Tag Archiv für Friedhof

Was haben Kaufhäuser und Friedhöfe gemeinsam?

Im Grunde unterscheidet sich die Herausforderung beim Unterhalt eines Friedhofes nicht vom Betrieb eines Kaufhauses. Der Kundenverhalten hat sich geändert. Während dem Einzelhandel starke Konkurrenz durch das Internet erwachsen ist, ist auf den Friedhöfen die Nachfrage nach Erdbestattungen zurückgegangen. Urnen brauchen einfach viel weniger Platz. Doch anders als Kaufhäuser kann man Friedhöfe nicht einfach schließen. „Das Teuerste, was es gibt, ist es einen Friedhof zu schließen“, sagt Pfarrerin Elisabeth Müller. Um die Totenruhe zu wahren, muss man sie 25 oder 30 Jahre weiter unterhalten. Auch das unterscheidet sie vom Kaufhaus.

Die Theologin ist verantwortlich für den evangelischen Friedhof in Essen-Haarzopf. Zahlreiche Friedhöfe sind im Besitz der Kirchen. Ziel müsse es sein, dass die Angehörigen sagen: „Der evangelische Friedhof ist toll, da kommt die Oma hin.“ Zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität wurden umgesetzt. Von Bänken über die Bepflanzung bis hin zu Schildern und der öffentlichen Toilette. Pfarrerin Müller geht es auch um das evangelische Profil. So hat sie Riten zum Abschiednehmen für Frauen nach Fehlgeburt oder nach einem Schwangerschaftsabbruch entwickelt. Selbst die Rückgabe des Eheversprechens findet hier seinen rituellen Raum. Ihr Rat an alle, die sich mit defizitären Friedhöfen auseinandersetzen: „Nimm die Sache in die Hand, stecke etwas Gehirnschmalz rein und entwickle ein evangelisches Profil“.

Zur Person: Elisabeth Müller ist Pfarrerin in der Evangelischen Kirchengemeinde Haarzopf. Seit dem Sommer 2021 hat Pfarrerin sie eine Beauftragung des Kirchenkreises Essen für Neue Rituale inne.

Trauerredner:innen gefragt

Kommenden Sonntag ist Ewigkeitssonntag oder wie er im Volksmund genannt wird, Totensonntag. Glauben die Menschen noch an ein Leben nach dem Tod? Nur noch jede:r Zweite wird in den Städten christlich beerdigt. Die andere Hälfte greift meist auf die Dienste der Trauerredner:innen zurück. Conny&Kurt sprachen mit einer. Die Vorbereitung, die Ansprache, die Begleitung der Trauernden unterscheidet sich eben nur in einem von einer evangelischen oder katholischen Beerdigung: Der Trost auf ein Ewigen Lebens fehlt. „Ich frage die Leute, ob sie an Gott glauben“, erzählt Kristin Holighaus. „Manche haben Yoga gemacht, sich mit fernöstlichen Religionen beschäftigt. Dann kommt so ein Mischmasch, den sie Spirituelles nennen“, berichtet die Trauerrednerin, die als Pfarrerstochter gut ihre Kirche kennt. Andere wieder sagen: „Wenn‘s rum ist, ist‘s rum.“ Als Trauerrednerin vermittelt sie die Hoffnung, dass die Liebe bleibt. Ganz wichtig ist für Kristin Holighaus, dass jeder Mensch unterschiedliche Spuren hinterlässt. Er sollte auch so dargestellt werden wie er ist: „Die Trauerfeier ist kein Gerichtssaal und kein Kosmetiksalon“. Warum die Menschen lieber zu ihr als zu einem Geistlichen kommen? „Das ist das Ende eines langen Prozesses. Die Menschen haben die Bindung zur Kirche verloren.“ So der ernüchternde Befund.

Gräber auch für Arme: Eine Lösung ist in Sicht

„Umsonst ist nur der Tod- und auch der kostet noch.“ Dieser Spruch, so leicht im Scherz dahingesagt, wird im Ernstfall für viele Menschen zur bitteren Wahrheit: Friedhofsgebühren und Grabpflege belasten das Budget.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Leiter der Redaktion von “Evangelisches Frankfurt”. Foto: Rolf Oeser

Eine traditionelle Beerdigung kann gut und gern über 5000 Euro kosten. Hinzu kommt, dass Familienmitglieder heute oft nicht mehr am selben Ort leben. Also bleibt die Frage, von wem und wie das Grab gepflegt wird, wenn Sohn oder Tochter in Hamburg oder München wohnen.

Nach langer Auseinandersetzung mit den zuständigen städtischen Ämtern liegt nun für Frankfurt ein Vorschlag auf dem Tisch, der eine preiswerte Bestattungsform als Alternative zur üblichen Grabstätte ermöglichen soll.

Ausweg aus Finanzsorgen war bisher oft die anonyme Bestattung

Bislang wählten nämlich viele Menschen als Ausweg aus dem finanziellen Dilemma eine anonyme Bestattung. Dabei wird der Verstorbene ohne Hinweis auf den Namen auf einer Wiese beigesetzt. So wirklich „anonym“ war das allerdings nicht immer, denn meist kannten die Angehörigen den Ort der Bestattung durchaus, was ihnen erlaubte, dort zu trauern, einen Ort der Erinnerung zu haben, oder auch einen Pfarrer zur Beerdigung dazu zu holen.

Um jedoch auch den Wunsch mancher Verstorbenen nach echter Anonymität zu erfüllen, wurde verfügt, dass bei einer anonymen Beisetzung keine Angehörigen mehr anwesend sein dürfen und auch sonst niemand die Beisetzung begleiten kann – auch kein Pfarrer. Als Alternative bietet die Stadt das so genannte „Rasenreihengrab“ an, eine Rasenfläche mit einer im Boden eingelassenen Namenstafel. Eine Grabbepflanzung oder das Ablegen von Blumen ist auch dort nicht möglich, dafür ist ein Gedenkplatz angelegt.

“Geld darf nicht über die Form der Beerdigung entscheiden”

Doch die für ein Rasenreihengrab vorgeschriebene Steinplatte ist mit 400 Euro auch nicht eben billig, wie Pfarrer Holger Kamlah, der die evangelische Kirche in der Frankfurter Friedhofskommission vertritt, zu bedenken gibt: „Es gibt Menschen in Frankfurt, die sich das nicht leisten können, so sehr sie es sich vielleicht auch wünschen.“ Er findet, es sei „nicht akzeptabel, wenn die finanziellen Möglichkeiten der Angehörigen mit darüber entscheiden, ob eine christliche Beerdigung mit Begleitung zum Grab möglich ist.“

Der Kompromiss, der sich nun nach langen Verhandlungen abzeichnet, ist einfach: Die Stadt besteht nicht mehr auf der Steinplatte.

Wie notwendig es ist, Alternativen zum traditionellen Grab zu finden, zeigt ein Rundgang über die Frankfurter Friedhöfe: Immer mehr Gräber sind ungepflegt, einfach weil die Angehörigen sich nicht darum kümmern können, zum Beispiel, weil sie weggezogen oder selbst erkrankt sind. Eine Dauergrabpflege durch eine Gärtnerei kostet mehrere hundert Euro im Jahr – das ist für viele Familien zu viel.

“Trauerhaine” als Alternative zum Grab, das gepflegt werden muss

Aber auch dafür gibt es Alternativen. Auf dem Friedhof in Westhausen etwa steht ein „Trauerhain“ zur Verfügung. Er bietet die Möglichkeit einer Bestattung in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Baum, ist also sozusagen eine städtische Variante der immer beliebter werdenden Friedwälder. Dabei wird eine kompostierbare Urne bei einem Baum vergraben und am Baum ein Schild mit dem Namen des Verstorbenen angebracht. Während Friedwälder in der Regel naturbelassene Areale sind, ist der Trauerhain in Westhausen ein Teil des Friedhofs und wird entsprechend gepflegt. 2013 soll ein weiterer Trauerhain auf dem Parkfriedhof Heiligenstock eröffnet werden. Sich schon zu Lebzeiten mit dem Thema auseinanderzusetzen, ist auf jeden Fall sinnvoll.

kurt-Helmuth Eimuth, Evangelisches Frankfurt 15.10.2012

Virtueller Friedhof

Evangelisches Frankfurt
Februar 2011

Die Idee ist frappierend: Eines oder einer Verstorbenen virtuell zu gedenken. Keine Friedhofsgebühren, kein teurer Grabstein, keine echten Blumen, kein Zwang zur Grabpflege. Und zudem immer und von überall via Internet erreichbar. Für alle Welt einsehbar und auf ewig gespeichert. Kein Wunder, dass virtuelle Friedhöfe boomen.

www.memorta.com, ein aus den USA kommendes Internetportal, entstand schon in den 1990er Jahren und hat sich inzwischen auch in Deutschland etabliert. Es ist unbekannt, wie viele dieser Portale mit wie vielen Online-Gräbern es inzwischen gibt. Der nach eigenen Angaben größte Anbieter „ememorial“ behauptet, 170 000 Einträge zu haben.

Auf stilisierten Grabsteinen wird der Verstorbenen gedacht. Meist kann man nicht nur Bilder hinzufügen, sondern virtuelle Blumensträuße aufstellen oder eine Kerze anzünden. Dies wirkt optisch, gerade wenn es auf dem Bildschirm noch blinkt und flackert, oft ein wenig bizarr, geradezu kitschig. Und doch wird hier ernsthaft getrauert. Etwa wenn die Enkelin der Oma Gedichte postet. Oder wenn die Familie an Heiligabend einträgt: „Alles ist vorbereitet und wieder sehr feierlich, doch leider ist es ein Fest ohne dich. Unser Gesang wird nicht so klingen wie mit dir.“

Während sich die meisten Portale weltanschaulich neu-tral geben, firmiert www.geh-den-weg.de als interreligiöser Friedhof für Christen, Muslime und Buddhisten. Kurzinformationen über unterschiedliche Bestattungsbräuche und die Jenseitsvorstellungen ergänzen das Portal. Auch wenn die Hintergrundmusik Geschmackssache ist, überzeugt die Seite durch die Klarheit der Gestaltung. Auch Bilder und Filme können eingestellt werden.

Dagegen ist www.internet-friedhof.de ein schlechter Tipp. Nicht nur, weil die Seite grafisch schlecht gemacht ist und Werbung enthält. Gästeeinträge können hier auch ungefiltert Negatives enthalten. So wird etwa von der mit 23 Jahren verstorbenen Carolin Ebert alias „Sexy Cora“ aus der RTL-Show Big Brother gesagt, es geschehe ihr recht, „wenn sie hin ist“. Im realen Leben wäre das wohl unter Grabschändung einzusortieren.

Kurt-Helmuth Eimuth