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Pfingsten macht Gott komplett

Pfingsten steht vor der Tür, doch vielen Menschen ist die Bedeutung dieses Festes unklar. Oft wird der Pfingstmontag als unwichtig angesehen. Theologisch gesehen macht Pfingsten Gott „komplett“ sagt Oliver Albrecht, Propst für Rhein-Main, im Podcast Conny&Kurt. Es ist nicht ein dritter Gott, sondern die Art und Weise, wie Gott heute noch Kontakt mit uns aufnimmt. Vom Rang her könnte es sogar das wichtigste Fest sein, denn die Geheimnisse von Ostern und Weihnachten erschließen sich erst durch den Heiligen Geist, meint Pfarrer Albrecht.

Der Heilige Geist ist schwer zu fassen. Albrecht bedient sich eines Bildes von Tertullian. Gott sei die Sonne, Jesus Christus der Sonnenstrahl und der Heilige Geist die spürbare Wärme des Sonnenstrahls auf der Haut. Es ist die Wirkweise Gottes, immer derselbe Gott, aber erfahrbar. Dieses Spüren Gottes sei der Heilige Geist.

Pfingsten gilt als Geburtstag der Kirche. Es ist aber nicht die Gründung einer institutionellen Kirche, sondern ein Werk des Heiligen Geistes, das aus einzelnen Gläubigen eine Gemeinschaft formt. Der Geist führt Menschen aus der Vereinzelung zusammen. Pfingsten ist der Beginn der Gemeinde, der Gemeinschaft der Christen, führt Albrecht aus.

Pfingsten ist ein Fest der Gemeinschaft und Solidarität. Es stärkt persönlich, schenkt Trost und das Gefühl, akzeptiert zu sein. Gleichzeitig führt es in die Solidarität und sogar in politische Aktivität, wie einst bei den Propheten. Persönliche Stärkung und Engagement für andere gehören zusammen, betont der Propst.

Pfingsten hat wenige Volksbräuche entwickelt. Anders als Weihnachten oder Ostern, die an weltliche Feste angedockt wurden, fand sich für Pfingsten kein solches Pendant. Auch die Kirche hat kaum neue Rituale geschaffen, was dazu beiträgt, dass viele Menschen die Bedeutung nicht verstehen. Viele Gemeinden behandeln den Pfingstmontag etwas stiefmütterlich. Global gesehen, besonders in charismatischen Kirchen, hat Pfingsten eine hohe Bedeutung mit eigenen Ritualen. Von ihnen könne man lernen, wie man das Fest rituell belebt. Um Pfingsten sichtbarer zu machen, sind öffentliche, eventorientierte Formate nötig, wie das Fest auf dem Frankfurter Römerberg mit gesellschaftspolitischen Predigten und moderner Musik. Pfingsten, das Fest der Gemeinschaft, hat das Potenzial für neue Wege.

Zur Person
Oliver Albrecht ist seit 2015 Propst für Rhein-Main am Dienstsitz in Wiesbaden. In seinen Verantwortungsbereich gehören rund 450 Pfarrerinnen und Pfarrer in etwa 230 Kirchengemeinden mit knapp 400.000 Kirchenmitgliedern.

Was haben Kaufhäuser und Friedhöfe gemeinsam?

Im Grunde unterscheidet sich die Herausforderung beim Unterhalt eines Friedhofes nicht vom Betrieb eines Kaufhauses. Der Kundenverhalten hat sich geändert. Während dem Einzelhandel starke Konkurrenz durch das Internet erwachsen ist, ist auf den Friedhöfen die Nachfrage nach Erdbestattungen zurückgegangen. Urnen brauchen einfach viel weniger Platz. Doch anders als Kaufhäuser kann man Friedhöfe nicht einfach schließen. „Das Teuerste, was es gibt, ist es einen Friedhof zu schließen“, sagt Pfarrerin Elisabeth Müller. Um die Totenruhe zu wahren, muss man sie 25 oder 30 Jahre weiter unterhalten. Auch das unterscheidet sie vom Kaufhaus.

Die Theologin ist verantwortlich für den evangelischen Friedhof in Essen-Haarzopf. Zahlreiche Friedhöfe sind im Besitz der Kirchen. Ziel müsse es sein, dass die Angehörigen sagen: „Der evangelische Friedhof ist toll, da kommt die Oma hin.“ Zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität wurden umgesetzt. Von Bänken über die Bepflanzung bis hin zu Schildern und der öffentlichen Toilette. Pfarrerin Müller geht es auch um das evangelische Profil. So hat sie Riten zum Abschiednehmen für Frauen nach Fehlgeburt oder nach einem Schwangerschaftsabbruch entwickelt. Selbst die Rückgabe des Eheversprechens findet hier seinen rituellen Raum. Ihr Rat an alle, die sich mit defizitären Friedhöfen auseinandersetzen: „Nimm die Sache in die Hand, stecke etwas Gehirnschmalz rein und entwickle ein evangelisches Profil“.

Zur Person: Elisabeth Müller ist Pfarrerin in der Evangelischen Kirchengemeinde Haarzopf. Seit dem Sommer 2021 hat Pfarrerin sie eine Beauftragung des Kirchenkreises Essen für Neue Rituale inne.