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Zwischen Glauben und Gymnastik: Wie viel Religion steckt im Yoga?

von Kurt-Helmuth Eimuth 11. Februar 2019

Yoga gehört zum Programm jeder Volkshochschule und wird inzwischen sogar auch von Kirchengemeinden angeboten. Der Markt boomt also. Dabei ist Yoga nicht einfach nur Gymnastik. Ursprünglich ist es eine religiöse Praxis.

Yoga hilft gegen Schmerzen und zur Vorbeugung. Wie viel Spiritualität man damit verbindet, ist Glaubenssache. | Foto: Colourbox
Yoga hilft gegen Schmerzen und zur Vorbeugung. Wie viel Spiritualität man damit verbindet, ist Glaubenssache. | Foto: Colourbox

Die Werbung verspricht viel: „Finden Sie Harmonie und Ausgeglichenheit! Körperliche und emotionale Anspannungen lösen sich, der Geist kann zur Ruhe kommen!“ So oder so ähnlich werben viele Veranstalter, darunter auch christliche, für ihre Yoga-Angebote. Mal sind es ein paar Tage im Erholungsheim, mal der wöchentliche Kurs im Gemeindehaus, die „Vertrauen, Ruhe und Zuversicht“ in Aussicht stellen.

In Deutschland praktizieren mehrere Millionen Menschen regelmäßig Yoga. Am beliebtesten sind die Übungen bei Frauen mit höherer Bildung. Yogakurse werden unter bestimmten Voraussetzungen sogar von den Krankenkassen bezahlt. Doch es geht beim Yoga nicht nur um Entspannung und Fitness. Seine Ursprünge liegen im Hinduismus und Buddhismus.

Der indische Begriff „Yoga“ (Sanskrit: yuj) und das deutsche Wort „Joch“ (Lateinisch: iugum) sind sprachlich verwandt. „Das Bild des Anschirrens von Zugtieren vermittelt anschaulich Aspekte des Yoga: Kräfte werden vereinigt, gebündelt und zugleich beherrscht“, schreibt die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen. Es geht darum, die Fähigkeiten des Menschen zu fördern, wobei eine Reihe verschiedener Methoden und Techniken helfen soll.

Yoga wird bereits in jahrtausendealten philosophisch-religiösen Texten Indiens, den Upanishaden und der Bhagavad Gita, erwähnt. Die Grundlage der meisten Yoga-Systeme findet sich jedoch in den Yoga-Sutren des Gelehrten Patañjali. Diese 195 aphoristischen Merkverse begründen den hierzulande besonders beliebten achtgliedrigen Yogaweg zur Beherrschung der inneren Welt. Dies bedeutet, dass man einen Zustand erreichen kann, in dem die seelisch-geistigen Vorgänge zur Ruhe kommen. Die acht „Stufen“ werden dabei nicht nacheinander abgearbeitet, sondern etwa als „Blütenblätter“ einer sich entfaltenden Knospe betrachtet – daher auch das oft verwendete Bild der Lotusblüte.

Die Stufen beginnen bei der äußeren Disziplin, dann kommen die innere Disziplin, die Körperhaltung, die Atemlenkung, das Ausschalten der äußeren Wahrnehmung, die Konzentration auf einen Punkt, die Meditation als vertiefte Konzentration und schließlich das Einswerden des menschlichen mit dem göttlichen Bewusstsein. Neben diesem klassischen Yogaweg haben sich später weitere herausgebildet, und es kommt auch zu zahlreichen Mischformen.

Nach klassischer Lehre benötigt man für diesen spirituellen Weg einen Wissenden, einen Meister, einen Guru. Ähnlich wie in der Psychotherapie ist dieses Verhältnis zwischen Schüler und Meister ein Abhängigkeitsverhältnis. Es gibt einen Initiationsritus, bei dem der Schüler vom Guru ein individuelles „Mantra“ zur Meditation bekommt, es ist oftmals der Name einer hinduistischen Gottheit. Unter den Yogalehrenden findet schon seit längerem eine Diskussion zum Verhältnis von Yoga und Guru statt. Die Frage ist: Kann Yoga auch ohne das Guru-Jünger-Verhältnis in säkularisierter Form authentisch vermittelt werden?

Weltanschaulich betrachtet passen Yoga und Christentum nicht gut zusammen. So muss im Hinduismus und Buddhismus der Mensch daran arbeiten, den Kreislauf von Geburt und Tod zu durchbrechen, um selbst göttlich zu werden. Im Christentum hingegen sind die Menschen von Gott ohne jede Vorbedingung angenommen. Das Heil ist nach christlicher Überzeugung eine Sache des Glaubens, man muss dafür keine spirituelle Technik erlernen.

Die meisten Menschen, die hierzulande Yoga machen, tun das allerdings auch nicht, um die Einheit mit dem Göttlichen zu finden, sondern um ihre Rückenschmerzen loszuwerden. Sie wollen fit bleiben, aber nicht die Religion wechseln. Der Yoga-Markt folgt diesem Bedarf und hält vielfältige Yoga-light-Angebote vor, bei denen die spirituellen Aspekte gar nicht oder kaum erkennbar sind.

Es entstehen eigene spirituelle Profile, die Yoga mit einem mehr oder weniger kommerzialisiertem Esoterikmarkt verbinden. „Yoga“ ist zum Sammelbegriff für alle möglichen patchworkreligiösen Inhalte geworden. Es gibt Kundalini-Yoga, Kriya-Yoga, Sahaja-Yoga, Tanz-Yoga oder Lach-Yoga. Auf den ersten Blick lässt sich kaum entscheiden, was dahintersteckt.

Die dogmatischen und religiösen Hintergründe des Yoga sind bei diesen Angeboten in aller Regel nicht oder kaum erkennbar. In der westlichen Praxis geht es einfach um Gesundheitsübungen und Entspannung, weshalb es auch für viele Christinnen und Christen kein Problem ist, Yoga zu praktizieren.

Auch in den Light-Varianten versteht sich Yoga jedoch als ganzheitliche Praxis und sieht Körper und Seele als Einheit. Dagegen ist auch aus christlicher Perspektive nichts einzuwenden. Und die gesundheitsfördernde Wirkung der Übungen, auch als Prophylaxe, ist unstrittig. Wenn Yoga lediglich als Körperübung zur Steigerung des Wohlbefindens praktiziert wird, ist damit sicher keine Grenzüberschreitung zum Hinduismus oder zum Buddhismus verbunden. Genau genommen ist es dann aber auch kein Yoga mehr, sondern eher eine Art „Gesundheitsübungen im Stil des Yoga“.

Manche versuchen, diese Übungen auch mit christlichem Inhalt aufzuladen. Aber Yoga ist mehr als ein bloßes Behältnis, das mit jedem x-beliebigen Inhalt gefüllt werden kann. Es hat zum Beispiel auch in den Übungen den Anspruch, auf Energiezentren zu wirken. Diese Energiezentren, Chakren genannt, sind wissenschaftlich nicht zu belegen – sondern schlicht Glaubenssache.

„Wenn von Chakren die Rede ist, sollte man genauer hinschauen“

von Kurt-Helmuth Eimuth 14. Januar 2019

Pfarrerin Irene Derwein hat sich in einer dreimonatigen Studienzeit mit den weltanschaulichen Hintergründen des Yoga beschäftigt. Wir fragten sie, inwiefern Yoga und Christentum miteinander vereinbar sind und worauf man achten sollte, wenn man nicht religiöse Botschaften untergeschoben haben will.

Foto: Colourbox.
Foto: Colourbox.

EFO-Magazin: Frau Derwein, Sie sind Pfarrerin und betreiben Yoga. Passt das zusammen? Yoga ist ja nicht nur Gymnastik, sondern dahinter steht auch eine Philosophie, eine Weltanschauung.

Irene Derwein: Ja, auf jeden Fall, das passt zusammen. Ich habe mir aber explizit eine Yoga-Lehrerin ausgesucht, die nicht noch etwas anderes mittransportiert. Ich mache das jetzt sieben Jahre bei ihr, und habe am Anfang auch etwas kritisch beäugt, ob da unterschwellig etwas vermittelt wird. Aber dem ist nicht so. Weder ideologisch, noch religiös, noch spirituell.

Also betreiben Sie Yoga einfach als Sport?

Es ist mehr als Sport. Zum einen bleibt man beweglicher, und es hilft mir in der Konzentration und in der Entspannung. Es gibt Übungen, da versucht man in die Körperanspannung zu entspannen. Das finde ich, lässt sich auf alles andere übertragen.

Ist Yoga für Sie dann Sport, Entspannungsübung und Meditation?

Also Meditation weniger. Meditation ist ein anderes Thema. Aber Yoga hilft, um zur Meditation zu kommen.

Sie haben sich mit den weltanschaulichen Hintergründen des Yoga beschäftigt. Was kann denn in Yoga-Kursen weltanschaulich vermittelt werden?

Wenn zum Beispiel im Yoga-Unterricht ein Buddha aufgestellt wird, wenn auf die Silbe „Om“ meditiert wird – das ist ein Gebetsanruf – dann sind das zwar subtile Sachen, die aber doch eine religiöse Überzeugung vermitteln. Oder wenn gesagt wird, dass Shakren aktiviert werden. Dann denke ich, man sollte genauer hinschauen.

Was kann da vermittelt werden?

Yoga kommt ja aus dem Hinduismus und Buddhismus. Es wird gesagt, wenn man die Shakren aktiviert, aktiviert man eine bestimmte Gottheit. Ob das jetzt so ist, mag ich nicht zu beurteilen, aber es wird unterschwellig mit vermittelt. Wenn man Yoga nur macht, um sich fit zu halten, dann wird einen das vermutlich nicht beeindrucken. Aber wenn man auf Sinnsuche ist, dann ist man vielleicht empfänglich für so etwas. Ich habe auch überhaupt nichts dagegen, wenn Weltanschauung vermittelt wird. Nur wenn es so subtil, unterschwellig, unter einem anderen Titel läuft, finde ich es problematisch.

Ist es für Sie also in Ordnung, wenn offen gesagt wird: Hier machen wir buddhistisches Yoga?

Ja, klar. Dann kann man sich entscheiden, ob man sich darauf einlassen will oder nicht. Mich stört nur das Subtile.

Yoga wird inzwischen auch in Kirchengemeinden angeboten, oft werden dafür die Räume von außen angemietet. Wie können denn Kirchengemeinden die Angebote unterscheiden?

Ich kann nur raten, sich die Yoga-Lehrerin, den Yoga-Lehrer genau anzugucken. Gut ist es, wenn jemand vom Kirchenvorstand mit in die Übungsstunden geht. Man sollte sich auch vorher mit der Anbieterin unterhalten und sie nach ihren weltanschaulichen Hintergründen befragen. Das findet aber häufig gar nicht statt. Vielleicht wird in manchen Gemeinden auch Yoga angeboten, um für Gemeindemitglieder attraktiv zu sein. Das ist auch in Ordnung, aber man muss eben schauen, wen man sich ins Haus holt.

Wie erklären Sie sich, dass Yoga so attraktiv ist, während die eigene spirituelle Tradition eher am Rande noch vorkommt?

Entsprechungen im christlichen Rahmen haben wir nicht sonderlich viel. Wir haben die Meditation und das Gebärdengebet, aber das ist nicht dasselbe. Ich denke, es ist ein Wunsch der Menschen da, Religion nicht nur mit dem Kopf, sondern mit allen Sinnen zu erleben. Dieses Bedürfnis sollte auch ernst genommen werden. Aber es bleibt die Frage, wie man das bedient.

Es gibt auch Pfarrerinnen und Pfarrer, die schütten sozusagen Taufwasser über das Yoga und vereinnahmen es in die christliche Praxis, als Weg zu Christus. Wie finden Sie das?

Ich finde es schwierig, Yoga mit Inhalten zu verbinden. Wenn ich Yoga betreibe, dann bin ich jedenfalls damit beschäftigt meine Übung anständig zu machen. Meine Fußhaltung, meine Beinhaltung, das Atmen, all das erfordert ja Aufmerksamkeit. Wenn ich da jetzt noch theologische Inhalte mitreflektieren sollte, hätte ich zumindest große Schwierigkeiten. Vielleicht geht das, wenn es jemand täglich macht.