, den Müßiggang üben; aber auch: einfach mit den Kindern auf dem Spielplatz sein, Freunde einladen oder jemanden unverhofft Blumen schenken. Aus keinem besonderem Anlass, sondern einfach so, als Geste.

Geiz als Lebensmotto macht arm. Verschwendung von Zeit und Zuwendung macht nicht nur das Leben erträglicher sondern auch menschlicher.

Amen.

Lied: EG: 420, 1-5

Mitteilungen:

Gebet:

Du kommst im Namen Gottes – gewaltlos

Du lieferst dich Menschen aus und gibst dein Leben hin. So vollendest du Gottes Willen.

Versöhnende Kraft geht von dir aus:

Wir brauchen nicht mehr auf Macht und Gewalt zu setzen, denn du machst uns Hoffnung, dass Sanftmut und Liebe die Welt bewahren werden.

Vor dir denken wir an Frauen und Männer, die öffentliche Verantwortung tragen.

Lass sie den Versuchungen der Macht widerstehen und für das Recht und das Wohl anderer eintreten.

Vor dir denken wir an alle, die Menschenhänden ausgeliefert sind: rassisch Verfolgte, politische Gefangene, Menschen, die um ihres Glaubens willen mundtot gemacht werden. Wehre dem Unrecht und der Gewalttat.

Vor dir denken wir an Not und Elend mitten unter uns: an die Menschen, die arbeitslos sind, an Menschen, die keinen Sinn mehr in ihrem Leben sehen, an alle, die vergessen und abgeschrieben sind.

Gib uns Augen, die sehen, und Ohren, die hören, einen Mund, der zur rechten Zeit redet und schweigt, und Hände, die helfen.

Jesus Christus,

du willst uns gewinnen und nicht beherrschen. Befreie uns, deine Kirche, von Macht- und Herrschaftsansprüchen. Lass uns dir folgen im Einstehen für andere, in der Hingabe an die Welt und so deinem Namen Ehre machen.

Und gemeinsam beten wir

mit den Worten die Christus uns gelehrt hat:

Vater unser im Himmel,

geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe,

wie im Himmel so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Segen:

Geht in diesen Tag, in diese Woche mit dem Frieden unseres Gottes:

Der Herr segne dich und behüte dich,

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.

Der Herr hebe sein Angesicht auf dich und

gebe dir Frieden. Amen.

Lied: EG 421