Archiv für Kommentare

Von Kurt-Helmuth Eimuth – 26. Januar 2014

Frauen wollen anders arbeiten

Nur drei Frauen kandidierten für einen der neun Vorstandsposten, die bei der gestrigen Sitzung des Frankfurter Stadtdekanates zu besetzen waren. Warum? Ein Kommentar von Kurt-Helmuth Eimuth.

Die Delegierten des Frankfurter Stadtdekanates hätten sich mehr Frauen unter den Kandidierenden gewünscht. Foto: Rolf Oeser

Die Stimmung war gut im Frankfurter Dominikanerkloster. Alle wollen das neue Stadtdekanat. Nach langen Jahren mit Strukturkommission, zahllosen Sitzungen und Gremien ist man endlich am Ziel. Die evangelische Welt Frankfurts stellt sich neu auf. Eine klare Struktur soll für ein ebenso klares Bild nach außen sorgen. Gut so.

Doch es war der Delegierte Baron Andreas von Koskull, der seine Hand auf eine offene Wunde legte. Drei von elf, so die einfache Gleichung: Nur drei Frauen erklärten sich bereit, für die verbleibenden neun Stellen im neuen Stadtdekanatsvorstand zu kandidieren. Man habe einfach nicht mehr Kandidatinnen gefunden, beteuerte glaubhaft Dekan Achim Knecht. Ein Phänomen, das sich auch bei der Besetzung anderer Gremien und Positionen zeigt. Frauen wollen nicht, oder andersherum: Für viele Frauen ist diese Form der Arbeit nicht attraktiv. Auch nicht in einer Kirche, deren Basis in den Gemeinden doch mehrheitlich von Frauen getragen wird.

Es lohnt sich, darüber nachzudenken, warum solche Ämter für Frauen nicht attraktiv sein könnten. Möglicherweise liegt es ja an den männlichen Ritualen und dem üblichen, maskulin orientierten Gebaren in solchen Gremien. Da geht es – zu oft – nicht um den offiziellen Tagesordnungspunkt, sondern um eine „zweite Agenda“, und die heißt Macht. Da müssen Einflussschneisen geschlagen, Terrain verteidigt und falsche Entscheidungen legitimiert werden. Oder es geht in so manchem Redebeitrag nur um die eigene Selbstdarstellung.

Das alles sind Verhaltensmuster, die vermutlich jeder und jede aus der eigenen Arbeitswelt kennt. Und die eine effiziente Lösungsfindung unnötig verlängern. Sitzungen werden dadurch über die Maßen zeitlich ausgedehnt. Mehr Frauen als Männer, so scheint es, wünschen sich eine andere Kultur. Bildlich steht da der Stuhlkreis mit einem bunten Tuch und Blumen in der Mitte dem Konferenzraum mit seinem unverrückbaren Konferenztisch – hinter dem man sich auch verstecken kann – gegenüber.

Eine uneitle, an der Sache orientierte Diskussions- und Entscheidungskultur wäre sicher nicht nur für Frauen attraktiver. Doch eine Welt, in der es um das Immer-Mehr geht, kann eine solche Kultur nur sehr schwer entwickeln. Der Wunsch der Delegierten des Stadtdekanats nach einer angemessenen Zahl von Frauen im Dekanatssynodalvorstand war jedenfalls sichtbar; und so ist es wohl auch kein Wunder, dass sich bei den Wahlen dort, wo Männer und Frauen zur Wahl standen, die Frauen durchsetzten. Vielleicht ist das ja auch ein Signal für einen anderen Arbeitsstil.

Die Dotationsverträge gehören abgelöst

Von Kurt-Helmuth Eimuth – 12. Oktober 2013

Obgleich es einen Verfassungsauftrag gibt, Dotationsverträge abzulösen, kommt seit über neun Jahrzehnten keine Bewegung in die Angelegenheit. Doch im Interesse der Glaubwürdigkeit sollten Staat und Kirche gemeinsam nach Regelungen suchen. Ein Kommentar von Kurt-Helmuth Eimuth.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Leiter der Redaktion von „Evangelisches Frankfurt“. Foto: Rolf Oeser

Seien wir einmal ehrlich: Wer verzichtet schon gerne auf Geld? Dafür muss man nicht besonders raffgierig sein. Wenn man sich an erst einmal an regelmäßige Einkünfte gewöhnt hat, fällt der Verzicht darauf schwer. Erst recht, wenn man Gutes damit tut.

So kommt es nicht von ungefähr, dass die Kirchen sich mit der Aufgabe ihrer Privilegien aus alten Dotationsregelungen schwer tun. Die Übersicht der in den Haushaltsplänen der Bundesländer ausgewiesenen Staatsleistungen an die Kirchen ergibt für das Jahr 2012 insgesamt 475 Millionen Euro, die die deutschen Amtskirchen als Zuschüsse erhalten haben. Obgleich es einen Verfassungsauftrag gibt, diese Verträge abzulösen, kommt seit über neun Jahrzehnten keine Bewegung in die Angelegenheit. Als der kirchenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der Linken dazu einen Gesetzentwurf einbrachte, stieß er auf taube Ohren. Nicht einmal eine Anhörung wollten die etablierten Parteien zulassen.

Ein Grund für das Zögern der Politik ist sicher, dass einmalige Entschädigungszahlungen ein laufendes Haushaltsjahr sehr stark belasten würden, während sich die Ablöse erst in den folgenden Jahren für den Staat „rechnet“. Doch es muss im Interesse der Kirche selbst liegen, die alten Dotationen neu zu regeln.

Entgegen der immer wieder geäußerten Hoffnung, dass die institutionalisierte Religion doch wieder an Bedeutung gewinnen könnte, ist es leider anders. Antikirchliche Strömungen nehmen zu. In Berlin wurden kürzlich per Verwaltungsakt Weihnachtsmärkte zu Wintermärkten umdeklariert und religiöses Engagement aus der Liste bürgerlichen Engagements gestrichen. Die Auseinandersetzung um das Tanzverbot an Karfreitag zeigt, dass solche Tendenzen längst in die Mitte der Gesellschaft vorstoßen, auch in Frankfurt.

Historisch bedingte Privilegien, an denen die Kirche heute noch festhält, sind Wasser auf die Mühlen einer solchen Kirchenkritik. Deshalb sollte die Frage der Ablösung der Dotationsverpflichtungen kreativ und konstruktiv in Angriff genommen werden. Sicher wird man dabei sehr sorgfältig fragen müssen, welches Interesse eine Stadtgesellschaft etwa an bestimmten Gebäuden und Dienstleistungen hat. Die Hauptwache ohne Katharinenkirche, der Römerberg ohne Dom und Nikolaikirche wären doch kaum denkbar.

Im Interesse der Glaubwürdigkeit sollten Staat und Kirche hier gemeinsam nach Regelungen suchen. Denn jetzt gibt es noch Gestaltungsspielräume.

Beitrag von Kurt-Helmuth Eimuth, veröffentlicht am 12. Oktober 2013 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe 2013/6 – Oktober.

Inklusion taugt nicht zum Sparen

Die evangelische Blindenarbeit in Frankfurt wird umstrukturiert, aber eine hauptamtliche Stelle wird nach Protesten wohl doch erhalten bleiben. Ein Kommentar zum Thema Inklusion.

Ein Wort macht seit Jahren die Runde, und doch verunsichert es oft mehr, als es klärt: Inklusion. Eingeführt wurde der Begriff von der UN-Behindertenrechtskonvention. Damit gemeint ist, dass alle Menschen, gleich welche speziellen Fähigkeiten sie haben, beachtet und beteiligt werden müssen.

Es geht also nicht mehr darum, Menschen mit Behinderungen in die Gesellschaft zu „integrieren“, sondern darum, gar nicht mehr per se zwischen „behindert“ und „nicht-behindert“ zu unterscheiden, sondern die unterschiedlichen Bedürfnisse aller Menschen bei Planungen selbstverständlich mit zu berücksichtigen. Auch der Jugendhilfeausschuss der Stadt Frankfurt hat vor wenigen Monaten Leitlinien zur Inklusion beschlossen, in denen steht: „Die Inklusion unterscheidet nicht zwischen Kindern, sie geht von der Individualität eines jeden Kindes aus.“ Das bedeutet zum Beispiel, dass alle Angebote und Einrichtungen für alle Kinder erreichbar sein müssen.

Inklusion bedeutet also gerade nicht, dass spezielle Fördermaßnahmen eingespart werden können, sondern eher das Gegenteil. Doch leider verkümmert der Gedanke der Inklusion in der Praxis meist doch zum Sparpaket, zum Beispiel in den hessischen Schulen. Wenn aber Inklusion meint, dass alle Einrichtungen möglichst allen Menschen offen stehen sollen, dann fängt das bei Alternativen zur Treppe an und hört bei der benötigten Therapiestunde noch lange nicht auf. Da müssen alle umdenken.

Kindertagesstätten etwa müssten völlig neu konzipiert werden: Was benötigen blinde Kinder, was hörgeschädigte Kinder, was Kinder im Rollstuhl? Soll ein Treppenhaus durch Rampen wie im Museum für Angewandte Kunst ersetzt werden? In Bezug auf Kirchengebäude wäre zu fragen: Was geschieht mit den vielen denkmalgeschützten Kirchen? Können diese umgebaut werden? Viele Ältere würden sich über eine zumindest rollatorgerechte Kirche sonntags freuen.

Aber Inklusion bedeutet nicht nur den Umbau von Gebäuden, sondern auch konzeptionelles Umdenken: Braucht es eine spezielle kirchliche Arbeit für Blinde, oder sollte nicht jede Kirchengemeinde offen sein für ihre erblindeten Mitglieder? Um den Gedanken der Inklusion in der alltäglichen Praxis umzusetzen, braucht es Fachleute, die zum Beispiel Gemeinden auf solche Aufgaben vorbereiten. Deshalb ist es gut, dass die Kirchenleitung die hauptamtliche Stelle in der Frankfurter Blindenarbeit nun doch nicht streicht. Inklusion eignet sich nicht zum Sparen. Ganz im Gegenteil.

Beitrag von , veröffentlicht am 14. Juli 2013 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe .

Distanz von Jugendlichen zur Kirchengemeinde ist normal

von Kurt-Helmuth Eimuth 12. Mai 2013

Nach der Konfirmation tauchen die meisten jungen Leute nur noch selten in der Kirchengemeinde auf. Was läuft da falsch? Nichts!

Party in der Jugendkulturkirche Sankt Peter – vielleicht ein Ort, wo Jugendliche auch nach der Konfirmation den Kontakt zur Kirche behalten können. Denn in den Gemeinden sind sie dann meist kaum noch anzutreffen. Foto: Rolf Oeser
Party in der Jugendkulturkirche Sankt Peter – vielleicht ein Ort, wo Jugendliche auch nach der Konfirmation den Kontakt zur Kirche behalten können. Denn in den Gemeinden sind sie dann meist kaum noch anzutreffen. Foto: Rolf Oeser

Drei Pfarrer haben das gleiche Problem: Fledermäuse im Glockenturm! Sagt der erste: „Ich habe es mit Ausräuchern probiert, jetzt stinkt die Kirche und die Fledermäuse sind alle schon wieder zurück.“ Sagt der zweite: „Ich habe es mit Kanonendonner probiert, das Ergebnis war, dass die Fledermäuse wieder da sind, und ich habe einen Hörschaden.“ Sagt der dritte: „Meine Fledermäuse sind weg: Ich habe sie erst getauft und dann konfirmiert!“

Ein alter Witz, ein altes Problem: Nach der Konfirmation tauchen die meisten jungen Leute nur noch selten in der Gemeinde auf. Was läuft da falsch? Die Entwicklungspsychologie sagt: Nichts! Die evangelische Konfirmation, die auf den in Straßburg wirkenden Reformator Martin Bucer zurückgeht und erstmals 1539 in der hessischen „Ziegenhainer Kirchenzuchtordnung“ formuliert wurde, ist ein Passageritus. Als solcher markiert die Konfirmation zwar heute in Westeuropa nicht mehr den Übergang vom Kind zum Erwachsenen wie noch im 18. Jahrhundert, als sich die Konfirmation in Deutschland flächendeckend durchsetzte. Aber es ist doch ein Lebenseinschnitt. Den Heranwachsenden wird nun mehr Entscheidungsspielraum zugebilligt und zugemutet.

Gerne nehmen die Jugendlichen das an. Sie wollen jetzt ihre eigenen Erfahrungen machen, Unbekanntes ausprobieren – und lehnen sich folgerichtig gegen das Alte auf. Allerdings gibt es durchaus Verbesserungsbedarf. Die Evangelische Kirche in Deutschland stellte kürzlich selbstkritisch fest: „Viele Jugendliche gewinnen nicht den Eindruck, dass die Kirche Antworten auf die Fragen hat, die für ihr eigenes Leben wirklich relevant sind.“

Trotz organisatorischer Schwierigkeiten durch die Ausweitung des Schulunterrichts auf den Nachmittag sind der Konfirmandenunterricht und die Konfirmation immer noch zentrale Bestandteile evangelischen Lebens. Mit dem nötigen Grundwissen und der Erfahrung des Konfirmandenunterrichts ausgestattet kann auch eine spirituelle Suchbewegung beginnen.

Doch diese Suche wird meist außerhalb der Heimatgemeinde stattfinden – und das ist auch nicht schlimm. Ob es nun die Mitwirkung in einem Gospelchor ist oder die Lan-Party in der Jugendkulturkirche oder auch eine zeitweilige Distanz zu kirchlichen Angeboten generell, ist egal. Erfolgreicher Konfirmationsunterricht zeigt sich nicht in der Größe gemeindlicher Jugendgruppen, sondern darin, ob die Basis für die spätere Lebensbewältigung an Stabilität gewonnen hat. Und dafür lohnt sich jede Mühe.

Distanz von Jugendlichen zur Kirchengemeinde ist normal

Nach der Konfirmation tauchen die meisten jungen Leute nur noch selten in der Kirchengemeinde auf. Was läuft da falsch? Nichts!

Kurt-Helmuth Eimuth ist Leiter der Redaktion von "Evangelisches Frankfurt". Foto: Rolf Oeser

Drei Pfarrer haben das gleiche Problem: Fledermäuse im Glockenturm! Sagt der erste: „Ich habe es mit Ausräuchern probiert, jetzt stinkt die Kirche und die Fledermäuse sind alle schon wieder zurück.“ Sagt der zweite: „Ich habe es mit Kanonendonner probiert, das Ergebnis war, dass die Fledermäuse wieder da sind, und ich habe einen Hörschaden.“ Sagt der dritte: „Meine Fledermäuse sind weg: Ich habe sie erst getauft und dann konfirmiert!“

Ein alter Witz, ein altes Problem: Nach der Konfirmation tauchen die meisten jungen Leute nur noch selten in der Gemeinde auf. Was läuft da falsch? Die Entwicklungspsychologie sagt: Nichts! Die evangelische Konfirmation, die auf den in Straßburg wirkenden Reformator Martin Bucer zurückgeht und erstmals 1539 in der hessischen „Ziegenhainer Kirchenzuchtordnung“ formuliert wurde, ist ein Passageritus. Als solcher markiert die Konfirmation zwar heute in Westeuropa nicht mehr den Übergang vom Kind zum Erwachsenen wie noch im 18. Jahrhundert, als sich die Konfirmation in Deutschland flächendeckend durchsetzte. Aber es ist doch ein Lebenseinschnitt. Den Heranwachsenden wird nun mehr Entscheidungsspielraum zugebilligt und zugemutet.

Gerne nehmen die Jugendlichen das an. Sie wollen jetzt ihre eigenen Erfahrungen machen, Unbekanntes ausprobieren – und lehnen sich folgerichtig gegen das Alte auf. Allerdings gibt es durchaus Verbesserungsbedarf. Die Evangelische Kirche in Deutschland stellte kürzlich selbstkritisch fest: „Viele Jugendliche gewinnen nicht den Eindruck, dass die Kirche Antworten auf die Fragen hat, die für ihr eigenes Leben wirklich relevant sind.“

Party in der Jugendkulturkirche Sankt Peter – vielleicht ein Ort, wo Jugendliche auch nach der Konfirmation den Kontakt zur Kirche behalten können. Denn in den Gemeinden sind sie dann meist kaum noch anzutreffen. Foto: Rolf Oeser

Trotz organisatorischer Schwierigkeiten durch die Ausweitung des Schulunterrichts auf den Nachmittag sind der Konfirmandenunterricht und die Konfirmation immer noch zentrale Bestandteile evangelischen Lebens. Mit dem nötigen Grundwissen und der Erfahrung des Konfirmandenunterrichts ausgestattet kann auch eine spirituelle Suchbewegung beginnen.

Doch diese Suche wird meist außerhalb der Heimatgemeinde stattfinden – und das ist auch nicht schlimm. Ob es nun die Mitwirkung in einem Gospelchor ist oder die Lan-Party in der Jugendkulturkirche oder auch eine zeitweilige Distanz zu kirchlichen Angeboten generell, ist egal. Erfolgreicher Konfirmationsunterricht zeigt sich nicht in der Größe gemeindlicher Jugendgruppen, sondern darin, ob die Basis für die spätere Lebensbewältigung an Stabilität gewonnen hat. Und dafür lohnt sich jede Mühe.

Beitrag von , veröffentlicht am 12. Mai 2013 in der Rubrik Lebenslagen, Meinungen, erschienen in der Ausgabe , .

Ein Risiko für die psychische Gesundheit der Kinder

Von – 23. Februar 2013

Gegen das im Entwurf vorgelegte Hessische Kinderförderungsgesetz (HessKifög) laufen die Träger von Krippen, Kindertagesstätten und Horten Sturm. Zu Recht.

Das neue Gesetz soll zum Januar 2014 in Kraft treten. Am 7. März ist eine Anhörung im Sozialausschuss des Landtags geplant, im April soll das Gesetz beschlossen werden. Derzeit werden in den Kindertagesstätten Unterschriften gesammelt und Demonstrationen dagegen vorbereitet.

Das Gesetz vereint Rechtsvorschriften und Verordnungen und gibt vor – so Sozialminister Stefan Grüttner – die Qualität in den Einrichtungen zu verbessern. Die Wohlfahrtsverbände, auch die Kirchen, weisen demgegenüber darauf hin, dass die Versäumnisse der letzten Jahre auf Kosten der Qualität gelöst werden sollen. Um den im Jahr 2008 beschlossenen Rechtsanspruch für Kinder unter 3 Jahren am 1. August 2013 umsetzen zu können, werden die Standards für Personal und Öffnungszeiten heruntergeschraubt.

Zwanzig Prozent Personal mit “fachfremder” Ausbildung

So sieht das KiFöG vor, dass Personen mit fachfremder Ausbildung in den Gruppen arbeiten. Dies widerspricht allen Empfehlungen wissenschaftlicher Studien, die besagen, dass unterhalb des Fachschulniveaus keine Kräfte eingestellt werden sollten. Das KiFög möchte hingegen bis zu zwanzig Prozent „fachfremder“ Personen zulassen.

Und dieses weniger für die Aufgabe von Erziehung und Bildung vorbereitete Personal soll dann auch noch eine zu große Zahl von Kindern betreuen. In allen Altersstufen unterläuft Hessen schon jetzt das gebotene Verhältnis von Fachkräften und Kindern. Bildung braucht  Bindung. Erst wenn sich ein Kind sicher und geborgen fühlt, kann es sich für die ihm eigenen Bildungsprozesse öffnen.

Jüngere Kinder brauchen individuelle Zuwendung

Je jünger die Kinder sind, desto mehr individuelle Zuwendung benötigen sie. Scharf verurteilt deshalb auch Norbert Neuß, Pädagogik-Professor an der Universität Gießen, dass künftig bis zu 16 Kinder im „U3-Bereich“ (also in Krippen) in einer Gruppe aufgenommen werden können sollen: „Das widerspricht nicht nur den wissenschaftlichen Mindeststandards, sondern auch allen Forschungsergebnissen aus der Bindungsforschung! Unter den durch das HessKifög geplanten Umständen wird eine Krippenbetreuung zu einem nicht einschätzbaren Risiko für die psychische Gesundheit der jungen Kinder.“

Auch die Finanzierung von Öffnungszeiten wird bei 42 Stunden pro Woche gekappt. Das bedeutet aber für viele Eltern das Ende einer möglichen Vollerwerbstätigkeit. Das Gesetz unterläuft damit die Bestrebungen der Wirtschaft, Fachkräfte zu halten und zu gewinnen.  Die Deutsche Industrie- und Handelskammer hat einen unmittelbaren Zusammenhang von Kinderbetreuungsangeboten und Fachkräftegewinnung festgestellt. Das nun vorgelegte Gesetz widerspricht also nicht nur pädagogischen, sondern auch wirtschaftlichen Notwendigkeiten.

Nicht nur Quantität zählt, sondern auch Qualität

Frankfurt, die Familienstadt, hat dies längst erkannt und sich beim Ausbau der Krippenplätze an die Spitze derer gesetzt, die nicht nur Quantität sondern auch Qualität wollen. Mit städtischen Mitteln finanziert sie seit langem weit mehr als das, was das Land Hessen als Minimum fordert. „Ausgehend von der Finanzierungsvereinbarung zwischen der Stadt und den freien Trägern gibt es derzeit in Frankfurt standardisierte Öffnungszeiten, eine Regelung zu angemessenen Gruppengrößen in den verschiedenen Altersgruppen und der Personalbemessung. Dies gilt es zu halten und auszubauen“, betont der Fachausschuss Kinderbetreuung der Stadt Frankfurt. Daran könnte sich das Land ein Beispiel nehmen. Oder sollte wirklich angesichts der Milliarden, die für Banken und Rettungsschirme ausgegeben werden, kein Geld für die Kinder da sein?

Empörung allein bringt nichts

Empörung allein bringt nichts

Hoch sensibel reagiert die Gesellschaft auf vermeintliche oder tatsächliche Fehltritte führender Persönlichkeiten. Nicht nur in der Politik, sondern auch in der Kirche. Aber Empörung allein bringt nichts.

Kein Zweifel, ein Flug erster Klasse, um Slums in Indien zu besuchen, lässt sich kaum rechtfertigen. Und eine Studie zur Größe der kirchlichen Dienstwagen und ihrem CO2-Ausstoß hat ergeben: Die Limousinen der Oberklasse verbrauchen zu viel.

Keine Frage – Führungspersönlichkeiten müssen sich an ihren eigenen Maßstäben messen lassen. Nur: Kleinliche Neiddebatten helfen nicht weiter. Es ist doch völlig einleuchtend, dass Minister und Aufsichtsratsvorsitzende in bequemen Autos durchs Land gefahren werden. Schließlich ist der Wagen für sie ihr zweites Büro, und zudem bieten die Autohersteller deftige Nachlässe an, weshalb auch manch kirchliche Führungspersönlichkeit nicht im Golf vorfährt.

Apropos Golf. Kann man es Peer Steinbrück wirklich übel nehmen, dass auch er Wagen mit großem Hubraum bevorzugt? Würden wir das nicht alle tun, wenn wir als Spitzenpolitiker unterwegs wären? Sein Fehler war lediglich, dass er es gesagt hat. Sicher ist es auch richtig, dass es irgendwie eine Unwucht darstellt, wenn ein Sparkassendirektor besser bezahlt wird als die Kanzlerin. Man sollte solche Sparkassen- und Bankgehälter gerade in Zeiten der Finanzkrise überdenken. Schließlich können immer mehr Menschen von ihrem Lohn kaum leben, während die Spitzengehälter in ungeahnte Höhen schießen.

Würden wir nicht auch das Geld nehmen?

Doch zurück zum Kanzlerkandidaten. Seine Äußerung wurde so verstanden, als fordere er für sich im Kanzleramt mehr Geld. Einem, der seine Vorträge so teuer wie möglich verkauft, traut man das zu. Aber seien wir ehrlich: Würden wir nicht auch das Geld nehmen?

Mediale Empörung über das Fehlverhalten Einzelner verschleiert eher Missstände, als dass es sie aufdeckt. Warum muss ein Unternehmen der Stadtwerke Bochum überhaupt solch teure Marketingmaßnahmen machen? Warum wird die Automobilindustrie nicht dazu verpflichtet, Autos mit niedrigem Verbrauch zu bauen? Warum gibt es ein Steuerprivileg für Dienstwagen? Und schließlich: Wie kann man eine gerechtere Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums erreichen?

Schwierige Fragen mit komplexen Antworten. Das ist schlecht auf eine Schlagzeile zu bringen und anstrengend zu verstehen. Empörung geht halt einfacher.

Beitrag von , veröffentlicht am 13. Februar 2013 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe .

Die Sehnsucht nach Gerechtigkeit

Wenn das Occupy-Camp eines verkörpert hat, dann die tiefe Sehnsucht nach Gerechtigkeit. Bis ins konservative Lager hinein spüren viele, dass der heutige Turbokapitalismus vor allem eines ist: ungerecht. Es hat eine Diskussion begonnen über die Vision einer Gesellschaft: Soll sie sich nur nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausrichten? Oder soll sie vor allem gerecht sein?

Kurt-Helmuth Eimuth ist Leiter der Redaktion von “Evangelisches Frankfurt”. Foto: Rolf Oeser 

An vielen Stellen werden Ungerechtigkeiten wieder angeprangert. Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel etwa fordert inzwischen einen Verkaufsstopp für den Bio-Sprit E 10: Es gebe einen „Konflikt zwischen Tank und Teller“. Recht hat er, denn der Anbau von Biomasse zur Spritgewinnung treibt die ohnehin steigenden Lebensmittelpreise weiter nach oben und verbreitet den Hunger in der Welt.

Noch so eine Ungerechtigkeit wird die Entwicklungshilfe direkt treffen. Die Finanzkrise hat nämlich ihre Auswirkungen nicht nur im Euro-Raum. Viele EU-Staaten wollen die Ausgaben für Entwicklungshilfe zurückfahren. Spanien und Griechenland haben ihr Budget schon um 30 bis 40 Prozent gekürzt. Noch 2005 hatte die EU versprochen, 0,7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung bis 2015 in Entwicklungshilfe zu investieren. Deutschland liegt mit 0,39 Prozent weit hinter dieser Marke.

Und noch so eine Ungerechtigkeit wird möglicherweise ins Visier genommen: Die steuerliche Benachteiligung eingetragener Lebenspartnerschaften im Vergleich zur Ehe. Das Ehegattensplitting ist ohnehin vielen ein Dorn im Auge, schließlich kostet es den Staat 20 Milliarden Euro jährlich und bevorzugt vor allem sehr gut verdienende Haushalte mit nur einem Einkommen – unabhängig davon, ob Kinder im Haushalt leben. Für diese gewaltige Summe kann man sich effektivere Modelle der Familienförderung vorstellen.

Und schließlich ist da noch der Stachel von Hartz IV. Das Modell war ökonomisch erfolgreich, aber es hat einen bitteren Beigeschmack. Denn die Hartz-Gesetze drängten zwar die Arbeitslosigkeit zurück, schufen aber auch Armut trotz Arbeit und führten zu einer Ausweitung des Niedriglohnbereichs. Auch Dank der neuen sozialen Bewegungen hat inzwischen eine Diskussion darüber begonnen, ob etwa ein Grundeinkommen für alle eine Alternative sein könnte.

An vielen Stellen brechen derzeit solche Debatten auf – und das ist gut so. Denn die Idee einer gerechten Gesellschaft ist auch eine im Kern christliche Idee.

Kurt-Helmuth Eimuth, Evangelisches Frankfurt, September 2012

Kindeswohl vor Religionsfreiheit: Ja bitte!

Ein Kommentar von Kurt-Helmuth Eimuth

Zugegeben, es ist eine belastete Diskussion, die nach dem Kölner Urteil zur Beschneidung entbrannte. Kulturelle Traditionen und Jahrhunderte alte Verletzungen und Vorurteile werden wieder in Erinnerunng gerufen.

Ohne Zweifel ist die Beschneidung Teil einer religiösen Identität. Dies ist zu beachten und zu respektieren. Es steht auch niemandem zu, dies religiös zu bewerten.

Doch haben alle Menschen, gleich welchen Alters, nach unserem Grundgesetz das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Eine Erkenntnis, die sich erst langsam in unserer Gesellschaft durchsetzt. Denkt man etwa daran, dass es über fünfzig Jahre dauerte, bis das Schlagen von Kindern gesetzlich auch den Erziehungsberechtigten verboten wurde.

Eine Beschneidung ist irreversibel, bereitet zudem Schmerzen. Nach unserem Rechtsverständnis haben auch Eltern nicht das Recht solches ihren Kindern anzutun. Die Motive der Eltern – und seien sie noch so ehrenwert – dürfen da keine Rolle spielen.

Vieleicht ist es ja ein Ausweg, die Beschneidung an die Religionsmündigkeit zu koppeln. Wer mit 14 Jahren ja zu seiner Religion sagt, mag sich dann in eigener Verantwortung beschneiden lassen.

Die derzeitige Diskussion allerdings gleicht eher einem Kulturkampf. Dies führt nicht weiter.

Im Vordergrund muss das Kindeswohl stehen. In der Diskussion vermisse ich die Stimme all derer, die dieses verteidigen. Wo bleiben die Voten der Konderschutzbeauftragten und Pädagoginnen und Pädagogen?

Evangelisches Frankfurt online 3. Juli 2012

Schulpfarrämter zu streichen ist falsch

Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) will massiv Pfarrstellen an Schulen streichen. Hundert von derzeit 172 Schulpfarrstellen sollen wegfallen.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Leiter der Redaktion von “Evangelisches Frankfurt”. Foto: Rolf Oeser

Grund für die Kürzungen ist nicht, dass die Kirche sparen muss: Finanziert werden diese Stellen weitestgehend vom Staat, denn Religion ist in Deutschland ordentliches Lehrfach.

Hintergrund ist vielmehr der absehbare Fachkräftemangel. Denn es fehlt in Deutschland nicht nur an Ingenieuren, Krankenpflegern und Erzieherinnen, sondern auch an geistlichem Personal: Über 900 Pfarrerinnen und Pfarrern gehen in den kommenden zwölf Jahren in Hessen und Nassau in Ruhestand. Davon sollen 550 ersetzt werden – ohnehin ein massiver Stellenabbau. Und trotzdem wird es schwer sein, diese Stellen zu besetzen. Kaum noch junge Menschen studieren Theologie mit dem Berufsziel Pfarramt.

Um dem Engpass abzuhelfen und möglichst viele Stellen in den Kirchengemeinden zu erhalten, will man überproportional in der Schule kürzen. Aber das verkennt die wichtige Bedeutung der Schulpfarrämter. Viele junge Menschen begegnen hier der Kirche zum ersten Mal. Schulpfarrerinnen und Schulpfarrer sind zusätzlich zum Unterricht auch Seelsorgerinnen und Seelsorger, sie organisieren Gottesdienste, sie vertreten die Kirche in der Schulgemeinde.

Es ist für die Kirche eine große Chance, in der Schule Menschen aller Weltanschauungen zu begegnen. In einer Zeit der Säkularisierung, Pluralisierung und des immer wieder beklagten Mitgliederschwundes hat sie hier die einmalige Möglichkeit, ihre Botschaft auch außerhalb der eigenen Kreise zu verbreiten, Menschen zu überzeugen, mit ihrem Personal präsent zu sein. Und das auch noch fast kostenneutral.

Der Reflex, angesichts der Personalknappheit die Bedürfnisse der Gemeinden erst einmal höher zu werten als die der Schulen (und wahrscheinlich auch noch anderer übergemeindlicher Arbeitsfelder), ist zwar nachzuvollziehen, aber dennoch falsch. Denn bei allem Verständnis für die Bedarfe von Kirchengemeinden führt das nur zu immer weiterer „Milieuverengung“.

Die Kirche hat den Auftrag, hinaus in die Welt zu gehen, Menschen zu überzeugen. Sie muss auch der inzwischen weit verbreiteten antikirchlichen Stimmung etwas entgegen halten. Gerade in der Schule hat sie dazu eine großartige Möglichkeit. Es wäre unklug, sie leichtfertig verspielen.

Beitrag von , veröffentlicht am 24. Juni 2012 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe .