Tag Archiv für Kirche

Dank

Andacht,

29.9.2014

Orgel

Lied: EG 334, 1-3, 6 Danke

Votum:

In Gottes Namen wollen wir beginnen

Gott ist allen Zweifelnden, Verzagten und Suchenden besonders nah.

In Jesu Namen wollen wir beginnen,

denn Jesus ließ diese Nähe Ausgestoßene, Verachtete, Verzweifelte spüren.

In der Hoffnung auf das Geschenk des Heiligen Geistes wollen wir beginnen,

um Mut und Ideen bitten, heute diese Nähe weiterzugeben.

Amen.

Psalm 118, Nr. 747

Lied: EG 508 Wir pflügen

Ansprache:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

vor einigen tagen rief mich ein Kirchenvorsteher an und fragte: Kann ich an den Zaun Ihrer Krabbelstube ein Plakat der EKHN hängen? Die Danksekunde. Bei Ihnen ist es der ideale Standort für das Plakat.“

Natürlich kann er. Keine Frage, auch wir unterstützen die Impulskampagne der EKHN. Und doch fragte ich. Sagen Sie mal ist das denn wirkungsvoll. Die Antwort: Doch, doch wir sind schon mehrfach angesprochen worden.

Selbst der Kirchenpräsident hat zur Eröffnung der Dank-Aktion am Frankfurter Hauptbahnhof Äpfel verteilt.

Die Impulspost zum Thema Danken hat da vielleicht doch etwas aufgegriffen, was im Alltag oft verschwindet. Innehalten, dankbar zurückschauen, um Kraft für die neuen Aufgaben zu finden.

Bei Twitter finden sich zu der Aktion Einträge wie:

Danke Gott, dass Du uns gleichermaßen liebst – Hautfarbe und sozialer Hintergrund spielen bei Dir keine Rolle.

Lasst uns Fremde willkommen heißen, auf dass sie keine Fremden bleiben

Schenke Menschen mit Deinen Worten Kraft und Trost. Glaube an sie, so wie Gott an Dich glaubt!

„Es gibt so viele Dinge im Leben, für die wir dankbar sein können“, sagt Kirchenpräsident Volker Jung und zählt auf: „Die Natur, unsere Nahrung, ein Leben in Freiheit, Familie, Freunde, Beruf, Zeit, in der es uns gutgeht, und vieles mehr. Das alles feiern wir mit dem Erntedankfest. Selbst wenn die meisten Menschen heute nicht mehr selbst säen und ernten, gibt es viele Gründe zu sagen: Gott sei Dank!“

Viele Menschen kennen noch das traditionelle Tischgebet: „Alle guten Gaben, alles, was wir haben, kommt, o Gott, von dir. Wir danken dir dafür.“ Solche Dankgebete gehören für viele zum Essen wie Löffel oder Gabel. Die Menschen, die sie sprechen, sagen damit: Wir verdanken unser Leben letztlich nicht uns selbst, sondern Gott.

Oft fehlt uns die Zeit, manchmal fehlen uns auch die richtigen Worte, um uns zu bedanken. Dabei braucht es eigentlich nur eine Sekunde, um „Danke“ zu sagen. Jeder Tag hat 86.400 Sekunden und bietet ebenso viele Augenblicke und Anlässe, sich zu bedanken. Deshalb heißt die neue Aktion der EKHN „Danksekunde“.

Den meisten von uns geht es gut, Hunger ist – Gott sei Dank! – kein Thema. Für die Ernte zu danken liegt nahe, weil Nahrung, Früchte und Lebensmittel für alle vorhanden sind. Wir sind reich, wir können dankbar sein und sagen Dank.

Gleichzeitig wirft dieser Dank aber auch Fragen auf: Wo und unter welchen Bedingungen werden die Güter produziert, die wir verbrauchen? Wie nachhaltig leben wir eigentlich? Welche Folgen hat unser Lebensstil? Die großen Herausforderungen für die Zukunft rücken in unser Blickfeld. Jeder einzelne Mensch ist ein Teil des Ganzen und kann ein Teil der Lösung werden. Es hat Folgen, wenn wir bewusst leben, an die Mitmenschen und die Natur denken. Wir können „Danke“ sagen, um damit Chancen und Freude mit anderen zu teilen.

Aber noch etwas vergessen wir oft. Wir als Nachkriegsgeneration sind im Frieden aufgewachsen. Wir haben keinen Krieg erleben müssen.

Hilflos, sprachlos und atemlos verfolgt man derzeit die Nachrichten. Kann es denn wirklich sein, dass die Welt einhundert Jahre nach dem Ausbruch des 1. Weltkrieges, 75 Jahre nach dem Überfall auf Polen, so aus den Fugen gerät? Hat denn niemand etwas gelernt?

Überall scheint es „bewaffnete Konflikte“, wie Krieg verniedlichend oft genannt wird, zu geben: Gaza, der ewige Kampf zweier Völker, seit Generationen ineinander verhakt; Syrien, die schreckliche Invasion von Terroristen, die einen Gottesstaat errichten wollen; und dann die gar nicht mehr heimliche Annexion der Ukraine. Gewalt, Tod und Vertreibung sind die Folge. Alleine in Syrien sollen 6 Millionen Menschen auf der Flucht sein. Vierzig gewaltsame Auseinandersetzungen, also Kriege soll es derzeit auf der Welt geben.

Angesichts solcher Gewalt können wir Deutschen dankbar auf die letzten Jahrzehnte zurückschauen. Dankbar als Nachkriegsgeneration, dass wir in Frieden aufwachsen und leben können. Nicht zuletzt hat dieses dem Land einen noch nie dagewesenen Wohlstand beschert.

Dankbar auch für ein geeintes Europa. Wer in diesem Sommer im Urlaub war, wird dieses grenzenlose Europa womöglich genossen haben. Ob nach Schweden, Österreich oder Ungarn. Man muss schon genau aufpassen, um festzustellen, wann man die Staatsgrenze überschreitet. Europa ist zusammengewachsen. Und das ist gut so.

Mit dem Erntedankfest kommt die Zeit, dass wir daran erinnert werden, uns auch einmal dankbar umzuschauen. Danke für die Jahrzehnte des Friedens. Er ist die Grundlage für ein Leben in Freiheit, in Wohlstand und in seelischer Unverletztheit.

Friedenspolitik muss immer die höchste Priorität haben. Wir spüren, dass Deutschland sich immer weniger heraushalten kann. Die Diskussionen über den Weg, bedrohten Menschen zu helfen ist im Gange und muss auch geführt werden. Die Terroristen der ISIS muss die Völkergemeinschaft stoppen. Die Mittel, die hierzu nötig sind, werden unterschiedlich eingeschätzt. Das moralische Dilemma für Christinnen und Christen ist unlösbar: Wenn man militärisch eingreift wird man schuldig, schaut man dem Massenmord tatenlos zu, wird man es auch. Dietrich Bonhoeffer lebte und erlebte dieses Dilemma. Er fasste es in diesem Satz zusammen: „Die Sünde zu vermeiden, kann die größte Schuld sein.“ und an andere Stelle formulierte er: „Nachfolge Jesu kann auch heißen: aus Nächstenliebe schuldig werden.“

Doch bei allen aktuellen Entscheidungen darf man es sich nicht einfach machen. Intensiv und ohne Häme muss die Debatte geführt werden. Aber es darf keine isolierte Diskussion über militärische Maßnahmen sein. Sie muss immer einher gehen mit der Frage, wie können wir humanitär helfen? Auch die Aufnahme von Flüchtlingen ist eine solche humanitäre Maßnahme. Und die können wir sofort umsetzen.

Es ist eine Bereitschaft in Bevölkerung zu spüren hier zu helfen. Diese Stimmung müssen alle verantwortlichen Kräfte stützen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns dankbar in diese Woche gehen. Bei aller Anstrengung und Mühe – ja sicher auch gelegentlich auch Ärger – dankbar für das, was wir gemeinsam als evangelische Kirche in dieser Stadt darstellen.

Lied 560

Mitteilungen:

Geburtstage

Gebet:

Christus, wir danken für das Angebot,

mit dir deinen Weg zu gehen.

Schenke uns Kraft und Ausdauer für ein mutiges Leben,

das deinen Spuren nachgeht.

Ermutige uns, wenn wir den Weg nach unten scheuen

und den leidvollen Erfahrungen ausweichen wollen.

Wir brauchen Kraft an jedem Tag.

Wir brauchen festen Grund,

wenn unser Vertrauen missbraucht wird und der Glaube wankt.

Gib uns Gelassenheit, vor dem Unabänderlichen nicht zu fliehen,

sondern es tapfer anzunehmen.

Gib uns Klarheit, das Machbare zu erkennen

und ihm eine menschenfreundliche Gestalt zu geben.

Gib uns Vertrauen,

dann wird jede Lebensstufe, im Glück wie im Leid,

zum fruchtbaren Land,

auf dem Glaube, Liebe und Hoffnung wachsen.

Wir bitten nicht nur für uns.

Wir bitten auch für die Menschen,

die in der Nähe und in der Ferne in Mühen und Sorgen leben,

ungesehen und unbeachtet:

für die Traurigen und Enttäuschten,

für Menschen, die alleinstehen.

Wir bitten für die Opfer von Krieg und Gewalt in aller Welt.

Lass die Politikerinnen und die Machthaber

Wege zum Frieden suchen und finden.

Lass immer mehr Menschen zum Werkzeug deines Friedens werden.

Und was uns noch bewegt, bringen wir vor dich mit den Worten, die Christus uns gelehrt hat:

Vater unser im Himmel,

geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe,

wie im Himmel so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Segen:

Geht in diesen Tag, in diese Woche mit dem Segen unseres Gottes:

Gott, segne uns und behüte uns

Gott schütze unser Leben und bewahre unsere Hoffnung.

Gott, lass dein Angesicht leuchten über uns,

dass wir leuchten für andere.

Gott, erhebe dein Angesicht auf uns und halte uns fest

im Glauben, dass das Leben stärker ist als der Tod. Amen.

Lied: EG 425, 1-3 Gib uns Frieden

Religion geht nur mit Eltern

Von Kurt-Helmuth Eimuth – 22. März 2014

Immer seltener erfahren Kinder in der Familie eine religiöse Erziehung. Können evangelische Kindertagesstätten das kompensieren? Eher nicht, meint Kurt-Helmuth Eimuth.

Frankfurt: Kurt-Helmuth Eimuth Portrait Foto aufgenommen am 01.10.2013 Foto: Rolf Oeser

Wer hat mit Ihnen früher gebetet, biblische Geschichten erzählt und religiöse Lieder gesungen? Vielleicht die Mutter, sehr oft aber sind es die Großeltern, die in den Familien für die Weitergabe religiöser Überzeugungen verantwortlich sind.

Doch das ist immer seltener der Fall. Die aktuelle Mitgliedschaftsstudie der Evangelischen Kirche in Deutschland zeigt Alarmierendes auf. Bei den 14- bis 21-Jährigen sind nach eigener Auskunft knapp die Hälfte der westdeutschen Kirchenmitglieder nicht religiös erzogen worden. Von den Konfessionslosen dieses Alters berichten nur 8 Prozent im Westen und 14 Prozent in Ostdeutschland über eine religiöse Erziehung.

Die Offenheit für religiöses Denken wird in der Kindheit geweckt, oftmals durch die Großeltern. Heute sind diese jedoch in vielen Familien aufgrund von Entfernungen oder sich verändernden Familienkonstellationen nicht mehr präsent. Hier solle oder könne der evangelische Kindergarten einspringen, lautet eine weit verbreitete Meinung. Schließlich wendet die Kirche für den Elementarbereich erhebliche Mittel auf.

Doch das greift zu kurz. Aus der Integrationsdebatte ist bekannt, dass eine nachhaltige Förderung von Kindern immer die ganze Familie im Auge haben muss – sie ist entscheidend für den Erfolg. Erst wenn zum Beispiel die Familie die Notwendigkeiten eines deutschen Schulsystems versteht, können die Anstrengungen der Pädagogen und Pädagoginnen wirklich fruchten. Aus diesen Überlegungen heraus entstand die Idee der Kinder- und Familienzentren: Hier soll das System Familie als Ganzes in den Blick genommen werden.

Ähnlich ist es bei der religiösen Bildung. Auch hier müssen die Kirchen die Familien mit ins Boot nehmen. Der Kindergarten alleine ist mit der Aufgabe, religiöse Sozialisation zu leisten, überfordert. Zu erwarten, dass Kindertagesstätten die religiöse Erziehung in den Familien ersetzen können, ist eine Überdehnung der Möglichkeiten. Vielmehr müssen die Kitas in Sachen Religion so etwas Ähnliches werden wie ein Kinder- und Familienzentrum mit dem Schwerpunkt religiöser Kommunikation.

An vielen Stellen gelingt das in Frankfurt auch längst. Die Kindertagesstätte ist ein wesentlicher Pfeiler der gemeindlichen Kommunikation sowohl mit Menschen, die der Kirche verbunden sind, als auch mit Distanzierten.

Diese Ansätze gilt es vor dem Hintergrund des sich ausdifferenzierenden Familienbegriffs auszubauen. Das heißt: Alle Formen von Familie sind einzubeziehen. Kirche und Kindertagesstätte können hiervon nur profitieren.

Beitrag von Kurt-Helmuth Eimuth, veröffentlicht am 22. März 2014 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe Web.

Distanz von Jugendlichen zur Kirchengemeinde ist normal

von Kurt-Helmuth Eimuth 12. Mai 2013

Nach der Konfirmation tauchen die meisten jungen Leute nur noch selten in der Kirchengemeinde auf. Was läuft da falsch? Nichts!

Party in der Jugendkulturkirche Sankt Peter – vielleicht ein Ort, wo Jugendliche auch nach der Konfirmation den Kontakt zur Kirche behalten können. Denn in den Gemeinden sind sie dann meist kaum noch anzutreffen. Foto: Rolf Oeser
Party in der Jugendkulturkirche Sankt Peter – vielleicht ein Ort, wo Jugendliche auch nach der Konfirmation den Kontakt zur Kirche behalten können. Denn in den Gemeinden sind sie dann meist kaum noch anzutreffen. Foto: Rolf Oeser

Drei Pfarrer haben das gleiche Problem: Fledermäuse im Glockenturm! Sagt der erste: „Ich habe es mit Ausräuchern probiert, jetzt stinkt die Kirche und die Fledermäuse sind alle schon wieder zurück.“ Sagt der zweite: „Ich habe es mit Kanonendonner probiert, das Ergebnis war, dass die Fledermäuse wieder da sind, und ich habe einen Hörschaden.“ Sagt der dritte: „Meine Fledermäuse sind weg: Ich habe sie erst getauft und dann konfirmiert!“

Ein alter Witz, ein altes Problem: Nach der Konfirmation tauchen die meisten jungen Leute nur noch selten in der Gemeinde auf. Was läuft da falsch? Die Entwicklungspsychologie sagt: Nichts! Die evangelische Konfirmation, die auf den in Straßburg wirkenden Reformator Martin Bucer zurückgeht und erstmals 1539 in der hessischen „Ziegenhainer Kirchenzuchtordnung“ formuliert wurde, ist ein Passageritus. Als solcher markiert die Konfirmation zwar heute in Westeuropa nicht mehr den Übergang vom Kind zum Erwachsenen wie noch im 18. Jahrhundert, als sich die Konfirmation in Deutschland flächendeckend durchsetzte. Aber es ist doch ein Lebenseinschnitt. Den Heranwachsenden wird nun mehr Entscheidungsspielraum zugebilligt und zugemutet.

Gerne nehmen die Jugendlichen das an. Sie wollen jetzt ihre eigenen Erfahrungen machen, Unbekanntes ausprobieren – und lehnen sich folgerichtig gegen das Alte auf. Allerdings gibt es durchaus Verbesserungsbedarf. Die Evangelische Kirche in Deutschland stellte kürzlich selbstkritisch fest: „Viele Jugendliche gewinnen nicht den Eindruck, dass die Kirche Antworten auf die Fragen hat, die für ihr eigenes Leben wirklich relevant sind.“

Trotz organisatorischer Schwierigkeiten durch die Ausweitung des Schulunterrichts auf den Nachmittag sind der Konfirmandenunterricht und die Konfirmation immer noch zentrale Bestandteile evangelischen Lebens. Mit dem nötigen Grundwissen und der Erfahrung des Konfirmandenunterrichts ausgestattet kann auch eine spirituelle Suchbewegung beginnen.

Doch diese Suche wird meist außerhalb der Heimatgemeinde stattfinden – und das ist auch nicht schlimm. Ob es nun die Mitwirkung in einem Gospelchor ist oder die Lan-Party in der Jugendkulturkirche oder auch eine zeitweilige Distanz zu kirchlichen Angeboten generell, ist egal. Erfolgreicher Konfirmationsunterricht zeigt sich nicht in der Größe gemeindlicher Jugendgruppen, sondern darin, ob die Basis für die spätere Lebensbewältigung an Stabilität gewonnen hat. Und dafür lohnt sich jede Mühe.

„Nur wenige lehnten den NS-Staat ab“

„Nur wenige lehnten den NS-Staat ab“

Vor 80 Jahren wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler gewählt. Jürgen Telschow hat die Auswirkungen des Nationalsozialismus auf die evangelische Kirche in Frankfurt untersucht. Ein Interview.

Herr Telschow, Sie haben über den „Kirchenkampf“ in Frankfurt geforscht. Um was ging es denn dabei?

Wenn man den Begriff traditionell verwendet, ging es um eine Auseinandersetzung innerhalb der evangelischen Kirche zwischen den „Deutschen Christen“, die der Ideologie des Nationalsozialismus folgten, und einer kirchlichen Richtung, die sich „Bekennende Kirche“ nannte. Sie bestand auf einer theologischen und organisatorischen Eigenständigkeit gegenüber dem NS-Staat. Damit wird aber eigentlich verdeckt, dass meines Erachtens der Gegner der Bekennenden Kirche gar nicht die Deutschen Christen waren, sondern der NS-Staat. Die Bekennende Kirche hat zwar an einem ganz entscheidenden Punkt der Gleichschaltung widerstanden, aber sie hat mitgemacht oder toleriert oder sich weggeduckt bei all dem anderen, was dieser NS-Staat über Deutschland und die Welt gebracht hat. Mit dem Begriff „Kirchenkampf“ konnte sie ihr Bild von dem Kämpfer gegen das Unrecht schlagwortartig skizzieren.

Man kann also nicht sagen, dass die Bekennende Kirche Widerstand geleistet hätte?

Nein. Es gab in der Bekennenden Kirche nur ganz wenige, die den NS-Staat grundsätzlich abgelehnt haben.

Sie schreiben, dass das protestantische Milieu eine Nähe zum Nationalsozialismus gehabt hätte. Wie erklärt sich das?

Von der Urchristenheit her sind die Christen aufgerufen worden, den Staat, ganz gleich wie er ausschaut, als von Gott gegeben anzusehen. Es gibt das bekannte Wort von Römer 13, wo es nicht nur heißt: „Seid Untertan der Obrigkeit“, sondern es geht weiter: „… denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott“. Und so haben die Christen über 2000 Jahre damit gelebt, dass man sich dem Staat zu unterwerfen hat. Dann hatten sie erhebliche Probleme, die Weimarer Republik als eine Obrigkeit von Gott anzusehen, weil die Regierung von Menschen gewählt war. Es fiel ihnen leichter, Hitler als von Gott Gesandten anzusehen und damit in die alten Denkmuster zu verfallen. Auch gehörten die Pfarrer als Teile des Bürgertums einer Bevölkerungsgruppe an, die dem Verlust der Monarchie nachtrauerte, schockiert über die Formen des Atheismus war, und die moderne Zeit mit der Liberalitiät in der Gesellschaft kritisch sah.

Sie schreiben, dass sich die Deutschen Christen die rassistische Ideologie zu Eigen gemacht hätten. Dies sei sogar konstitutiv gewesen.

Das ist das Erschreckende. Theologisch war ja die evangelische Kirche schon seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sehr gespalten – zwischen den pietistischen Traditionalisten und der so genannten liberalen Theologie, die Glauben mit Wissenschaft und Kultur vereinbaren wollte. Nach dem Ersten Weltkrieg hatte sich mit Karl Barth eine theologische Richtung entwickelt, die den Liberalen vorwarf, dass sie theologische Fragen zu sehr mit kulturellen Fragen vermischten und nicht mehr nur aufs Evangelium schauten. Karl Barth hat dafür gekämpft, dass man ausschließlich das Evangelium als Richtschnur betrachtet und es nicht mit anderen Philosophien oder weltanschaulichen Elementen verbindet. Das Eigenartige ist, dass dann parallel dazu mit den Vorläufern der Deutschen Christen genau das Umgekehrte passierte: Jetzt war es nicht die Kultur und die Wissenschaft, denen man sich annäherte, sondern es waren plötzlich rassische Fragen oder das Führerprinzip.

Aber es gab in Frankfurt auch Widerstand gegenüber dem Beschäftigungsverbot von nicht „reinarischen“ Ärzten, zum Beispiel in evangelischen Krankenhäusern.

Die Frage, wie die evangelische Kirche mit Juden und insbesondere getauften Juden umgegangen ist, beschäftigt uns bis heute. Es ist nicht ganz zufällig, dass die Pfarrerschaft der Machtübernahme der Nationalsozialisten weitgehend zugestimmt hat. Erst in dem Moment, als auch in der Kirche der „Arierparagraph“ eingeführt wurde, also das Verbot, nicht „reinarische“ Menschen im kirchlichen Dienst zu beschäftigen, begann man, sich zu wehren. Es ist interessant, wenn man sich dazu die drei der Landeskirche nahestehenden Krankenhäuser in Frankfurt anschaut: das Diakonissenkrankenhaus, das St. Markuskrankenhaus und das Privatkrankenhaus Sachsenhausen. Auf alle drei ist Druck ausgeübt worden, sich von jüdischen Ärzten zu trennen. Aber die Reaktionen waren sehr unterschiedlich. Der Träger des Sachsenhäuser Krankenhauses, der Gemeinschaftsdiakonieverband in Marburg, lag auf der Linie der Deutschen Christen und der Nationalsozialisten und hat – sehr freundlich gesagt – überhaupt nicht den Versuch gemacht, sich vor seine jüdischen Ärzte zu stellen. Der Träger des St. Markuskrankenhauses, der Vorstand des Bockenheimer Diakonissenvereins, hat es versucht, auch mit juristischen Tricks, hat sich aber nicht durchsetzen können. Beim Diakonissenkrankenhaus schließlich hat der Vorstandsvorsitzende, Senatspräsident am Oberlandesgericht Dr. Heldmann, sofort gesagt: Hier gilt der Arierparagraph nicht. Und man konnte das durchhalten.

Wie war das Kräfteverhältnis zwischen den beiden Richtungen in der Frankfurter Pfarrerschaft?

Zwischen 1933 und 1945 haben in Frankfurt 137 Pfarrer gearbeitet. Davon waren 60 Mitglieder der Bekennenden Kirche. Das ist ein enorm hoher Anteil. Den Deutschen Christen gehörten 29 Pfarrer an, 17 traten aber nach relativ kurzer Zeit wieder aus.

Heißt das, das protestantische Milieu war hier kritisch eingestellt war?

Ich habe nichts gefunden, was die Ausrichtungen der Gemeindemitglieder betraf. Es gab nur wenige Gemeinden, die sich eindeutig zuordnen lassen. Die Gemeinden waren gespalten. Einige Protagonisten der Bekennenden Kirche wie Otto Fricke und Wilhelm Fresenius hatten nicht einmal in ihren Kirchenvorständen die Mehrheit.

Warum sollte man sich heute noch mit Kirchenkampf beschäftigen?

Was zwischen 1933 und 1945 passiert ist, war ein ganz schrecklicher Irrweg Deutschlands, der aber doch weitgehend Zustimmung gefunden hatte. So richtig überzeugt sind die Menschen auch nach 1945 nicht davon abgerückt. Wir beschäftigen uns heute fast täglich mit den Rechtsradikalen. Wenn ich mich mit Geschichte befasse, geht es mir auch darum, den Menschen, die früher gelebt haben, gerecht zu werden. Auch bin ich jemand, der als Kind sehr darunter gelitten, was zwei Generationen angerichtet haben. Ich bin 1936 geboren, ein paar Bombenangriffe mit Todesangst, die letzten Kämpfe um Berlin, die Besatzung durch die russischen Truppen, dann in Berlin die Blockade, die Teilung Deutschlands und Europas. Das hat Spuren hinterlassen. Deshalb ist es mir nicht egal, was die Verantwortlichen damals gedacht haben.

Jürgen Telschow: Ringen und den rechten Weg – Die evangelische Kirche in Frankfurt zwischen 1933 und 1945, Hessische Kirchengesch. Vereinigung, 17,50 Euro.  Die Buchvorstellung ist am 31. Januar um 18 Uhr im Dominikanerkloster am Börneplatz.

Vortrag: Ein fatales Bündnis

Über „Das Bündnis von Nationalprotestantismus und Nationalsozialismus“ spricht der Kirchengeschichtler Günter Brakelmann am Donnerstag, 21. Februar, um 18 Uhr im Spenerhaus, Dominikanergasse 5. Brakelmann, der an der Ruhr-Universität in Bochum Christliche Gesellschaftslehre lehrte, hat in seinen Forschungen herausgearbeitet, wie sehr Protestantismus und Nationalsozialismus antiaufklärerische, antiliberale und antidemokratische Haltungen teilten.

Beitrag von , veröffentlicht am 30. Januar 2013 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

Protest gegen Pfarrstellenkürzung an Schulen

Um mehr als die Hälfte will die hessen-nassauische Kirchenverwaltung die Schulpfarrstellen kürzen. Dagegen regt sich Widerstand.

Die Pläne der Kirchenverwaltung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, die Anzahl der Schulpfarrstellen im Gebiet der Landeskirche dramatisch zu kürzen, stoßen auf Widerstand. „Die Präsenz der Kirche in der Schule ist elementares Beispiel kirchlicher Weltverantwortung” heißt es in einer Erklärung der Pfarrerinnen und Pfarrer im Bereich des Kirchlichen Schulamtes Offenbach (zu dem auch Frankfurt gehört) vom 22. Mai.

Im Rahmen der Neuordnung der Pfarrstellenbemessung sollen in Hessen-Nassau bis zum Jahr 2025 von den heute 172 Schulpfarrstellen 100 Stellen abgebaut werden. Die Versammlung der Schulpfarrerinnen und -pfarrer gestern Abend in Offenbach hingegen fordert, die bisherige kirchliche Präsenz in der Schule in vollem Umfang zu erhalten.

Viele junge Menschen begegneten der Kirche in Form der Schulpfarrämter zum ersten Mal. Jede Woche führten die Schulpfarrerinnen und Schulpfarrer mit 250 jungen Menschen verschiedener Religionen und Konfessionen Gespräche. Zudem feierten sie mit der Schulgemeinde Gottesdienste.

Kurt-Helmuth Eimuth Evangelisches Frankfurt via facebook 23. Mai 2012

Fusion mit Offenbach?

In Frankfurt soll demnächst ein evangelisches Stadtdekanat entstehen. Doch die hessen-nassauische Kirchenleitung schlägt jetzt in einem Papier vor, Frankfurt und Offenbach zu fusionieren. Die Idee erntet Widerspruch.

Die Straffung der Strukturen mit dem Ziel der Gründung eines Frankfurter Stadtdekanats ist seit Jahren Thema in den evangelischen Gremien der Stadt („Evangelisches Frankfurt“ berichtete in der letzten Ausgabe). Die Vorsitzende des Evangelischen Regionalverbandes, Pfarrerin Esther Gebhardt, überraschte nun das Frankfurter Kirchenparlament mit der Mitteilung, dass es in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau bereits weitergehende Überlegungen gibt. In einem Impulspapier der Kirchenleitung wird vorgeschlagen, die derzeit vier Frankfurter Dekanate mit dem Dekanat Offenbach zu fusionieren. Dies liege aufgrund der vergleichbaren urbanen Lebenssituation nahe.

Die Zahl der Dekanate in Hessen-Nassau soll bis zum Jahr 2027 drastisch reduziert werden, von heute 47 auf maximal 28. Die hessische Kirchenleitung verspricht sich davon mehr Stabilität und größere Planungssicherheit. Gebhardt wies vor den Delegierten der Frankfurter Gemeinden und Dekanate darauf hin, dass der Frankfurter Reformprozess jetzt mit dem in der Landeskirche zu synchronisieren sei.

Dekan Achim Knecht erwartet trotz des Darmstädter Papiers weiterhin Unterstützung für ein Frankfurter Stadtdekanat. Schließlich hätten beide Reformprozesse dasselbe Ziel: eine stabile und tragfähige Struktur. Eine Fusion von Frankfurt und Offenbach wird wohl nicht überall auf Zustimmung stoßen. „Das ist einfach dummes Zeug“, sagte etwa der Delegierte Max Schumacher.

Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt Mai 2012

Kirche 2030: Weiblich, kommunikativ und fromm

Kirche 2030: Weiblich, kommunikativ und fromm

Die Prognose ist einfach: Die Zahl der Kirchenmitglieder wird in den kommenden Jahren massiv zurückgehen. Vor allem die Demographie sorgt dafür – es sterben mehr Evangelische, als getauft werden. Sicher wird es in Frankfurt nicht soweit kommen wie in Mitteldeutschland, wo auf 208 Gemeindemitglieder ein Kirchengebäude kommt. Aber man wird sich strategisch etwas überlegen müssen.

Ilse Junkermann, Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, rät ihren Gemeinden: „Kommt zusammen, betet, singt und überlegt, wo ihr in der Welt helfen könnt“. Ob das reicht für die Zukunftsfähigkeit von Kirche? Man möchte ja und nein sagen.

Ein Symposium der Akademie der Bruderhilfe „Religion 2030“ in Erfurt suchte Antworten, und warf doch mehr Fragen auf.  Es lassen sich ein paar Entwicklungen und Hoffnungen herausfiltern. Unstrittig ist, dass der Pfarrberuf „weiblicher“ wird. Vor allem Frauen studieren heute Theologie, ihr Anteil wird daher noch deutlich größer werden als das derzeitige Drittel. Der Münchner Theologieprofessor Friedrich Wilhelm Graf stellte hier ein Auseinanderdriften der beiden großen Kirchen fest – denn das größte Problem der katholischen Kirche, bei der das Amt nur von Männern ausgeübt werden darf, ist der Mangel an Priestern.

Ein zentrales Problem beider Kirchen ist, dass sie ihre Botschaft nicht mehr vermitteln können, und zwar nicht einmal ihren eigenen Mitgliedern. Dies hat kürzlich erst wieder die Studie „Was glauben die Hessen“ von Michael Ebertz belegt, der von einer „Gottesvermittlungskrise“ spricht.

Ein Schwerpunkt einer künftigen Stadtkirche wird daher die Kommunikation sein müssen. Wenn es nach Bruder Paulus Terwitte geht, werden in Frankfurt zentral gesteuerte elektronische Schaukästen informieren und einladen. Die Kirche wird über ein Callcenter 24 Stunden erreichbar sein, und natürlich bekommt jedes Kirchenmitglied eine „Kundenzeitschrift“. „Warum soll ich als Kirchensteuerzahler schlechter gestellt sein als jedes ADAC-Mitglied?“ fragte der Frankfurter Kapuzinermönch.

Für die Kommunikation innerhalb der Theologie gibt es keine Patentrezepte. Der Theologe Graf sieht einen „Aderlass“. So würden siebzig Prozent der in München mit „Summa cum laude“ Promovierten nicht in den kirchlichen Dienst gehen. Die besten Köpfe gehen anderswo hin, weil für sie die Kirche kein attraktiver Arbeitgeber sei. „Lieber Taxifahrer als bayerische Landeskirche“, zitierte er das Fazit eines Doktoranden. Noch nicht einmal einen nationalen Stellenmarkt gibt es für Theologinnen und Theologen.

Sicher wird im Jahr 2030 der Dialog mit anderen Religionen und Weltanschauungen noch bedeutsamer sein als er heute schon ist. Es bedarf, so Graf, „einer neuen Form von Apologetik“, also der „Verteidigung“ und Erläuterung christlicher Glaubensinhalte. 2030 werden in den Gemeinden nur noch wenige Hauptamtliche tätig sein. Diese würden, so Graf, dann nicht verwalten, sondern „die Kommunikation mit dem Evangelium ausführen“. Also Gottesdienste feiern und durchaus auch kontroverse Gespräche mit und über andere Religionen und Weltanschauungen führen. Die sozialen Dienste der Kirche und die Diakonie hingegen werden sich in Zukunft wohl selbst refinanzieren müssen.

Dem Fazit „Schließlich geht es darum, wie wir unserem Auftrag gerecht werden und nicht wie wir uns selbst erhalten“ von Bischöfin Junkermann kann man nur zustimmen. Doch beides schließt sich ja nicht aus.

Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt Februar 2012 (via facebook)

Die Freiheit des Verbots – Tanzverbot am Feiertag

Evangelisches Frankfurt Juni 2011

Frankfurts Ordnungsdezernent Volker Stein hat mit seiner Anordnung, die gesetzlich vorgeschriebene Achtung christlicher Feiertage in Clubs und Diskotheken zu kontrollieren, eine bundesweite Diskussion ausgelöst.

Die Online-Umfrage der Frankfurter Rundschau zeichnet ein eindeutiges Meinungsbild: Annähernd zwei Drittel stimmen der Aussage zu: „Die Kirche verliert immer mehr an Bedeutung. Konsequenter Weise sollte sie auch nicht länger in die Freizeitgestaltung der Menschen hinein regieren.“ Nur neun Prozent hingegen finden das Tanzverbot gut und meinen: „Christliche Traditionen müssen auch in der heutigen Zeit aufrecht erhalten werden.“ Zwanzig Prozent sprechen sich für ein moderates Tanzverbot aus: „Am Karfreitag sollte es ein Tanzverbot geben. Aber das ganze Wochenende nicht feiern zu dürfen, ist übertrieben.“

Die öffentliche Meinung ist also eindeutig – die Gesetzeslage allerdings auch. Gemäß dem hessischen Sonn- und Feiertagsgesetz herrscht von Gründonnerstag ab vier Uhr morgens bis Samstagnacht um 24 Uhr ein absolutes Verbot von Tanzveranstaltungen. Erst danach sind die Tanzflächen wieder freigegeben – allerdings nur für wenige Stunden. Denn auch von Ostersonntag ab vier Uhr bis Ostermontag um 12 Uhr verbietet das Gesetz aus dem Jahre 1952 jedwede Tanzveranstaltung. Diese Regelung gilt genauso für Neujahr, Himmelfahrt, Pfingstmontag und die Weihnachtstage, Einschränkungen gibt es auch am Gründonnerstag, Karsamstag, Volkstrauertag und Totensonntag.

Vor der Frühjahrssynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau wies Kirchenpräsident Volker Jung auf das Grundproblem hin: „Ist der Feiertag überhaupt als gesetzlich geschützter Tag in unserer Gesellschaft konsensfähig?“ Die Kirche trete weiter dafür ein, den Karfreitag als gesetzlich geschützten Feiertag zu erhalten „und ihn mit dem Tanzverbot als besonderen Tag zu kennzeichnen“, sagte Jung. Das Tanzverbot an Ostern hingegen sei nicht zu begründen: „Ich halte es für un-nötig“, so der Kirchenpräsident.

Für Jung geht es dabei nicht um die Einschränkung individueller Freiheit. „Die Leitfrage ist für mich: Hat eine Gesellschaft die Freiheit, sich einen solchen Tag wie den Karfreitag zu gönnen? Gibt es damit eine innere gesellschaftliche Freiheit, diesen Tag in besonderer Weise zu gestalten?“ Er sieht einen Zusammenhang mit Tendenzen, das Gebot der Sonntagsruhe auszuhöhlen: „Sind nicht alle Argumente für die Liberalisierung des Sonntages Zeichen für eine ökonomische Fremdbestimmung und damit von Knechtschaft und nicht von Freiheit?“

Kurt-Helmuth Eimuth

Emotionale Wärme im Netz

Evangelisches Frankfurt Mai 2011

Facebook und Twitter sind auch für Religionen ein Forum

Auch für den Kirchenpräsidenten ist es selbstverständlich, zuerst zu „googeln“ und danach erst zum Buch zu greifen, wenn er einen Sachverhalt klären will. Und Volker Jung berichtete weiter, dass es auch im Haushalt des ersten Mannes in der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau nicht anders zugeht als in anderen Familien mit halbwüchsigen Kindern: Da sitzt die Tochter bei den Eltern im Wohnzimmer, der Fernseher läuft, sie ist gleichzeitig in Facebook unterwegs und macht zudem Mathe-Hausaufgaben.

Keine Frage: Die inzwischen gar nicht mehr so neuen Internetmedien verändern das gesamte Leben. Und sie haben eben nicht nur Auswirkungen auf das Berufs- und Familienleben, sondern auch auf Religionsgemeinschaften. Deshalb lud die Evangelische Stadtakademie unter der Überschrift „Getrennt und vernetzt – Religion und Migration online“ zu einer Diskussion über Chancen und Herausforderungen dieser Kommunikationsformen ein.

Beeindruckt waren die rund fünfzig Besucherinnen und Besucher von der ZDF-Sendung „Forum am Freitag“, die bisher nur im Internet und auf ZDF Neo zu sehen ist. Sie zeichnet mit Magazinbeiträgen ein differenziertes Bild des Islam in seiner ganzen Breite. „Auch Muslime schauen die Sendung gerne“, so Redakteur Abdul-Ahmad Rashid, „denn auch sie kennen ihre Religion oft nicht gut.“

Zur Nutzung von Internet und sozialen Netzwerken wie Twitter oder Facebook führte Ilona Nord, Professorin für Praktische Theologin an der Universität Hamburg, aus, dass die Menschen, die mit der Kirche „hoch verbunden“ sind, nach wie vor stark dem Buch zugeneigt seien. Allerdings hätten Menschen unter dreißig Jahren eine völlig andere Mediennutzung. Sie sind mit PC und Internet aufgewachsen. In den sozialen Netzwerken suchten Menschen emotionale Sicherheit, es werde dort eine „angenehme Wärme in der Gruppe Gleichgesinnter“ erzeugt. „Man teilt miteinander die Höhen und Tiefen des Lebens“, erläuterte Ilona Nord. Somit hätten diese Netzwerke durchaus auch eine religiöse Konnotation.

Die in der Diskussionsrunde aufkommende Kritik am Kommerz und den „Verführungen“ des Netzes wollte Ilona Nord so allgemeingültig nicht stehen lassen: „Die Menschen haben ein feines Gespür für Skurriles und durchaus eine gewisse Medienkompetenz“. Schließlich eröffne das Internet auch ganz neue Handlungsspielräume. „Das ist eine neue Freiheit“, sagte Nord, und erinnerte daran, dass Freiheit auch ein zentrales Motiv der Religionspädagogik sei.

Der Kirchenpräsident kann diese Freiheit noch nicht in vollem Umfang genießen: Sein Datenschutzbeauftragter hat untersagt, dass Mails auf das Handy weitergeleitet werden.

Die Frankfurter Kirche im Internet

Das Informationsportal der evangelischen Kirche in Frankfurt ist über www.frankfurt-evangelisch.de zu erreichen. Hier gibt es aktuelle Nachrichten, einen kompletten Veranstaltungskalender sowie Links zu den Homepages der Gemeinden und Einrichtungen und einen Newsletter.

Sämtliche Artikel von „Evangelisches Frankfurt“ sind unter www.evangelischesfrankfurt.de abgelegt, wo man auch das Archiv per Stichwort durchsuchen kann. Neue Artikel gibt es hier schon zu lesen, bevor die Printzeitung im Briefkasten liegt. Bei Facebook hält die Redaktion unter www.facebook.com/evangelischesfrankfurt mit Neuigkeiten und Veranstaltungstipps auf dem Laufenden.

Kurt-Helmuth Eimuth

Zukunftsstiftung sorgt vor

Evangelisches Frankfurt Mai 2009

Zukunftsstiftung sorgt vor
Evangelische Kirche will innovative Projekte entwickeln

Eine gute Haushälterin sorgt vor. In diesem Sinne ist auch die „Evangelische Zukunftsstiftung Frankfurt am Main“ zu verstehen. Auch künftig soll es noch möglich sein, Spielräume für Neues zu haben. „Wir müssen davon ausgehen, dass wir künftig nicht mehr so viel Geld haben werden,“ stellt Pröpstin Gabriele Scherle, die auch die Aufsichtsratsvorsitzende der Stiftung ist, fest. Deshalb hat der Evangelische Regionalverband fünf Millionen Euro in die Stiftung eingebracht, um aus den Erlösen in Zukunft innovative Projekte fördern zu können. Im Gegensatz zu Vereinsmitteln oder Kirchensteuern kann bei einer Stiftung nur der Zins verbraucht werden. Das Stiftungskapital bleibt unberührt.

Pfarrerin Esther Gebhardt als Vorstandsvorsitzende und Pröpstin Gabriele Scherle als Aufsichtsratsvorsitzende bei der Gründung der neuen evangelischen „Zukunftsstiftung“ im Limpurgsaal des Römers mit Stadtkämmerer Uwe Becker - von links nach rechts. | Foto: Rolf Oeser

Pfarrerin Esther Gebhardt als Vorstandsvorsitzende und Pröpstin Gabriele Scherle als Aufsichtsratsvorsitzende bei der Gründung der neuen evangelischen „Zukunftsstiftung“ im Limpurgsaal des Römers mit Stadtkämmerer Uwe Becker – von links nach rechts.
Foto: Rolf Oeser

Derzeit entwickelt man noch Projektmöglichkeiten. „Es geht um Projekte, nicht um langfristige Arbeit“, betont Scherle. Die Pröpstin denkt dabei an so unterschiedliche Dinge wie die Förderung von Ausstellungen, an spezielle Hilfestellungen für Familien, an kirchenmusikalische Projekte, an Stipendien oder auch an die Förderung der Verbreitung einer evangelischen Wirtschaftsethik. Die Satzung weist noch auf die Stärkung der kirchlichen Beratungs- und Bildungsarbeit sowie auf den interreligiösen und interkulturellen Dialog hin.

Zur Unterstützung für dieses Vorhaben hat man einen Vertreter aus der Politik und eine Vertreterin aus der Publizistik gewonnen. Ex-Kämmerer Horst Hemzal gehört ebenso zum Vorstand wie die stellvertretende Chefredakteurin der Zeitschrift Chrismon, Ursula Ott. Vorstandsvorsitzende der Stiftung ist Pfarrerin Esther Gebhardt, die diese Funktion auch im Evangelischen Regionalverband bekleidet.

Kurt-Helmuth Eimuth