Tag Archiv für Internet

Die Kirche kann von den Piraten lernen

Das Interessante an der Piratenpartei ist, dass sie mit neuen Formen politischer Mitbestimmung experimentiert. Davon könnte auch die Kirche lernen.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Leiter der Redaktion von „Evangelisches Frankfurt“. Foto: Rolf Oeser 

Alle reden über sie, manche auch mit ihnen: Die Piraten sind neu, unkonventionell, sie lieben Medien und haben nicht immer eine Antwort. Das reicht zumindest für gut acht Prozent.

Warum eigentlich haben diese Bengels (Frauen sind deutlich unterrepräsentiert) eine solche Anziehungskraft? Heerscharen von Soziologen suchen derzeit eine Antwort auf diese Frage, die, so der Eindruck,  rund um die Uhr die Talkshows beschäftigt. Doch die gängigen Erklärungsversuche – Parteienverdrossenheit, Internetfans haben Gleichgesinnte gesucht – sind doch recht bemüht.

Den Rechner einschalten und politisch mitreden

Am Dienstag plauderte in der Sendung von Frank Plasberg Juli Zeh, Schriftstellerin, kein Mitglied der Piratenpartei, „hart aber fair“ über ihre Sympathie zur neuen politischen Kraft. Sie sprach über das Lebensgefühl vieler Menschen: Sie sind interessiert, auch an Politik, wollen aber keinem engen Milieu angehören. „Es gibt keinen Stall mehr“, sagte Zeh, „man versucht irgendwie, sein Set zusammenzubauen.“ Sie könne sich nicht vorstellen, jede Woche zu irgendeiner Ortsgruppe zu gehen, um an Parteiversammlungen teilzunehmen. Bei den Piraten könne sie nach eigenem Gusto den Rechner einschalten und politisch mitreden.

Die Attraktivität der Piraten liegt ganz klar in der Möglichkeit der Mitwirkung, der Partizipation. Haben das nicht auch die Achtundsechziger gewollt? Ist es jetzt nicht möglich, mittels Internet „mehr Demokratie zu wagen“?

Gremienarbeit könnte reduziert werden

Man stelle sich nur mal vor, welches Potenzial in solchen Kommunikationswegen auch für Institutionen wie die Kirche steckt: Unendliche Stunden von Gremienarbeit könnten reduziert werden. Alle könnten mitdiskutieren, ob etwa die Matthäuskirche in Frankfurt abgerissen werden soll, um mit dem Erlös andere Frankfurter Kirchen zu erhalten.

Man könnte Foren für Stadtteile gestalten, Kirchenmitglieder und Nichtmitglieder einladen zur Diskussion. Man könnte Vorschläge sammeln, wie eine Gemeinde in der Einflugschneise des Frankfurter Flughafens sich weiter verhalten soll: Klage erheben, Protestbanner an der Kirche anbringen oder das Gemeindezentrum verlagern?

Die Piraten zeigen, wie Meinungsbildungsprozesse aller Art gebündelt und moderiert werden können. Sie experimentieren mit neuen Instrumenten, wie Mitglieder von Organisationen an den Punkten, die ihnen am Herzen liegen, mitwirken können.

Gemeinschaft braucht Kommunikation

Vieles davon könnte man auch in der Kirche ausprobieren: Wer sich in der Gemeindeleitung engagieren möchte, müsste sich nicht für sechs Jahre in einen Kirchenvorstand wählen lassen, weil ihm die Kirchenmusik am Herzen liegt, obwohl dort immer wieder der Kindergarten auf der Tagesordnung steht.

Sicher: Glaube braucht Gemeinschaft. Aber die Gemeinschaft braucht auch Kommunikation. Paulus würde heute sicher nicht auf dem Marktplatz stehen und predigen. Er würde die Medien nutzen – eben auch das Internet.

 

Kurt-Helmuth Eimuth, Evangelisches Frankfurt via facebook am 10. Mai 2012

Emotionale Wärme im Netz

Evangelisches Frankfurt Mai 2011

Facebook und Twitter sind auch für Religionen ein Forum

Auch für den Kirchenpräsidenten ist es selbstverständlich, zuerst zu „googeln“ und danach erst zum Buch zu greifen, wenn er einen Sachverhalt klären will. Und Volker Jung berichtete weiter, dass es auch im Haushalt des ersten Mannes in der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau nicht anders zugeht als in anderen Familien mit halbwüchsigen Kindern: Da sitzt die Tochter bei den Eltern im Wohnzimmer, der Fernseher läuft, sie ist gleichzeitig in Facebook unterwegs und macht zudem Mathe-Hausaufgaben.

Keine Frage: Die inzwischen gar nicht mehr so neuen Internetmedien verändern das gesamte Leben. Und sie haben eben nicht nur Auswirkungen auf das Berufs- und Familienleben, sondern auch auf Religionsgemeinschaften. Deshalb lud die Evangelische Stadtakademie unter der Überschrift „Getrennt und vernetzt – Religion und Migration online“ zu einer Diskussion über Chancen und Herausforderungen dieser Kommunikationsformen ein.

Beeindruckt waren die rund fünfzig Besucherinnen und Besucher von der ZDF-Sendung „Forum am Freitag“, die bisher nur im Internet und auf ZDF Neo zu sehen ist. Sie zeichnet mit Magazinbeiträgen ein differenziertes Bild des Islam in seiner ganzen Breite. „Auch Muslime schauen die Sendung gerne“, so Redakteur Abdul-Ahmad Rashid, „denn auch sie kennen ihre Religion oft nicht gut.“

Zur Nutzung von Internet und sozialen Netzwerken wie Twitter oder Facebook führte Ilona Nord, Professorin für Praktische Theologin an der Universität Hamburg, aus, dass die Menschen, die mit der Kirche „hoch verbunden“ sind, nach wie vor stark dem Buch zugeneigt seien. Allerdings hätten Menschen unter dreißig Jahren eine völlig andere Mediennutzung. Sie sind mit PC und Internet aufgewachsen. In den sozialen Netzwerken suchten Menschen emotionale Sicherheit, es werde dort eine „angenehme Wärme in der Gruppe Gleichgesinnter“ erzeugt. „Man teilt miteinander die Höhen und Tiefen des Lebens“, erläuterte Ilona Nord. Somit hätten diese Netzwerke durchaus auch eine religiöse Konnotation.

Die in der Diskussionsrunde aufkommende Kritik am Kommerz und den „Verführungen“ des Netzes wollte Ilona Nord so allgemeingültig nicht stehen lassen: „Die Menschen haben ein feines Gespür für Skurriles und durchaus eine gewisse Medienkompetenz“. Schließlich eröffne das Internet auch ganz neue Handlungsspielräume. „Das ist eine neue Freiheit“, sagte Nord, und erinnerte daran, dass Freiheit auch ein zentrales Motiv der Religionspädagogik sei.

Der Kirchenpräsident kann diese Freiheit noch nicht in vollem Umfang genießen: Sein Datenschutzbeauftragter hat untersagt, dass Mails auf das Handy weitergeleitet werden.

Die Frankfurter Kirche im Internet

Das Informationsportal der evangelischen Kirche in Frankfurt ist über www.frankfurt-evangelisch.de zu erreichen. Hier gibt es aktuelle Nachrichten, einen kompletten Veranstaltungskalender sowie Links zu den Homepages der Gemeinden und Einrichtungen und einen Newsletter.

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Kurt-Helmuth Eimuth

Virtueller Friedhof

Evangelisches Frankfurt
Februar 2011

Die Idee ist frappierend: Eines oder einer Verstorbenen virtuell zu gedenken. Keine Friedhofsgebühren, kein teurer Grabstein, keine echten Blumen, kein Zwang zur Grabpflege. Und zudem immer und von überall via Internet erreichbar. Für alle Welt einsehbar und auf ewig gespeichert. Kein Wunder, dass virtuelle Friedhöfe boomen.

www.memorta.com, ein aus den USA kommendes Internetportal, entstand schon in den 1990er Jahren und hat sich inzwischen auch in Deutschland etabliert. Es ist unbekannt, wie viele dieser Portale mit wie vielen Online-Gräbern es inzwischen gibt. Der nach eigenen Angaben größte Anbieter „ememorial“ behauptet, 170 000 Einträge zu haben.

Auf stilisierten Grabsteinen wird der Verstorbenen gedacht. Meist kann man nicht nur Bilder hinzufügen, sondern virtuelle Blumensträuße aufstellen oder eine Kerze anzünden. Dies wirkt optisch, gerade wenn es auf dem Bildschirm noch blinkt und flackert, oft ein wenig bizarr, geradezu kitschig. Und doch wird hier ernsthaft getrauert. Etwa wenn die Enkelin der Oma Gedichte postet. Oder wenn die Familie an Heiligabend einträgt: „Alles ist vorbereitet und wieder sehr feierlich, doch leider ist es ein Fest ohne dich. Unser Gesang wird nicht so klingen wie mit dir.“

Während sich die meisten Portale weltanschaulich neu-tral geben, firmiert www.geh-den-weg.de als interreligiöser Friedhof für Christen, Muslime und Buddhisten. Kurzinformationen über unterschiedliche Bestattungsbräuche und die Jenseitsvorstellungen ergänzen das Portal. Auch wenn die Hintergrundmusik Geschmackssache ist, überzeugt die Seite durch die Klarheit der Gestaltung. Auch Bilder und Filme können eingestellt werden.

Dagegen ist www.internet-friedhof.de ein schlechter Tipp. Nicht nur, weil die Seite grafisch schlecht gemacht ist und Werbung enthält. Gästeeinträge können hier auch ungefiltert Negatives enthalten. So wird etwa von der mit 23 Jahren verstorbenen Carolin Ebert alias „Sexy Cora“ aus der RTL-Show Big Brother gesagt, es geschehe ihr recht, „wenn sie hin ist“. Im realen Leben wäre das wohl unter Grabschändung einzusortieren.

Kurt-Helmuth Eimuth