Tag Archiv für Sonntag

Die Sonntagsruhe ist seit Jahrhunderten umstritten

von Kurt-Helmuth Eimuth 19. September 2018

Dieses Jahr gibt es in Frankfurt keine verkaufsoffenen Sonntage. Gewerkschaften und die katholische Arbeitnehmerbewegung haben gegen entsprechende Pläne erfolgreich geklagt.

Spaziergang statt Shopping? Der freie Sonntag ist alte Tradition. | Foto: Rolf Oeser
Spaziergang statt Shopping? Der freie Sonntag ist alte Tradition. | Foto: Rolf Oeser

Der Einzelhandel ist gebeutelt. Die Konkurrenz aus dem Netz ist groß, dort kann man rund um die Uhr nach Lust und Laune Waren bestellen. Es wird immer schwerer, Kundschaft in die Geschäfte zu locken, wenn die nicht grade mitten auf der Zeil liegen. Und sonntags, wenn die ganze Familie mal Zeit fürs gemeinsame Shoppen hätte, darf man nicht öffnen.

Ein verkaufsoffener Sonntag war in Frankfurt immer ein Garant für hohen Umsatz. In diesem Jahr aber bleiben die Geschäfte an allen Sonntagen geschlossen. Die Gewerkschaften und die katholische Arbeitnehmerschaft hatten gegen Öffnungspläne geklagt. Und in der Tat stellten die Gerichte fest, dass die gesetzlichen Auflagen zur Sonntagsöffnung nicht eingehalten wurden. Eigentlich dürfen Kommunen in Hessen bis zu vier verkaufsoffene Sonntage genehmigen, aber nur aus besonderem Anlass. Um nicht wieder in die juristische Bredouille zu kommen, hat der Dachverband der Gewerbevereine in diesem Jahr ganz auf eine Sonntagsöffnung verzichtet.

Die Härte der Auseinandersetzung zwischen den Unternehmen auf der einen und den Gewerkschaften und Kirchen auf der anderen Seite zeigt, dass es in diesem Konflikt um etwas Grundsätzliches geht. „Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.“ So steht es bereits in der Weimarer Reichsverfassung von 1919. Wörtlich wurde diese Feststellung dann später in das Grundgesetz übernommen.

Das Gesetz schreibt eine fast 2000 Jahre alte Tradition fest. Bereits im Jahr 321 ordnete der römische Kaiser Konstantin die christliche Sonntagsruhe an und verbot jegliche Arbeit außer der Feldarbeit. Mit dem Ende des weströmischen Reiches ungefähr ab dem Jahr 480 und den daran anschließenden Machtkämpfen verlor jedoch der Sonntag in Mitteleuropa seine Bedeutung als arbeitsfreier Tag wieder. Im Frühmittelalter gab es keine Sonntagsruhe.

Erst im Mittelalter wurden die kirchlichen Gebote wieder stärker beachtet und auch der Sonntag als Ruhetag befolgt. Martin Luther war der Sonntag als Ruhetag deshalb wichtig, weil sich die Menschen an diesem Tag mit dem Glauben beschäftigen konnten.

Bis ins 18. Jahrhundert wurde der Sonntag allgemein beachtet. Im Zuge der Industrialisierung jedoch geriet der arbeitsfreie Tag aus wirtschaftlichen Gründen erneut unter Druck: Die teuren Maschinen sollten weiterlaufen. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden die ersten Arbeitsgesetze eingeführt, die den Sonntag als arbeitsfreien Tag festschrieben.

Beim Streit um den Sonntag ging es also meist um die Gewichtung zwischen wirtschaftlichen
Interessen und Lebensqualität. Wenn die Wirtschaft auch am Sonntag brummt, sei es in der Produktion oder im Handel, steigt das Bruttosozialprodukt. Dem halten die Gewerkschaften und die Kirchen die soziale Qualität des Sonntags entgegen: Man fürchtet, dass der Sonntag als Tag der Ruhe, der Familie, der Freizeit und auch der Gottesdienste ausgehöhlt wird. Will man darauf im 21. Jahrhundert wirklich wieder verzichten?

Sonntagsruhe: Eine Gesellschaft braucht Rhythmus.

von Kurt-Helmuth Eimuth 22. August 2018

Unser Leben ist Rhythmus. Von Beginn an. Einatmen und Ausatmen, der Rhythmus des Lebens. Nicht nur die einzelnen Menschen, auch Gesellschaften brauchen einen Rhythmus: Warum wir den Sonntag als freien Tag nicht aufgeben sollten. Ein Kommentar. 

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Unser Leben ist Rhythmus. Von Beginn an. Einatmen und Ausatmen, der Rhythmus des Lebens. Wir folgen dem Rhythmus von Tag und Nacht und erleben den Kreislauf der Jahreszeiten. 

Die Natur kennt nur rhythmische Verläufe. Die Sterne, die Sonne, ja das ganze Universum basiert auf einem Rhythmus. Die Rhythmen sind geprägt von einer Polarität, einer Spannung zwischen Aus- und Einatmen; dazwischen eine kurze Phase der Ruhe. Der Umkehrpunkt ist auch ein Punkt des Ausgewogenseins. In der Polarität des Rhythmus ist das Innehalten verankert. Der Rhythmus trägt die Idee der Pause in sich.

Und so wie der Rhythmus Symbol für alles Lebendige ist, ist er auch Symbol dafür, dass das Leben ohne Ruhen nicht existieren kann. Der Takt zwischen Ein- und Ausatmen eröffnet Raum für Anderes.

Dies gilt nicht nur für das Individuum, sondern auch für die Gesellschaft als Ganzes. Der Takt braucht die Unterbrechung, sonst ist er nicht zu erkennen. Und so sehr wir uns über volle Straßenbahnen und Busse im Berufsverkehr ärgern, so sind sie doch Zeichen dafür, dass es einen gesellschaftlichen Rhythmus gibt: Tagsüber wird gearbeitet, dann gibt es Privatleben, dann Nachtruhe, und dann geht es wieder los.

Auch der Wochenryhthmus ist ein Takt, der ein gesellschaftliches Innehalten ermöglicht. Treffen, Verabredungen und Veranstaltungen können gut organisiert werden, wenn alle zur selben Zeit „frei“ haben. Doch wir geraten immer mehr aus dem Takt. Die Technik macht‘s möglich: Online wird rund um die Uhr eingekauft, und der moderne Mensch arbeitet auch mal am Wochenende zwischendurch am Computer. Mails, nicht nur private, werden dauernd gecheckt.

Und dann kommt der Aufschrei nach der Work-Life-Balance, nach dem Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatem. Aber die Technik lässt diese Bereiche ineinanderfließen. Arbeit und Privates ist in vielen Bereichen nicht zu trennen. Insbesondere wenn die Arbeit Spaß macht oder Teil des eigenen Lebenswerks ist.

Hier braucht es neue Formen des Rhythmus, hier braucht es einen anderen Takt. Vielleicht war es ja eine gute Idee, als Stadtkirchenpfarrer Jeffrey Myers vor ein paar Jahren anbot, Smartphones während des Urlaubs sicher zu verwahren. Die besten Möglichkeiten und Formen, für sich einen Rhythmus zu finden, muss jeder und jede suchen.

Doch keineswegs sollten wir den Wochenrhythmus mit einem arbeitsfreien Sonntag als Gesellschaft aufgeben. Er ist eine Form von Lebensqualität, ganz egal ob man religiös oder ist oder nicht.

Die Freiheit des Verbots – Tanzverbot am Feiertag

Evangelisches Frankfurt Juni 2011

Frankfurts Ordnungsdezernent Volker Stein hat mit seiner Anordnung, die gesetzlich vorgeschriebene Achtung christlicher Feiertage in Clubs und Diskotheken zu kontrollieren, eine bundesweite Diskussion ausgelöst.

Die Online-Umfrage der Frankfurter Rundschau zeichnet ein eindeutiges Meinungsbild: Annähernd zwei Drittel stimmen der Aussage zu: „Die Kirche verliert immer mehr an Bedeutung. Konsequenter Weise sollte sie auch nicht länger in die Freizeitgestaltung der Menschen hinein regieren.“ Nur neun Prozent hingegen finden das Tanzverbot gut und meinen: „Christliche Traditionen müssen auch in der heutigen Zeit aufrecht erhalten werden.“ Zwanzig Prozent sprechen sich für ein moderates Tanzverbot aus: „Am Karfreitag sollte es ein Tanzverbot geben. Aber das ganze Wochenende nicht feiern zu dürfen, ist übertrieben.“

Die öffentliche Meinung ist also eindeutig – die Gesetzeslage allerdings auch. Gemäß dem hessischen Sonn- und Feiertagsgesetz herrscht von Gründonnerstag ab vier Uhr morgens bis Samstagnacht um 24 Uhr ein absolutes Verbot von Tanzveranstaltungen. Erst danach sind die Tanzflächen wieder freigegeben – allerdings nur für wenige Stunden. Denn auch von Ostersonntag ab vier Uhr bis Ostermontag um 12 Uhr verbietet das Gesetz aus dem Jahre 1952 jedwede Tanzveranstaltung. Diese Regelung gilt genauso für Neujahr, Himmelfahrt, Pfingstmontag und die Weihnachtstage, Einschränkungen gibt es auch am Gründonnerstag, Karsamstag, Volkstrauertag und Totensonntag.

Vor der Frühjahrssynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau wies Kirchenpräsident Volker Jung auf das Grundproblem hin: „Ist der Feiertag überhaupt als gesetzlich geschützter Tag in unserer Gesellschaft konsensfähig?“ Die Kirche trete weiter dafür ein, den Karfreitag als gesetzlich geschützten Feiertag zu erhalten „und ihn mit dem Tanzverbot als besonderen Tag zu kennzeichnen“, sagte Jung. Das Tanzverbot an Ostern hingegen sei nicht zu begründen: „Ich halte es für un-nötig“, so der Kirchenpräsident.

Für Jung geht es dabei nicht um die Einschränkung individueller Freiheit. „Die Leitfrage ist für mich: Hat eine Gesellschaft die Freiheit, sich einen solchen Tag wie den Karfreitag zu gönnen? Gibt es damit eine innere gesellschaftliche Freiheit, diesen Tag in besonderer Weise zu gestalten?“ Er sieht einen Zusammenhang mit Tendenzen, das Gebot der Sonntagsruhe auszuhöhlen: „Sind nicht alle Argumente für die Liberalisierung des Sonntages Zeichen für eine ökonomische Fremdbestimmung und damit von Knechtschaft und nicht von Freiheit?“

Kurt-Helmuth Eimuth

Anlass zur Umkehr gibt es genug

Evangelisches Frankfurt November 2007
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Vor gut zehn Jahren verschwand er als gesetzlicher Feiertag, und heute, so scheint es, ist er schon völlig in Vergessenheit geraten: der Buß- und Bettag. Selbst die evangelische Kirche scheint ihn nicht so richtig ernst zu nehmen. Wie sonst ist es zu erklären, dass auch der Terminkalender kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am 21. November so prall gefüllt ist wie an jedem anderen Tag? Das ist wohl auch der Grund, warum der zentrale Gottesdienst in der Katharinenkirche an der Hauptwache von 10 Uhr auf 19 Uhr verlegt wurde. Auch der kirchliche Betrieb legt eben für den Buß- und Bettag keine Pause mehr ein.

So halbherzig wie die evangelische Kirche mit diesem protestantischen Feiertag umgeht, so halbherzig hat sie seinerzeit auch ihre Stimme gegen seine Abschaffung erhoben. Schließlich sollte der Verzicht auf den arbeitsfreien Tag einem guten Zweck dienen, nämlich der Finanzierung der Pflegeversicherung: Die Mehrarbeit der Arbeitnehmer sollte die Mehrbelastung der Arbeitgeber ausgleichen. Übrigens gab es den Buß- und Bettag als arbeitsfreien Tag auch in der DDR. Dort hat man ihn 1966 für die Einführung der Fünf-Tage-Woche gestrichen.

Am Buß- und Bettag geht es um die Umkehr zu Gott, um eine Haltungsänderung also. In Frankfurt gab es früher die Tradition eines ökumenischen Bußgangs an diesem Tag. Es war ein Gang zu Orten der Stadtzerstörung und der sozialen Herausforderung. Heute wären wohl das Arbeitsamt und die Obdachlosenunterkunft, die Stadtautobahn oder der Hauptbahnhof geeignete Stationen. Schließlich schreien Themen wie Arbeitslosigkeit, Armut, Umweltzerstörung oder Privatisierung der Bahn geradezu nach Umkehr. Es ist gut, wenn Christinnen und Christen konkrete Schlussfolgerungen aus dem Auftrag ziehen, die Schöpfung zu bewahren. Doch mit der Abschaffung des Buß- und Bettages wurde ein regelmäßiger Anlass dafür aus dem kollektiven Gedächtnis entfernt.

Die Abschaffung des Buß- und Bettages war ein Schritt hin zu einer Gesellschaft, die zwischen Alltag und Feiertag nicht mehr unterscheidet. Nur mühsam und mit Einschränkungen gelang es, den Sonntag vor den Interessen des Einzelhandels vorerst zu schützen. Doch die Begehrlichkeiten bleiben. Kurzsichtiges Konsumdenken sollte das Kulturgut der arbeitsfreien Tage nicht zerstören. Menschliches Leben ist mehr als Arbeiten und Konsumieren. Dafür stehen Feiertage. Sie abzuschaffen macht die Einzelnen, aber auch eine säkular geprägte Gesellschaft ärmer.

Kurt-Helmuth Eimuth

Eine Oase unverplanter Zeit

Ein Ruhetag in der Woche wird nicht nur in den zehn Geboten gefordert, er ist auch im Grundgesetz geschützt. Doch die Sonntagsruhe wird ausgehöhlt: In Frankfurt sollen dieses Jahr erstmals an vier Sonntagen die Geschäfte öffnen.

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Sonntagsbrötchen und Sonntagszeitung – weil Behörden, Baumärkte und Möbelhäuser ohnehin geschlossen sind, kann man sonntags das Frühstück guten Gewissens in die Länge ziehen. Erledigen kann man ja ohnehin nichts, egal wie dringend es ist. Doch die kollektive Aus-Zeit „am siebten Tag“ wird immer weiter aufgeweicht. – Foto: Oeser

Sonntags hält das öffentliche Leben inne. Die U- und Straßenbahnen fahren nach einem besonderen Fahrplan, es gibt keinen Berufsverkehr. Auch in den Wohnungen erwacht das Leben später. Endlich einmal ausschlafen, im Schlafanzug frühstücken, Sendung mit der Maus gucken. Der Sonntag gehört der Familie, den Kindern, den Freunden. Er ist eine Oase der unverplanten Zeit oder auch der geplanten Familienrituale. In manchen Familien kommen etwa die Kinder und Enkel immer sonntags zum Kaffee zu den Großeltern,oder es gibt Ausflüge in den Zoo, in den Wald, ins Museum.
Ein solcher Tag der Ruhe ist durch das Grundgesetz geschützt. In Artikel 140 heißt es: „Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung geschützt.“ Doch dieser Schutz wird zunehmend ausgehöhlt. Die Ausnahmegenehmigungen zur Öffnung der Läden häufen sich. Schon hat man sich daran gewöhnt, dass Tankstellen mit ihren Minisupermärkten rund um die Uhr geöffnet haben, und sonntags eben auch Fitness-Studios und Bäckereien.
Der Druck der Wirtschaft auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wächst. Flexibilisierung heißt das Zauberwort. Und auch den Verbraucherinnen und Verbrauchern wird die Möglichkeit vom schönen, neuen Einkaufssonntag vorgegaukelt: Einkaufsbummel statt Kaffeetrinken mit der Oma. Doch nüchtern betrachtet bedeutet Sonntagsarbeit, dass es eigentlich keine Sonntage mehr gibt. Dann ist nämlich jeder Tag ein Werktag.
Die Wurzeln dieses einen Tages, der den Alltag unterbricht und dem Leben seinen Rhythmus gibt, liegen in der Religion. Feierten die frühen Christen wie die Juden den siebenten Tag der Woche, den Sabbat, so veränderte sich dieses im Laufe der Zeit. In christlichen Ländern wurde das Gebot der Sabbatheiligung auf den Sonntag, den Tag der Auferstehung, übertragen. Kaiser Konstantin machte im Jahre 321 den Sonntag zum allgemeinen Feiertag im ganzen Römischen Reich. Theologisch gibt es keine Wertigkeit der Sonntage. Alle Sonntage haben die gleiche theologische Wurzel, alle Sonntage sind gleich wichtig.
Der Sonntag ist heute noch der Tag des Sich-Zurücknehmens, des Zu-Hörens, des Spielens, des Miteinanders und für manche auch der Tag des Kirchgangs. Für all dieses nutzt es nichts, wenn die Verkäuferin an der Theke der Bäckerei dann am Mittwoch frei hat. Der Sonntag ist eben auch eine soziale Errungenschaft. Wichtig für das Familienleben, das soziale Miteinander – ob in Kirche oder Verein.
Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt: Januar 2005 · 29. Jahrgang · Nr. 1

Eine Oase unverplanter Zeit

Sonntagsbrötchen und Sonntagszeitung – weil Behörden, Baumärkte und Möbelhäuser ohnehin geschlossen sind, kann man sonntags das Frühstück guten Gewissens in die Länge ziehen. Erledigen kann man ja ohnehin nichts, egal wie dringend es ist. Doch die kollektive Aus-Zeit „am siebten Tag“ wird immer weiter aufgeweicht. - (Foto unabh. entnommen von: Wikimedia/Deut. Bundesarchiv)

Evangelisches Frankfurt: Januar 2005 · 29. Jahrgang · Nr. 1

Eine Oase unverplanter Zeit

Sonntags hält das öffentliche Leben inne. Die U- und Straßenbahnen fahren nach einem besonderen Fahrplan, es gibt keinen Berufsverkehr. Auch in den Wohnungen erwacht das Leben später. Endlich einmal ausschlafen, im Schlafanzug frühstücken, Sendung mit der Maus gucken. Der Sonntag gehört der Familie, den Kindern, den Freunden. Er ist eine Oase der unverplanten Zeit oder auch der geplanten Familienrituale. In manchen Familien kommen etwa die Kinder und Enkel immer sonntags zum Kaffee zu den Großeltern,oder es gibt Ausflüge in den Zoo, in den Wald, ins Museum.
Ein solcher Tag der Ruhe ist durch das Grundgesetz geschützt. In Artikel 140 heißt es: „Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung geschützt.“ Doch dieser Schutz wird zunehmend ausgehöhlt. Die Ausnahmegenehmigungen zur Öffnung der Läden häufen sich. Schon hat man sich daran gewöhnt, dass Tankstellen mit ihren Minisupermärkten rund um die Uhr geöffnet haben, und sonntags eben auch Fitness-Studios und Bäckereien.
Der Druck der Wirtschaft auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wächst. Flexibilisierung heißt das Zauberwort. Und auch den Verbraucherinnen und Verbrauchern wird die Möglichkeit vom schönen, neuen Einkaufssonntag vorgegaukelt: Einkaufsbummel statt Kaffeetrinken mit der Oma. Doch nüchtern betrachtet bedeutet Sonntagsarbeit, dass es eigentlich keine Sonntage mehr gibt. Dann ist nämlich jeder Tag ein Werktag.
Die Wurzeln dieses einen Tages, der den Alltag unterbricht und dem Leben seinen Rhythmus gibt, liegen in der Religion. Feierten die frühen Christen wie die Juden den siebenten Tag der Woche, den Sabbat, so veränderte sich dieses im Laufe der Zeit. In christlichen Ländern wurde das Gebot der Sabbatheiligung auf den Sonntag, den Tag der Auferstehung, übertragen. Kaiser Konstantin machte im Jahre 321 den Sonntag zum allgemeinen Feiertag im ganzen Römischen Reich. Theologisch gibt es keine Wertigkeit der Sonntage. Alle Sonntage haben die gleiche theologische Wurzel, alle Sonntage sind gleich wichtig.
Der Sonntag ist heute noch der Tag des Sich-Zurücknehmens, des Zu-Hörens, des Spielens, des Miteinanders und für manche auch der Tag des Kirchgangs. Für all dieses nutzt es nichts, wenn die Verkäuferin an der Theke der Bäckerei dann am Mittwoch frei hat. Der Sonntag ist eben auch eine soziale Errungenschaft. Wichtig für das Familienleben, das soziale Miteinander – ob in Kirche oder Verein.
Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt: Januar 2005 · 29. Jahrgang · Nr. 1